Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 24. März 2006
Aktenzeichen: 6 U 115/05

(OLG Köln: Urteil v. 24.03.2006, Az.: 6 U 115/05)

Tenor

I.

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin wird das am 27.05.2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 72/04 - abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht fest-zusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Einverständnis der Klägerin oder deren Muttergesellschaft, der K. D. S. A. S., Paris, Taschen wie nachstehend abgebildet anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen:

pp.

2.

der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die unter vor-stehend Ziffer 1. genannten Verletzungshandlungen ab dem 01.04.2003, und zwar unter Bekanntgabe der erzielten Umsätze und des erzielten Gewinns, aufgeschlüsselt nach Artikeln, ihren jeweiligen Einkaufs- und Verkaufspreisen und den einzelnen Kostenfaktoren der Gestehungskosten, der Menge der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach Artikelnummer, Bestell- und Lieferdaten, und der Art und des Umfangs der be-triebenen Werbung unter Angabe der Werbemaßnahmen und der Werbeträger, deren Auflagenzahl und Verbreitungsgebiet, sowie Angaben zu machen über die jeweiligen gewerblichen Abnehmer und Lieferanten;

3.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen der vorstehend unter Ziffer 1. beschriebenen Art seit dem 01.04.2003 bereits entstanden ist oder noch ent-stehen wird.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagten.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die voll-streckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung 50.000 €, hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung 5.000 € sowie hinsichtlich der Kosten 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch, die 100%ige Tochter und deutsche Alleinvertriebsberechtigte der K. D. S.A.S., Paris, zu sein, deren weitere, französische Tochtergesellschaft, die M. S.A.S., unter der Bezeichnung "L. P." eine Modellreihe faltbarer Taschen herstelle. Hinsichtlich der äußeren Aufmachung dieser Taschen mit den Modellbezeichnungen 1621, 1623, 1624, 2605 und 2724 wird auf die aus den Anlagen K 31, 34, 36, 38 und 40 ersichtlichen Abbildungen sowie die als Originalmodelle in Form der Anlagen K 18, 79 und EVK 11 der Beiakte eingereichten Taschen Bezug genommen. Zugunsten der Q. D. S.A. ist ein Modelle der faltbaren Taschen betreffendes Geschmacksmuster (Reg.-Nr. M XXXXXXX.X) eingetragen, an dem die Klägerin Nutzungsrechte besitzt.

Die Beklagte zu 2. vertreibt unter der Marke der Beklagten zu 1. faltbare Taschen wie im Tenor dieses Urteils abgebildet.

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus eigenem Recht bzw. in Prozessstandschaft für die M. S.A.S - nur - unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten, nämlich wegen vermeidbarer betrieblicher Herkunftstäuschung sowie unangemessener Ausbeutung bzw. Beeinträchtigung der Wertschätzung ihrer Produkte, auf Unterlassung des Angebots und Vertriebs, auf Auskunftserteilung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Sie hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei den unter der Marke M. vertriebenen Taschen mit den fraglichen Modellnummern um wettbewerblich eigenartige Erzeugnisse handele, welche durch die aus dem Tenor ersichtlichen Taschen der Beklagten in unlauterer Weise nachgeahmt würden.

Mit Urteil vom 27.05.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass es an einer - fortbestehenden - wettbewerblichen Eigenart der klägerischen Taschen fehle. Hiergegen wendet die Klägerin sich mit der Berufung. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie die erstinstanzlichen Klageanträge weiter, den ursprünglich auf eigene sowie Ansprüche der M. S.A.S. bezogenen Schadensersatzfeststellungsantrag allerdings nur noch mit der Maßgabe, dass sich die Verurteilung zur Feststellung auf die eigenen Schadensersatzansprüche beziehen soll. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Behauptungen insbesondere zur wettbewerblichen Eigenart und großen Bekanntheit ihrer Taschen. Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil, wobei sie weiterhin die Aktivlegitimation der Klägerin bestreiten.

Der Senat hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 13.1.2006 durch Vernehmung der Zeugen K. D. und J. A. Beweis erhoben über Herstellereigenschaft sowie Vertriebsstruktur bezüglich die klägerischen Falttaschen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.03.2006 verwiesen.

Die Akte des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens der Parteien 31 O 658/03 LG Köln war zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin führt in der Sache zum Erfolg. Das Landgericht hat Ansprüche der Klägerin aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz zu Unrecht verneint. Die angegriffenen Taschen stellen sich als wettbewerblich unlautere Nachahmungen i.S. von § 1 UWG a.F. bzw. §§ 3, 4 Nr. 9 a UWG der klägerischen Taschen mit den Modellnummern 1621, 1623, 1624, 2605 und 2724 dar.

1.

Die Klägerin ist aus eigenem Recht aktivlegitimiert zur Verfolgung der streitgegenständlichen Ansprüche.

Ein eigenständiges wettbewerbsrechtliches Leistungsschutzrecht kann neben dem Hersteller als demjenigen, dessen Leistung nachgeahmt wird, auch einem ausschließlich Vertriebsberechtigten zustehen (vgl. BGH GRUR 2004, 941, 943 - Metallbett; GRUR 1994, 630, 634 - Cartier-Armreif). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stellt sich die Klägerin in diesem Sinne als Alleinvertriebsberechtigte der M. S.A.S., der Herstellerin der fraglichen Taschen, dar.

Der Zeuge K. D., Generaldirektor der D. S.A.S., Paris, und gleichzeitig der M. S.A.S., Paris, hat in seiner Vernehmung vor dem Senat ausführlich zu den Strukturen des M.-Konzerns Stellung genommen und erläutert, dass das französische Unternehmen M. S.A.S. Hersteller der "L. P."-Taschen ist, wobei dieses ebenso wie die Klägerin eine 100%ige Tochter der D. S.A.S. ist. Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Angaben, die zur Herstellereigenschaft von der Zeugin A. bestätigt worden sind, bestehen nicht.

Der Senat verkennt nicht, dass die von dem Zeugen weiter bekundeten Beziehungen zwischen der M. S.A.S. als Herstellerin und der Klägerin als deutscher Vertreiberin nicht dem Regelfall einer ausschließlichen Vertriebsberechtigung entsprechen, welche typischerweise zu Bejahung eines eigenständigen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzrechtes des solcherart ausschließlich Berechtigten führen. Aus der uneingeschränkt glaubhaften Aussage des Zeugen D. geht nämlich hervor, dass die Klägerin nicht nur die fraglichen Waren der M. S.A.S. in Deutschland vertreibt, sei es in eigenen Boutiquen oder über selbständige Dritte, sondern dass sie außerdem in der Art eines Handelsvertreters unmittelbar zwischen dem französischen Hersteller und deutschen Händlern abzuwickelnde Geschäfte gegen Zahlung einer Provision vermittelt. Letztgenannte Tätigkeit ist indes nicht geeignet, ihre aus eigenem Recht resultierende Anspruchsberechtigung zu hindern. Der Zeuge D. hat die Klägerin als "unser(en) Exklusivhändler für den Vertrieb unserer Produkte in Deutschland" bezeichnet, und diese Einordnung wird ihrer Rolle bei dem Vertrieb der in Frankreich hergestellten Taschen in Deutschland auch gerecht. Fest steht nämlich, dass keine Tasche in Deutschland verkauft wird, sei es im Großhandel oder an Endverbraucher, ohne dass die Klägerin hieran beteiligt wäre, und sei es auch nur als Vermittler. Deshalb und weil im Übrigen nach den weiteren Angaben des Zeugen D. auf den Verkauf der fraglichen Taschen in den im Eigentum der Klägerin stehenden und deshalb unmittelbar auf sie verweisenden M.-Boutiquen ganz erhebliche Jahresumsätze von 3 bis 4 Mio. € entfallen sollen ist sie einem ausschließlich Vertriebsberechtigten wie etwa einem Alleinimporteur gleichzustellen. Der Vertrieb von Nachahmungen begründet nämlich die Gefahr, dass - auch - über die Herkunft aus dem Betrieb der Klägerin als von dem Hersteller ausschließlich berechtigtem Händler bzw. Vermittler getäuscht wird.

2.

Das zu Gunsten der - offenkundig konzernzugehörigen - Q. D. S.A. eingetragene Geschmacksmuster, an welchem die Klägerin Nutzungsrechte hat, steht der Geltendmachung der auf die Vorschriften über den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Klageansprüche nicht entgegen. Aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung des ein bestimmtes Leistungsergebnis schützenden Geschmacksmustergesetzes einerseits und des den Schutz vor vermeidbarer Herkunftstäuschung gewährleistenden Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb andererseits können hieraus resultierende Ansprüche nebeneinander bestehen (vgl. BGH Urteil v. 15.09.2005 - I ZR 151/02, GRUR 2006, 79 - Jeans).

3.

Nach den zu § 1 UWG a.F. entwickelten Grundsätzen, die nunmehr in §§ 3, 4 Nr. 9 a UWG verankert sind, können Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gegen die Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses begründet sein, wenn bei dem Vertrieb von Nachahmungen eines Erzeugnisses die Gefahr einer Herkunftstäuschung besteht und der Nachahmer zumutbare und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Verwechslung unterlassen hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; vgl. zuletzt BGH GRUR 2005, 600 - Handtuchklemmen; BGH WRP 2005, 88 - Puppenausstattungen). Dieser ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung hat nicht nur zur Voraussetzung, dass das nachgeahmte Erzeugnis bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, sondern es muss wettbewerbliche Eigenart besitzen. Die erforderliche, nämlich im Fall der Nachahmung die Gefahr der Herkunftstäuschung begründende wettbewerbliche Eigenart ist gegeben, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH a.a.O.). Diese Voraussetzungen lassen sich im Streitfall feststellen.

a)

Die Taschen der Modellreihe "L. P.", aus welchen die Klägerin Rechte herleitet, verfügen über jedenfalls durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart in diesem Sinne. Sie weisen eine Reihe von Merkmalen auf, die in ihrer Kombination geeignet sind, auf die betriebliche Herkunft der solcherart gestalteten Produkte hinzuweisen.

Zwar entstammen die Einzelelemente, welche die klägerischen Taschen auszeichnen, durchaus dem vorbekannten Formenschatz herkömmlicher (Damen-) Handtaschen bzw. (faltbarer) Einkaufstaschen. Dies schließt es indes nicht aus, dass die Kombination vorhandener Elemente zu einer eigenständigen, neuartigen und deshalb im wettbewerbsrechtlichen Sinne eigenartigen Form führen kann (BGH a.a.O. - Jeans). So liegt der Fall hier. Das Gesamterscheinungsbild der Taschen wird geprägt von dem Spiel mit Kontrasten in drei Variationen, nämlich erstens dem Materialmix aus hochwertigem Leder für bestimmte Applikationen und demgegenüber Nylongewebe für den Taschenkörper, zweitens der Kombination von geprägtem Material (Leder) und glattem (Nylon) sowie drittens der Zweifarbigkeit dieser Materialien - das Leder wird durchgehend bei allen Modellen in einem mittelbraunen Farbton verwendet und mit andersfarbigem Nylonmaterial kombiniert. Die herkunftshinweisende Funktion ergibt sich zudem aus der Anordnung und spezifischen Formgebung der in Leder gehaltenen Teile, nämlich dem mittigen Überschlag, den zwei außen mit Sichtnähten angebrachten Henkelgriffen und den Abschlussapplikationen ("Ohren") an den Reißverschlussenden, an die sich der im Querformat angeordnete Taschenkorpus anschließt.

Die durch diese Gestaltungselemente bedingte Gesamtanmutung ist die einer sportlichen und funktionalen, gleichzeitig aber modernen, chicen und hochwertigen Tasche, welche zwar den Gebrauchswert altbekannter geräumiger und faltbarer Einkaufstaschen erreicht, ohne indes deren antiquiert wirkendes Erscheinungsbild aufzunehmen.

b)

Weder das bei Eintritt der klägerischen Produkte in den deutschen Markt im Jahr 1993 vorhandene wettbewerbliche Umfeld noch das derzeit zu beobachtende ist geeignet, die von Hause aus bestehende wettbewerbliche Eigenart dieser Taschen zu beseitigen.

Soweit die Beklagten ein Modell in Bezug nehmen, welches das Unternehmen H. X. & Co. im Jahr 1974 herausgebracht hat, vermag der Senat anhand der als Anlage K 1 der Beklagten zu 2) vorgelegten Schwarz-Weiß-Zeichnung der fraglichen Tasche bereits nicht festzustellen, dass diese über die besonderen, die wettbewerbliche Eigenart der "L. P."-Taschen gerade ausmachenden Merkmale verfügen würde. Davon abgesehen, dass der Taschenkörper im für eine herkömmliche Einkaufstasche gebräuchlichen Längsformat angeordnet ist und nicht quer wie bei den klägerischen Modellen, fehlen Anhaltspunkte sowohl für den prägnanten Materialmix als auch die Zweifarbigkeit, welche die Gesamtanmutung der klägerischen Taschen ausmachen.

Die äußere Gestaltung sonstiger von den Beklagten angeführter Taschenmodelle, so insbesondere die auch als Originalexemplare vorgelegten Taschen der Unternehmen Gabor (Anlage T 4), ELLE (Anlage T 5), Picard (Anlage T 6) oder Tengelmann (Anlage T 8), weisen in keinem Fall die besondere Kombination prägender Elemente auf, welche die klägerischen Produkte kennzeichnen mit der Folge, dass auch die Gesamtanmutung eine andere ist. Im Übrigen gilt für diese Modelle wie auch für das von der Fa. X. vertriebene, dass der Senat mangels jeglicher Erkenntnisse zu Absatz-/Umsatzzahlen dieser Taschen nicht in die Lage versetzt wird, eine relevante, d.h. zur Schwächung der originären wettbewerblichen Eigenart der klägerischen Modelle geeignete Präsenz auf dem deutschen Markt festzustellen.

4.

Der Senat folgt der Klägerin darin, dass die Taschen der Modellreihe "L. P." bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit (vgl. hierzu BGH a.a.O. - Handtuchklemmen; BGH a.a.O. - Jeans) erreicht haben, welche erforderlich ist, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung durch den Vertrieb von Nachahmungen überhaupt erst entstehen zu lassen.

Es spricht Einiges für die Richtigkeit der von der Klägerin mitgeteilten ganz erheblichen Umsatzzahlen mit den fraglichen Taschen in Deutschland - sie will 2,3 Mio. € in 2001, 3,4 Mio. € in 2002, 5,29 Mio. € in 2003 und 3,5 Mio. € in 2004 umgesetzt haben -, wobei der Zeuge D. in seiner Vernehmung einen nur auf die von der Klägerin betriebenen Boutiquen entfallenden Jahresumsatz von 3 bis 4 Mio. € genannt hat. Einer Aufklärung im Einzelnen bedarf dies indes nicht. Den Mitgliedern des Senats ist aus eigener Anschauung bekannt, dass die Taschen in einer unüberschaubaren Vielzahl von Lederwarengeschäften auch außerhalb der unternehmenseigenen "M."-Boutiquen sowie in den einschlägigen Abteilungen der größeren Warenhäuser angeboten werden. Diese Erfahrung wird bestätigt durch die von der Klägerin belegten lobenden Erwähnungen ihrer Taschen in allgemein verbreiteten Druck- und Online-Publikationen, welche sich insbesondere an weibliche, modebewusste Verbraucher wenden, mithin die von dem Produkt angesprochenen Verkehrskreise; auf die aus den Anlagenkonvoluten K 82 a - e, 83 und 84 ersichtlichen deutschen Veröffentlichungen wird exemplarisch verwiesen. Eine die Gefahr von Herkunftstäuschungen grundsätzlich eröffnende hinreichende Verkehrsbekanntheit ist deshalb ohne weiteres zugrunde zu legen.

5.

Die angegriffenen Produkte stellen sich als unlautere Nachahmung der wettbewerblich eigenartigen Taschen der Klägerin dar.

a)

Die feststellbaren geringen Unterschiede in den spezifisch herkunftskennzeichnend wirkenden Gestaltungsmerkmalen - die Beklagten verwenden ein glattes lederartiges Material anstelle eines geprägten und Form bzw. Größe der hieraus gefertigten Applikationen sind geringfügig abweichend gestaltet - sind nicht geeignet, die Gesamtanmutung der angegriffenen Waren in anderer Weise als einer den klägerischen Produkten hochgradig ähnlichen auszumachen, wie eine beispielhafte Gegenüberstellung der dem Senat zur Ansicht vorliegenden Originalexemplare in Form der Anlagen K 79 bzw. K 18 als Modelle der Klägerin und K 80 bzw. K 16 als solche der Beklagten augenfällig belegt.

b)

Infolge der hohen Ähnlichkeit im Gesamteindruck der jeweiligen Taschen besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung des Verkehrs i.S. des § 4 Nr. 9 a UWG.

Diese wird insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, dass sowohl die klägerischen Taschen als auch die von den Beklagten angebotenen von Seiten des Herstellers mit einem Papieranhänger versehen werden, welcher mit "M. PARIS" bzw. "O. Y. bags" gekennzeichnet ist. Eine Verwechslungsgefahr in der Kaufsituation, erst recht eine solche in der dieser vorangehenden Werbung, und darauf ist jeweils maßgeblich abzustellen (vgl. BGH GRUR 2005, 476 - Klemmbausteine III), ist nämlich schon deshalb nicht beseitigt, weil nicht gewährleistet ist, dass sich die fragilen, papiernen Anhänger dann noch an den Waren befinden (so auch zu Pappschildern an Hosentaschen BGH a.a.O. - Jeans). Ihre praktische Bestätigung findet diese Annahme in dem Umstand, dass sich derartige Anhänger an der Mehrzahl der offensichtlich fabrikneuen Originalausfertigungen der jeweiligen Modelle, welche im Laufe des Verfahrens zur Akte gereicht worden sind, nicht (mehr) befinden.

Überdies kann eine sich in der konkreten Kaufsituation auswirkende unmittelbare Verwechslung auch daher rühren, dass der interessierte Käufer eine Tasche der Klägerin zunächst bei ihrem Gebrauch im allgemeinen Verkehr wahrgenommen und sodann in einem Modell der Beklagten, welches ihm in einem Geschäft begegnet, wiederzuerkennen glaubt.

c)

Die Beklagten wenden ohne Erfolg ein, das zur Vermeidung einer Herkunftsverwechslung Nötige getan zu haben. Insbesondere ist es nicht als ausreichend anzusehen, dass sie Herstellerkennzeichnungen der klägerischen Produkte teils weggelassen, teils durch eigene ersetzt haben.

Die M.-Taschen verfügen über drei auf den Hersteller verweisende Kennzeichnungen: Auf der ledernen Überschlaglasche ist das Firmenlogo des Konzerns, ein galoppierendes Pferd mit Reiter, aufgeprägt. Darunter befindet sich die Unternehmensbezeichnung mit Gründungsjahr "M. 1948" nebst stilisiertem Reiter-Logo in dem Metalldruckknopf. Auf die Eigenschaft als Produkt aus dem Hause M. weist überdies der runde, metallene Reißverschlussanhänger hin, der Reiterlogo und Firmenschriftzug zeigt.

Bei den angegriffenen Taschen fehlt zwar die Wiedergabe des Herstellerlogos, sei es des auf der Lasche eingeprägten oder in dem Reißverschluss abgebildeten. Regelmäßig und so auch im Streitfall wird die Gefahr einer Verwechslung aber nicht schon durch bloßes Weglassen der Kennzeichnung des Originalherstellers beseitigt (vgl. BGH GRUR 2000, 521, 524 - Modulgerüst).

Auch der Umstand, dass die Herstellerbezeichnung auf dem Druckknopf der Überschlaglasche der angegriffenen Produkte ersetzt ist durch den eigenen Markennamen der - im Modebereich durchaus bekannten - Beklagten zu 1), verhilft den Beklagten nicht zum Erfolg. Einer Eignung zur Unterscheidung steht entgegen, dass dieser herstellerkennzeichnende Schriftzug, ebenso wie im Übrigen bei den klägerischen Waren, infolge seiner geringen Größe und der fehlenden farblichen Unterscheidung zu seinem Hintergrund - es handelt sich um eine Prägung des Metalls - nur aus allernächster Nähe zu sehen bzw. zu entziffern ist. Eine derartige Betrachtungsweise entspricht allerdings nicht den bei normalem Taschengebrauch im Verkehr üblichen Gewohnheiten, weshalb eine Eignung dieser Kennzeichnung zur Unterscheidung fehlt.

6.

Die auf Auskunft bzw. Rechnungslegung gerichteten Ansprüche, § 242 BGB, sowie der Schadensersatzfeststellungsanspruch, § 9 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 9 a UWG, folgen der rechtlichen Beurteilung des Unterlassungsanspruchs.

7.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, nachdem der Entscheidungsschwerpunkt im tatrichterlichen Bereich liegt und die berührten grundsätzlichen Rechtsfragen bereits eine Klärung durch die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gefunden haben.






OLG Köln:
Urteil v. 24.03.2006
Az: 6 U 115/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/37721098088f/OLG-Koeln_Urteil_vom_24-Maerz-2006_Az_6-U-115-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share