Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 1. August 2006
Aktenzeichen: II-10 WF 11/06

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 01.08.2006, Az.: II-10 WF 11/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um die Frage, ob eine Gebühr nach der alten Gebührennummer 2200 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) auch dann anfällt, wenn die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels bereits von einem früheren Anwalt durchgeführt wurde. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass dies der Fall ist. Es ist nicht relevant, ob der bisherige Prozessbevollmächtigte bereits in die Angelegenheit involviert war oder nicht.

Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Viersen wurde von dem Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Beschwerde war zwar zulässig, da sie form- und fristgerecht eingereicht wurde, jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hatte zu Recht die Erinnerung der Landeskasse gegen einen vorherigen Beschluss ebenfalls zurückgewiesen. Die angeforderte Gebühr nach der RVG VV-Nr. 2200 (alte Fassung, seit dem 01.07.2006 RVG VV-Nr. 2100) wurde korrekt im Vergütungsfestsetzungsverfahren festgesetzt.

Die Gerichtsentscheidung besagt, dass die Gebühr nach der RVG VV-Nr. 2200 a.F. auch dann anfallen kann, wenn die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels bereits von einem früheren Anwalt vorgenommen wurde. Dies zeigt, dass auch ein außergerichtlicher Beratungsauftrag an einen bereits mit der Sache befassten Anwalt erteilt werden kann. Die Beratung über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gehört nicht zu den Tätigkeiten, für die bereits Gebühren im erstinstanzlichen Verfahren gezahlt wurden.

Zusätzlich betont die Gerichtsentscheidung, dass der Urkundsbeamte an die Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung durch das Gericht gebunden ist. Er hat keine Prüfungskompetenz bezüglich der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen. Der Beschluss des Familiengerichts Viersen zur Prozesskostenhilfe gilt als bindend und der Vergütungsanspruch des Anwalts richtet sich nach diesem Beschluss.

Die Entscheidung basiert auf den §en 56 Abs. 2 Satz 1 und 33 Abs. 3 RVG sowie auf der BRAGO (Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung) für den Kostenausspruch. Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Beschluss v. 01.08.2006, Az: II-10 WF 11/06


RVG VV-Nr. 2200 a.F., seit 01.07.2006 RVG VV-Nr. 2100

1.

Die Gebühr nach RVG VV-Nr. 2200 a.F. kann auch dann anfallen, wenn die Prü-fung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels durch den bisherigen Prozessbevollmächtigten erfolgt.

2.

Der Urkundsbeamte ist an den Inhalt und Umfang der richterlichen Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung gebunden. Seine Prüfungskompetenz erstreckt sich nicht auf die Frage, ob die Bewilligung und Beiordnung durch das Gericht zu Recht erfolgt sind

Tenor

Die Beschwerde der Landeskasse vom 20.03.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Viersen - Familiengericht - vom 15.03.2006 wird zurück-gewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die am 21.03.2006 bei Gericht eingegangene Beschwerde der Landeskasse (Bl. 104, 107f PKH-Heft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Viersen - Familiengericht - vom 15.03.2006 (Bl. 103 PKH-Heft) ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig, jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss die Erinnerung der Landeskasse vom 12.09.2005 (Bl. 50, 52f PKH-Heft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 05.09.2005 (Bl. 46 PKH-Heft) zurückgewiesen. Die von dem Antragsteller zur Festsetzung nach § 55 RVG beantragte Gebühr nach RVG VV-Nr. 2200 (in der im Zeitraum 31.05. bis 04.07.2005 maßgeblichen Fassung, seit 01.07.2006: RVG VV-Nr. 2100) zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, mithin ein Betrag in Höhe von gesamt EUR 223,30, ist angefallen und hier zutreffend im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG festgesetzt worden.

Entgegen der Auffassung der Landeskasse kann die Gebühr nach RVG VV-Nr. 2200 a.F. auch dann anfallen, wenn die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels durch den bisherigen Prozessbevollmächtigten erfolgt. Dass dieser bereits mit der Sache befasst war, steht dem nicht entgegen. Auch dem bisherigen Prozessbevollmächtigten kann außerhalb des Prozessauftrags - hier nach Abschluss der ersten Instanz - wegen des weiteren Prozessverlaufs ein außergerichtlicher Beratungsauftrag erteilt werden (vgl. Gerold/Schmidt/v.Eicken/ Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., VV 2200-2203 Rn. 2; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., RVG-VV Nr. 2100, Rn. 3). Eine Einschränkung auf bisher nicht mit der Sache befasste Rechtsanwälte lässt sich dem Gebührentatbestand der RVG VV-Nr. 2200 a.F. nicht entnehmen. Die Beratung über die Aussichten eines Rechtsmittels gehört auch nicht mehr zu den Tätigkeiten, die mit den Gebühren für das erstinstanzliche Verfahren abgegolten sind. Diese sind im Katalog des § 19 RVG aufgeführt; zum erstinstanzlichen Verfahren gehört nach § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG lediglich die Empfangnahme der (hier: die Instanz beendenden) Entscheidung und Mitteilung an den Auftraggeber. Ausgehend von einem regelmäßigen Verlauf kann auch hier davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller erst nach Abschluss der ersten Instanz beauftragt wurde, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu prüfen.

Für die hier fragliche Festsetzung der Beratungsgebühr nach RVG VV-Nr. 2200 a.F. nebst Auslagen und Mehrwertsteuer kommt es nicht auf die dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegende Rechtsfrage (Az: XII ZB 182/05) an, ob schon zu Beginn eines Verfahrens und vor Verkündung einer Entscheidung zur Hauptsache eine Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung des Prozessbevollmächtigen für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zulässig ist. Das Familiengericht Viersen hat die mit Beschluss vom 17.09.2004 (Bl. 27 PKH-Heft) für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung des Antragstellers gewährte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 03.11.2004 (Bl. 38 PKH-Heft) ausdrücklich auf die nach Abschluss der ersten Instanz fällige Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels erstreckt. Dieser Beschluss ist nicht nach § 127 Abs. 3 ZPO binnen der vorgesehenen Frist von der Staatskasse angefochten worden. Er ist damit unabhängig von seiner inhaltlichen Richtigkeit wirksam und im nachfolgenden Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend. Der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwaltes gegen die Landeskasse bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und er beigeordnet worden ist, vgl. § 48 Abs. 1 RVG. Der Urkundsbeamte ist an den Inhalt und Umfang der richterlichen Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung gebunden. Seine Prüfungskompetenz erstreckt sich nicht auf die Frage, ob die Bewilligung und Beiordnung durch das Gericht zu Recht erfolgt sind (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., RVG, § 55 Rn. 24 mwN).

II.

Der Kostenausspruch folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BRAGO.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 01.08.2006
Az: II-10 WF 11/06


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