Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 28. Januar 2010
Aktenzeichen: VII ZB 74/09

(BGH: Beschluss v. 28.01.2010, Az.: VII ZB 74/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Heilbronn wird vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Die Gläubigerin hatte eine Verfahrensgebühr in Höhe von 408,17 € für das Erinnerungsverfahren gefordert. Das Amtsgericht hatte den Antrag zurückgewiesen und auch die sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Das Beschwerdegericht war der Auffassung, dass die Gläubigerin keine isolierte Festsetzung der Kosten verlangen könne, da es sich bei der Zwangsvollstreckung und der Erinnerung um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit handle. Diese Ansicht wird vom Bundesgerichtshof bestätigt. Die Rechtsbeschwerde verweist auf eine abweichende Meinung in der Literatur, wird aber ebenfalls abgelehnt. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass die Erinnerung zur Vollstreckungsangelegenheit gehöre und daher keine gesonderte Gebühr verlangt werden könne. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 28.01.2010, Az: VII ZB 74/09


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 9. Juni 2009 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Gläubigerin verlangt die Festsetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 408,17 € für das Verfahren der Erinnerung.

Sie hat gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen Unterhaltsrückständen und laufenden Unterhalts erwirkt. Nach Erledigung des Verfahrens hat das Amtsgericht dem Schuldner die Kosten des Erinnerungsverfahrens auferlegt.

Den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung einer 0,5-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Auf die Entscheidung ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der bis zum 11. Dezember 2008 geltenden Fassung anzuwenden.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Gläubigerin könne keine isolierte Festsetzung von Kosten der Erinnerung in Höhe einer 0,5-Verfahrensgebühr gemäß RVG VV Nr. 3500 verlangen. Bei der Zwangsvollstreckung in Form eines Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und der Bearbeitung der Erinnerung gegen den Erlass eines Beschlusses handele es sich um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1, § 18 Nr. 3 RVG. Dies sei bereits unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsordnung einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur gewesen. Entgegen vereinzelten Stimmen in der Literatur habe sich daran auch durch den im zweiten Justizmodernisierungsgesetz neu eingefügten § 19 Abs. 2 Nr. 2 RVG nichts geändert. Aus der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 550/06, S. 119) gehe der Wille des Gesetzgebers hervor, lediglich die bereits geltende Rechtslage ausdrücklich zu regeln und klarzustellen. Auch sei die einheitliche 0,3-Gebühr nach RVG VV Nr. 3309 nicht auf eine 0,5-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 zu erhöhen, da § 15 Abs. 6 RVG (i.d.F. des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes) dies ausschließe.

2. Die Rechtsbeschwerde verweist demgegenüber auf eine in der Literatur vertretene Ansicht (Hartmann, Kostengesetze, § 19 RVG, Rdn. 51 und 53), dass die Erinnerung nach § 766 ZPO eine besondere Vollstreckungs- und Vollziehungsmaßnahme sei, welche die Gebühr nach RVG VV Nr. 3500 auslöse. Dafür spreche der Wortlaut des § 19 RVG. Er bestimme in Abs. 1 Satz 1, dass zu dem Rechtszug oder dem Verfahren alle Tätigkeiten gehörten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 RVG eine besondere Angelegenheit sei. In § 19 Abs. 2 RVG heiße es sodann, zu den in § 18 Nr. 3 und 4 RVG genannten Verfahren gehörten insbesondere die Erinnerung nach § 766 ZPO. Dies könne nur bedeuten, dass die Erinnerung nicht etwa zu einer Vollstreckungs- und Vollziehungsmaßnahme im Sinne von § 18 Nr. 3 bzw. Nr. 4 RVG zähle, sondern dass sie wie die Vollstreckungs- und Vollziehungsmaßnahmen nach § 18 Nr. 3 und Nr. 4 RVG als besondere Angelegenheit zu behandeln sei.

3. Damit hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Die Ansicht des Beschwerdegerichts ist zutreffend.

Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 24. September 2004 - IXa ZB 115/04, NJW-RR 2005, 78 = Rpfleger 2005, 53) hat unter der Geltung von § 57 Abs. 1 Satz 1 BRAGO entschieden, dass in der Zwangsvollstreckung durch die 3/10-Gebühr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts abgegolten wird, sofern sie dieselbe Angelegenheit betrifft. In der Zwangsvollstreckung gilt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch sie vorbereiteten Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine Angelegenheit. Zu der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahme gehört auf Seiten des Schuldners die Erinnerung, mit der er sich gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung wendet.

Der Gesetzgeber hat in Art. 20 des hier maßgebenden Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 3614) das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in § 19 Abs. 2 dahingehend geändert, dass als Nr. 2 eingefügt wurde: "... die Erinnerung nach § 766 der Zivilprozessordnung ...,". Er hat dies damit begründet (BR-Drucks. 550/06 S. 118), dass die Tätigkeit im Verfahren über die Erinnerung nach § 766 ZPO zum Rechtszug gehöre und keine besondere Gebühr auslöse. Dies sei im Entwurf des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2005 ausweislich der Begründung zu Art. 3 Nr. 3500 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (BT-Drucks. 15/1971, S. 218) nicht bedacht worden. Daher solle nunmehr ausdrücklich geregelt werden, dass die Vollstreckungserinnerung zur Vollstreckungsangelegenheit gehöre.

Auf der Basis dieses eindeutigen gesetzgeberischen Willens kommt ein anderes Verständnis der Vorschrift nicht in Betracht. Die Literatur (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 3309, Rdn. 61 und VV 3500 Rdn. 15; Bischof in Bischof, RVG, 3. Aufl., § 19 Rdn. 70a; Hansens, RVG Report 2009, 128 f.; a.A. ohne Begründung, Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., RVG, § 19 Rdn. 51 und 53) geht daher zu Recht davon aus, dass es bei Erinnerungen gegen eine Vollstreckungsmaßnahme des Rechtspflegers oder Gerichtsvollziehers bei einer Angelegenheit der angegriffenen Maßnahme verbleibt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde steht der Wortlaut der §§ 15, 18, 19 RVG einer Auslegung der Vorschrift mit diesem Inhalt nicht entgegen. § 19 Abs. 2 Nr. 2 RVG stellt vielmehr klar, dass die Erinnerung zu den Vollstreckungsmaßnahmen nach § 18 Nr. 3 und 4 RVG gehört und § 18 Nr. 5 RVG insoweit nicht anwendbar ist.

Das Beschwerdegericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Gläubigerin für das Erinnerungsverfahren keine Gebühr nach RVG VV Nr. 3500 verlangen kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka Kuffer Safari Chabestari Halfmeier Leupertz Vorinstanzen:

AG Brackenheim, Entscheidung vom 11.05.2009 - M 817/08 -

LG Heilbronn, Entscheidung vom 09.06.2009 - 1 T 207/09 Bm -






BGH:
Beschluss v. 28.01.2010
Az: VII ZB 74/09


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