Landgericht Dortmund:
Urteil vom 7. April 2005
Aktenzeichen: 18 O 136/04

(LG Dortmund: Urteil v. 07.04.2005, Az.: 18 O 136/04)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger und ihre Streithelfer zu je 1/23.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in E2. Sie ist in das Handelsregister des Amtsgerichts Dortmund unter HRB ...... eingetragen. Gegründet wurde sie bereits im Jahre 1856 als C2 AG, E2. War sie ursprünglich ein reines Bergbauunternehmen (zeitweise das drittgrößte im Ruhrgebiet), so änderte sie ihre geschäftlichen Betätigungsfelder im Zuge des allgemeinen Strukturwandels sukzessive in Richtung ihres heutigen Kerngeschäfts, die Herstellung, den Erwerb und den Betrieb von (insbesondere auch regenerativen) Energieanlagen, die Grundstückswirtschaft nebst Erbringung dazugehöriger Dienstleistungen sowie Erwerb, Verwertung und Verwaltung von sonstigen Vermögenswerten und Grundstücken. Das Grundkapital der Beklagten beträgt 82 940 000,00 € und ist in 31 900 000 auf den Inhaber lautende Stückaktien aufgeteilt. Die Aktien der Beklagten sind an den Börsenplätzen Frankfurt am Main, Düsseldorf, Berlin/Bremen, Hamburg und München zum amtlichen Markt zugelassen. Etwa ab Anfang der 90er Jahre erwarben der W AG und die S AG F sukzessive den mehrheitlichen Aktienbesitz. Nach Verschmelzung der W AG und der S2 AG auf ein neues Unternehmen in Firma S2 AG und Erwerb des Aktienpaketes der S AG hält die S2 AG (neu) seit dem 31.12.2001 93,78 % (dies sind 29 916 344 Stücke) der Aktien der Beklagten. Weitere 407 076 Stück Aktien (dies sind 1,28 % des Grundkapitals der Beklagten) befinden sich im Besitz der Firma H mbH & Co. KG ("H"). An dieser ist die Hauptaktionärin, die S2 AG (neu) ebenfalls mit 94 % der Geschäftsanteile beteiligt. Die übrigen 6 % der Geschäftsanteile der H gehören der O GmbH, deren Kapitalanteile vom Bankhaus S KGaA treuhänderisch gehalten werden. 1 575 860 Stück Aktien der Beklagten, dies sind 4,94 %, befinden sich in Streubesitz.

Auf Verlangen der Hauptaktionärin berief die Beklagte für den 15.10.2004 eine Hauptversammlung mit dem Ziel ein, den Beschluss zu fassen, die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zu übertragen (sog. Squeeze-Out). Wegen der Angemessenheit der zu gewährenden Barabfindung erstellte die Hauptaktionärin einen Bericht vom 16.08.2004, bei dessen Erstellung die U AG mitwirkte und für dessen Inhalt auf die Anlage B 2 Bezug genommen wird. In dem Verfahren 20 O 48/04 AktE Landgericht Dortmund wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F2 & X AG, Niederlassung Ruhrgebiet, in F zum sachverständigen Prüfer bestellt. Wegen des Prüfungsberichts wird ebenfalls auf die Anlage B 2 verwiesen.

In der Hauptversammlung vom 15.10.2004, wegen deren Verlauf auf die notarielle Urkunde UR ....../04 des Notars I2 (Anl. B 1) sowie auf den Ausdruck der Wortmeldeliste Anl. B 11 verwiesen wird, waren 30 650 286 stimmberechtigte Aktien, mithin 96,8 % des Grundkapitals präsent. Mit 99,26 % der abgegebenen Stimmen fasste die Hauptversammlung den Beschluss:

"Die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) werden auf die S2 Aktiengesellschaft F (Hauptaktionärin) übertragen. Die Hauptaktionärin zahlt dafür eine Barabfindung in Höhe von € 19,50 je auf den Inhaber lautende Stückaktie der C2 AG."

Diesen Beschluss greifen die Kläger zu 1. - 13. sowie die auf ihrer Seite dem Rechtsstreit beigetretenen Nebenintervenienten zu 14. - 23. mit der

vorliegenden Nichtigkeits- und Anfechtungsklage an, wobei die Streithelfer - bis auf die Nebenintervenienten zu 18. und 19. - darauf verzichtet haben, eigenen Vortrag zu halten, sondern sich "dem Vorbringen aller anderen und deren Anträgen" angeschlossen haben.

Als Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe werden klägerseits geltend gemacht:

Die Kläger zu 3. bis 5., 7. bis 10. und 12. machen geltend, die §§ 327 a AktG seien verfassungswidrig und deshalb nichtig. Die Kläger zu 9. und 10. sehen eine Kollision der bundesdeutschen Regelung des Squeeze-Out mit der EU-Übernahmerichtlinie. Die Kläger zu 1. bis 6. und 12. vertreten die Auffassung, die Hauptaktionärin verfüge nicht, wie von § 327 a AktG gefordert, über 95 % des Grundkapitals, weil ihr entgegen § 16 Abs. 4 HGB nicht der gesamte Aktienbesitz der H KG, sondern nur 94 % davon zuzurechnen sei. Darüber hinaus sei die Berufung auf das mehrheitliche Innehaben des Aktienbesitzes rechtsmissbräuchlich, weil - unstreitig - aus grunderwerbssteuerrechtlichen Erwägungen von vornherein geplant gewesen sei, noch zwischen dem Tag der Hauptversammlung und der Eintragung des Beschlusses soviel an Aktienbesitz an einen Dritten zu übertragen, dass die grunderwerbsteuerrechtlich relevante Größe von 95 % des Anteilsbesitzes durch die Übertragung von Aktien in Folge des Squeeze-Out nicht erreicht werde. Verschiedene Kläger berufen sich darauf, das Barabfindungsangebot sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Einer der Kläger stützt dies darauf, dass der Unternehmensbewertung Jahresabschlüsse zugrunde liegen, die nicht nach den Vorschriften des HGB, sondern nach der Methode IFRS zustande gekommen sind. Der Übertragungsbericht sei über weite Strecken sibyllinisch, insbesondere wegen des Umfangs und des Wertes des nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens. Die offensichtlich stattgefundene Parallelprüfung der U und des sachverständigen Prüfers sei unzulässig. Auch sei der sachverständige Prüfer nicht ordnungsgemäß ausgewählt und bestellt, weil das bestellende Gericht dem Vorschlag der Hauptaktionärin gefolgt sei. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen F2 & X sei auch von der Prüfung ausgeschlossen, weil es - unstreitig - Mieter der Beklagten in einer in E2 am X2-damm gelegenen Immobilie ist. Die Kläger zu 4., 6., 7. und 8. tragen vor, die vom Bankhaus P KGaA angebotene Gewährleistungserklärung sei in mehrfacher Hinsicht mangelhaft und unzureichend. Die Kläger zu 1. und 2. halten den Beschlusstenor für mangelhaft. Von etlichen Klägern werden die versammlungsleitenden Maßnahmen, insbesondere die stattgefundene Begrenzung der Rede- und Fragezeit sowie der Umstand gerügt, dass - unstreitig - wegen einzelner Fragen und Auskunftsersuchen keine Ablichtungen ausgehändigt wurden, sondern die Aktionäre auf die ausgelegten Unterlagen verwiesen worden sind. Die Kläger zu 1. bis 5., 7. bis 10. und 12. tragen vor, dass verschiedene Informationen vom Vorstand nicht oder nicht vollständig erteilt worden seien. Der Kläger zu 11., der zugleich Inhaber einer Teilschuldverschreibung der Beklagten ist, moniert, dass die Möglichkeiten seiner Einflussnahme auf deren Ertrag infolge des Squeeze-Outs nun verringert worden sei. Deshalb handele es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter.

Klägerseits wird deshalb beantragt,

der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 15. Oktober 2004 gefasste Beschluss mit nachfolgendem Inhalt:

"Die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) werden auf die S2 Aktiengesellschaft, F, (Hauptaktionärin) übertragen. Die Hauptaktionärin zahlt dafür eine Barabfindung in Höhe von Euro 19,50 je auf den Inhaber lautende Stückaktie der C2 Aktiengesellschaft"

wird für nichtig erklärt.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 15. Oktober 2004 gefasste Beschluss mit dem im Hauptantrag wiedergegebenem Inhalt nichtig ist.

Äußerst hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 15. Oktober 2004 gefasste Beschluss mit dem im Hauptantrag wiedergegebenem Inhalt unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Nebeninterventionen für unzulässig, weil keiner der Nebenintervenienten die Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG eingehalten und die Streithelfer - bis auf wenige - auch keinen Widerspruch zu Protokoll der Hauptversammlung erklärt gehabt hätten. Im Übrigen verteidigt die Beklagte den angegriffenen Hauptversammlungsbeschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen, § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Gründe

Die zulässigen Klagen bleiben im Haupt- und in den Hilfsanträgen ohne Erfolg.

I.

Die wegen § 248 Abs. 1 S. 1 AktG als streitgenössische Nebenintervention (§ 69 ZPO) geltenden Streithilfen sind zulässig. Dabei kann für die Entscheidung des erkennenden Gerichts dahinstehen, ob zur Zulässigkeit einer Nebenintervention bei einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage auch gehört, dass der Nebenintervnient Widerspruch zu Protokoll der Hauptversammlung erklärt und die materiellrechtliche Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG eingehalten hat (hierfür mit beachtlichen Argumenten: von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2004, S. 1179 ff.). Denn neben der Anfechtungsklage gem. § 246 AktG haben die Kläger auch die Nichtigkeit des Beschlusses der Hauptversammlung gem. § 241 AktG geltend gemacht. Für diese "Nichtigkeitsklage" gelten weder die Klagefrist, noch das Erfordernis der Widerspruchserhebung. Den Beitrittserklärungen aller Nebenintervenienten ist auch mindestens konkludent zu entnehmen, dass sie sich sämtliche Angriffe sämtlicher Kläger zu Eigen machen wollen, mithin auch den Zustand der Nichtigkeit außerhalb von § 243 AktG. Da zudem keiner der Nebenintervenienten ein besonderes Angriffs- und Verteidigungsmittel, das lediglich einen Anfechtungsgrund betrifft, geltend gemacht hat, gibt es auch keinen Anlass, über seine Befugnis hierzu zu befinden.

II.

Der von den Klägern und den streitgenössischen Nebenintervnienten kritisierte Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 15.10.2004 ist wirksam.

Dabei kann die im Einzelfall durchaus schwierige Abgrenzung, ob die von den Klägern erhobenen Wirksamkeitsrügen Nichtigkeitsgründe i.S.v. § 241 Ziffer 3 AktG (der aus dem Katalog des § 241 AktG allein ernsthaft in Betracht kommt), oder Anfechtungsgründe gem. § 243 AktG darstellen, unterbleiben. Denn keine der erhobenen Rügen greift durch.

1.

An der Verfassungsmäßigkeit des Squeeze-Out-Verfahrens hat die erkennende Kammer keine Zweifel, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens und seine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 GG, wie einige Kläger es beantragen, nicht in Betracht kommt. Es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung aller mit dieser Materie bislang befasst gewesenen Obergerichte (OLG Köln, AG 2004, S. 39; OLG Stuttgart, AG 04, S. 105; Kammergericht, Betriebsberater 2004, S. 2774; OLG Düsseldorf, AG 04, S 207), dass gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung der §§ 327 a ff. AktG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Bedenken bestehen. Die erkennende Kammer verzichtet darauf, eine weitere Entscheidung mit nahezu identischem Wortlaut zu kreieren und verweist stattdessen auf die umfassenden, wohl abgewogenen und überzeugenden Ausführungen in den vorzitierten Entscheidungen, denen sich die Kammer anschließt. Lediglich ein einziger Gesichtspunkt erscheint ergänzungsfähig: Wenn die Klägerseite für die Unvereinbarkeit der Regelung mit Art. 14 GG anführt, die beizubringende Gewährleistungserklärung gem. § 327 b Abs. 3 AktG erfasse nur das Barabfindungsangebot, nicht aber auch etwa in einem Spruchverfahren auszuurteilende Erhöhungsbeträge, so geht dies fehl: Denn durch die Verpflichtung zur Beibringung einer solchen Gewährleistungserklärung verbessert sich die Rechtstellung des Aktionärs. Die vorerwähnte Kritik rügt deshalb in Wirklichkeit nicht eine Verschlechterung seiner Rechtstellung, sondern lediglich den Umstand, dass der Aktionär nicht noch besser gestellt wird. Sinn der Verpflichtung des Hauptaktionärs zur Gestellung einer Bank-Gewährleistung ist es, dem ausscheidenden Aktionär das Insolvenzrisiko zu nehmen und damit den Zufluss des Abfindungsbetrages in jedem Fall zu sichern. Da der Aktionär bislang das Risiko der Insolvenz der Gesellschaft trug, verbessert sich also seine Rechtstellung. Ähnliches gilt hinsichtlich des Risikos der Insolvenz des Hauptaktionärs. Denn infolge seiner Majorität hätte der Hauptaktionär auch die Rechtsmacht, eine Verschmelzung durch Aufnahme zu beschließen, § 4 Umwandlungsgesetz. Rechtsfolge für den Aktionär wäre entweder ein Aktienumtausch (gegebenenfalls gegen bare Zuzahlung) oder die Zahlung eines Abfindungsbetrages. In beiden Fällen muss sich der Aktionär nun auch dem Risiko der Insolvenz des Hauptaktionärs ausgesetzt sehen, ohne dass er für die bare Zuzahlung und/oder den Abfindungsbetrag eine Bankgarantie erhält. Mit der gesetzgeberischen Anordnung in § 327 b Abs. 3 AktG tritt also insgesamt eine Verbesserung der Situation des Aktionärs, bezogen auf die Sicherheit der Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche, ein.

2.

Ob die §§ 327 a ff. AktG EU-Richtlinien konform sind, kann dahinstehen. Wäre dem nicht so, so hätte dies jedenfalls nicht die Nichtigkeit der nationalen Regelung zur Folge. Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an den EuGH haben die Kläger weder beantragt, noch sieht die Kammer hierfür eine Veranlassung.

3.

Die S2 AG ist auch Hauptaktionär i.S.v. § 327 a Abs. 1 S. 1 AktG, denn ihr "gehören" Aktien in Höhe von mehr als 95 % des Grundkapitals der Beklagten. Zuzugeben ist den dies rügenden Klägern, dass der Terminus "gehören" in der Rechtsprache in aller Regel die unmittelbare dingliche Beziehung zwischen einer Person und einer Sache umschreibt (z.B. §§ 926 Abs. 1, 932, 933 BGB u.v.a.m.). Der Begriffsinhalt des Terminus "gehören" ist vom Gesetzgeber in § 327 a Abs. 2 AktG aber anderweitig legaldefiniert worden. Danach gilt für die Berechnung der 95 %-Marge § 16 Abs. 4 AktG. Mithin gelten (fiktiv) auch solche Anteile, die einem abhängigen Unternehmen gehören, als dem beherrschenden Unternehmen gehörig. Der Wortlaut der Vorschrift ist ebenso kategorisch wie eindeutig, so dass für eine Auslegung kein Raum verbleibt. Auch sieht die Kammer keinen Anlass für eine teleologische Reduktion, denn die Regelung ist sinnhaltig: Verhindert werden soll zeitaufwendiges und kostspieliges "Umhängen" im Konzern, um die unmittelbare dingliche Rechtstellung an 95 % des Aktienkapitals herzustellen. Im vorliegenden Fall hätte das bedeutet, dass die Hauptaktionärin zunächst eine Verschmelzung der H GmbH & Co. KG durch Aufnahme hätte durchführen müssen, um deren Aktien auf sich selbst zu übertragen. Dies wäre ihr aufgrund ihrer beherrschenden Stellung ohne Weiteres möglich gewesen. Rechtsfolge wäre, dass sie sämtliche im Eigentum der H GmbH & Co. KG stehenden Aktien erwürbe, und zwar zu 100 % und nicht etwa nur im Umfang ihrer Beteiligung an der H. Gerade dieser Formalismus soll durch die Konstruktion gem. § 327 a Abs. 2 AktG vermieden werden. Dass dem gesellschaftsrechtlichen Konstrukt im vorliegenden Einzelfall ein besonderer grunderwerbsteuerrechter Effekt und damit auch ein steuermoralischer Beiwert innewohnt, hat aktienrechtlich keine Bedeutung. Insbesondere führt dies im Verhältnis der Beklagten zu ihren Aktionären nicht etwa dazu, dass etwa die Arglisteinrede, § 242 BGB, begründet wäre. Denn die von der Beklagten gewählte Konstruktion, einen Teil der Aktien auf eine beherrschte dritte Gesellschaft zu verlagern, um so unter der grunderwerbsteuerrechtlich relevanten Grenze von 95 % zu bleiben, richtet sich gegen den Fiskus, nicht aber gegen die eigenen Aktionäre, die davon im Gegenteil noch profitieren.

Die zunächst von einem der Kläger aufgestellte Behauptung, die Hauptaktionärin verfüge in Wirklichkeit gar nicht über die in ihrem Bericht an die Hauptversammlung aufgeführte Anzahl von Aktien, ist nach Vorlage der entsprechenden Depotauszüge durch die Beklagte nicht weiter verfolgt worden, so dass die Kammer davon ausgeht, dass dieser Einwand fallengelassen wurde, § 138 Abs. 3 ZPO.

Rechtlich unbeachtlich ist es, wenn die Beklagte bereits im Zeitpunkt der Hauptversammlung beabsichtigt hat, alsbald danach einen weiteren Teil der Aktien auf einen Dritten zu übertragen, um das Überschreiten der

95 %-Grenze zu verhindern. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaberschaft der Hauptaktionärstellung ist derjenige der Hauptversammlung. Für die Zeit danach kann weder der Hauptaktionär, noch die Beklagte in ihren unternehmerischen Entscheidungen beschränkt werden.

4.

Die Hauptaktionärin hat ein ordnungsgemäßes Barabfindungsangebot gem. § 327 b AktG vorgelegt. a) Unbeachtlich ist es, wenn der Bericht des Hauptaktionärs und des Gutachtens des sachverständigen Prüfers (§ 327 c Abs. 2 S. 1 und 2 AktG) auf Zahlen beruhen, die nach dem IFRS-Standard generiert worden sind. Denn § 327 c Abs. 2 AktG stellt hierfür überhaupt keine verbindlichen Vorgaben auf; insbesondere wird dort auch nicht etwa eine Unternehmensbewertung nach der Methodik "IDW-S1" vorgeschrieben. Es handelt sich hierbei nur einen Denk- und Rechenweg, der von der Rechtsprechung als tauglich akzeptiert worden ist. b) Die sachverständigen Prüfer sind auch ordnungsgemäß ausgewählt und bestellt worden. Insbesondere hat sich das erkennende Gericht nicht etwa an den Vorschlag des Hauptaktionärs gebunden gefühlt, denn dem ist - wie die erkennende Kammer für sich und als gerichtsbekannt auch für die VI. Kammer für Handelssachen des Hauses erklären kann - niemals so. Trotz des Vorschlags ist der Prüfer auch "ausgewählt", denn die Wahl erfolgte zwischen der vorgeschlagenen und allen anderen in Betracht kommenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. An Stelle des vom Hauptaktionär vorgeschlagenen sachverständigen Prüfers eine andere Gesellschaft zu beauftragten, bestand hier kein Anlass, denn es bestand und besteht keine zwingende Veranlassung, eine andere Gesellschaft vorzuziehen. Dem ist auch nach heutiger Sicht, insbesondere nach Bekanntwerden des Umstandes, dass die Firma F2 & X Mieter der Beklagten ist so, denn dies führt nicht zu deren Ausschluss. Wann ein Wirtschaftsprüfer vom Amt des sachverständigen Prüfers ausgeschlossen ist, regeln §§ 293 d AktG und 319 Abs. 1 bis 3 HGB abschließend. Das Bestehen eines Mietverhältnisses über Geschäftsraum zählt danach nicht zu den Ausschließungsgründen. c) Nach inzwischen gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Köln, BB 03, S. 2307; OLG Stuttgart, AG 04, S. 105; OLG Düsseldorf, AG 2004, S. 207 (211 rechte Spalte)) bestehen gegen eine lege artis durchgeführte Parallelprüfung keine rechtlichen Bedenken. Verstöße hier gegen sind substantiiert nicht vorgetragen worden. d) Schließlich greift auch der Einwand verschiedener Kläger nicht durch, der Prüfbericht sei "zu knapp" geraten, insbesondere weil das nicht betriebsnotwendige Anlagevermögen nicht zweifelsfrei erkennbar sei. Denn auch über den Umfang des Prüfberichts schweigt das Gesetz. Die Überprüfung, ob der Wert des nichtbetriebsnotwendigen Anlagevermögens vollständig und richtig erfasst wurde, ist systematisch dem Spruchverfahren zugewiesen.

5.

Die von dem Bankhaus P KGaA unter Nr. ......# mit dem Datum vom 16.08.2004 gegebene Bankgarantie erfüllt die Voraussetzungen von 327 b Abs. 3 AktG. Da es sich um einen Garantievertrag handelt, besteht mangels vertraglichen Vorbehalts weder die Möglichkeit des Widerrufs, noch hat der Garantiegeber die Einrede der Vorausklage. Auch enthält die Garantieerklärung der P KG keinerlei Befristung. Völlig neben der Sache liegt schließlich der Einwand eines (deutschen) Klägers, er werde deshalb unangemessen belastet, weil er Erklärungen dem Garanten gegenüber in deutscher Sprache abgeben müsse. Gleiches gilt für den von einer Seite erhobenen Einwand, bei dem Bankhaus P handele es sich überhaupt nicht um ein Kreditinstitut. Soweit einer der Kläger bestritten hat, dass die beiden die Garantieerklärung unterzeichnenden Mitarbeiter des Bankhauses vertretungsberechtigt seien, ist dies nach Vorlage der Anlage B 10 nicht mehr weiter verfolgt worden,

§ 138 Abs. 3 ZPO.

6.

Der Umstand, dass der Beschluss der Hauptversammlung vom 15.10.2004 aus zwei Sätzen besteht, ist unschädlich. Das Junktim der Gewährung einer Entschädigung in Satz zwei mit der Übertragung der Aktien in Satz eins ist offensichtlich.

7.

Eine Verletzung von Gesetz oder Satzung (§ 243 Abs. 1 AktG) durch verhandlungsleitende Maßnahmen, insbesondere durch die Begrenzung der Rede- und Fragezeit ist nicht ersichtlich. Denn einmal war den Aktionären nach der Niederschrift des protokollierenden Notars I2 (Bl. 8) Gelegenheit gegeben worden, ca. 450 Fragen zu stellen, was etwa 8 Stunden in Anspruch nahm. Die von dem Vorstand hierauf erteilten Auskünfte dauerten weitere 4 Stunden. Entscheidend ist jedoch, dass nach Abarbeitung der letzten gestellten Fragen gegen 23.00 Uhr festgestellt wurde, dass nicht alle Aktionäre die ihnen zugestandene Fragezeit ausgenutzt hatten und deshalb an die wenigen noch anwesenden Aktionäre die Aufforderung gerichtet wurde, gegebenenfalls weitere Fragen zu stellen. Dem kam niemand nach. Mithin ist am Ende keiner der Aktionäre mit seinem Fragerecht endgültig abgeschnitten worden. Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin zu 9., Herr G, zuvor die Versammlung verlassen hatte, nachdem ihm wegen Überschreitung der Redezeit das Wort entzogen worden war, ändert daran nichts: Die Entziehung des Rede- und Fragerechts nach Ablauf der zugestandenen Zeit ist jedenfalls bei einem Aktionär, der zuvor allein bereits 1,25 Stunden für sich und seine Redebeiträge und Fragen in Anspruch genommen hatte, ohne Weiteres verhältnismäßig. Außerdem hätte er weitere Fragen zu stellen um 23.00 Uhr Gelegenheit gehabt.

8. Informationsmängel Ob der Vorstand Fragen der Aktionäre gar nicht, nicht vollständig oder nicht richtig beantwortet hat, ist im vorliegenden Fall anfechtungsrechtlich unbeachtlich. Denn sämtliche von den Klägern als gar nicht oder nicht zutreffend beantwortete Fragen sollten ersichtlich und allein dem Ziel dienen, die Angemessenheit des angebotenen Abfindungsbetrages zu hinterfragen. Gem. § 327 f Abs. 1 S. 1 AktG kann die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses aber nicht darauf gestützt werden, dass die festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Vielmehr ist die angemessene Barabfindung im Spruchverfahren zu bestimmen. Daraus folgt, dass dann, wenn schon wegen der Höhe des Betrages selbst die Anfechtungsklage nicht statthaft ist, dies wegen - angeblicher - Verweigerung von Informationen in diesem Zusammenhang erst recht nicht sein darf. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 4 Abs. 2, 10 Spruchgesetz nunmehr die Anträge zu begründen sind. Denn durch den Begründungszwang soll lediglich verhindert werden, dass Antragsteller ohne jede sachliche Erläuterung ein aufwändiges und kostenträchtiges Überprüfungsverfahren in Gang setzen können. Bei den Anforderungen an die Begründungspflicht hat das Gericht Schwierigkeiten in der Informationsbeschaffung für die Antragsteller zu berücksichtigen. Dies hat z.B. zu Folge, dass eine Präklusion von Vorbringen nur bei Verschulden angenommen werden kann. Sie scheidet mithin aus, wenn sich ein Antragsteller im Spruchverfahren schuldlos in einem Informationsdefizit befinden sollte.

9.

Rechtsirrig ist die Auffassung des Klägers zu 9., bei dem Hauptversammlungsbeschluss handele es sich um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter. Mangels planwidriger Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage ist dieses Rechtsinstitut auf den vorliegenden Fall auch nicht analog anzuwenden.

10.

Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge eines Klägers, das squeezeout-Verfahren sei deshalb rechtsmissbräuchlich, weil es nur dem Zweck dienen solle, Regressansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu vereiteln. Einmal ist der Vorwurf dieses Klägers von angeblich zu einer Schadensersatzpflicht führenden Pflichtverletzungen des Vorstandes der Beklagten und/oder des Hauptaktionärs trotz entsprechender Rüge durch die Beklagtenvertreter vollkommen substanzlos geblieben. Des Weiteren gingen solche Ansprüche durch die Strukturmaßnahme auch nicht unter.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 Abs. 2, 69, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 07.04.2005
Az: 18 O 136/04


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