Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. April 1995
Aktenzeichen: 6 U 242/94

(OLG Köln: Urteil v. 19.04.1995, Az.: 6 U 242/94)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 13. September 1994 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 395/94 - abgeändert. Der Antrag des Antragstellers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zum 14. Juli 1994 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Antragsteller aufer-legt.

Gründe

Die Berufung der Antragsgegnerin ist

zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Antragsteller steht kein aus den §§

1, 3 UWG folgender Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der

Bezeichnung "Joghurt" für das verfahrensbetroffene Lebensmittel in

der aus dem Antrag ersichtlichen Zusammensetzung zu.

Allerdings ist der Antrag auf Erlaß

einer einstweiligen Verfügung, deren Dringlichkeit mangels

entgegenstehender Umstände gemäß § 25 UWG zu vermuten ist, auch

durch das Inkrafttreten der UWG-Novelle am 1. August 1994 nicht

etwa mangels Klagebefugnis des antragstellenden Vereins unzulässig

geworden. Die Klagebefugnis des Antragstellers ist vielmehr auch

nach der seit dem 1. August 1994 geltenden Neufassung des § 13

Abs. 2 Nr. 2 UWG zu bejahen. Wie die Parteien in der mündlichen

Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt haben, gehört dem

Antragsteller u. a. die C. M. Organisation der deutschen

Agrarwirtschaft mbH-... als Mitglied an. Angesichts deren, dem

Senat aus früheren Verfahren bekannten Größe und Bedeutung steht

damit fest, daß diese wiederum die Mitgliedschaft einer erheblichen

Anzahl Gewerbetreibender, nämlich die ihrerseits in der

C.-mitgliedschaftlich organisierten Betriebe vermittelt, die Waren

oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf dem

selben Markt (Lebensmittelhandel) vertreiben. Dies reicht im

gegebenen Fall für die Annahme der Klagebefugnis aus. Zweck der

gesetzlichen Neuregelung in § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist es, die

Klagebefugnis von Verbänden auf die kollektive Wahrnehmung gerade

von Mitgliederinteressen zu beschränken. Nach den Materialen zu der

Gesetzesnovelle (WRP 1994, 369 ff) genügt es zur Erreichung dieses

gesetzgeberischen Ziels, wenn die betreffenden Wettbewerber

mittelbar, nämlich durch die Zugehörigkeit zu einem Verband oder

einer sonstigen Vereinigung, die ihrerseits den Wettbewerbsverein

angehören, erfaßt werden.

Daß der Antragsteller, wie es § 13 Abs.

2 Nr. 2 UWG n.F. weiter verlangt, nach seiner personellen,

sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine

satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen, ist angesichts

seiner dem Senat ebenfalls aus füheren Verfahren bekannten

Struktur ohne weiteres anzunehmen und wird von der Antragsgegnerin

auch nicht in Zweifel gezogen.

Das vom Antragsteller im vorliegenden

Verfahren geltend gemachte Unterlassungsbegehren, mit welchem er

die Verwendung der Bezeichnung "Joghurt" für das

verfahrensbetroffene Lebensmittel in der aus dem Antrag

ersichtlichen Zusammensetzung beanstandet, ist jedoch nicht

begründet.

Ein durch die Verwendung des Begriffs

"Joghurt" bewirkter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche

Bezeichnungsvorschriften, aus dem allein sich hier der Vorwurf

eines wettbewerbswidrigen Verhaltens im Sinne von §§ 1, 3 UWG -

mithin ein Verfügungsanspruch - herleiten ließe, kann jedenfalls im

Rahmen des vorliegenden summarischen Eilverfahrens nicht bejaht

werden.

Dabei kann es letztlich offen bleiben,

ob es sich bei dem verfahrensbetroffenen, von der Antragsgegnerin

unter der Verkehrsbezeichnung "H. fettarmer Baby-Joghurt mit

Fruchtzubereitung" in den Verkehr gebrachten Produkt um ein

Milcherzeugnis handelt, welches gemäß Art. 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 1

der ohne besondere Umsetzung als inländisches Recht anwendbaren VO

(EWG) Nr. 1898/87 des Rates über den Schutz der Bezeichnung der

Milch- und Milcherzeugnisse bei ihrer Vermarktung vom 02.07.1987

(im folgenden: Bezeichnungsschutz VO) in Verbindung mit § 2 Abs. 2,

3 Abs. 1 der Verordnung über Milcherzeugnisse (im folgenden:

MilcherzVO) die Bezeichnung "Joghurt" tragen darf. Nur vorsorglich

sei daher darauf hingewiesen, daß die Bejahung dieser Frage nach

Auffassung des Senats hier naheliegt.

Art. 3 Abs. 1 der BezeichnungsschutzVO

bestimmt, daß die in der Anlage zu Art. 2 Abs. 2 der genannten VO

aufgeführten Bezeichnungen, darunter "Joghurt", nur für

Milcherzeugnisse im Sinne der Definition des Art. 2 Abs. 2

BezeichnungsschutzVO verwendet werden dürfen. Danach sind

Milcherzeugnisse ausschließlich aus Milch gewonnene Erzeugnisse,

denen allerdings für die Herstellung erforderliche Stoffe

zugesetzt werden können, sofern diese beigegebenen Stoffe nicht

verwendet werden, um einen der Milchbestandteile vollständig oder

teilweise zu ersetzen.

Entsprechendes ergibt sich aus der in

Art. 2 Abs. 3 BezeichnungsschutzVO speziell für "zusammengesetzte

Erzeugnisse" getroffenen Regelung. Hiernach dürfen den

Milcherzeugnissen vorbehaltene Bezeichnungen auch zusammen mit

anderen Worten zur Verkehrsbezeichnung zusammengesetzter Produkte

verwendet werden, bei denen kein Bestandteil einen beliebigen

Milchbestandteil ersetzt oder ersetzen soll und bei dem die Milch

oder ein Milcherzeugnis einen nach der Menge oder nach der für das

Erzeugnis charakteristischen Eigenschaft wesentlichen Teil

darstellt.

Zwar ergibt sich weder aus diesen

Definitionen, noch aus den sonstigen Vorschriften der

Bezeichnungsschutz-VO, welchen Anforderungen die für die

Herstellung oder Zusammensetzung beigegebenen Stoffe erfüllen

müssen, um dem entstandenen Erzeugnis den Charakter eines

"Milcherzeugnisses" zu erhalten, welches daher auch die

ausschließlich diesen vorbehaltenen Bezeichnungen führen darf.

Ebensowenig geht aus der BezeichnungsschutzVO hervor, unter welchen

konkreten Umständen ein beigegebener Stoff einen der

Milchbestandteile vollständig oder teilweise ersetzt. Insofern kann

jedoch auf die Kommentierungen zu der in § 2 Abs. 2 MilcherzVO

getroffene Bestimmung über die Beigabe von Lebensmitteln zur

Herstellung sogenannter Milchmischerzeugnisse im Sinne von Ziffer

XIV der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 MilcherzVO, die sich ersichtlich an

die vorstehende Definition der BezeichnungsschutzVO anlehnt (vgl.

Zipfel, Lebensmittelrecht, C 273 a Rdn. 25 zu § 2),

zurückgegriffen werden.

Denn obwohl die BezeichnungsschutzVO in

ihrem Anhang zu Art. 2 Abs. 2 Joghurt ausdrücklich erwähnt, enthält

sie keine speziellen Bestimmungen über dessen Herstellung und

Zusammensetzung. Für die Herstellung und Zusammensetzung von

Joghurt ist - solange eine gemeinschaftliche Regelung fehlt - auf

die nationalen Vorschriften, hier die MilcherzVO, abzustellen (vgl.

zu dem Verweis auf das nationale Recht auch Art. 2 Abs. 2 zweiter

Gedankenstrich der BezeichnungsschutzVO i.V.m. Art. 5 der

Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18.12.1978 i.d. Fassung vom

14.06.1989 - "Etikettierungsrichtlinie" -).

Danach spricht vieles dafür, das

Verfahrensbetroffene "Baby-Joghurt" als ein Milchmischerzeugnis im

Sinne der BezeichnungsschutzVO und der MilcherzVO einzuordnen. Es

ist einerseits hergestellt aus einem Milcherzeugnis, nämlich einem

Joghurt-Erzeugnis (Ziffer II lit. a) Spalte 1 der vorbezeichneten

Anlage) der Standardsorte "fettarmer Joghurt mild" (Spalte 2 Nr.

6), dem andererseits als weiteres Lebensmittel eine

Fruchtzubereitung beigegeben ist (vgl. Ziffer XIV lit. b) der

Anlage und § 2 Abs. 2 Nr. 3 MilcherzVO). Dem steht es nicht

entgegen, daß die beigegebenen Lebensmittel - hier also die

Fruchtzubereitung im Sinne der "Richtlinie für I.

Fruchtzubereitungen zur Herstellung von Milchprodukten II.

Bezeichnung von Fruchtjoghurterzeugnissen" - nur zur Erzielung

einer besonderen Geschmacksrichtung zugesetzt werden dürfen, was es

ausschließt, die beigefügten Lebensmittel zu verwenden, um einen

der Milchbestandteile auch nur teilweise zu ersetzen, indem

milchfremde Bestandteile verwendet werden. Die einem

Milchmischerzeugnis beigegebenen Lebensmittel dürfen daher zwar

keine milchfremden Fette enthalten, die sie nicht von Natur aus

haben, sondern die ihnen vor ihrer weiteren Verarbeitung zu anderen

Lebensmitteln zugesetzt worden sind (vgl. Zipfel a.a.O., C 273 a

Rdn. 25 a zu § 2). Dies schließt es allerdings nicht aus, ein

Milch-(misch)erzeugnis im Sinne von Art. 2 Abs. 2 u. 3

BezeichnungsschutzVO, § 2 Abs. 2 Milcherz-VO, welches die diesem

vorbehaltenen Bezeichnungen führen darf, unter Zufügung

grundsätzlich milchfremder Bestandteile herzustellen. Andernfalls

verböte sich die Beifügung von pflanzliche und damit milchfremde

Fette aufweisenden Fruchtzubereitungen zur Herstellung eines

"Fruchtjoghurts" oder "Joghurts mit Fruchtzubereitung". Die einem

Milcherzeugnis zur Herstellung eines Milchmischerzeugnisses

beigegebenen Lebensmittel, die von "Natur" aus milchfremde

Bestandteile aufweisen, fallen daher nicht unter das Verbot. Sie

dürfen vielmehr beigegeben werden, ohne daß das solcherart

zusammengesetzte Produkt seine Eigenschaft als Milcherzeugnis

verliert. In diesen Fällen darf das Produkt folglich auch die

allein den Milcherzeugnissen vorbehaltene, jeweils einschlägige

Verkehrsbezeichnung tragen. Maßgeblich ist allein, ob das

beigefügte Lebensmittel um milchfremde Bestandteile, die in ihm

nicht aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit vorkommen,

angereichert ist. Eben dies ist bei dem verfahrensbetroffenen

Produkt der Antragsgegnerin nicht der Fall. Die Antragsgegnerin hat

der Standardsorte "fettarmer Joghurt mild" zur Herstellung eines

Mischerzeugnisses eine Fruchtzubereitung beigegeben, deren

natürliche Fette mit Linolsäure angereichert wurden, um das

hergestellte Produkt dem besonderen Ernährungserfordernissen von

Kleinkindern (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Lett c DiätVO) anzupassen. Da - wie

zwischen den Parteien unstreitig ist - die der Fruchtzubereitung

beigegebenen essentielle Linolsäure mit der in der

Fruchtzubereitung ohnehin von Natur aus vorhandenen

"Original-Fettsäure" identisch ist, wird dem Milcherzeugnis

(fettarmer Joghurt mild) kein milchfremder Bestandteil zugefügt,

der nicht vorhanden sein dürfte, um das solcherart hergestellte

zusammengesetzte Lebensmittel als Milch(misch)erzeugnis im Sinne

von Art. 2, 3 Abs. 1 BezeichnungsschutzVO, § 2 Abs. 2 MilcherzVO

qualifizieren zu können.

Es sprechen daher gute, wenn nicht im

Ergebnis sogar überzeugende Gründe dafür, das auf der Grundlage

eines "fettarmen Joghurts mild" unter Beifügung einer in ihrem

natürlichen Fettanteil angereicherten Fruchtzubereitung

hergestellte Lebensmittel der Antragsgegnerin als "Milcherzeugnis"

im Sinne von Art. 2 Abs.2 u. Abs. 3 BezeichnungsschutzVO anzusehen,

welches daher gemäß Art. 3 Abs. 1 BezeichnungsschutzVO allein oder

zusammen mit einem oder mehreren Worten (Art. 2 Abs. 3

BezeichnungsschutzVO) die Bezeichnung "Joghurt" tragen darf.

Letztlich bedarf dies im Rahmen des

vorliegenden Verfügungsverfahrens allerdings keiner Entscheidung.

Denn selbst unterstellt, das verfahrensbetroffene Lebensmittel der

Antragsgegnerin sei kein Milch(misch)erzeugnis im Sinne von Art. 2

Abs. 2 BezeichnungsschutzVO, § 2 Abs. 2 MilcherzVO, so steht doch

jedenfalls nicht in einer für den Erlaß der einstweiligen Verfügung

ausreichenden Weise fest, daß die Antragsgegnerin sich nicht zu

ihren Gunsten auf die Ausnahmevorschrift in § 3 Abs. 1 Satz 2

BezeichnungsschutzVO berufen kann, also - soweit der Begriff

"Joghurt" in der Verkehrsbezeichnung des Produkts verwendet ist -

ein Verstoß gegen lebensmittelrechtliche

Bezeichnungsschutzvorschriften vorliegt.

Art. 3 Abs. 1 Satz 2

BezeichnungsschutzVO sieht u. a. vor, daß auch solche Erzeugnisse,

die nicht als Milcherzeugnisse im Sinne von Art. 2 Abs. 2

BezeichnungsschutzVO anzusehen sind, die grundsätzlich diesen

vorbehaltenen Bezeichnungen führen dürfen, wenn diese Bezeichnungen

eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft

verwendet werden. Auf welche Merkmale allerdings zur Beurteilung

der charakteristischen Eigenschaften eines

"Nicht-Milcherzeugnisses" abzustellen ist, deren Beschreibung die

Verwendung einer an sich Milcherzeugnissen vorbehaltene Bezeichnung

dient, geht aus der BezeichnungsschutzVO nicht unmittelbar hervor.

Soweit die Verwendung der Bezeichnung "Joghurt" betroffen ist,

lassen sich allerdings den Materialien zur BezeichnungsschutzVO

Anhaltspunkte dafür entnehmen, welche Merkmale für dieses Produkt

typisch sind und daher für die Beurteilung der charakteristischen

Eigenschaft eines "Nichtmilcherzeugnisses" als "Joghurt"-Erzeugnis

herangezogen werden können. Im Anhang zu den der

BezeichnungsschutzVO vom 2. Juli 1987 vorangegangenen Vorschlag der

Kommission (Amtsbl. Nr. C 111 vom 26. April 1984, S. 7 ff, S. 9)

findet hier unter Nr. 15 neben der Bezeichnung

"Sauermilchfermentierte Milch (Joghurt...)" die Definition "aus

Milch hervorgegangene Folgeerzeugnisse, deren Merkmale auf der

Wirkung von Säuren, Fermenten, Hefe und Lab beruhen". aufgeführt.

In der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom

26. September 1984 heißt es hierzu:"Damit Joghurt in diese

Warenbezeichnung einbezogen werden kann, müßte die Definition

folgender- maßen lauten...auf der Wirkung von Säuren, Fermenten,

Hefe oder Bakterienkulturen und von Lab beruhen" (Amtsbl. Nr.C 307

vom 19. November 1984, 21 ff, 23). Dies läßt den Rückschluß darauf

zu, daß es auf das Vorhandensein der joghurttypischen

Bakterienkulturen ankommt, soll die charakteristische Eigenschaft

eines "Nicht-Milcherzeugnisses" zulässigerweise mit der Bezeichnung

Joghurt beschrieben werden. Da in dem verfahrensbetroffenen

Produkt, welches auf der Basis von "fettarmer Jughurt mild"

hergestellt ist, derartige Bakterienkulturen aber zweifelsohne

vorhanden sind, scheinen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift

des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BezeichnungsschutzVO erfüllt. Eine dieses

Ergebnis nach sich ziehende Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Satz 2

BezeichnungsschutzVO dürfte auch in Einklang mit der Entscheidung

des EUGH vom 14. Juli 1988 in der Rechtsache 298/87

(Vergleichsverfahren gegen Smanor SA; Sammlung 1988, 4489 ff)

stehen, welche die Verwendung der Bezeichnung "Joghurt", die nach

franzö-sischem Recht ausschließlich frischen Milcherzeugnissen

vorbehalten war, auch für tiefgefrorene Produkte betraf. Darin hat

der EUGH u. a. ausgeführt, daß sich die Zulässigkeit der Verwendung

der Bezeichnung Joghurt für ein Produkt, welches nach nationalem

Recht nicht diese Bezeichnung führen darf, u. a. danach beurteile,

ob es sich vor allem was die Anzahl der Bakterien betreffe,

wesentlich von dem Erzeugnis unterscheide, welches die Bezeichnung

tragen dürfe (a.a.O., Seite 4513). Diese Ausführungen des EUGH

stützen die Annahme, daß die Verwendung der Bezeichnung Joghurt

für "Nichtmilcherzeugnisse" dann zuzulassen ist, wenn sich darin

die joghurttypischen Bakterienkulturen wiederfinden.

Da es sich im gegebenen Falle

allerdings um ein zusammengesetztes Erzeugnis handelt, welches

zwar einerseits - soweit es auf der Basis eines "fettarmen Joghurt

mild" gewonnen wurde - zweifellos die Eigenschaften eines Joghurts

aufweist, andererseits aber durch die Beigabe eines in seinem

natürlichen Fettanteil angereicherten pflanzlichen Lebensmittels

speziellen Ernährungsanforderungen im Sinne der DiätVO genügen

will, ist die Frage aufgeworfen, ob sich die charakteristische

Eigenschaft des Produktes über seine Nähe zum Joghurt oder gerade

durch seine diätetische Eignung zu bestimmen ist. Will man

letzterem den Vorzug geben, hätte dies allerdings zur Folge, daß

diätetische Lebensmittel im Sinne der DiätVO, die als Variante aus

einem dem allgemeinen Verzehr dienenden Milcherzeugnis gewonnen

werden, grundsätzlich von der Verwendung der für das Milcherzeugnis

vorgesehenen Bezeichnung selbst dann ausgeschlossen wären, wenn

nach der konkreten Aufmachung des Produktes die Gefahr einer

Verwechslung mit Milcherzeugnissen beispielsweise durch

Bezeichnungszusätze, die den diätetischen Ernährungszweck

verdeutlichen und dem Verbraucher erst die Einordnung des Produkts

in eine bestimmte Nahrungsmittelart ermöglichen, ausgeschlossen

wäre. Ob Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BezeichnungsschutzVO, deren erklärtes

Ziel es u. a. ist, im Interesse des Verbraucherschutzes die Gefahr

einer Verwechslung zwischen Milcherzeugnissen und anderen

Lebensmitteln, einschließlich der Lebensmittel mit

Milchbestandteilen, auszuschließen, in diesem Sinne auszulegen ist,

erscheint zumindest zweifelhaft. Diese die Auslegung von Art. 3

Abs. 1 Satz 2 BezeichnungsschutzVO betreffende Frage ist

allerdings der Entscheidungskompetenz des Senats entzogen. Gemäß

Art. 177 des EG-Vertrages entscheidet ausschließlich der

europäische Gerichtshof über die Auslegung von Handlungen der

Organe der Gemeinschaft, zu denen zweifelsohne die vorliegende

Bezeichnungsschutzverordnung des Rates (Art. 189 EG-Vertrag) zählt.

Die vorbezeichnete Frage gäbe daher Anlaß, die Sache im

Hauptverfahren gemäß Art. 177 EG-Vertrag dem europäischen

Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, falls es hierauf auch

im Hauptsacheverfahren noch ankommen sollte. Im vorliegenden

einstweiligen Verfügungsverfahren kommt allerdings die mit einer

Aussetzung des Verfahrens verbundene Vorlage an den europäischen

Gerichtshof nicht in Betracht (vgl. Teplitzki, Wettbewerbliche

Ansprüche, 6. Aufl., Kap. 55 Rdn. 21 m. w. N.). Aus den oben

genannten Gründen, wonach das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes

des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BezeichnungsschutzVO zugunsten der

Antragsgegnerin ernsthaft in Betracht zu ziehen ist und der

Antragsteller das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der genannten

Vorschrift nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat,

war und ist daher das im Wege der einstweiligen Verfügung

angestrebte Verbot nicht gerechtfertigt. Vor dem dargestellten

rechtlichen Hintergrund und angesichts der weitreichenden Folgen

eines Verbots, oblag es nach Óberzeugung des Senats im vorliegenden

summarischen Verfahren dem Antragsteller, das Nichtvorliegen des

Ausnahmetatbestandes substantiiert darzulegen und glaubhaft zu

machen.

Eine abweichende Entscheidung ergibt

sich schließlich auch nicht aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Milchund

Margarinegesetz. Die genannte Vorschrift bestimmt, daß bei mit

Milch oder mit Milcherzeugnissen verwechselbaren Produkten im Sinne

von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Milch- und Margarinegesetz die der Milch

entstammenden Bestandteile nicht besonders hervorgehoben werden

dürfen. Entgegen seiner amtlichen Óberschrift

("Bezeichnungsschutz") enthält § 9 Milch- und Margarinegesetz zwar

keinen Schutz der Bezeichnung der vorstehenden sogenannten

"Milchersatzmittel" im Sinne von § 1 Abs. 1 Milch- und

Margarinegesetz (Zipfel a.a.O., C 272 Rdn. 2 und 4 zu § 9 Milch-

und Margarinegesetz). Vielmehr regelt diese Vorschrift nur, in

welcher Weise auf die wesentlichen Bestandteile, also sowohl die

Milchbestandteile als auch die nicht der Milch entstammenden

Bestandteile eines mit Milch oder Milcherzeugnissen verwechselbaren

Produkts im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Milch- und Margarinegesetz

hingewiesen werden darf, um eine Täuschung der Verbraucher über die

wertgebenden Bestandteile zu vermeiden (Zipfel a.a.O., C 272 Rdn. 3

zu § 9 Milch- und Margarinegesetz). Auch wenn daher die Bezeichnung

eines solches Produktes in Einklang mit den

lebensmittelrechtlichen Bezeichnungsvorschriften stehen sollte,

kann damit gleichwohl ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 3 Milch-

und Margarinegesetz einhergehen. Dabei kommt § 9 Abs. 1 Satz 3

Milch- und Margarinegesetz über den verbraucherschützenden

Charakter hinaus auch eine die Belange des lauteren Wettbewerbs

wahrende Funktion zu (vgl. Zipfel a.a.O., C 272 Rdn.4 u. 7 zu § 9

Milchund Margarinegesetz).

Die von der Antragsgegnerin für ihr

Produkt "Hipp fettarmer Baby-Joghurt mild mit Fruchtzubereitung"

gewählte Bezeichnung hebt allerdings - unterstellt es handele sich

hierbei um ein sogenanntes "Milchersatzmittel" - entgegen der in §

9 Abs. 1 Satz 3 Milch- und Margarinegesetz vorgeschriebenen

Aufklärung über die Zusammensetzung den der Milch entstammenden

Bestandteil nicht unangemessen hervor. Der Formulierung in § 9 Abs.

1 Satz 3 Milch- und Margarinegesetz ist zwar nicht zweifelsfrei zu

entnehmen, ob das "besondere Hervorheben" nur in "ergänzenden

Hinweisen" neben der Vekehrsbezeichnung verboten ist und was

überhaupt unter "ergänzenden Hinweisen" zu verstehen ist (vgl.

Zipfel a.a.O., C 272 Rdn. 6 zu § 9 Milch- und Margarinegesetz). Die

Formulierung von Satz 1 der genannten Vorschrift sowie der Bericht

des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

(Drucksache 11/7236; vgl. Zipfel a.a.O., Rdn. 4) lassen allerdings

den Rückschluß darauf zu, daß § 9 Abs. 1 Satz 3 Milch- und

Margarinegesetz nur die besondere Kenntlichmachung bzw.

Hervorhebung von Milchbestandteilen in neben der

Vekehrsbezeichnung (§ 4 Satz 1 LMKV) vorgenommenen Hinweisen auf

die Zusammensetzung des Produkts verbietet. Die Verkehrsbezeichnung

selbst wird davon nicht erfaßt. Lediglich dann, wenn die

Verkehrsbezeichnung selbst in der Beschreibung des Lebensmittels

besteht, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art des

Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen -

das wären hier also Milch- bzw. Milchmischerzeugnisse - zu

unterscheiden (§ 4 Satz 1 Nr. 2 LMKV) ist eine Ausnahme

gerechtfertigt und daher § 9 Abs. 1 Satz 3 Milch- und

Margarinegesetz zu beachten (vgl. Zipfel a.a.O., C-272 Rdn.7 zu §

9). Eine derartige Verkehrsbezeichnung stellt die Bezeichnung "H.

fettarmer Baby-Joghurt mild" aber nicht dar. Die Antragsgegnerin

hat damit vielmehr gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 der grundsätzlich auch

für Bezeichnungen von Produkten nach der DiätVO anwendbaren LMKV

die Verkehrsbezeichnung des Lebensmittels des allgemeinen Verzehrs

verwendet (fettarmer Joghurt mild mit Fruchtzubereitung), von der

sie zur Kenntlichmachung des besonderen diätetischen

Ernähungszwecks (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. c DiätVO) durch den Zusatz

"Baby" abgewichen ist (vgl. Zipfel a.a.O., C 20ß Rdn. 8 b bis 8 d

zu § 25). Der in dieser Verkehrsbezeichnung besonders

hervorgehobene Milchbestandteil befindet sich daher in der

Verkehrsbezeichnung selbst und nicht in einem "ergänzenden

Hinweis" neben der Verkehrsbezeichnung mit der Folge, daß § 9 Abs.

1 Satz 3 Milch und Margarinegesetz jedenfalls nicht eingreift.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§

91, 97 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 545 Abs. 2 ZPO ist das Urteil

mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 19.04.1995
Az: 6 U 242/94


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