Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. November 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 206/99

(BPatG: Beschluss v. 06.11.2000, Az.: 30 W (pat) 206/99)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. April 1999 teilweise aufgehoben.

2. Wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Marke 1 152 463 wird die teilweise Löschung der angegriffenen IR-Marke 656 625 angeordnet, nämlich für die Waren

"Appareils et instruments scientifiques, nautiques, geodesiques, electriques, photographiques, cinematographiques, optiques, de pesage, e mesurage, de signalisation, de contr™le (inspection), de secours (sauvetage) et d'enseignement; appareils pour l'enregistrement, la transmission, la reproduction du son ou des images; supports d'enregistrement magnetiques, distributeurs automatiques et mecanismes pour appareils à prepaiement; caisses enregistreuses, machines à calculer, appareils pour le traitement de l'information (à l'exception de les ordinateurs, les processeurs et les micro processeurs)"

3. Wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die IR-Marke 656 625 siehe Abb. 1 am Endeersucht Schutz in der Bundesrepublik Deutschland, nach einer Einschränkung im Beschwerdeverfahren nunmehr noch für folgende Waren:

Appareils et instruments scientifiques, nautiques, geodesiques, electiques, photographiques, cinematographiques, optiques, de pesage, de mesurage, de signalisation, de contr™le (inspection), de secours (sauvetage) et d'enseignement; appareils pour l'enregistrement, la transmission, la reproduction du son ou des images; supports d'enregistrement magnetiques, disques acoustiques, distributeurs automatiques et mecanismes pour appareils à prepaiment; caisses enregistreuses, machines à calculer, appareils pour le traitement de l'information (à l'exception de les ordinateurs, les precesseurs et les microprocesseurs) extincteurs.

Die internationale Registrierung ist am 26. Juni 1996 erfolgt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1990 unter anderem für die Waren

"Computer, Prozessoren, Computerzentraleinheiten, Computerkomponenten, Halbleiterchips"

eingetragene Marke 1 152 463 INTEL.

Die IR-Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, die Markenstelle für Klasse 9 hat die Frage der Benutzung dahingestellt sein lassen und den Widerspruch wegen fehlender Verwechselbarkeit der Marken zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Doppelvokal "ae" in der jüngeren Marke werde ähnlich der Endung "ael" in den Worten "Israel" und "Michael" akzentuiert und nicht wie der Umlaut "ä" ausgesprochen, was zu einer unterschiedlichen Vokalstruktur und Silbenzahl der beiden Vergleichszeichen führe. Zudem bewirke der Konsonant "t" in der Widerspruchsmarke eine harte prägnante Betonung, während die jüngere Marke eher weich und gedehnt ausgesprochen werde.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und auf die Übereinstimmung der beiden Marken in vier von fünf Buchstaben hingewiesen. Sie nimmt einen erhöhten Schutzumfang in Anspruch, denn ihre Marke "INTEL" gehöre zu den bekanntesten Marken in Deutschland. Ein Fachwörterbuch belege, dass ... % der Pro zessoren mit INTEL gekennzeichnet seien (Irlbeck, Computerenglisch, 2. Aufl, 1995). Nach einer Veröffentlichung der F... vom 30. Juni 1999 stehe INTEL in der Weltrangliste der bekanntesten und wertvollsten Marken an siebenter Stelle. Auch habe eine Marketingrecherche im Dezember 1995 ergeben, dass ... % der Endverbraucher bei ungestützter Frage die Marke INTEL kennen (gestützt ... %). Zur Benutzung hat die Widersprechende eidesstattliche Versicherungen und Benutzungsunterlagen vorgelegt. Sie meint, die sich gegenüberstehenden Waren seien wegen der weiten Oberbegriffe im Warenverzeichnis der IR-Markeninhaberin ähnlich, denn diese könnten weitgehend durch Elektronik gesteuert werden, womit ihr Wert durch die elektronische Ausstattung bestimmt werde.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und der IR-Marke den Schutz zu versagen.

Die IR-Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung erkennt sie die Benutzung der Widerspruchsmarke für "Prozessoren" an und stellt eine Bekanntheit der Marke für diese Waren nicht in Abrede. Sie ist jedoch der Ansicht, durch die Beschränkung ihres Warenverzeichnisses scheide eine Ähnlichkeit der Vergleichswaren aus, denn die Funktion dieser Waren könne zwar von einem elektronischen Chip unterstützt werden, wesensbestimmend sei er dafür aber nicht. Das sei nur der Fall, wenn der Prozessor diese Waren beherrschen würde, was aber nicht zutreffe.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf den patentamtlichen Beschluß Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache teilweisen Erfolg. Im Hinblick auf die im Beschlußtenor aufgeführten Waren ist von einer zumindest mittleren Warenähnlichkeit mit den unstreitig benutzten "Prozessoren" seitens der Widersprechenden auszugehen, so daß insoweit eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Bezüglich der übrigen Waren besteht keine Verwechslungsgefahr.

Bei Prüfung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren ausmachen, insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (stRspr, zuletzt BGH MarkenR 2000, 359 - Bayer/BeiChem). Sind Waren dergestalt aufeinander bezogen, daß die eine Ware gerade das technische Mittel darstellt, um die Funktion der anderen Ware zu gewährleisten, so kann eine Erwartung des Verkehrs von der Verantwortlichkeit des selben Unternehmers für die Qualität der Waren kaum in Abrede gestellt werden (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 242 - Canon II). Ein solches aufeinander Bezogensein liegt insbesondere dann vor, wen die Wertschätzung eines Produkts maßgeblich von den Eigenschaften und der Funktionsweise eines anderen Produkts abhängt. Davon ist bei Prozessoren für die im Tenor unter Zi 2 genannten Waren auszugehen: Das Warenverzeichnis der IR-Markeninhaberin entspricht - mit Ausnahme der im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Ausnahme von Computern, Prozessoren und Mikroprozessoren - der amtlichen Klassifikation der Warenklasse 9. Auch wenn eine Warenidentität mit den "Prozessoren" der Widerspruchsmarke ausscheidet, so kann es sich bei den genannten Waren doch um elektronische Apparate und Instrumente handeln, für die der Prozessor - sozusagen als "Herz" der Maschine - von wesensbestimmender Bedeutung ist. Die Geschwindigkeit, die Genauigkeit, die Vielfalt, kurz, die Leistungsfähigkeit von elektrischen und elektronischen Geräten hängt von deren technischer Ausstattung ab, und hier kann ein Mikroprozessor wesensbestimmend sein. Infolgedessen interessiert sich der Verkehr für das "Innenleben" dieser technischen Geräte; wenn er darauf die Marke eines ihm bekannten Prozessorherstellers sieht, so wird er glauben, diese Ware beinhalte einen Prozessor eben dieser Firma, bzw die Ware sei unter Kontrolle des Prozessorherstellers gefertigt oder dieser übernehme die Verantwortlichkeit für die Qualität dieses Produktes. Dies gilt zB speziell auch für Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton oder Bild, bei denen für die Digitaltechnik die Leistungsfähigkeit des Prozessors insbesondere für Schnelligkeit, Genauigkeit und Speicherplatz entscheidendes Qualitätsmerkmal ist. Bei den noch beanspruchten Datenträgern besteht engere Verwandtschaft zu den Prozessoren, weil sie denselben Verwendungszwecken dienen können.

Da also Warenähnlichkeit zwischen allen zurückgewiesenen Waren und den "Prozessoren" besteht, kann dahinstehen, ob die Benutzung der Widerspruchsmarke für die anderen Waren hinreichend glaubhaft gemacht ist.

Hinsichtlich der Schallplatten (bei diesen gibt es weder Prozessoren noch die anderen Waren der Widerspruchsmarke als Bausteine) und Feuerlöschgeräte (bei diesen spielen diese allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle) kann zugunsten der Widersprechenden eine solche Benutzung unterstellt werden, denn Warenähnlichkeit ist insoweit allenfalls entfernt denkbar.

Die Widerspruchsmarke besitzt für "Prozessoren" eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft und kann damit einen erweiterten Schutzumfang in Anspruch nehmen. Dies ergibt sich aus den von der Widersprechenden vorgelegten (unbestrittenen) Veröffentlichungen und Umfrageergebnissen, wonach feststeht, daß die Widerspruchsmarke "INTEL" schon zum Registrierungszeitpunkt der jüngeren Marke einen bedeutenden Bekanntheitsgrad zumindest für Prozessoren inne hatte und nunmehr weltweit zu den führenden und wertvollsten Marken (eingestuft mit ... Milliarden Dollar) zählt. Zwar beziehen sich diese Daten auf den Weltmarkt. Für den Bereich der Prozessoren sind jedoch insoweit keine Umstände bekannt, die dafür sprechen könnten, daß für Deutschland lokale Besonderheiten anzunehmen sind. Daher geben die eingereichten Unterlagen (ausnahmsweise) auch ein für Deutschland soweit aussagekräftiges Bild, daß der Widerspruchsmarke eine gesteigerte Bekanntheit zuzuerkennen ist.

Bei Gewichtung der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebenden Faktoren, nämlich Warenähnlichkeit, Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Markenähnlichkeit würde bei einer derart gesteigerten Verkehrsgeltung schon ein mittlerer Markenähnlichkeit zu einer Verwechslungsgefahr führen. Diese liegt hier jedenfalls vor. Die jüngere Marke wird vorwiegend mit ihrem Wortbestandteil benannt werden, denn die grafische Gestaltung ist untergeordnet. "INAEL" und "INTEL" stimmen in vier von insgesamt fünf Buchstaben vollständig überein. Entgegen der Ansicht der Markenstelle ist bei der jüngeren Marke als Phantasiewort durchaus in rechtserheblichem Ausmaß mit einer Aussprache wie "Inäl" zu rechnen. Dies entspricht den Ausspracheregeln, wonach "ae" in Fremdwörtern und Namen wie "ä" gesprochen wird (zB Baer, laternae magicae, vgl Duden, Aussprachewörterbuch, 2. Aufl, 1974, S 72). Dies entspringt auch daraus, daß Vokale mit Umlaut eine Besonderheit der deutschen Schrift sind, so daß Wörter aus fremden Sprechen solange sie nicht auch in der Rechtschreibung eingedeutscht sind, vielfach noch mit ae geschrieben, mitunter aber sogar entgegen dem Originalwort mit ä artikuliert werden (zB aeor..., bei dem neben dem (richtigen) aero... häufiger die Sprechweise Äro... anzutreffen ist und beide Aussprachen zulässig sind. Daß bei den von der Markenstelle angeführten Namens-Beispielen dies nicht zutrifft, ist unerheblich, auch weil das Zeichenwort kaum Anlaß gibt, an Namen wie Rafael und Israel zu denken. Ein maßgeblicher Teil des Publikums wird die jüngere Marke deshalb wie "Inäl" auszusprechen. Dann aber sind klangliche Unterschiede zwischen beiden Marken nur gering.

Die Beschwerde hat deshalb im Umfang der im Beschlußtenor genannten Waren Erfolg.

Im Übrigen ist die Beschwerde zurückzuweisen, weil insoweit ein jedenfalls so deutlicher Warenabstand vorliegt, daß der Schutzbereich der Widerspruchsmarke nicht mehr verletzt ist.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Winter Schwarz-Angele Mü/Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)174-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/30W(pat)206-99.1.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 06.11.2000
Az: 30 W (pat) 206/99


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