Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. April 2004
Aktenzeichen: I-20 U 18/04

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.04.2004, Az.: I-20 U 18/04)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil der 4. Kammer für Han-delssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 19. November 2003 wird zurück-gewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I. Von einem Tatbestand wird nach § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen. Gegen das vorliegende Urteil ist ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht zulässig. Mit der Entscheidung des Senats erschöpft sich nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO der im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegebene Rechtszug.

II. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts, durch das die gegen sie am 6. Oktober 2003 ergangene Beschlussverfügung auf Untersagung des Angebots und Vertriebs eines bestimmten Haartrockners bestätigt worden ist, ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das beim Landgericht erfolgreiche Eilbegehren der Antragstellerin auf Gewährung ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 1 UWG für den von ihr hergestellten sowie über den Fachhandel, dort unter der Bezeichnung "Professional", Modellreihe 5488, und über das Handelsunternehmen Q. unter dessen Marke "Privileg" vertriebenen Haartrockner gegenüber dem von der Antragsgegnerin auf der Großhandelsstufe vertriebenen im angefochtenen Urteil nach der Werbung des belieferten Einzelhändlers mit der Bezeichnung "HOME ELECTRIC 1.800 Watt-Haartrockner 60265" abgebildeten Haartrockner ist zulässig und begründet. Auf die Begründung, die das Landgericht hierzu gegeben hat, wird vorab zustimmend verwiesen. Die im angefochtenen Urteil bejahte örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Düsseldorf ist im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen, § 513 Abs. 2 ZPO.

Die erlassene und durch das angefochtene Urteil bestätigte Beschlussverfügung unterliegt nicht schon wegen einer Versäumung der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2, § 936 ZPO der Aufhebung. Die der Antragstellerin am 6. Oktober 2003 zugestellte Beschlussverfügung ist vielmehr innerhalb der mit diesem Tag beginnenden Monatsfrist wirksam vollzogen worden, und zwar durch eine Zustellung an die Antragsgegnerin selbst auf Veranlassung der Antragstellerin (Parteizustellung). Die Parteien streiten mit Recht nicht darüber, dass die Parteizustellung einer auf ein wettbewerbsrechtliches Verbot lautenden einstweiligen Verfügung an den Antragsgegner grundsätzlich eine zur Vollziehung geeignete Maßnahme ist (BGHZ 120, 73).

Im Streitfall war die Zustellung an die Antragsgegnerin selbst nicht deshalb wirkungslos, weil die Zustellung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an die Rechtsanwälte Dr. J. und S., Dresden und Reutlingen, als für das Verfügungsverfahren bestellte Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hätte erfolgen müssen. Die Zustellung muss an einen bestellten Prozessbevollmächtigten nämlich nur dann erfolgen, wenn der Antragsteller von der Bestellung weiß oder die Bestellung erkennen kann. Sonst kann wirksam an den Antragsgegner selbst zugestellt werden (OLG Düsseldorf WRP 1982, 531; OLG Frankfurt OLGZ 1988, 104; OLG Hamburg NJW-RR 1995, 444). Im Streitfall wusste die Antragstellerin bei der Vollziehung der Beschlussverfügung noch von keiner Bestellung der Rechtsanwälte Dr. J. und S. zu Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin.

Dem vorprozessualen Schreiben dieser Anwälte an die Antragstellerin vom 22. September 2003 war eine Prozessvollmacht nicht zu entnehmen. Das Schreiben enthält vielmehr nur eine allgemeine Bevollmächtigungsanzeige und die Mitteilung einer Zustellungsvollmacht für den Fall eines gerichtlichen Vorgehens. Der erkennende Senat ist nicht der Auffassung, dass eine mitgeteilte "Zustellungsbevollmächtigung" ohne weiteres als "Prozessbevollmächtigung" zu verstehen wäre. Eine "Zustellungsbevollmächtigung" bedeutet nur, dass an den bevollmächtigten Rechtsanwalt zugestellt werden kann, nicht aber, dass an ihn zugestellt werden muss. Es besteht kein Anlass, den nach dem Wortsinn klaren Inhalt der beiden Begriffe zu verwischen. Im Gegenteil würde es eine durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung des Antragstellers bedeuten, ihn auf eine ausdehnende Auslegung des vom Antragsgegner verwendeten angeblich hinter dem Gemeinten zurückbleibenden Wortes zu verweisen (in einem konkreten Fall anderer Auffassung: OLG Hamburg OLGR 2001, 278).

Die Einreichung einer Schutzschrift vom 23. September 2003 beim Landgericht Frankfurt am Main durch die Rechtsanwälte Dr. J. und S. für die Antragsgegnerin gab der Antragstellerin keine Kenntnis von der Bestellung von Prozessbevollmächtigten auf der Gegenseite und auch keinen Anlass zu Nachforschungen hierüber (vgl. KG OLGR 1999, 227; OLG Düsseldorf GRUR 1984, 79; OLG Frankfurt OLGZ 1988, 104; OLG Hamburg OLGR 1997, 263). Rechtanwalt Dr. Z. aus Düsseldorf, der die Sache bei den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vor allem bearbeitet, hat nämlich unter dem 29. März 2004 an Eides Statt versichert, den von ihm zunächst beim Landgericht Frankfurt am Main eingereichten Verfügungsantrag nach dem bloßen telefonischen Hinweis eines dortigen Richters auf Bedenken hinsichtlich der wettbewerblichen Eigenart des Erzeugnisses der Antragstellerin zurückgenommen zu haben, und zwar ohne eine Kenntnisnahme vom Inhalt der - vom Richter als für die geäußerten Bedenken bedeutungslos eingestuften - Schutzschrift.

Das die vollzogene Beschlussverfügung ohne inhaltliche Änderung bestätigende Urteil des Landgerichts bedurfte seinerseits keiner Vollziehung mehr (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. Kap. 55 Rdnr. 48 mit Nachweisen der Rechtsprechung).

Für das auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsbegehren fehlt es nicht an einem Verfügungsgrund. Die zugunsten der Antragstellerin wirkende Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG ist nicht widerlegt. Die Antragstellerin hat durch die Art ihrer Rechtsverfolgung nicht zu erkennen gegeben, dass ihr die Sache selbst nicht eilig wäre. Nach ihrem unwiderlegten Vortrag hat die Antragstellerin vom Vertrieb des angegriffenen Erzeugnisses bei einem bestimmten Einzelhändler am 3. September 2003 erfahren und in den nächsten Tagen die Antragsgegnerin als Lieferantin ermittelt. Nach einer vergeblichen Abmahnung der Antragstellerin vom 16. September 2003 unter Fristsetzung bis zum 23. September 2003 hat sich die Antragstellerin mit der Anbringung des das vorliegende Verfahren einleitenden Antrags beim Landgericht Düsseldorf am 2. Oktober 2003 mit anderthalb Wochen keinesfalls zu viel Zeit gelassen (vgl. auch OLG Düsseldorf NJWE-WettbR 1999, 15).

Die Rücknahme des am 27. September 2003 beim Landgericht Frankfurt am Main angebrachten Antrags - schon mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2003 - zeigt nicht, dass die Sache der Antragstellerin in Wirklichkeit nicht dringlich gewesen wäre. Die vergebliche Anrufung des Frankfurter Gerichts hat zu keiner nennenswerten Verzögerung der Rechtsverfolgung in Düsseldorf geführt. Ein Antragsteller, der das verfolgte Begehren für so dringlich hält, dass er alles daran setzt, schon in der ersten Instanz eine Beschlussverfügung zu erreichen, bringt, wenn er bei einem zunächst angerufenen Gericht nicht durchzudringen vermag, durch die sofortige Rücknahme des Begehrens dort und seine sofortige anderweitige Anbringung nicht zum Ausdruck, die Sache sei ihm nicht eilig (OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 226; a.A. OLG Frankfurt GRUR-RR 2002, 44 = WRP 2001, 716). Das Kriterium einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung ist in einem solchen Fall nicht geeignet, dem an sich unerwünschten Schwanken zwischen Gerichtsständen zu begegnen. Im Streitfall kommt die Besonderheit hinzu, dass sich die Hoffnung der Antragstellerin, mit ihrem Begehren gegen die jetzige Antragsgegnerin gerade vor dem Frankfurter Landgericht Erfolg zu haben, auf die Erfahrung stützen konnte, dass dort zuvor eine andere Kammer die Untersagung gegen die von der jetzigen Antragsgegnerin belieferte Einzelhändlerin, nämlich die P.-M. GmbH, K., im Beschlusswege am 5. September 2003 ausgesprochen hatte.

Das Interesse der Antragstellerin, die Beeinträchtigung im Absatz ihres Erzeugnisses - auch über ein bedeutendes Versandhandelsunternehmen unter dessen Marke - alsbald unterbunden zu sehen und damit auch eine Schwächung der herkunftshinwesenden Kraft der äußeren Gestalt des Erzeugnisses durch das nahezu identische Produkt der Antragsgegnerin zu vermeiden, überwiegt gegenüber dem Interesse des Antragsgegnerin, mit dem Verbot des Vertriebs erst nach einem Verfahren zur Hauptsache mit dessen überlegenen Erkenntnismitteln belegt zu werden. Auf der einen Seite hat der Vertrieb des schutzbeanspruchenden Produkts nach dessen geschilderter Marktpräsenz für die Antragstellerin ersichtlich eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Auf der anderen Seite ist anzunehmen, dass die Antragsgegnerin - jedenfalls inzwischen - hinreichende Gelegenheit hatte, den Tatsachenstoff zu besorgen, der gegen den für das Erzeugnis der Antragstellerin begehrten ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz angeführt werden könnte. Damit vermindert sich für sie der Nachteil, aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens mit einem Verbot belegt zu werden. Die Antragsgegnerin hat zudem nicht dargelegt, dass ihr aus dem begehrten Verbot ein besonderer, das Übliche übersteigender Schaden drohe. Sie ist mit ihrem aus dem Ausland stammenden, von Importeuren über weitere Zwischenhändler bezogenen und an den Großhandel vertriebenen Erzeugnis ersichtlich erst seit kurzem auf dem Markt; ihre Behauptung einer früheren Marktpräsenz ist unsubstantiiert. Die Antragstellerin hat im Übrigen als Herstellerin die chinesische Z. Y. E. Co. Ltd., Z., ermittelt und sie ihrerseits vor dem Landgericht Köln im Eilverfahren erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Schließlich nimmt die von der Antragstellerin bereits gegen den Einzelhändler erwirkte und von ihm mit einer Abschlusserklärung versehene Unterlassungsverfügung des Landgerichts Frankfurt am Main dem Vorgehen der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin nicht den Verfügungsgrund. Die Antragstellerin ist alsbald gegen einen anderweitigen Vertrieb des angegriffenen Produkts durch die Antragsgegnerin zu schützen.

Der inländische Vertrieb des "HOME ELECTRIC 1.800 Watt-Haartrockner 60265" durch die Antragsgegnerin ist wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG. Der Haartrockner, für den die Antragstellerin ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in Anspruch nimmt, ist von wettbewerblicher Eigenart, und es liegen besondere Umstände vor, die die Nachahmung des Erzeugnisses durch den Haartrockner der Antragsgegnerin als unlauter erscheinen lassen; von den wettbewerbsrechtlich insofern relevanten Gesichtspunkten der Herkunftstäuschung, Rufausnutzung und Behinderung ist im Streitfall der erste verwirklicht. Deshalb kann sich die Antragsgegnerin hinsichtlich des Erzeugnisses, das nicht unter Sonderrechtsschutz steht, nicht auf den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit stützen (vgl. Piper in Köhler-Piper, UWG. 3. Aufl., § 1 Rdnr. 601 mit Nachweisen der Rechtsprechung).

Die wettbewerbliche Eigenart des Haartrockners des Antragstellerin liegt in seiner äußeren Gestalt begründet. Die ästhetischen Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart schaffen, sind in der Antragsschrift im Einzelnen angegeben (Seite 4, 2. Absatz bis Seite 6, 2. Absatz). Auf die Beschreibung, die in der Berufungsverhandlung an Hand der von beiden Parteien vorgelegten Exemplare des Erzeugnisses nachvollzogen worden ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Bildlich ist das Erzeugnis in den Anlagen A 9 und 10 sowie A 11 und 12 dargestellt.

Dem Produkt der Antragstellerin ist die wettbewerbliche Eigenart nicht deshalb abzusprechen, weil es sich um ein Allerweltserzeugnis handeln würde, dessen Herkunft und Besonderheiten den interessierten Verkehrskreisen gleichgültig sind und die dem gemäß unter den wettbewerbsrechtlich relevanten Gesichtspunkten der Herkunftstäuschung, Rufausnutzung und Behinderung keine Rolle spielen (vgl. Piper, aaO, Rdnr. 602). Die betriebliche Herkunft eines elektrisches Haartrockners der Art, wie ihn die Antragstellerin anbietet, ist den angesprochenen Verkehrskreisen, letztlich der Breite der Bevölkerung, nicht gleichgültig. Mit der betrieblichen Herkunft eines solchen Erzeugnisses, das einen gewissen Preis hat - die Antragstellerin ordnet ihre Geräte dem "Semi-Profi"-Bereich zu, bei Q. sind sie für 34,99 Euro angeboten worden - und nicht nur über eine kurze Zeit genutzt wird, verbinden sich Qualitätsvorstellungen. Die auf dem Markt angebotenen Produkte werden nicht ohne weiteres als technisch gleichwertig angesehen. Vielmehr rechnet der Verbraucher damit, dass die Erzeugnisse des einen Herstellers besser sein können als die eines anderen. Es liegt auf der Hand, dass der Verbraucher das Angebot an elektrischen Haartrocknern nicht nur nach entsprechenden schriftlichen Angaben auf den Erzeugnissen selbst oder auf der Verpackung, sondern auch nach der unterschiedlichen äußeren Gestalt der Erzeugnisse verschiedenen Herstellern zuordnet. Glaubt der Verbraucher einen ihm bekannten elektrischen Haartrockner nach der äußeren Gestalt in einem anderen Erzeugnis wiederzuerkennen, wird er spontan annehmen, die beiden Produkte stammten aus ein und demselben Betrieb. Der Verkehr ist nicht daran gewöhnt, dass elektrische Haartrockner identischer oder nahezu identischer Gestalt aus verschiedenen Betrieben stammen. Die im Streitfall vorgelegten konkurrierenden Erzeugnisse unterscheiden sich in der äußeren Gestalt - bei Berücksichtigung bestimmter, zum Teil technisch vorgegebener Grundformen - deutlich von einander.

Hinzu kommt der Gesichtspunkt, dass die ästhetische Gestalt von Gebrauchsgegenständen - wenn es nicht um gänzlich banale Sachen geht, zu denen elektrische Haartrockner nicht gehören, - als solche in den letzten Jahrzehnten eine immer größere Bedeutung für den Absatz gewonnen hat. Gebrauchsgegenstände werden zunehmend gerade auch wegen ihres Designs gekauft, jedenfalls dann, wenn der technische Gebrauchswert als mehr oder weniger gleich angenommen wird. Wird dem Design einer Ware über ihren Gebrauchsnutzen hinaus eine eigenständige Bedeutung beigemessen mit der Folge, dass eine ansprechende Gestaltung den Absatz der Ware fördern kann, so wird der Verkehr schon aus diesem Grund nicht zu der Annahme neigen, dass eine bestimmte Gestaltung der Ware unterschiedslos von mehreren Unternehmen verwandt werde. Für den Verkehr wird vielmehr die Annahme näher liegen, dass die Unternehmen sich auch mit der Gestaltung ihrer Produkte Wettbewerb leisten. Es spricht nichts dafür, dass diese Beobachtung nicht auch für elektrische Haartrockner gelten würde, zumal da sie bei jedem Benutzungsvorgang für einige Zeit in die Hand genommen werden müssen und auch nicht immer verdeckt aufbewahrt werden. Gerade das Gerät der Antragstellerin weist ein anspruchsvolles, durchaus auch markantes Design auf, das jedenfalls den Teilen des Verkehrs als solches auffallen wird, die Sinn für Produktgestaltung haben.

Allerdings ist bei der Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart eines Erzeugnisses festzuhalten, dass Merkmalen, die allgemein üblich sind oder von Mitbewerbern in gleicher oder ähnlicher Form oder Funktion verwendet werden, die Eignung fehlt, herkunftshinweisend zu wirken oder Besonderheiten des Erzeugnisses deutlich zu machen (Piper aaO, Rdnr. 603). Im Streitfall trifft dieser Gesichtspunkt für die grundlegenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses der Antragstellerin und auch einige Einzelmerkmale der Gestaltung zu; sie finden sich auch bei Konkurrenzprodukten. Die wettbewerbliche Eigenart gründet im Streitfall aber auf der Kombination der Vielzahl der - unabhängig von den technischen Gegebenheiten frei gewählten - ästhetischen Merkmale. Sie findet sich bei keinem Konkurrenzerzeugnis.

Auf die einzelnen Merkmale, die das angegriffene Erzeugnis nur mit dem Schutz beanspruchenden Erzeugnis - in der Kombination - gemein hat, nicht aber mit sonstigen Konkurrenzprodukten, und auf das Gewicht dieser Merkmale im Vergleich zu den Merkmalen, die allgemein üblich sind oder von Mitbewerbern in gleicher oder ähnlicher Form oder Funktion verwendet werden, braucht im Streitfall nicht näher eingegangen zu werden, weil das angegriffene Erzeugnis eine fast identische Übernahme des Schutz beanspruchenden darstellt. In Fällen der unmittelbaren Leistungsübernahme sind an die wettbewerbliche Eigenart geringere Anforderungen zu stellen (Piper, aaO, Rdnr. 604).

Auf dem inländischen Markt gibt es keine elektrischen Haartrockner, die in ihrer Gestaltung die Merkmale des Erzeugnisses der Antragstellerin in Kombination aufweisen würden, so wie sie gerade das angegriffene Produkt zeigt. Am nächsten kommt dem Erzeugnis der Antragsgegnerin in dieser Beziehung der aus den Abbildungen der Anlagen A 10 und A 20 ersichtliche und in der Berufungsverhandlung im Original überreichte elektrische Haartrockner der Firma C.. Das im Termin ebenfalls im Original überreichte Gerät "Albatros" des italienischen Herstellers F. muss von vornherein außer Betracht bleiben, weil seine bestrittene inländische Marktpräsenz nicht dargelegt und nicht belegt ist. Das Erzeugnis der spanischen Firma U. gemäß Anlage A 4 stammt nach dem nicht substantiiert in Abrede gestellten Vortrag der Antragstellerin von ihr selbst.

Gegenüber dem Erzeugnis der Firma C. weist das Gerät der Antragstellerin ein deutlich gelungeneres Design auf, nämlich eine straffere, geschlossenere und harmonischere Linienführung und einen klaren einfachen Farbkontrast. Die im Wesentlichen vertikale Mittellinie des Griffteils (Trennfuge) setzt sich in einem einheitlichen Bogen im Lüftungsgehäuse fort und trennt dort den dunkel farbigen hinteren Teil vom bis hierhin ausgedehnten silbrigen vorderen und mittleren Teil des Lüftungsgehäuses, während beim Gerät der Firma C. die Mittellinie des Griffteils im Bereich des Gehäuses die Bogengestalt verlässt und dort eine glatte steif wirkende Senkrechte einnimmt; der silbrige Vorderteil des Lüftungsgehäuses ist nicht bis zu dieser Linie geführt. Dem Gerät der Firma C. fehlt insgesamt der Eindruck eines leichten "Nach-Hinten-Schwingens" von Griffteil und Lüftungsgehäuse, der das Produkt der Antragstellerin auszeichnet. Diesen gestalterischen Mangel ruft nicht nur die bereits angesprochene steife Führung der Trennfuge hervor, sondern auch das Fehlen der reliefartig hervortretenden Doppellinie, die unten am Mittelteil des Lüftungsgehäuses des Antragstellerin vor dem Griffanschluss ansetzt und sich von dort in einem weiten Bogen bis etwa zur mittleren Höhe des hinteren Lüftungsgehäuseteils erhebt, bevor sie ganz hinten am Luftaustrittsgitter endet. In diese Doppellinie ist beim Gerät der Antragstellerin in geschickter Weise auf jeder Seite eine längliche schwarze Auflagenoppe integriert. Für eine solche Einbindung der - hier im Übrigen grell gelben - Auflagennoppen gibt die Form der Firma C. keinen Raum. Angemerkt sei dann noch, dass zwar schon das Erzeugnis von C. einen Kontrast von dunkel farbigem Griffteil und eben solchen Teilen des Lüftungsgehäuses zu silbrigen anderen Teilen des Lüftungsgehäuses zeigt, welcher sich dann auch beim Produkt der Antragstellerin findet, und dass als dunkle Farbe bei beiden Geräten ein - allerdings unterschiedlicher - Blauton gewählt worden ist, dass sich die Farbbereiche bei beiden Geräten aber deutlich anders verteilen. Das Gerät der Firma C. zeigt am Lüftungsgehäuse den banalen Wechsel silbrig - dunkel - silbrig, während die Antragstellerin gestalterisch auf den klaren einfachen Kontrast von dunklem hinteren Bereich des Lüftungsgehäuses und Griff zum hellen mittleren und vorderen Bereich des Lüftungsgehäuses setzt.

Die vom Bundesgerichthof (GRUR 2002, 275 - Noppenbahnen) für die Annahme einer wettbewerblichen Eigenart geforderte gewisse Verkehrsbekanntheit ist im Streitfall ohne weiteres zu bejahen. Der eidesstattlichen Versicherung ihres Vertriebsleiters H. B. vom 30. September 2003 zufolge hat die Antragstellerin das Gerät in Deutschland von Mitte 2001 bis August 2003 unmittelbar in etwa 15.000 Stücken an das Unternehmen Q. verkauft und in weiteren etwa 29.000 Stücken an sonstige Abnehmer. Das Erzeugnis findet sich auch im weit verbreiteten Katalog von Q. und auf der Internetseite dieses Unternehmens, ebenso im Katalog des Handelsunternehmens N. und auf dessen Internetseite.

Erscheint die Gestaltung des Haartrockners als wettbewerblich eigenartig und damit als Anknüpfungspunkt für Herkunftsvorstellungen, so kommt es nicht weiter darauf an, ob der Verkehr auch weiß, aus welchem Unternehmen das fragliche Erzeugnis stammt. Die Herkunftsvorstellungen des Verkehrs müssen sich nämlich nicht auf ein bestimmtes Unternehmen richten. Damit schadet der wettbewerblichen Eigenart des Schutz beanspruchenden Erzeugnisses mit ihrer Eignung, Träger von Herkunftsvorstellungen zu sein, auch nicht der Umstand, dass die Antragstellerin den elektrischen Haartrockner nicht nur unter ihrem eigenen Namen, sondern auch über das Handelsunternehmen Q. unter dessen Marke "Privileg" vertreibt. Die Geräte erscheinen durch den zweigleisigen Vertrieb durchaus nicht als von verschiedenen Herstellern stammend. Der Verkehr rechnet vielmehr aufgrund entsprechender Erfahrungen mit Lizenzproduktionen. Ihm ist bekannt, dass mitunter durch einen Vertrieb von Waren über eine weitere Schiene unter Verwendung einer anderen Marke neue Käuferschichten erschlossen werden sollen. Zur Bekanntheit des Phänomens trägt gerade das Handelsunternehmen Q. mit seiner Marke "Privileg" bei.

Der Vertrieb des Haartrockners der Antragsgegnerin ist wettbewerbswidrig unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung. Denn der angegriffene Haartrockner ähnelt, wie vor allem der Vergleich der in der Berufungsverhandlung vorgelegten Exemplare zeigt, in seiner äußeren Gestalt dem Produkt der Antragstellerin so sehr, dass in Bezug auf beide Erzeugnisse mit Herkunftsverwechslungen zu rechnen ist. Die beiden Erzeugnisse sind der Form nach praktisch gleich gestaltet. Mit Recht spricht die Antragstellerin davon, sie glichen sich "wie ein Ei dem anderen". Zur Farbgebung ist zunächst festzuhalten, dass es den für das Erzeugnis der Antragstellerin charakteristischen Gegensatz zwischen dem dunkel farbigen hinteren Teil des Lüftergehäuses und dem dunkel farbigen Griffteil auf der einen Seite und dem silbernen Mittel- und Vorderteil des Lüftergehäuses auf der anderen Seite bei dem angegriffenen Erzeugnis ebenfalls gibt. Es fällt dann nicht mehr ins Gewicht, dass für den dunkelfarbigen Teil des Geräts der Antragsgegnerin ein etwas anderer dunkler Blauton gewählt worden ist als für das Gerät der Antragstellerin. Gerade in Bezug auf die oben im Hinblick auf das Gerät der Firma C. besonders behandelten Merkmale liegt auf Seiten der Antragsgegnerin eine glatte Übernahme der Gestaltung der Antragstellerin vor. Wie die Antragsgegnerin nicht in Abrede stellt, könnten die von ihr vertriebenen elektrischen Haartrockner im Äußeren ohne weiteres anders gestaltet werden, womit dann auch die Grundlage für die die Wettbewerbswidrigkeit konstituierende Herkunftstäuschung entfallen würde. Auf Seiten der Antragsgegnerin ist die zumutbare Abänderung der äußeren Gerätegestalt unterlassen (vgl. Piper, aaO, Rdnr. 631), vielmehr eine glatte Nachahmung auf den inländischen Markt gebracht worden.

Dass am Griff des Geräts der Antragsgegnerin eine einheitliche blaue "Cool"-Taste an die Stelle einer blauen "COOL"- und einer roten "EXPRESS"-Taste am Gerät der Antragstellerin getreten ist, ist für den gestalterischen Gesamteindruck, den die beiden Haartrockner machen, ebenso wenig bedeutsam wie die weiß-silbrige Farbgebung der Symbole an den darunter liegenden beiden Tasten des Geräts der Antragsgegnerin gegenüber der zum Teil roten Farbgebung von Symbolen und einem Wort in diesem Bereich beim Gerät der Antragstellerin.

Herkunftstäuschungen infolge der Nachahmung der Gestaltung der Antragstellerin wird nicht hinreichend durch die Aufschriften auf dem Gerät der Antragsgegnerin entgegen gewirkt. Die Angaben "TURBO 1800 W" sind dazu wegen ihres beschreibenden Gehalts von vornherein ungeeignet. Aber auch die weitere, zweimal erscheinende - im Übrigen sehr klein gehaltene - Angabe "HOME ELECTRIC" ist hierzu zu blass, und zwar gerade auch gegenüber den ebenfalls beschreibenden Angaben "PROFESSIONAL CARE * COOL * EXPRESS SILENT 1800" auf dem Gerät der Antragstellerin; die dortige zweimal verwendete kennzeichnende Angabe "WIK" tritt wiederum stark zurück. Ähnlich verhält es sich mit den Angaben auf der Verpackung. Die Gestaltung der Verpackung länger nutzbarer Geräte hat ohnehin wenig Bedeutung für Herkunftsvorstellungen, die der Verkehr in Bezug auf diese Geräte entwickelt. Die Geräte befinden sich zudem schon bei der Präsentation vor einem Verkauf nicht immer in ihrer Verpackung. Für bestimmte Lebensmittel mag etwas anderes gelten (vgl. BGH GRUR 2001, 443 - Vienetta).

Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert, für ihren Haartrockner ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 1 UWG geltend zu machen. Sie ist als die Herstellerin des Erzeugnisses anzusehen. Zur Entwicklung ihres Geräts hat die Antragstellerin die auf sie selbst lautende technische Zeichnung der Anlage Ast 16 aus dem Jahr 2000 vorgelegt. Eine etwaige Lohnfertigung der Geräte würde die Position der Antragstellerin als Herstellerin nicht beeinträchtigen. Fragen hierzu sind im vorliegenden Verfahren aber nicht aufgeworfen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Über eine vorläufige Vollstreckbarkeit der vorliegenden Entscheidung ist schon deshalb nicht zu befinden, weil mit ihr nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO der Instanzenzug erschöpft ist.

Streitwert für das Berufungsverfahren (nach der erstinstanzlichen Wertfestsetzung): 200.000 Euro

B. Sch. F.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 29.04.2004
Az: I-20 U 18/04


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