Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Oktober 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 481/99

(BPatG: Beschluss v. 18.10.2000, Az.: 32 W (pat) 481/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Wort/-Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endefür

"Film- und TV-Produktion"

unter der Nr 398 29 646 in das Register eingetragen worden. Widerspruch erhoben haben die Widersprechenden aus den für sie beide in rot, schwarz, weiß eingetragenen prioritätsälteren Marken 398 19 308 siehe Abb. 2 am Endegeschützt für Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Schreibwaren; Photographien; Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen; Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthaltenund 396 22 050 siehe Abb. 3 am Endegeschützt für Werbung und Geschäftswesen, insbesondere Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit, Marketing, Marktforschung und Marktanalyse, Unternehmensberatung, Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, Personalberatung, Verteilung von Waren zu Werbezwecken, Werbemittlung, Werbung, Rundfunk- und Fernsehwerbung, Kinowerbung; Erziehung und Unterhaltung, insbesondere Filmproduktionen, Künstlervermittlung; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen.

Die Markenstelle für Klasse 41 - besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes - hat durch Beschluß vom 30. August 1999 die Widersprüche zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Marken könnten sich teilweise bei identischen Dienstleistungen, nämlich der Fernseh- und Filmproduktion, begegnen. Bei der Zielgruppe der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen handele es sich indes eher um Fachkreise. Die Widerspruchsmarken verfügten über eine normale Kennzeichnungskraft.

Unter diesen Umständen dürften unter Berücksichtigung der berufsüblichen Sorgfalt, die sich verwechslungsmindernd auswirke, keine überzogenen Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, so daß eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei. Bei allen sich gegenüberstehenden Marken handele es sich um Wort-Bildmarken. Beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen messe der Verkehr in der Regel dem Wort als einfachste und kürzeste Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu. Die angegriffene Marke werde somit mit "Start Film + TV" benannt, die Widerspruchsmarken mit "Start". Damit unterschieden sich die Vergleichsmarken durch ihre Wortlänge auffallend voneinander. Es bestehe für den Verkehr kein Anlaß, bei der angegriffenen Marke einen Bestandteil stärker zu beachten. Vielmehr werde "Start Film + TV" als ein zusammengehöriger Begriff angesehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie machen geltend, der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde durch den Bestandteil "Start" geprägt. Dies ergebe sich bereits optisch durch die wesentlich verkleinerte Widergabe der Elemente "Film und TV". Im übrigen seien diese Bestandteile rein beschreibend. Die Widerspruchsmarken würden intensiv benutzt und verfügten über eine erhöhte Verkehrsbekanntheit.

Sie beantragen, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 41 vom 30. August 1999 aufzuheben und die Marke 398 29 646 "Start Film + TV" zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend, der Begriff "Start" verfüge über eine sehr geringe Kennzeichnungskraft, was sich aus der Eintragung von 133 Marken mit dem Bestandteil "Start" ergebe. Eine erhöhte Verkehrsbekanntheit wurde bestritten. Die angegriffene Marke erhalte gerade durch den Zusatz "Film + TV" ihre kennzeichnende phonetische Gesamtprägung. Der Begriff "Start" trete demgegenüber in den Hintergrund. Da der Kreis der Verkehrsbeteiligten bei der Dienstleistung "Film- und TV-Produktion" überwiegend aus Fachleuten bestehe, würden die Vergleichsmarken ohne weiteres auseinandergehalten.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig (§ 66 Abs 1, 2 und 5 MarkenG), jedoch unbegründet, da eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"). Dabei besteht eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren/Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke (BGH GRUR 1999, 496, 497 "TIFFANY").

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist davon auszugehen, daß die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen zum Teil (Filmproduktion) identisch sind, so daß grundsätzlich strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind (BGH GRUR 1995, 216, 219 "Oxygenol II"). Darüber hinaus kann von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken in ihrer Kombination von Wort und Bild ausgegangen werden. Demgegenüber läßt sich ein gesteigerter Schutzumfang, den der Markeninhaber bestritten hat, nicht ohne weiteres feststellen. Insoweit können in der Regel nur Verkehrsbefragungen oder möglicherweise vergleichsweise hohe Werbeaufwendungen zeigen, inwieweit eine Marke dem Verbraucher bekannt ist (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 139). Indes ist der pauschale Hinweis auf eine intensive Benutzung nicht geeignet, eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit und einen hierdurch bedingten erhöhten Schutzumfang zu belegen.

Die Marken unterscheiden sich in ihrer Gesamtheit, auf die es für die Prüfung der Verwechslungsgefahr in erster Linie ankommt (BGH GRUR 1989, 264 "REYNOLDS R1; 1991, 139 Duft-Flacon"; GRUR 1996, 404 "Blendax Pep"; 1996, 406 "JUWEL"; GRUR 1996, 198 "Springende Raubkatze"), in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht deutlich. Die angegriffene Marke weist ua die zusätzlichen Bestandteile "FILM + TV" auf, die in den Widerspruchsmarken keine Entsprechung finden. Eine Verkürzung allein auf den vorangestellten grafisch ausgestalteten Bestandteil, der als "START" gelesen werden könnte, ist nicht ohne weiteres zulässig. Dem einzelnen Bestandteil einer Kombinationsmarke kann für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nur dann maßgebliche Bedeutung zugebilligt werden, wenn gerade dieses Element den Gesamteindruck der Marke prägt oder doch wesentlich mitbestimmt (BGH GRUR, 1996, 199 "Springende Raubkatze"; GRUR 1996, 404 "Blendax Pep"; GRUR 1996, 406 "JUWEL"; GRUR 1999, 585 "LORA DI RECOARO"). Eine isolierte kollisionsbegründende Gegenüberstellung wäre nur dann zulässig, wenn das Element "START", soweit es überhaupt wegen der grafischen Ausgestaltung als solches erkannt und gelesen wird, die angegriffene Marke prägen könnte. Dies ist indes nicht der Fall.

Bei "START" handelt es sich um eine kennzeichnungsschwache Angabe. Diese Bezeichnung ist praktisch auf jedem Waren- oder Dienstleistungsgebiet einsetzbar als Hinweis darauf, daß es um den Beginn einer Aktion geht. Gerade iVm "Filmproduktion" eignet sich diese Bezeichnung als Hinweis auf den Start eines Films in Kinos. Schon dieser beschreibende Anklang führt zu einer Kennzeichnungsschwäche von "START".

Darüber hinaus ergibt sich diese Kennzeichnungsschwäche auch aus dem Markenregister, in dem eine Vielzahl von Marken mit "Start" in Alleinstellung oder in Kombination mit anderen Bestandteilen enthalten ist (Marken Lexikon 2000, 9723 f). Sind in die Zeichenrolle für gleiche oder benachbarte Waren-/Dienstleistungsbereiche eine Reihe ähnlicher Marken gelangt, ist dies ein wichtiger Fingerzeig dafür, daß es sich um eine naheliegende verbrauchte Wortbildung von geringer Originalität handelt (BGH GRUR 1967, 246, 249 "Vitapur"; 1999, 241, 243 "Lions").

Angesichts dieser Kennzeichnungsschwäche von "START" innerhalb der angegriffenen Marke ist eine Vernachlässigung der weiteren Wortbestandteile "FILM + TV" nicht zu erwarten. Wenngleich es sich bei "FILM" und "TV" um glatt beschreibende Angaben handelt, rechtfertigt dies keine isolierte kollisionsbegründende Gegenüberstellung des kennzeichungsschwachen Bestandteils "START". Auch beschreibende Bestandteile können uU den Gesamteindruck einer mehrgliedrigen Marke mitbestimmen (Althammer/Ströbele aaO, § 9 Rdn 185; BGH GRUR 1990, 367, 370 "alpi/Alba Moda"). Im vorliegenden Fall sind besondere Umstände gegeben, die neben der Kennzeichnungsschwäche von "START" dazu führen, daß sich der Verkehr auch an den Bestandteilen "FILM + TV" orientieren wird. In erster Linie ist durch die geschützten Dienstleistungen der jüngeren Marke der Fachverkehr angesprochen, der den in "START" enthaltenen beschreibenden Anklang erkennt. Wegen der graphischen Ausgestaltung des "A" - soweit man es überhaupt als solches liest - in "START" werden diese Verkehrskreise umsomehr Anlaß haben, sich nicht ausschließlich hieran, sondern auch an den weiteren Bestandteilen der angegriffenen Marke zu orientieren. Zudem besteht nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein erhebliches Bedürfnis des (Fach-)Verkehrs, durch die Kennzeichnung eines Unternehmens und seiner Dienstleistungen einen Hinweis auf die Branche oder die Dienstleistungsart zu erhalten bzw zu geben, so lange sich ein solcher Hinweis nicht wegen einer bereits erreichten Bekanntheit erübrigt (vgl BGH GRUR 1993, 913, 914 "KOWOG"). Da "START" wegen seines häufigen Vorkommens verbraucht ist und zudem einen beschreibenden Anklang enthält, wird der Verkehr gezwungen sein, diesem ohnehin kurzen Bestandteil einen auf den Gegenstand der Dienstleistungen hinweisenden Zusatz zu geben und "FILM + TV" hinzuzufügen, so daß zu einer Vernachlässigung kein Anlaß besteht.

Wird mithin die angegriffene Marke nicht allein durch das Element "START" geprägt, scheidet neben der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr, die ohnehin schon wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Marken zu verneinen ist, auch eine klangliche Verwechslungsgefahr aus.

Schließlich ist auch nicht zu befürchten, daß die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 le Halbs MarkenG). Die hierunter fallende mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens (Amtl Begründung zum MarkenG, Sonderheft BlPMZ 1994, 65) ist ohne weiteres zu verneinen. Vielmehr spricht die Kennzeichnungsschwäche, die dem Bestandteil "START" anhaftet, gegen eine Eignung als Stammbestandteil einer Zeichenserie (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 217).

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG bestand kein Anlaß.

Dr. Fuchs-Wissemann Klante Sekretaruk Na Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/32W(pat)481-99.1.3.gif Abb. 2 Abb. 3






BPatG:
Beschluss v. 18.10.2000
Az: 32 W (pat) 481/99


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