Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 23. Oktober 2013
Aktenzeichen: 2 K 294.12

(VG Berlin: Urteil v. 23.10.2013, Az.: 2 K 294.12)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 11. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2012 verpflichtet,

1. dem Kläger Auskunft zu erteilen

über die Namen der Mitarbeiter der Beklagten, die die Entscheidung getroffen haben, dass in Sachen P... zunächst grundsätzlich nur Teilentschädigungen mit Einbehalten wegen möglichen Aussonderungsrechten ergehen sollen sowie über die Namen der Mitarbeiter, die die Beklagte, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und das Bundesministerium der Finanzen hierbei juristisch beraten haben, soweit sich solche Namen aus Aufzeichnungen der Beklagten ergeben

2. dem Kläger Einsicht zu gewähren in folgende Dokumente der Anlage B 13 des Beklagtenschriftsatzes vom 17. Juli 2013 ohne Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter:

- das Übersendungsschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an die Beklagte vom 14. März 2005 (aus Dokument 4)

- die interne E-Mail der Beklagten vom 12. November 2002 mit einer Anrufnotiz betreffend ein Telefonat vom 12. November 2002 zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Beklagten über die bei der P... durchgeführte Sonderprüfung nach § 44 KWG (Dokument 5)

- das Schreiben der Beklagten an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 15. Mai 2006 wegen Anforderung des Prüfauftrags nach § 44 KWG (Dokument 6)

- das Übersendungsschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an die Beklagte vom 27. November 2006 (aus Dokument 7)

- das ungeschwärzte Übersendungsschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an die Beklagte vom 15. März 2005 (aus Dokument 9).

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 45 % und die Beklagte 55 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils vollstreckende Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Zugang zu Informationen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Entschädigungsfall der P... (im Folgenden: P...).

Die Beklagte ist die gesetzliche Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen (EdW). Sie ist als Sondervermögen des Bundes bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau errichtet und nimmt die öffentlich-rechtliche Aufgabe wahr, im Entschädigungsfall die Gläubiger eines ihr zugeordneten Instituts für nicht zurückgezahlte Einlagen oder für nicht erfüllte Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu entschädigen.

Die P... war ein Wertpapierhandelsunternehmen mit Sitz in Frankfurt am Main und als Institut der Beklagten zugeordnet. Sie bot ihren Kunden die Anlage von Geldern in Optionsgeschäfte an, die sie aber nicht in dem Umfang durchführte, wie sie es in den Kontoauszügen gegenüber den Anlegern darstellte. Vielmehr täuschte sie Geschäftsaktivitäten nur vor und verwendete neu eingehende Kundengelder für Auszahlungen. Nach dem Tod des geschäftsführenden Gesellschafters der P... im Jahr 2004 informierte die neue Geschäftsführung die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die der P... am 10. März 2005 die Fortführung des Geschäftsbetriebes untersagte. Am 14. März 2005 eröffnete das Amtsgericht Frankfurt am Main das Insolvenzverfahren und am 15. März 2005 stellte die BaFin den Entschädigungsfall fest.

Mit Schreiben vom 21. Mai 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten u.a. Auskunft zu folgenden Fragen:

1. Welche genauen Unterlagen meiner Mandantschaft liegen Ihnen im Entschädigungsfall der P... vor€

4. Wann und durch wen wurde die Entscheidung getroffen, dass in Sachen P... zunächst grundsätzlich nur Teilentschädigungen mit Einbehalten wegen möglichen Aussonderungsrechten ergehen sollen€ Wurden der/die Entscheidungsträger hierbei juristisch beraten und wenn ja durch wen€

11. Welche Telefaxnummern und welche Telefonnummern, nebst internen Durchwahlnummern, sind in Ihrer Behörde vergeben€

sowie Akteneinsicht u.a. in folgende Unterlagen:

13.a) Das Gutachten der Sonderprüfung durch E... nach § 44 KWG vom 31.03.2002, soweit es neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P...keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthält,

b) die Berichte der Wirtschaftsprüfer der P...für die Geschäftsjahre 1998-2005, sowie alle übrigen Berichte von Wirtschaftsprüfern die in Sachen P...vorliegen,

c) alle Ihnen vorliegenden internen Stellungnahmen, Berichte, Korrespondenz, auch jedoch nicht ausschließlich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (bzw. deren Vorgängerbehörde), zu den Jahresabschlüssen der P... für die Geschäftsjahre 1992-2005, soweit sie neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P...keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthalten,

d) alle Unterlagen, Absprachen, Verträge, Aktennotizen und Schreiben, die zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (bzw. deren Vorgängerbehörde) und der P... zwischen 1992 und dem 15.03.2005 geführt oder vereinbart wurden, soweit sie neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P...keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthalten,

e) alle internen Stellungnahmen und alle Korrespondenz, die nach Bekanntgabe des Prüfungsberichtes von E... erstellt wurden oder geführt wurde und die die P... betrifft, soweit sie neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P...keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthalten.

14. hilfsweise

in die in den Anträgen zu 13 a) bis 13 g) bezeichneten Dokumente ohne Angabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen Einsicht zu gewähren.

15. äußerst hilfsweise

in die in den Anträgen zu 13 a) bis 13 g) bezeichneten Dokumente soweit Einsicht zu gewähren, dass eine Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen nicht stattfindet und im Übrigen Auskunft zu gewähren.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2012 beantwortete die Beklagte Frage 1 dahingehend, dass für jeden Anleger bei der EdW eine Entschädigungsakte existiere. Diese Entschädigungsakte enthalte (soweit vorhanden) im Einzelnen im Bescheid aufgeführte Unterlagen. Zu Frage 4 teilte sie mit, dass die Entscheidung, zunächst grundsätzlich nur Teilentschädigungen vorzunehmen, im November 2007 getroffen worden sei; die Entscheidung sei zwischen der EdW, der BaFin und dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmt worden und die in diesen Häusern arbeitenden Juristen seien im Rahmen ihrer Zuständigkeit beteiligt worden. Eine Herausgabe von personenbezogenen Daten der an den Vorgängen Beteiligten könne nicht gewährt werden. Hinsichtlich Frage 11 verwies die Beklagte auf die auf ihrer Internetseite hinterlegten Kontaktdaten. Die Akteneinsichtsanträge 13 a) bis e) sowie die Anträge zu 14 und 15 lehnte die Beklagte ab mit der Begründung, das Bekanntwerden der Informationen habe nachteilige Auswirkungen auf die gesetzlichen Aufgaben der EdW und eine Bekanntgabe verletze die Verschwiegenheitspflichten nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG).

Am 8. August 2012 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein, da seinem Antrag nur teilweise und grundlos nicht umfassend entsprochen worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2012 hob die BaFin den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2012 teilweise auf und gewährte teilweise Einsicht in die mit den Anträgen 13 c) bis e) begehrten Unterlagen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus: Frage 1 sei ausreichend beantwortet worden. Die Unterlagen lägen dem Kläger vor. Frage 4 sei ebenfalls hinreichend beantwortet worden. Es sei schon nicht erkennbar, dass die namentliche Nennung von Personen begehrt werde. Hierfür sei auch ein Informationsinteresse nicht dargelegt. Es bestehe ein erhebliches Schutzinteresse, die Amtsträger nicht namentlich zu nennen. Es könne nicht sichergestellt werden, dass es nicht zu persönlichen Beeinträchtigungen der Amtsträger komme. Zu Frage 11 könne keine weitere Auskunft erteilt werden.

Zu den Akteneinsichtsanträgen führte die BaFin in Ergänzung zum Ausgangsbescheid aus: Neben der Verschwiegenheitspflicht nach dem EAEG sei auch die Verschwiegenheitspflicht nach § 9 KWG einschlägig. Die Offenlegung habe nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der BaFin. Die Preisgabe der Informationen verletze zum Teil Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter einschließlich der P...

Am 22. November 2012 hat der Kläger Klage erhoben.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit die Beklagte Auskunft erteilte oder Akteneinsicht gewährte u.a. durch Übersendung einer Abschrift der Entschädigungsakte des Klägers, einer Ablichtung der Feststellung des Entschädigungsfalles bei der...vom 15. März 2005 durch die BaFin nebst Übersendungsschreiben jeweils mit Schwärzungen der Namen, der E-Mail-Adressen und der Kontaktdaten von Mitarbeitern der BaFin sowie durch Protokollerklärung, dass sie dem Kläger die bei ihr am 25. Mai 2012 vergebenen Telefondurchwahlnummern bekanntgeben werde und die Entscheidung, Teilentschädigungen zu erlassen, im Anschluss an eine Schlussbesprechung am 2. November 2007 getroffen worden sei.

Zur Begründung der noch aufrechterhaltenen Klage führt der Kläger im Wesentlichen an: Mit Klageantrag 2 b) werde Akteneinsicht nicht nur in Jahresabschlussprüfungsberichte der Jahre 2004 und 2005 begehrt, die die P... in Auftrag gegeben habe, sondern auch in solche, die auf Veranlassung des Insolvenzverwalters der P... erstellt worden seien. Im Übrigen sei die formelhafte und pauschale Verweigerung der Auskünfte und der Akteneinsicht nicht geeignet, seinen Anspruch zu Fall zu bringen. Der Vortrag der Beklagten sei nicht erwiderungsfähig und werde bestritten. Im Zweifel sei ein in-camera-Verfahren durchzuführen. Die geltend gemachten Ausschlussgründe seien nicht gegeben. Es bestehe kein schützenswertes Interesse an der Geheimhaltung von Informationen eines betrügerischen Unternehmens wie der P... Die Verweigerung des Informationszugangs verletze bindende Vorgaben der europäischen Einlagensicherungsrichtlinie und der Anlegerentschädigungsrichtlinie.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 11. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2012 zu verpflichten,

1. ihm Auskunft zu folgender Frage zu erteilen: Durch wen wurde die Entscheidung getroffen, dass in S... zunächst grundsätzlich nur Teilentschädigungen mit Einbehalten wegen möglichen Aussonderungsrechten ergehen sollen und durch wen wurden der/die Entscheidungsträger hierbei juristisch beraten

2. ihm Einsicht in folgende Unterlagen zu gewähren:

a) das Gutachten der Sonderprüfung durch E... nach § 44 KWG vom 31. März 2003, soweit es neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P... keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthält,

b) die Berichte der Wirtschaftsprüfer der P... für die Geschäftsjahre 2004 und 2005,

c) alle internen Stellungnahmen, Berichte, Korrespondenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (bzw. deren Vorgängerbehörde) zu den Jahresabschlüssen der P... für die Geschäftsjahre 1992 bis 2005, soweit sie neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P... keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthalten,

d) alle Unterlagen, Absprachen, Verträge, Aktennotizen und Schreiben, die zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (bzw. deren Vorgängerbehörde) und der P... zwischen 1992 und dem 15. März 2005 geführt oder vereinbart wurden, soweit die neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P... keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthalten,

e) alle Korrespondenz und alle internen Stellungnahmen, die nach Bekanntgabe des Prüfungsberichtes von E... erstellt wurden oder geführt wurden und die die P... betreffen, soweit sie neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P... keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthalten,

hilfsweise, in den Inhalt der im Antrag zu 2 a) bis e) bezeichneten Dokumente soweit Einsicht zu gewähren, dass eine Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen nicht stattfindet und im Übrigen Auskunft zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor: Die Klage sei wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Das prozessuale und außerprozessuale Verhalten des Klägervertreters stelle sich als eine bewusste und zielgerichtete Schädigung und Belastung der Beklagten und eine Belästigung des erkennenden Gerichts dar. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass der Klägervertreter in sogenannten Werbeschreiben an Geschädigte die Durchsetzung des Informationsanspruchs als Teil eines Auszahlungserzwingungsverfahrens sehe. Tatsächlich seien die mit der Klage angestrebten Informationen jedoch ungeeignet, einen Entschädigungsanspruch nach dem EAEG zu begründen. Der Klägervertreter habe in ca. 575 Fällen bei der Beklagten gleichlautende Anträge auf Informationszugang gestellt, obwohl die parallele und teilweise sogar zeitgleiche Antragstellung weder erforderlich noch sachgerecht, sondern allein von dem Ziel getragen sei, die Beklagte und das Gericht übermäßig zu belasten. Zudem habe der Klägervertreter in mehreren hundert Verfahren bei der BaFin dieselben Anträge gestellt wie bei der Beklagten und verfolge sie im Klagewege vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main weiter. Dies könne nur als Schikane gewertet werden. Das Informationsfreiheitsrecht werde dazu missbraucht, durch die beliebige Vervielfältigung unnötiger, die Verwaltung und die Gerichte stark belastender Massenklagen, Anwaltshonorare zu generieren, die außer Verhältnis zu dem erzielbaren Rechtsschutzeffekt der jeweiligen Kläger stünden. Die sachlich unbegründete Weigerung des Klägers bzw. des Klägervertreters, Musterverfahren zu führen sei allein mit der Absicht verbunden, die Beklagte einem Übermaß an eigenen Verfahrenskosten sowie einem unzumutbaren Prozesskostenrisiko auszusetzen.

Zudem werde die ordnungsgemäße Vollmacht des Klägervertreters gerügt. Aus den Gesamtumständen ergäben sich erhebliche Zweifel, dass der Kläger seinen Prozessvertreter wirksam zur gerichtlichen Geltendmachung von Informationsansprüchen bevollmächtigt habe.

Die Klage sei auch unbegründet. Soweit mit Klageantrag 1) konkrete Namen begehrt würden, könnten diese nicht mitgeteilt werden. Einer Preisgabe stehe der Schutz personenbezogener Daten entgegen. Die Mitarbeiter hätten im durchgeführten Beteiligungsverfahren einer Übermittlung der Daten widersprochen. Es sei eine besonders umstrittene Entscheidung gewesen. In der Presse habe es überwiegend Artikel mit kritischer Tendenz gegeben. Es werde befürchtet, dass bei einer Bekanntgabe der Namen der Entscheidungsträger, die genannten Personen ebenfalls in entsprechenden Zeitungsartikeln genannt und in ein schlechtes Licht gebracht würden.

Für die mit dem Klageantrag 2 a) und c) bis e) begehrten Informationen fehle der Beklagten bereits die Verfügungsberechtigung; diese liege allein bei der BaFin. Zudem berufe sie sich auf Versagungsgründe. Einer Preisgabe von Namen und Kontaktdaten von Mitarbeitern der BaFin oder der Beklagten stehe der Schutz personenbezogener Daten entgegen. Ein Informationszugang komme auch wegen der Verschwiegenheitspflicht nach dem EAEG, dem § 9 KWG sowie Art. 44 ff. der Richtlinie 2006/48/EG und Art. 54 der MiFiD-Richtlinie (2004/39/EG) nicht in Betracht. Die Offenlegung habe nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der BaFin. Die Preisgabe der Informationen verletzte zum Teil Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der P... Zum Klageantrag 2 b) seien von der P... in den Jahren 2004 und 2005 keine Jahresabschlussberichte erstellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen ist die Klage zulässig (I.), teilweise begründet (II.) und teilweise unbegründet (III.).

44I. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht der von der Beklagten geltend gemachte Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Im Hinblick auf die Garantie des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG kommt eine solche Verweigerung von Rechtsschutz nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht, beispielsweise für Klagen, die allein dazu dienen, den Gegner zu schädigen oder das Gericht zu belästigen (vgl. Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO-Großkommentar, 3. Auflage 2010 § 42 Rn. 360 m.w.N. und VGH Kassel, Beschluss vom 24. März 2010 - 6 A 1832.09 - juris Rn. 8). Dabei muss die Schädigungsabsicht des Klägers eindeutig erkennbar sein. Hieran fehlt es. Selbst die Beklagte beruft sich nicht auf eine Schädigungsabsicht des Klägers, sondern sieht allein das Verhalten des Klägervertreters als einen dem Kläger zuzurechnenden Rechtsmissbrauch an, da er für eine Vielzahl von Mandanten eine Vielzahl gleichlautender Anträge gestellt und zahlreiche Klagen erhoben hat. Dies genügt jedoch nicht für die Annahme einer Schädigungsabsicht des Klägers. Massenklagen sind nicht per se rechtsmissbräuchlich. Der Gesetzgeber hat das Phänomen von Massenklagen gesehen (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 8) und den Behörden verschiedene Möglichkeiten eingeräumt, damit umzugehen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4 IFG in Verbindung mit §§ 17 ff. VwVfG; § 1 Abs. 2 Satz 3 IFG). Darüber hinaus gibt es keine Anhaltspunkte für eine schädigende Absicht des Klägers. Dieser will vielmehr in Erfahrung bringen, wie die Beklagte ihre Aufgaben erfüllt hat, um ggf. Schadensersatz- oder Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte oder Dritte prüfen zu können.

Die von der Beklagten geltend gemachten Zweifel an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Prozessvertreters des Klägers greifen nicht. Der Klägervertreter hat die Klage mit einer vom Kläger am 14. Mai 2012 unterzeichneten Vollmacht erhoben, in der ausdrücklich die gerichtliche Geltendmachung von Informations- und Auskunftsansprüchen gegenüber der Beklagten und der BaFin als Gegenstand des Mandats genannt ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch das mit Klageantrag 1) verfolgte Auskunftsbegehren nicht unzulässig. Die Beklagte hat noch nicht vollständig Auskunft erteilt. Denn bei objektivierter Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des klägerischen Begehrens (€durch wen€) erfasste dieses von Anfang an die Namen der Entscheidungsträger und Mitarbeiter. Diese hat die Beklagte aber bislang nicht namentlich benannt.

II. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Auskunft über die Namen der Mitarbeiter der Beklagten, die die Entscheidung getroffen haben, dass in Sachen P... zunächst grundsätzlich nur Teilentschädigungen mit Einbehalten wegen möglicher Aussonderungsrechte ergehen sollen, sowie über die Namen der Mitarbeiter, die die Beklagte, die BaFin und das Bundesministerium der Finanzen hierbei juristisch beraten haben, soweit sich solche Namen aus Aufzeichnungen der Beklagten ergeben (1.). Zudem hat der Kläger Anspruch auf Einsicht in die im Tenor unter Nr. 2 näher bezeichneten Unterlagen (2.).

Der Anspruch des Klägers auf Auskunft bzw. Akteneinsicht ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Hiernach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person €jeder€ im Sinne des Gesetzes und damit anspruchsberechtigt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG; sie ist als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau eingerichtet, kann selbst klagen und verklagt werden kann und nimmt die ihr durch § 6 Abs. 3 EAEG zugewiesene öffentlich-rechtliche Aufgabe wahr, im Entschädigungsfall die Gläubiger eines ihr zugeordneten Instituts zu entschädigen. Die vom Kläger begehrten Informationen sind amtliche Informationen gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG, da sie amtlichen Zwecken, nämlich der Erfüllung der Aufgaben der Beklagten, dienen.

1. Dem o. g. Anspruch auf Auskunft über die Namen der Mitarbeiter stehen keine Ausschlussgründe nach §§ 3 ff. IFG entgegen. Maßstab für die Prüfung von Ausschlussgründen ist zunächst, ob deren Vorliegen plausibel dargelegt ist; dabei müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft werden kann (vgl. Urteil der Kammer vom 10. September 2008 - VG 2 A 167.06 - m.w.N.). Dabei muss die Behörde für jede einzelne Information darlegen, aus welchen Gründen sie vom Informationszugang ausgeschlossen werden soll. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beklagten nicht.

50Die Beklagte beruft sich auf § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG. Hiernach darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Urteil vom 10. Oktober 2007 - VG 2 A 102.06 -, juris Rn. 38 und § 3 Abs. 1 BDSG). Die hier im Streit stehenden Namen der Entscheidungsträger bzw. Mitarbeiter sind personenbezogene Daten. Eine Einwilligung der Genannten liegt nicht vor. Die Interessenabwägung geht zu Gunsten des Informationsinteresses aus. Dies folgt unmittelbar aus § 5 Abs. 4 IFG. Danach sind Name, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist. Soweit also die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 4 IFG vorliegen, sind schutzwürdige Interessen eines Dritten im Sinne des § 5 Abs. 1 IFG nicht betroffen. Das ist auch das Verständnis des Gesetzgebers, wonach Amtsträger insoweit keine Dritten sind, als es um die Weitergabe von Daten geht, die sich auf ihre Amtsträgerfunktionen beziehen (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 9 zu § 2 Nr. 2 unter ausdrücklichem Bezug auf § 5 Abs. 4 IFG). Bei den vom Kläger verlangten Namen handelt es sich um Daten im Sinne von § 5 Abs. 4 IFG. Die Entscheidungsträger und die beratenden Mitarbeiter sind Bearbeiter im Sinne der Vorschrift, da sie mit dem konkreten Vorgang befasst waren.

Ein Ausnahmetatbestand im Sinne des § 5 Abs. 4 IFG ist nicht erfüllt. Ein Ausnahmetatbestand liegt (nur) vor, wenn einer der in den §§ 3 bis 6 IFG genannten Ausschlussgründe gegeben ist; § 5 Abs. 4 IFG eröffnet der anspruchsverpflichteten Stelle keine Möglichkeit, einen von den gesetzlichen Ausschlussgründen losgelösten, im Einzelnen nicht geregelten Ausnahmefall anzunehmen (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 14; Urteil der Kammer vom 28. Mai 2008 € VG 2 A 70.07 -).

Die Beklage beruft sich der Sache nach auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 2 IFG. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Die öffentliche Sicherheit umfasst die Gesamtheit der Rechtsvorschriften sowie die subjektiven Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen. Eine €Gefährdung€ liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Eintritt eines Schadens für das Rechtsgut führen wird. Im Rahmen des § 3 Nr. 2 IFG reicht die Möglichkeit der Gefährdung aus (€gefährden kann€). Eine solche mögliche Gefährdung hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt.

Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die Bearbeiter beeinträchtigt und der Amtsbetrieb gestört werden könnten, wenn sie die Namen zugänglich mache. Die Entscheidung, zunächst nur Teilentschädigungen zu leisten, sei umstritten gewesen. Es stehe zu befürchten, dass die Mitarbeiter in ein schlechtes Licht gebracht würden, wenn ihre Namen bekannt würden. Dies überzeugt nicht. Inwiefern noch heute, sechs Jahre nach dieser Entscheidung, das Bekanntwerden der Namen zu einem Schaden für die Betroffenen führen soll, ist nicht erkennbar. Kritische Äußerungen in der (Fach-)Öffentlichkeit stellen noch keine Gefährdung im oben beschriebenen Sinne dar. Anhaltspunkte für ein zu erwartendes strafbares Verhalten bestehen jedenfalls nicht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten eröffnet § 5 Abs. 1 IFG auch weder nach seinem Wortlaut noch nach der systematischen Konstruktion Ermessen. Vielmehr ergeht nach erfolgter Abwägung eine rechtlich gebundene Entscheidung (vgl. Schoch, IFG-Kommentar, 2009, § 5 Rn. 14).

2. Dem Anspruch auf Einsicht in die im Tenor unter 2. genannten Unterlagen stehen keine Ausschlussgründe entgegen (a); die Verfügungsberechtigung der Beklagten ist gegeben (b).

a) Für das Übersendungsschreiben der BaFin an die Beklagte vom 14. März 2005 (aus Dokument 4) liegen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 1 lit. d) IFG und des § 3 Nr. 4 IFG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1, Unterabsatz 3 der Richtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und Art. 54 der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente bzw. § 9 KWG oder § 15 EAEG nicht vor.

57Nach § 3 Nr. 1 lit. d) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden. Zu den genannten Behörden zählt jede Behörde im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 - BVerwG 7 C 6.10 - juris Rn. 13), mithin (über die BaFin als Aufsichtsbehörde gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 EAEG) auch die Beklagte. Allein dies ist jedoch nicht ausreichend. Denn anders als in § 3 Nr. 8 IFG ist eine umfassende Bereichsausnahme für die genannten Behörden nicht normiert (vgl. Schoch, a.a.O., Rn. 34 ff. vor § 3; § 3 Rn. 39). Ein Vorschlag zur Einführung eines entsprechenden Ausschlusses des Informationszugangs hat im Jahr 2009 im Gesetzgebungsverfahren keine Zustimmung gefunden (siehe dazu Tolkmitt/ Schomerus, NVwZ 2009, 568, 570; Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - BfDI -, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit 2008 und 2009, BT-Drs. 17/1350 S. 28 f.). Deswegen verbietet sich auch die Annahme, dass jedenfalls das konkrete Aufgabenfeld der Finanz- und Wertpapieraufsicht generell die Verweigerung des Informationszugangs rechtfertigt. Vielmehr lässt sich das nur bezogen auf den jeweiligen Sachbereich und Regelungskontext beurteilen, in dem die Information steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011, a.a.O., juris Rn. 13; VG Frankfurt am Main, Urteil vom 12. März 2008 - 7 E 5426.06 - juris Rn. 31 ff.). Die Beklagte hat nicht konkret vorgetragen, inwieweit das Übersendungsschreiben vom 14. März 2005 überhaupt geeignet sein soll, die Tätigkeit der Beklagten oder deren Aufsichtsbehörde zu beeinträchtigen und welche konkreten Rückschlüsse sich aus diesem - mehr als acht Jahre alten - Übersendungsschreiben auf das Aufsichtsverhältnis, die Aufsichtsaufgaben und -strategien der BaFin ziehen lassen.

Auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 IFG ist nicht gegeben. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.§ 3 Nr. 4 IFG regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Informationsfreiheitsgesetz und Vorschriften, die eine Geheimhaltungspflicht anordnen, sei es in Form von Berufsgeheimnissen, besonderen Amtsgeheimnissen oder der Einstufung einer Information als Verschlusssache. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22.08 - juris). Zwar handelt es sich bei den in § 15 EAEG und § 9 KWG bzw. in Art. 44 Abs. 1, Unterabsatz 3 der Richtlinie 2006/48/EG und in Art. 54 der Richtlinie 2004/39/EG normierten Verschwiegenheitspflichten um solche durch Rechtsvorschrift geregelte Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflichten (vgl. für § 8 WpHG: BVerwG Urteil vom 24. Mai 2011 - BVerwG 7 C 6.10 - juris Rn. 14 f.); es ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass in dem Übersendungsschreiben überhaupt €fremde Geheimnisse€ oder €vertrauliche Informationen€ enthalten sind. Zudem hat der Kläger seinen Anspruch auf Informationszugang beschränkt (€ohne Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter - aber mit den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P... -€). Soweit die Beklagte vorträgt, in dem Übersendungsschreiben befänden sich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der P..., folgt die Kammer dem nicht. Zwar hat der Insolvenzverwalter der P... einer Preisgabe von Informationen widersprochen, jedoch fehlt es bei der P...bereits an einem berechtigten Interesse an der Nichtverbreitung von unternehmensbezogenen Informationen. Denn eine Wettbewerbsrelevanz kommt bei einem sich im Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmen nur in Betracht, wenn die Sanierung des Unternehmens und eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs beabsichtigt ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. April 2013 € BVerwG 20 F 4.12 € juris Rn. 12 und vom 12. April 2013 € BVerwG 20 F 6.12 € juris Rn. 12). Dies ist bei der P... nicht der Fall. Deren Geschäftstätigkeit basierte durchgehend auf Straftaten und wird nicht mehr fortgeführt. Damit scheidet auch ein Rückgriff auf § 6 Satz 2 IFG aus.

Soweit die Beklagte ferner unter Berufung auf § 5 Abs. 1 IFG geltend macht, jedenfalls seien die Namen, E-Mail-Adressen und Kontaktdaten der Mitarbeiter der BaFin und der Beklagten zu schwärzen, greift auch hier § 5 Abs. 4 IFG. Die Vorschrift erfasst unter €Büroanschrift€ insbesondere auch die E-Mail-Adresse des Bearbeiters, denn unter Büroanschrift ist neben der postalischen auch die elektronische Erreichbarkeit zu verstehen (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 € 5 A 239.10 € juris Rn. 26). Ein €Ausnahmetatbestand€ ist - wie unter II. 1.) bereits ausgeführt € nicht erfüllt.

Für das Dokument 5 (interne E-Mail vom 12. November 2002 mit einer Anrufnotiz) bestehen die Ausschlussgründe des § 3 Nr. 1 lit. d) IFG, des § 3 Nr. 4 IFG und des § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG aus den vorstehenden Erwägungen ebenfalls nicht. Die Beklagte hat auch hier - bezogen auf § 3 Nr. 1 lit. d) IFG - nicht konkret und nachvollziehbar dargelegt, inwieweit diese E-Mail aus dem Jahre 2002 geeignet sein soll, die Tätigkeit der Beklagten oder deren Aufsichtsbehörde zu beeinträchtigen und welche konkreten Rückschlüsse sich hieraus nach elf Jahren auf das Aufsichtsverhältnis, die Aufsichtsaufgaben und €strategien der BaFin ziehen lassen.

Für das Dokument 6 und die Übersendungsschreiben aus den Dokumenten 7 und 9 bestehen die Ausschlussgründe der § 3 Nr. 1 lit. d) IFG, § 3 Nr. 4 IFG und § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG aus den genannten Erwägungen ebenfalls nicht.

b) Die Beklagte ist auch zur Verfügung über die vorstehenden Informationen berechtigt. Nach der als Zuständigkeitsbestimmung ausgestalteten Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG entscheidet diejenige Behörde über den Informationszugang, der die Verfügungsberechtigung zusteht. Verfügungsberechtigt über eine Information ist grundsätzlich deren Urheber (siehe BT-Drs. 15/4493 S. 14). Demjenigen, der die Information im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen hat, ist sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Entscheidung, welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll. Wird die Information im weiteren Verlauf anderen Behörden übermittelt und ist sie demnach an mehreren Stellen verfügbar, soll mit dem Merkmal der Verfügungsberechtigung eine sachangemessene Entscheidungszuständigkeit ermöglicht werden, die sowohl der Aufgabenverteilung auf Seiten der Behörden als auch dem Interesse des Informationsberechtigten an einer aus seiner Sicht nachvollziehbaren Bestimmung der auskunftspflichtigen Stelle Rechnung trägt. Insbesondere angesichts der umfangreichen Abstimmungspraxis unter den Behörden, aufgrund deren diese in großem Umfang als Teil der bei ihnen geführten Akten über Informationen verfügen, die nicht von ihnen erhoben worden sind, sollen die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde konzentriert werden, der die größte Sachnähe zum Verfahren zukommt bzw. die die Verfahrensführung innehat(vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4.11 - juris Rn. 27 f.).

Liegt die Information damit bei mehreren informationspflichtigen Stellen vor, sind grundsätzlich beide Stellen zur Verfügung über die Information berechtigt. Denn im Regelfall besteht eine Übereinstimmung zwischen Besitz und Verfügungsberechtigung (vgl. Schoch, a.a.O., § 7 Rn. 29). Anders ist dies allerdings zur Gewährleistung einer effektiven und sinnvollen Aufgabenbewältigung auf Seiten der Behörden ausnahmsweise dann zu beurteilen, wenn der Informationsberechtigte zugleich bei mehreren informationspflichtigen Stellen Zugang zu identisch bezeichneten Informationen begehrt. Denn in einer solchen Konstellation wird dem Interesse des Informationsberechtigten dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er diese Information jeweils, aber auch nur von der informationspflichtigen Stelle erlangen kann, die sie im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen hat und der die größte Sachnähe zu der Information zukommt (vgl. Urteil der Kammer vom 15. März 2013 - VG 2 K 108.12 -).

Gemessen hieran ist die Beklagte für die im Tenor unter 2. genannte interne E-Mail vom 12. November 2002 mit Anrufnotiz verfügungsberechtigt, da sie deren Urheberin ist. Dies gilt auch für das Schreiben der Beklagten an die BaFin vom 15. Mai 2006. Soweit es um die Übersendungsschreiben der BaFin an die Beklagte geht, ist Urheberin zwar die BaFin; da die Beklagte jedoch Adressatin dieser Schreiben ist, kommt ihr keine geringere Sachnähe zu als dem Absender der Schreiben.

III. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einsicht in die mit den Klageanträgen 2 a) bis d) benannten Unterlagen.

1. Für die von den Klageanträgen 2 a), c) und d) erfassten Informationen (Prüfungsbericht zur Sonderprüfung nach § 44 KWG, interner Vermerk der BaFin vom 10. März 2005, Maßnahmeschreiben der BaFin nach § 46b KWG, interner Vermerk der BaFin vom 16. Dezember 2004) fehlt der Beklagten ausnahmsweise die Verfügungsberechtigung. Denn im Hinblick auf diese Dokumente kommt der BaFin die größere Sachnähe zu. Diese Dokumente sind von ihr im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen worden. Es handelt sich - anders als bei den Dokumenten unter II. 2 b) - auch nicht um bloße Anschreiben der BaFin an die Beklagte. Darüber hinaus hat der Kläger nicht nur bei der Beklagten Informationszugang begehrt, sondern auch bei der BaFin einen Antrag auf Zugang zu den identischen Informationen gestellt, den er im Übrigen klageweise vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main weiterverfolgt. Die Beklagte war auch nicht zur Weiterleitung des Antrags des Klägers auf Informationszugang an die BaFin verpflichtet, da das IFG, anders als § 4 Abs. 3 Satz 1 UIG oder § 13 Abs. 1 Satz 4 IFG Bln, keine Pflicht zur Weiterleitung vorsieht (vgl. Schoch a.a.O. § 7 Rn. 30) und zudem ein entsprechender Antrag des Klägers auf Informationszugang bereits bei der BaFin vorliegt.

2. Die mit Klageantrag 2 b) begehrten Informationen liegen bei der Beklagten nicht vor. Die P... hat in den Jahren 2004 und 2005 keine Jahresabschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer vornehmen lassen. Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung das Begehren dahin verstanden wissen wollte, dass der Kläger Einsicht in €alle Wirtschaftsprüferberichte betreffend die P... in den Geschäftsjahren 2004 und 2005€ wünscht, steht dem sein gegenüber dem Behördenantrag nur beschränkt im Klageverfahren weiterverfolgter Antrag entgegen. Denn während er mit Schreiben vom 21. Mai 2012 gegenüber der Beklagten neben der Akteneinsicht in die Berichte der Wirtschaftsprüfer der P... auch Akteneinsicht in €alle übrigen Berichte von Wirtschaftsprüfern in Sachen P...€ beantragte, erhob er Klage auf Akteneinsicht nur bezogen auf die Berichte der Wirtschaftsprüfer der P...für die Geschäftsjahre 2004 und 2005. Mögliche vom Insolvenzverwalter der P... in Auftrag gegebene Jahresabschlussprüfungen sind daher vom Klageantrag nicht erfasst.

Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Kostenquote entspricht dem Maß des Unterliegens von Kläger und Beklagter und - soweit es den übereinstimmend für erledigt erklärten Streitstoff betrifft - billigem Ermessen.

Die Kammer sieht in den Klagebegehren auf Auskunft (Klageantrag 1) und Akteneinsicht (Klageantrag 2) zwei eigenständige Streitgegenstände, die je mit dem Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen waren. Die Beklagte unterliegt im Klageantrag 1 voll und im Klageantrag 2 e) in etwa zur Hälfte (= 1/10 des Klageantrages 2); da sie, bezogen auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Streitstoff, ohne Änderung der Sach- und Rechtslage klaglos gestellt hat, entsprach es der Billigkeit, ihr auch insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Damit war insgesamt von einer Kostenquote des Unterliegens von 55/100 auszugehen.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

10.000,00 Euro

festgesetzt.






VG Berlin:
Urteil v. 23.10.2013
Az: 2 K 294.12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/348836873686/VG-Berlin_Urteil_vom_23-Oktober-2013_Az_2-K-29412




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