Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. November 2008
Aktenzeichen: 9 W (pat) 381/06

(BPatG: Beschluss v. 10.11.2008, Az.: 9 W (pat) 381/06)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 9. September 2002 angemeldete und am 2. März 2006 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Radnaben-Bremsscheibenanordnung"

ist von den Firmen B... KG und S... GmbH Einspruch erhoben worden. Der Einspruch der Firma S... GmbH wurde mit Schriftsatz vom 9. November 2008 zurückgenommen.

In der mündlichen Verhandlung verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent in beschränkter Fassung mit Hauptund Hilfsantrag.

Der Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet:

"Radnaben-Bremsscheibenanordnung (1) für Lastfahrzeuge, umfassend,

-einen Achsendkörper (2),

-eine Radnabe (3; 33; 53), die gegenüber dem Achsendkörper (2) drehbar gelagert ist,

-einen Radflansch (5; 35), der mit der Radnabe (3; 33; 53) verbunden oder mit dieser integriert ist und der einen Innenrand (5.2), einen gegenüber dem Innenrand (5.2) in Achsrichtung nach außen versetzten Übergangsbereich (5.4) und einen äußeren Haltering (5.5) besitzt,

-einen Bremsscheibenverbindungstorus (8; 38; 48), der einen mit ihm verbundenen Torusflansch (11) besitzt, mit dem er mit dem äußeren Haltering (5.5) des Radflansches (5; 35) im Bereich der Radfelge (17) verbunden ist,

-eine Bremsscheibe (7), die an ihrer Innenseite mit dem Bremsscheibenverbindungstorus (8;38; 48) verbunden ist,

-wobei die Außenseite der Radnabe (3; 33; 53) und die Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus (8; 38; 48) einen Belüftungsringkanal (10) begrenzen, der über Durchgangsöffnungen (16) des Radflansches (5; 35) nach außen und eine zwischen dem Innenperimeter der Bremsscheibe (7) oder dem Bremsscheibenverbindungstorus (8; 38; 48) sowie der Radnabe (33) gebildete Öffnung (40) nach innen mit der Umgebungsluft in Verbindung steht,

-und wobei sich die Durchgangsöffnungen (16) des Radflansches (5; 35) im Übergangsbereich (5.4) des Radflansches (5; 35) befinden, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Belüftungsringkanal (10) zwischen Radnabe (3; 33; 35) und Bremsscheibenverbindungstorus (8; 38; 48) in Achsrichtung erstreckt, so dass durch den Belüftungsringkanal (10) Luft in Achsenrichtung nach innen und außen durch die Durchgangsöffnungen (16) und die Öffnung (40) strömen kann."

Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag fügt den Merkmalen nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag in seinem kennzeichnenden Teil folgende Merkmale hinzu:

"und dass der Bremsscheibenverbindungstorus (8; 38; 48) -an der Innenseite der Bremsscheibe (7) beginnend -mit der Bremsscheibe eine in Radialrichtung zur Achse eingefurchte Aufnahmevertiefung (9) zum Aufspannen eines Bremssattelrotationsraums (12) bildet und dass der Belüftungsringkanal (10) sich über den Bereich der Aufnahmevertiefung (9) erstreckt."

Diesen Patentansprüchen 1 schließen sich abhängige Patentansprüche 2 bis 9 (Hauptantrag) bzw. 2 bis 8 (Hilfsantrag) an.

Die Patentinhaberin hält die Patentansprüche nach Hauptund Hilfsantrag für zulässig, ihre Gegenstände für patentfähig.

Sie stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: -Patentansprüche 1 bis 9, überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hauptantrag,

-Beschreibung gemäß Patentschrift mit der Maßgabe, dass Absatz [0012] entfällt,

-Zeichnungen Figuren 1 bis 8 gemäß Patentschrift, hilfsweise -Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag,

-im Übrigen wie Hauptantrag.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Sie meint, der jeweilige Patentanspruch 1 nach Hauptbzw. Hilfsantrag gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Zudem sei die Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach dem jeweiligen Patentanspruch 1 gegenüber dem in Betracht zu ziehenden Stand der Technik nicht patentfähig. In der mündlichen Verhandlung stützt sie sich hierzu u. a. auf folgenden druckschriftlichen Stand der Technik:

-Kern, M., Aufsatz "Scheibenweise" in lastauto omnibus 1/2002, Seiten 46 und 47 (im Folgenden bezeichnet mit "lastauto"), -DE 30 25 757 A1.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.

1.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat Erfolg durch den Widerruf des Patents.

2.

Das Patent betrifft eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung für Lastfahrzeuge. In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist sinngemäß ausgeführt, dass bei einer Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach der DE 100 27 942 A1 eine Belüftung des Bremsscheibenverbindungstorus zwar von der Felgenseite her, eine Strömung der Luft zu der zur Fahrzeugmitte weisenden Innenseite der Bremsscheibe jedoch nicht vorgesehen sei. Bei einer Radnaben-Bremsscheibenanordnung gemäß DE 199 13 024 A1 erfolge eine Belüftung des Nabenbereiches durch einen einseitig offenen Kanal, der teilweise von der Unterseite des Radflansches und teilweise vom Bremsscheibentopf begrenzt werde. Eine von innen nach außen durchgehende Belüftung sei nicht vorgesehen. Da die üblicherweise als Lagerelement verwendeten Hubunits für eine maximale Temperatur von etwa 130¡C ausgelegt seien und die Bremsscheibe sich auf mehrere Hundert Grad erwärmen könne, sei die Gefahr groß, dass durch die abgeleitete Wärme der Bremsscheibe im Bereich des Radlagers Schädigungen auftreten.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der für Hauptund Hilfsantrag gleichlautenden Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Art der DE 199 13 024 A1 dahingehend zu konstruieren, dass eine Abführung der Wärme durch Luftaustausch im Nabenbereich verbessert wird (vgl. Streitpatentschrift Absatz 0009).

Dieses Problem soll durch die Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach dem jeweiligen Patentanspruch 1 gemäß Hauptbzw. Hilfsantrag gelöst werden.

3. Zum Hauptund Hilfsantrag 3.1 Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptund Hilfsantrag in den ursprünglichen Unterlagen und der Streitpatentschrift offenbart sind sowie Neuheit gegenüber dem Stand der Technik aufweisen. Denn das Streitpatent kann jedenfalls deswegen keinen Bestand haben, weil, wie nachstehend ausgeführt, sein Gegenstand für den Fachmann am Anmeldetag durch den Stand der Technik nahegelegt war.

3.2 Als Durchschnittsfachmann ist ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau zu sehen, der bei einem Nutzfahrzeughersteller bzw. Zulieferer mit der Entwicklung und Konstruktion von Scheibenbremsanordnungen befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

4.

Zum Hauptantrag Die zweifellos gewerblich anwendbare Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist Patentanspruch 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben.

1.

Radnaben-Bremsscheibenanordnung für Lastfahrzeuge, 2.

die Radnaben-Bremsscheibenanordnung umfasst einen Achsendkörper, 3.

die Radnaben-Bremsscheibenanordnung umfasst eine Radnabe, 3.1 die Radnabe ist gegenüber dem Achsendkörper drehbar gelagert, 4.

die Radnaben-Bremsscheibenanordnung umfasst einen Radflansch, 4.1 der Radflansch ist mit der Radnabe verbunden oder mit dieser integriert, 4.2 der Radflansch besitzt einen Innenrand, 4.3 der Radflansch besitzt einen gegenüber dem Innenrand in Achsrichtung nach außen versetzten Übergangsbereich, 4.4 der Radflansch besitzt einen äußeren Haltering, 5.

die Radnaben-Bremsscheibenanordnung umfasst einen Bremsscheibenverbindungstorus, 5.1 der Bremsscheibenverbindungstorus besitzt einen mit ihm verbundenen Torusflansch, 5.2 der Bremsscheibenverbindungstorus ist mit dem Torusflansch mit dem äußeren Haltering des Radflansches im Bereich der Radfelge verbunden, 6.

die Radnaben-Bremsscheibenanordnung umfasst eine Bremsscheibe, 6.1 die Bremsscheibe ist an ihrer Innenseite mit dem Bremsscheibenverbindungstorus verbunden, 7.

dabei begrenzen die Außenseite der Radnabe und die Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus einen Belüftungsringkanal, 7.1 der Belüftungsringkanal steht nach außen über Durchgangsöffnungen des Radflansches mit der Umgebungsluft in Verbindung, 7.2 der Belüftungskanal steht nach innen über eine zwischen dem Innenperimeter der Bremsscheibe oder dem Bremsscheibenverbindungstorus sowie der Radnabe gebildete Öffnung mit der Umgebungsluft in Verbindung, 7.3 dabei befinden sich die Durchgangsöffnungen des Radflansches im Übergangsbereich des Radflansches,

-Oberbegriff 7.4 der Belüftungsringkanal erstreckt sich zwischen Radnabe und Bremsscheibenverbindungstorus in Achsrichtung, 7.5 so dass durch den Belüftungsringkanal Luft in Achsenrichtung nach innen und außen durch die Durchgangsöffnungen und die Öffnung strömen kann.

-Kennzeichen -

Eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung der streitpatentgemäßen Art mit der Eignung für Lastfahrzeuge ist aus "lastauto" bekannt (Seite 46, linke Spalte, 1. Absatz). Die Anordnung weist einen Achsendkörper sowie eine Radnabeneinheit auf (vgl. hierzu die nachfolgend wiedergegebene Abbildung des Rades mit Einpresstiefe 120 von Seite 46, unten rechts, in "lastauto", Beschriftung durch den Senat zugefügt). Die Radnabeneinheit bildet einstückig einen sich radial erstreckenden Scheibenabschnitt sowie einen sich axial erstreckenden inneren Zylinderabschnitt aus. Der innere Zylinderabschnitt ist auf dem Achsendkörper drehbar gelagert und überträgt an diesen über Kegelrollenlager sämtliche auf das zugehörige Fahrzeugrad einwirkenden Kräfte. Er bildet demnach eine Radnabe im streitpatentgemäß beanspruchten Sinne. Der sich radial erstreckende Scheibenabschnitt ist mit dieser Radnabe einstückig verbunden und somit mit ihr integriert. Diese Interpretation der vorbekannten Radnabeneinheit entspricht dem streitpatentgemäßen Verständnis der beiden in Patentanspruch 1 genannten Bauelemente Radnabe und Radflansch sowie ihrer gegenseitigen Anordnung, denn besagte Bauelemente können gemäß Streitpatent ebenfalls zu einer Einheit einstückig kombiniert sein (Streitpatentschrift Absätze 0016, 0043, 0053, 0058; Figuren 3, 6, 7). Wie der Abbildung weiter entnehmbar, weist der Radflansch der vorbekannten Bremsscheibenanordnung einen Innenrand (der der Abdeckkappe für die Achsmutter auf dem Achsendkörper zugewandte Abschnitt der Nabeneinheit), einen gegenüber diesem nach außen versetzten Übergangsbereich (der in Bezug zur Achse sich radial achsauswärts erstreckende Abschnitt der Nabeneinheit) sowie einen äußeren Haltering (der die Radmuttern aufnehmende Flansch der Nabeneinheit) auf. Aus der Abbildung ist ferner ein Bremsscheibenverbindungstorus erkennbar, der über einen mit ihm verbundenen Torusflansch mit dem äußeren Haltering des Radflansches im Bereich der Radfelge verbunden ist. Weiter erkennbar ist auch eine an ihrer Innenseite mit dem Verbindungstorus verbundene Bremsscheibe. Die in der Abbildung dargestellte Bremsscheibenanordnung umfasst -nach einhelliger Auffassung der Beteiligten -demnach die o. a. Merkmale 1 bis 6.1.

Über diese Merkmale hinaus ist zwischen der Außenseite der Radnabe und der Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus ein Ringkanal zu erkennen, der in Achsrichtung nach innen offen, zur Radaußenseite hin allerdings verschlossen ist. Dieser Ringkanal dient -wie dem Fachmann bekannt -dazu, die durch Bauteilmaterial gebildete Wärmeleitstrecke von der Bremsscheibe zur Radnabe zu verlängern und so die in die Radnabe und durch diese in das Radlager eingeleitete Wärmemenge durch "unterwegs" in die Umgebung abgegebene Wärme zu verringern (siehe bspw. "lastauto" Seite 47, rechte Spalte, letzter Absatz; vgl. auch die von der Einsprechenden schriftsätzlich entgegengehaltene, in der mündlichen Verhandlung nicht weiter in Betracht gezogene WO 93/ 14 947 A1 Seite 4, Zeilen 26 bis 33). Aus "lastauto" geht darüber hinaus hervor, dass bei einer derartigen Bauweise die Kühlwirkung von der Einpresstiefe des Rades abhängt (Seite 47, rechte Spalte, letzter Absatz). Bei hoher Einpresstiefe kann der Kühleffekt unzureichend sein, was sogar den Einsatz einer Scheibenbremsanordnung überhaupt in Frage stellen kann ("lastauto" Seite 46, Spalte links neben dem großen Bild). Auf das Problem der Abführung der Wärme wurde somit durch Veröffentlichung von "lastauto" (Januar 2002) etwa neun Monate vor dem Anmeldetag des Streitpatents (September 2002) ausdrücklich hingewiesen. Der Bedarf an einer Weiterentwicklung der in "lastauto" dargestellten Konstruktion im Hinblick auf die Wärmeableitung von der Radnabe und damit von den wärmeempfindlichen Radlagern war der Fachwelt am Anmeldetag des Streitpatents damit zweifellos bewusst (vgl. auch Streitpatentschrift Absätze 0003 und 0006).

Abgesehen davon, dass die Kühlung von Bauteilen durch Umströmen derselben mit Kühlluft ein im Maschinenbau allgemein bekanntes Prinzip ist und der Fachmann der oben beschriebenen Qualifikation deshalb schon mit seinen maschinentechnischen Grundlagenkenntnissen eine derartige Kühlung prinzipiell in Erwägung zieht, ist überdies die Abschirmung von Radlagerungen gegen Bremswärme durch Kühlluftstrom im einschlägigen Fachgebiet bekannt. Die DE 30 25 757 A1 zeigt eine Scheibenbremsanordnung (siehe nachfolgend wiedergegebene Figur), bei der eine Nabeneinheit vorgesehen ist, die eine Radnabe (Bezugszeichen 16) und einen damit mittels eines Übergangsbereiches einstückig verbundenen Radflansch (Bezugszeichen 4) ausbildet. Die Bremsscheibe (Bezugszeichen 3) weist an ihrer Innenseite einen sich in Achsrichtung erstreckenden Verbindungstorus mit einem Torusflansch zur Befestigung am Radflansch im Bereich der Radfelge (Bezugszeichen 1) auf. Die dargestellte Konstruktion entspricht insoweit derjenigen nach "lastauto", und sie soll außerdem zur Lösung des auch bei der Anordnung nach "lastauto" bestehenden Problems der Wärmeableitung (DE 30 25 757 A1, Seite 2, 2. Absatz) beitragen. Der Fachmann wird deshalb diese Druckschrift bei seiner Suche nach einer Lösung unbedingt in Betracht ziehen. Er entnimmt, dass zwecks Abführung der Bremswärme bzw. Abschirmung der wärmeempfindlichen Radlagerung gegen die Bremswärme ein Luftstrom 17 durch einen zwischen Radnabe 16 und Verbindungstorus mit Bremsscheibe 3 gebildeten Ringkanal zur Bremsscheibe 3 und außerdem an dieser vorbei über ein Radlager 6/7 geführt wird. Der Ringkanal steht dabei sowohl nach außen als auch nach innen mit der Umgebungsluft in Verbindung. Ausdrücklich weist DE 30 25 757 A1 darauf hin, dass eine derartige Belüftung der Kühlung der wärmeempfindlichen Lagerungselemente dienlich ist (Seite 2, letzter Absatz, bis Seite 3, 1. Absatz; Seite 3 2. Absatz, Zeilen 5 bis 13). Der Fachmann hat damit Veranlassung, diese Lösung prinzipiell auf die Anordnung nach "lastauto" zu übertragen, also den dort vorhandenen Ringkanal durchströmend zu belüften. Aufgrund seiner Erfahrung ist ihm bewusst, dass gerade bei stehendem Fahrzeug besonders viel der Bremsscheibenwärme durch Wärmeleitung in die Radnabe (und Radlager) gelangt, weil im Stillstand der ansonsten im Fahrtwind durch Konvektion abgeführte Anteil der Wärme -zumindest zum großen Teil -noch zusätzlich in Richtung Radlager fließt. Für eine Abhilfe ist es dabei ohne Weiteres einsehbar zweckmäßig, eine entsprechende Kühlung in möglichst unmittelbarer Nähe des Radlagers bzw. der dieses überdeckenden Radnabe vorzunehmen. Denn auf diese Weise bleibt die bei der Konstruktion nach "lastauto" eigens zur Wärmeentlastung des Radlagers vorgesehene Maßnahme (Verlängerung der Wärmeleitstrecke Bremsscheibe-Radlager, s. o.) voll wirksam. Dadurch sind die Temperaturen der noch zusätzlich durch Luftkühlung gekühlten Nabenbzw. Radlagerelemente, die am Ende der Wärmeleitstrecke liegen, weiter herabgesetzt. Unmittelbare Nähe zum Radlager bzw. zur Radnabe besteht bei der Konstruktion nach "lastauto" an der Mantelfläche der Radnabe. Der Fachmann hat deshalb Veranlassung, das ihm aus DE 30 25 757 A1 bekannte Prinzip der Wärmeableitung durch Kühlluftstrom gerade in diesem Bereich anzuwenden. Dies bietet sich umso mehr an, als der Ringkanal als solcher bereits vorhanden ist und zur Erzeugung einer Verbindung zur außen gelegenen Seite des Radflansches hin lediglich mit entsprechenden Durchgangsöffnungen entsprechend der Anregung der DE 30 25 757 A1 versehen werden muß. In dem Ringkanal befindliche Luft, die durch den die äußere Kanalwand bildenden heißen Bremsscheibenverbindungstorus erwärmt ist, kann dann sowohl nach innen als auch nach außen abfließen und dabei Wärme in die Umgebung abführen. Die Durchgangsöffnungen nach außen befinden sich bei derartiger konstruktiver Realisierung unterhalb der Bohrungen für die Radbefestigungsschrauben und damit im Übergangsbereich des Radflansches, die Öffnung nach innen liegt zwischen dem Innenperimeter der Bremsscheibe und der Radnabe (vgl. Abbildung aus "lastauto"). Das aus der DE 30 25 757 A1 bekannte Prinzip der Kühlung mittels Luftstrom durch einen nach innen und außen geöffneten Ringkanal kann auf diese Weise mit einfachen Maßnahmen auf die Anordnung nach "lastauto" übertragen werden, ohne indes die dort bereits getroffenen Maßnahmen zur Wärmeableitung negativ zu beeinflussen. Der Ringkanal erfüllt auch die Bedingung der Erstreckung in Achsrichtung im streitpatentgemäßen Sinn, denn danach soll lediglich -wie die Patentinhaberin bestätigt hat -der Kanal so ausgerichtet sein, dass seine beiden Mündungsöffnungen in Achsrichtung beabstandet sind und zur Umgebung hin in Achsrichtung geöffnet sind. Mit der Übertragung des aus der DE 30 24 757 A1 bekannten Prinzips auf die Konstruktion nach "lastauto" ergibt sich somit auf naheliegende Weise auch die Ausgestaltung, wie sie in den o. g. Merkmalen 7 bis 7.5 des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag angegeben ist.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach dem Hauptantrag ist daher nicht patentfähig. Der Anspruch 1 kann demnach eine beschränkte Aufrechterhaltung des Patents nicht rechtfertigen. Mit ihm fallen die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2bis 9.

5. Zum Hilfsantrag Die Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist ebenfalls nicht patentfähig.

Zu der mit dem Hauptantrag übereinstimmenden Merkmalskombination (Merkmale 1 bis 7.5) wird auf die obenstehenden Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen, die hier gleichermaßen gelten.

Die darüber hinausgehenden Merkmale nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag sind nachstehend wie folgt aufgegliedert:

8. der Bremsscheibenverbindungstorus -an der Innenseite der Bremsscheibe beginnend -bildet mit der Bremsscheibe eine in Radialrichtung zur Achse eingefurchte Aufnahmevertiefung zum Aufspannen eines Bremssattelrotationsraums, 8.1 und der Belüftungsringkanal erstreckt sich über den Bereich der Aufnahmevertiefung.

Aus der vorstehend zum Hauptantrag wiedergegebenen Abbildung der "lastauto"-Bremsscheibenanordnung unmittelbar ersichtlich beginnt deren Bremsscheibenverbindungstorus an der Innenseite der Bremsscheibe und bildet mit der Bremsscheibe eine in Radialrichtung zur Achse eingefurchte Vertiefung, in der der Bremssattel untergebracht ist. Das Merkmal 8 ist demnach bei der vorbekannten Anordnung verwirklicht. Des weiteren erstreckt sich der Ringkanal ebenso ohne Weiteres erkennbar über den Bereich der Aufnahmevertiefung im Sinne des Merkmals 8.1. Die beiden zusätzlichen Merkmale 8 und 8.1 vermögen demnach eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach dem Hilfsantrag ist daher ebenfalls nicht patentfähig. Die Unteransprüche 2 bis 8 teilen das Schicksal des in Bezug genommenen Patentanspruchs 1.

Pontzen Friehe Reinhardt Dr. Höchst Ko






BPatG:
Beschluss v. 10.11.2008
Az: 9 W (pat) 381/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/34769bb62357/BPatG_Beschluss_vom_10-November-2008_Az_9-W-pat-381-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share