Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 28. Mai 2008
Aktenzeichen: 6 U 27/08

(OLG Köln: Urteil v. 28.05.2008, Az.: 6 U 27/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Urteil vom 28. Mai 2008 entschieden, dass die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln zurückgewiesen wird. Die Antragsgegnerin vertreibt ein Schmerzmittel unter dem Namen "W Dolo 12,5 mg" und hat ein weiteres Schmerzmittel mit dem Namen "W Dolo Extra 25 mg" auf den Markt gebracht. Die Antragstellerin hat die Bezeichnung "W Dolo Extra 25 mg" als irreführend beanstandet und erwirkt, dass der Antragsgegnerin der Vertrieb dieses Arzneimittels untersagt wurde. Das Landgericht hat diese einstweilige Verfügung bestätigt und die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht Köln hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und damit festgestellt, dass die Bezeichnung "W Dolo Extra 25 mg" irreführend ist. Die Gefahr der Irreführung besteht darin, dass der Verkehr aufgrund des Zusatzes "Extra" eine besondere Wirksamkeit des Präparats erwartet, die jedoch tatsächlich nicht gegeben ist. Die angesprochenen Verbraucher nehmen an, dass das Besondere des Präparats in einer besseren Wirksamkeit im Vergleich zu "W Dolo 12,5 mg" liegt, und nicht nur in der Verdoppelung des Wirkstoffgehalts. Die Irreführung ist wettbewerbsrechtlich relevant, da sie sich unmittelbar auf die Kaufentscheidung auswirkt.

Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes oder des Paul-Ehrlich-Institutes berufen, da diese keine Bezeichnung mit dem uneindeutigen Zusatz "Extra" empfehlen. Auch ein Bescheid des BfArM kann keine andere Beurteilung der Irreführungsgefahr rechtfertigen, da dieser nur bestimmte zustimmungspflichtige Änderungen betrifft und keine Bezeichnungsänderungen.

Das Gericht hat außerdem entschieden, dass es nicht erforderlich ist, den Kunden darauf hinzuweisen, dass er das stärkere Präparat "W Dolo Extra 25 mg" und nicht das schwächere "W Dolo 12,5 mg" erhält. Es liegt in der Verantwortung des Apothekers sicherzustellen, dass dem Kunden die unterschiedliche Wirkstoffkonzentration bewusst ist. Da die Unterschiede zwischen beiden Präparaten geringfügig sind und die Wirksamkeit nicht betroffen ist, wird davon ausgegangen, dass das Gesamtvolumen der Kunden, die sich für eines der Präparate entscheiden, weitgehend erhalten bleibt.

Das Gericht hat entschieden, dass eine Sicherheitsleistung nicht angeordnet werden muss. Die Position der Antragstellerin würde dadurch deutlich geschwächt, und es bestehen keine Anhaltspunkte für einen außergewöhnlich hohen Schaden bei der Antragsgegnerin. Die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung ist in der Regel nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Das Urteil ist rechtskräftig, und der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 500.000 € festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Köln: Urteil v. 28.05.2008, Az: 6 U 27/08


Tenor

1.) Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 20.12.2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 283/07 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

B e g r ü n d u n g

Die Parteien stehen als Vertreiber von Arzneimitteln miteinander im Wettbewerb. Die Antragsgegnerin vertreibt seit längerem ein nicht verschreibungspflichtiges Schmerzmittel mit den Indikationen "leichte bis mäßig starke Schmerzen" und "Fieber" unter der Bezeichnung "W Dolo 12,5 mg". Eine Tablette dieses Mittels enthält 12,5 mg des Wirkstoffes Diclofenac-Kalium. Die auf dem Beipackzettel empfohlene Erstdosis beträgt zwei Filmtabletten, die Tageshöchstdosis liegt bei sechs Filmtabletten. Gegenstand der Auseinandersetzung ist ein zweites, ebenfalls nicht verschreibungspflichtiges Schmerzmittel, das die Antragsgegnerin vor einiger Zeit unter der Bezeichnung "W Dolo Extra 25 mg" für die Indikation "leichte bis mäßig starke Schmerzen" auf den Markt gebracht hat. Die empfohlene Erstdosis für dieses Mittel, von dem eine Tablette 25 mg desselben Wirkstoffes Diclofenac-Kalium enthält, beträgt eine Tablette, die Tageshöchstdosis liegt bei drei Tabletten.

Die Antragstellerin beanstandet die Bezeichnung "W Dolo Extra 25 mg" als im Sinne des § 5 UWG irreführend, weil der Verkehr wegen des Bestandteiles "Extra" mehr als eine bloße Verdoppelung des Wirkstoffgehaltes erwarte, und hat mit dieser Begründung eine einstweilige Verfügung des Landgerichts erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln der Vertrieb eines Arzneimittels für leichte bis mäßig starke Schmerzen mit dem Wirkstoff Diclofenac-Kalium unter der Bezeichnung "W Dolo Extra 25 mg" untersagt worden ist; der Bezeichnungsbestandteil "Extra" sei unzulässig, solange gleichzeitig das Präparat "W Dolo 12,5 mg" vertrieben werde, demgegenüber es keinen Vorteil biete, der über den unterschiedlichen Wirkstoffgehalt hinausgehe. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht durch die angefochtene Entscheidung diese einstweilige Verfügung mit der Begründung bestätigt, die Angabe "Extra" lege das Verständnis nahe, das Medikament biete über die Verdoppelung des Wirkstoffgehaltes hinaus gegenüber "W Dolo 12,5 mg" dem Verbraucher weitere Vorteile, was indes tatsächlich nicht der Fall sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der diese ihre Auffassung wiederholt und vertieft, die durch die angegriffene Bezeichnung geweckte Erwartung der Verbraucher werde nicht enttäuscht. Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.

II

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, weil der Verfügungsantrag auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Antragsgegnerin zulässig und begründet ist.

Es besteht der Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Die Antragstellerin stützt sich mit §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i. V. m. § 3 Abs. 1 HWG auf Bestimmungen aus dem UWG. Die deswegen gemäß § 12 Abs. 2 UWG begründete Dringlichkeitsvermutung ist nicht widerlegt.

Ebenso ist ein Verfügungsanspruch aus den vorgenannten Normen glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin vertreibt wie die Antragsgegnerin u.a. Schmerzmittel und ist daher im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG deren Mitbewerberin. Gemäß § 3 Satz 1 HWG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG und § 2 AMG ist irreführende Werbung für Arzneimittel unzulässig. Diese Normen sind im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG auch dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 Rz 11.135).

Die streitgegenständliche Produktangabe "W Dolo Extra 25 mg" stellt irreführende Werbung dar. Die Gefahr der Irreführung besteht, wenn durch eine konkrete tatsächliche Angabe bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine objektiv unrichtige Vorstellung erweckt wird (vgl. für die gleichgelagerte Problematik im Rahmen des - im vorliegenden Fall auch erfüllten - § 5 UWG Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 5 Rz 2.69 f). Die verfahrensgegenständliche Produktbezeichnung birgt die Gefahr einer derartigen Irreführung.

Beide Arzneimittel enthalten mit Diclofenac-Kalium denselben Wirkstoff. Für beide Präparate wird auch die Einnahme derselben Menge dieses Wirkstoffes empfohlen. Während von W Dolo 12,5 mg als Erstdosierung 2 Tabletten, also 25 mg des Wirkstoffes, eingenommen werden sollen, lautet die Empfehlung für W Dolo Extra 25 mg auf eine Tablette und damit ebenfalls auf eine Erstdosierung von 25 mg Diclofenac-Kalium. Entsprechend beläuft sich die empfohlene höchste Tagesgesamtdosis für beide Medikamente auf 75 mg des Wirkstoffes, nämlich 6 Tabletten W Dolo 12,5 mg bzw. 3 Tabletten W Dolo Extra 25 mg. Der Unterschied zwischen beiden Medikamenten liegt daher nur in dem Umstand, dass mit dem neuen Produkt weniger Tabletten eingenommen werden müssen, was nach der Darstellung der Antragstellerin die Akzeptanz des Präparates erhöht.

Die Bezeichnung wird für ein Arzneimittel verwendet, das nicht verschreibungspflichtig und deswegen in Apotheken frei erhältlich ist. Eine Beratungspflicht durch den das Präparat abgebenden Apotheker besteht nicht und eine Beratung ist auch nicht üblich. Maßstab für die Frage der Irreführung ist daher das Vorstellungsbild der allgemeinen Verbraucherkreise.

Dem Verbraucher wird als Produktbezeichnung die Angabe "W Dolo Extra 25 mg" präsentiert. Der so angesprochene zumindest potenzielle Kunde wird dem in dieser Bezeichnung enthaltenen Wort "Extra" eine eigenständige Bedeutung beimessen und - wenn er W Dolo 12,5 mg nicht ohnehin kennt - erwarten, dass es sich um ein Arzneimittel handelt, das es auch in einer schwächeren Form gibt, die ohne den Zusatz "Extra" bezeichnet wird. Die Angabe "Extra" beschreibt nach dem allgemeinen und auch im Bereich der Arzneimittelkennzeichnung üblichen Sprachgebrauch nämlich eine Besonderheit und damit einen zusätzlichen Umstand, den nur das so bezeichnete Produkt, das Basisprodukt aber nicht aufweist.

Die angesprochenen Verbraucher werden in einer wettbewerblich relevanten Anzahl annehmen, dass das Besondere des Präparates W Dolo Extra 25 mg gegenüber der schwächer dosierten Form W Dolo 12,5 mg in einer höheren, schnelleren oder nachhaltigeren Wirksamkeit liegt. Sie werden demgegenüber nicht annehmen, die Besonderheit beschränke sich darauf, dass der Wirkstoffgehalt je Tablette verdoppelt sei. Denn die potenziellen Kunden, die die Angabe "Extra" überhaupt auf die Wirkstoffmenge beziehen, werden erwarten, dass die höhere Dosierung aus Gründen höherer Wirksamkeit des Arzneimittels erfolgt ist, und nicht annehmen, dass bei Beachtung der Dosierempfehlung des Herstellers ein Unterschied in der therapeutischen Wirksamkeit der Präparate überhaupt nicht besteht. Das vermögen die den angesprochenen Verkehrskreisen zugehörigen Mitglieder des Senats aus eigener Sachkunde zu beurteilen. Dieses Erwartungsbild der angesprochenen Verkehrskreise ist auch angesichts des von der Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung als Anlage AG 4 vorgelegten demoskopischen Gutachtens von TNS Infratest nicht entkräftet. Allerdings haben jeweils über 90 % der Befragten auf die Frage 3 nach dem Unterschied zwischen den beiden Schmerzmitteln die unterschiedliche Wirkstoffmenge - sei es auch durch die konkrete Wiedergabe der beiden in Rede stehenden Wirkstoffanteile - benannt. Der Senat lässt die Frage offen, ob diese Antworten den Schluss zulassen könnten, die Befragten erwarteten von der zutreffend erkannten höheren Dosierung nicht eine höhere Wirksamkeit. Denn die angesprochenen Verbraucher waren während der Befragung nicht der typischen Kaufsituation ausgesetzt: Ihnen ist nämlich, (auch) während die Frage 3) gestellt wurde, ein Bild gezeigt worden, auf dem (ausschließlich) die Verpackungen der beiden In Rede stehenden Schmerzmittel abgebildet waren. Es stand ihnen daher während der Befragung der Unterschied der Bezeichnungen auf den Verpackungen mit der daraus abzuleitenden Verdoppelung der Wirkstoffmenge ständig vor Augen. Das steht indes mit der Situation weder des Erwerbers von W Dolo Extra 25 mg noch des potenziellen Kunden in Einklang, der die Werbung für das Produkt wahrnimmt, weil er in beiden Fällen nicht zugleich auch mit der Bezeichnung W Dolo 12,5 mg für das schwächere Präparat konfrontiert ist. Tritt dem Kunden - was allein zu beurteilen ist - ausschließlich ein Präparat mit der Bezeichnung W Dolo Extra 25 mg gegenüber, so wird er in erheblicher Anzahl die Angabe "Extra" als Hinweis auf eine besondere Wirksamkeit im oben beschriebenen Sinne verstehen. Das gilt insbesondere deswegen, weil der Verbraucher dazu neigen wird, die relativ lange Angabe auf "W Dolo Extra" oder sogar nur "W Extra" zu verkürzen, und als pharmakologischer Laie keinen Anlass sehen wird, sich auch noch die Angabe "25 mg" einzuprägen.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, das jüngere Präparat biete den Vorteil, dass bei der Anfangsdosierung statt zweier nur eine Tablette eingenommen werden müsse. Auf diese Weise wirke es der Abneigung vieler Patienten entgegen, mehr als eine Tablette zugleich nehmen zu müssen, und verhindere die Situation, dass der Patient zunächst nur 12,5 mg des Wirkstoffes Diclofenac-Kalium - also eine zu geringe Anfangsdosis - einnehme und dann aus pharmakologischen Gründen auch durch eine nachträgliche Einnahme der zweiten Tablette die notwendige Konzentration des Wirkstoffes nicht mehr erreichen könne. Der Senat legt diesen in pharmakologischer Hinsicht durch das als Anlage AG 3 vorgelegte Gutachten von Herrn Prof. Dr. C bestätigten Vortrag seiner Entscheidung zugrunde. Es kann aber nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden, dass die angesprochenen Verbraucher der Angabe "Extra" diese Bedeutung beimessen. Der Verkehr wird aus den dargelegten Gründen das durch die Angabe "Extra" angekündigte Besondere des Präparats in der in irgendeiner Weise besseren Wirksamkeit und nicht lediglich in einer erleichterten Einnahmeweise sehen, zumal ihm Fälle nicht bekannt sind, in denen Arzneimittel allein wegen einer abweichenden Einnahmeempfehlung, die von einigen Patienten als weniger unangenehm empfunden wird, mit der Angabe "Extra" versehen worden wären. Eine solche Erwartung der angesprochenen Verbraucher kann auch nicht aus den Antworten auf die Frage 6 A des demoskopischen Gutachtens von TNS Infratest hergeleitet werden. Es haben zwar über 50 % der Befragten die Möglichkeit, mit der Ersteinnahme dieselbe Wirkung statt durch zwei durch eine Tablette erzielen zu können, als Vorteil angesehen. Dem lag aber die Fragestellung zugrunde, ob in dieser den Befragten ausdrücklich vor Augen geführten Möglichkeit ein Vorteil zu sehen sei, und nicht, welche Erwartungen sie mit dem Begriff "Extra" verknüpfen.

Die von der Antragsgegnerin in beiden Instanzen angeführte "Bekanntmachung des Bundesgesundheitsamtes und des Paul-Ehrlich-Institutes über Hinweise und Empfehlungen zur Vermeidung von irreführenden Arzneimittelbezeichnungen" gebietet eine andere Beurteilung nicht. In dieser Bekanntmachung wird nicht eine Kennzeichnungsweise wie diejenige empfohlen, die die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren beanstandet. Es heißt dort zunächst unter "Definitionen" (2.3) für den Fall der Verwendung eines sogenannten "Bezeichnungszusatzes": Dieser sei "ein zumeist kurzer Zusatz zu der Hauptbezeichnung, durch den in der Regel am Anfang oder am Ende der Arzneimittelbezeichnung auf ein bestimmtes Merkmal des einzelnen Arzneimittels hingewiesen bzw. ein Unterschied zu anderen Arzneimitteln mit gleicher Hauptbezeichnung deutlich gemacht werden soll". Weiter heißt es unter Ziffer 3.2.1: "Die Benutzung von Bezeichnungszusätzen bei identischer Hauptbezeichnung ist zur Unterscheidung unterschiedlich zusammengesetzter Arzneimittel vor allem in folgenden Fällen von Bedeutung: .... Eine eingeführte Bezeichnung soll mit einem Bezeichnungszusatz für ein anderes Arzneimittel mit unterschiedlicher Zusammensetzung nach Art und Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile verwandt werden". In beiden zitierten Formulierungen findet sich nicht die Empfehlung, derartige Bezeichnungszusätze mit dem für sich genommen nicht eindeutigen Wort "Extra" zu versehen. Dementsprechend weisen auch die in der Empfehlung ausdrücklich enthaltenen Beispielsfälle lediglich Zahlenangaben (Tacetamol 1000; Tacetamol 125 usw.), aber eben nicht derartige mehrdeutige Adverbien wie "Extra" auf. Es kommt damit nicht auf die Frage an, ob eine etwaige Irreführung hingenommen werden muss, weil sie eine Formulierung verwendet, die in einer Empfehlung enthalten ist, die sich gerade der Bekämpfung der Irreführung verschrieben hat.

Ebenso ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf den Bescheid des BfArM vom 08.08.2006. Mit diesem Bescheid ist ausdrücklich nur denjenigen angezeigten Änderungen zugestimmt worden, die gemäß § 29 Abs. 2 a AMG zustimmungspflichtig sind. Zu diesen zustimmungspflichtigen Änderungen gehören bloße Bezeichnungsänderungen nicht. Das BfArM hat sich in dem Bescheid erkennbar auf den Standpunkt gestellt, bei der Bezeichnung "W Dolo Extra 25 mg" handele es sich um eine derartige Bezeichnungsänderung, und hierzu - konsequenterweise - lediglich ausgeführt, diese Bezeichnungsänderung habe das Institut "zur Kenntnis genommen". Der Entscheidung kann zugrundegelegt werden, dass das BfArM - wie es Herr Rechtsanwalt Dr. T in seiner als Anlage 6 von der Antragsgegnerin vorgelegten Stellungnahme geschildert hat - bei Bedenken hinsichtlich nicht zustimmungspflichtiger Änderungen den Hersteller um Stellungnahme bittet und anschließend die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen prüft. Der Umstand, dass das Institut, von dessen Zustimmung die Zulässigkeit der Bezeichnung nicht abhängt, der Antragsgegnerin mit Blick auf die Angabe "Extra" derartige Auflagen anscheinend nicht erteilt hat, entbindet den Senat nicht von einer eigenständigen Prüfung der Irreführungsgefahr.

Diese ist hier aus den vorgenannten Gründen auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Hamburg vom 12.07.07 (MD 07, 1053) zu bejahen. Dort heißt es zwar, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise "im Hinblick auf die Bezeichnung eines Arzneimittels auf Grund der Verwendung des Zusatzes ‚forte’ davon ausgingen, dass dem Präparat eine stärkere Wirksamkeit" zukomme. Die in jenem Verfahren angegriffene Werbung richtete sich aber nicht an Verbraucher, sondern an Ärzte, mithin an Fachkreise. Das Hanseatische Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, die angesprochenen Ärzte wüssten auch von anderen Arzneimitteln, dass eine höhere Dosierung eines Wirkstoffes nicht regelmäßig mit einer höheren Wirksamkeit einhergehe. Für die für im vorliegenden Verfahren angesprochenen allgemeinen Verbraucherkreise kann diese Kenntnis nicht zugrunde gelegt werden.

Die mithin bestehende Irreführungsgefahr ist angesichts der unmittelbaren Auswirkungen auf die Kaufentscheidung auch von wettbewerblicher Relevanz.

Schließlich gebietet auch die im Rahmen der Prüfung des § 5 UWG vorzunehmende Interessenabwägung (vgl. z.B. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 5 Rz 2.200 ff) es nicht, diese Gefahr der Irreführung hinzunemen. Insbesondere ist es nicht notwendig, auf diese Weise den Kunden darauf hinzuweisen, dass er nicht - wie er es vielleicht von früheren Einkäufen gewohnt ist - das Mittel W Dolo 12,5 mg, sondern nunmehr das Präparat W Dolo Extra 25 mg in Händen hält, dessen einzelne Tabletten doppelt so viel Wirkstoff enthalten und daher nur in halber Menge eingenommen werden dürfen. Das Präparat ist als Arzneimittel ausschließlich in Apotheken erhältlich. Gibt der Kunde als Wunsch nur "W Dolo" an, so ist dies nicht eindeutig und der Apotheker daher gezwungen, den Kunden zu fragen, welches der beiden Mittel er wünsche. Ist dem Kunden in dieser Situation der Unterschied nicht klar, so wird er ihn erfragen und von dem Apotheker erfahren. Zeigt der Kunde auf das in der Apotheke sichtbar ausliegende Mittel W Dolo Extra 25 mg, so obliegt es dem Apotheker, durch eine Rückfrage sicherzustellen, dass dem Kunden die gegenüber W Dolo 12,5 mg verdoppelte Wirkstoffkonzentration bewusst ist. Dass Apotheker dieser Verpflichtung in relevantem Maße nicht nachkämen, ist weder vorgetragen noch nach der Lebenserfahrung des Senats anzunehmen. Verlangt der Kunde schließlich "W Dolo Extra 25 mg" bzw. "W Dolo Extra", so besteht die Gefahr einer Annahme, es handele sich um das Präparat mit der schwächeren Dosierung nicht, weil der Kunde ausdrücklich das stärkere Mittel nachgefragt hat.

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, für den Fall der Zurückweisung der Berufung gem. § 921 S. 2 ZPO eine Sicherheitsleistung anzuordnen, ist nicht stattzugeben. Nachdem die einstweilige Verfügung bereits erlassen worden ist, kommt anstelle von §§ 921 S. 2, 936 ZPO nur in Betracht, ihre Bestätigung gem. §§ 925 Abs. 2, 936 ZPO von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Aber auch hierfür liegen die Voraussetzungen nicht vor. Durch die Auferlegung der Pflicht, Sicherheit zu leisten, würde die Position der Antragstellerin deutlich geschwächt. Die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung ist regelmäßig nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig. Auch im Hauptsacheverfahren könnte die Antragstellerin aus einem Berufungsurteil gem. § 708 Nr. 10 ZPO vollstrecken, ohne Sicherheit leisten zu müssen. Aus diesem Grunde sind besondere Gründe erforderlich, im vorliegenden Fall, die - weitere - Vollstreckung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Es müssten entweder ein besonders hoher Schaden drohen oder dessen Realisierbarkeit erkennbar gefährdet sein. Beides ist indes nicht ersichtlich. So kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegnerin ein außergewöhnlich hoher Schaden droht, wenn es sich bei den W-präparaten auch - wie senatsbekannt ist - um am Markt besonders erfolgreiche Schmerzmittel handelt. Denn der Kunde, dem W Dolo Extra 25 mg nicht mehr zur Verfügung steht, wird stattdessen ohne weiteres auf W Dolo 12,5 mg zurückgreifen. Es ist angesichts der beschriebenen nur geringfügigen Unterschiede beider Präparate, die die Wirksamkeit nicht betreffen, davon auszugehen, dass das Gesamtvolumen der Kunden, das sich derzeit auf beide Arzneimittel verteilt, bei einem Fortbestand des Verbotes von W Dolo Extra 25 mg zumindest weitgehend der Antragsgegnerin erhalten bleibt. Dass Kunden sich in nennenswerter Zahl nur deswegen Produkten von Wettbewerbern zuwenden könnten, weil ihnen W Dolo Extra 25 mg nicht mehr zur Verfügung steht, ist nicht vorgetragen. Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein gleichwohl eintretender Schaden auf der Grundlage des § 945 ZPO bei der Antragsgegnerin, einem bekannten Unternehmen der Pharmabranche, nicht realisiert werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 6.3.2008 auf 500.000 € festgesetzt. Der Senat hat den Gegenstandswert gem. §§ 53 Abs.1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO nach seinem freien Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist dabei das Interesse der Antragsgegnerin als Berufungsführerin an der Aufhebung des angegriffenen Verbotes. Dieses Interesse ist auf der Grundlage des Vortrags der Antragsgegnerin insbesondere mit Blick auf deren Antrag, den Vollzug der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 10 Millionen Euro abhängig zu machen, hoch anzusetzen und begründet die Wertfestsetzung auf 500.000 €.






OLG Köln:
Urteil v. 28.05.2008
Az: 6 U 27/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/343e4e0c5e35/OLG-Koeln_Urteil_vom_28-Mai-2008_Az_6-U-27-08




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