Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 19. Mai 2011
Aktenzeichen: 6 U 55/10

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.05.2011, Az.: 6 U 55/10)

Eine Fahrt, die ein Taxiunternehmer mit einem nicht für die Gemeinde, aus der der Fahrbahngastauftrag herrührt, konzessionierten Taxi durchführt, verstößt nur dann gegen das Verbot des Bereithaltens außerhalb des Betriebssitzes (§ 47 II 1 PBefG), wenn sich das Taxi bei Erteilung des Auftrages physisch außerhalb der Gemeinde, in der der Unternehmer seinen Betriebssatz, befunden hat.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.02.2010 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Limburg abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs einem Kunden, der telefonisch über die Telefonnummer € ein Taxi bestellt, nicht mit einem Taxi aus Stadt1, sondern mit einem Taxi aus Stadt2 zu bedienen und zu befördern. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, vorgerichtliche Kosten des Klägers in Höhe von 1.419,19 € nebst Zinsen zu erstatten.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Einsatz von in Stadt2 konzessionierten Taxen bei der Bestellung unter der Stadt1er Telefonnummer auch als irreführende Werbung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG unlauter sein könne. Das von dem Kläger beanstandete streitgegenständliche Verhalten sei jedoch als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG zu werten. Wenn die Beklagte bei der Bestellung eines Taxis unter der in Stadt1 registrierten Rufnummer ein für den Bereich Stadt2 konzessioniertes Taxi einsetze, verschaffe sie sich gegenüber den in Stadt1 ansonsten konzessionierten Taxiunternehmen einen mit den Vorgaben der Taxenkonzession und der diesbezüglichen Regelungen im Personenbeförderungsgesetz nicht vereinbaren unzulässigen Wettbewerbsvorteil. Die Beklagte nutze in unlauterer Weise den Umstand aus, dass sie neben ihren bereits seit Jahren in Stadt2 unterhaltenen Hauptsitz mit der Übernahme der fünf Taxenkonzessionen für Stadt1 gleichzeitig über Konzessionen für die Zweigniederlassung in Stadt1 verfüge und dadurch unter der dafür angegebenen Telefonnummer Beförderungsaufträge entgegennehme, die sie mit den in Stadt2 konzessionierten Fahrzeugen ausführe. Zwar möge dieses Verhalten der Beklagten nicht gegen § 47 Abs. 2 Personenbeförderungsgesetz verstoßen, jedoch umgehe die Beklagte den mit der Konzessionierung verbundenen gesetzlichen Zweck einer bedarfsorientierten Zulassung von Taxen, was auch eine Zuwiderhandlung gegen § 4 Nr. 11 UWG darstelle.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er ist der Auffassung, das Verhalten der Beklagten verstoße gegen die Tatbestände der §§ 4 Nr. 10, 11 i. V. m. § 47 PBefG sowie gegen § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht der eingeklagte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Ein Unterlassungsanspruch folgt nicht aus §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG. Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend und damit unlauter, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über Eigenschaften des Unternehmers enthält. Der Kläger argumentiert in diesem Zusammenhang, die Kunden, die telefonisch über die Stadt1-Telefonnummer € ein Taxi bestellten, erwarteten auch, von einem Stadt1-Taxiunternehmer mit einem über eine Konzession für Stadt1 verfügenden Taxi gefahren zu werden.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der hier zu entscheidende Fall liegt anders als der, der dem Urteil in der Sache 6 U 70/10 zugrunde liegt. Die dortige Beklagte hatte in einem für Stadt1 herausgegebenen Telefonverzeichnis eine Anzeige für ihr in Stadt2 ansässiges Unternehmen geschaltet, ohne diesen Umstand kenntlich zu machen. Der Senat sah hierdurch die Fehlvorstellung des Verkehrs ausgelöst, es handele sich um ein in Stadt1 ansässiges Unternehmen. Es hat dieser Fehlvorstellung auch Relevanz beigemessen, weil die Entfernung des beauftragten Unternehmens vom Wohnort des Auftraggebers schon wegen der zu erwartenden Zeitspanne bis zum Erscheinen des Fahrzeugs von Bedeutung sei; das gelte insbesondere für die Durchführung von Krankentransporten.

Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich von dem soeben geschilderten Sachverhalt maßgeblich dadurch, dass der Kunde, der die Telefonnummer € wählt, tatsächlich von einem (auch) in Stadt1 ansässigen Taxiunternehmen bedient wird, welches sich aber zur Ausführung von Aufträgen auch ihrer Niederlassung in Stadt2 und damit eines ihr dort konzessionierten Taxen bedient.

Hier greift der von dem Senat in der Sache 6 U 70/10 beanstandete Irreführungsgesichtspunkt hinsichtlich der zu erwartenden Zeitspanne bis zum Eintreffen des Taxis nicht. Im Gegenteil: Dadurch, dass die Beklagte zur Erfüllung der von ihrer Zweigniederlassung in Stadt1 angenommenen Beförderungsaufträge nicht nur auf ihre fünf für Stadt1 zugelassenen Taxen zurückgreift, sondern auch auf ihre sieben in Stadt2 zugelassenen Taxen, ist sie jedenfalls nicht schlechter, sondern im Zweifel besser befähigt, eingehende Beförderungsaufträge rasch abzuwickeln, weil sie von den insgesamt zwölf Taxen das aufgrund seines jeweiligen Standortes am schnellsten zur Verfügung stehende Taxi aussuchen kann.

Auch liegt es nach Auffassung des Senats fern, dass ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise, der die Beklagte in ihrer Stadt1-Zweigniederlassung anruft, diese Entscheidung kausal an die Erwartung knüpft, von einem für Stadt1 konzessionierten Taxi dieser Zweigniederlassung gefahren zu werden.

Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 47 Abs. 2 PBefG.

Dahingestellt bleiben kann, ob das beanstandete Verhalten bereits von § 47 Abs. 2 Satz 2 PBefG gedeckt ist, weil es sich um Fahrten auf vorherige Bestellung handelt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie das Tatbestandsmerkmal des Bestellens auszulegen ist. Denkbar ist ein enges Verständnis dahingehend, dass mit €Bestellung€ der Antrag auf Abschluss eines Beförderungsvertrages gemeint ist, die demzufolge von dem Fahrgast selbst aufgegeben worden sein muss (so der Senat in einem Beschluss vom 18.07.1985 (Az. 6 U 186/84; zustimmend Bidinger, Personenbeförderungsrecht 2. Aufl., § 47 Rz. 47 a). Jedenfalls ist die eigenmächtige Weitergabe einer Bestellung von dem entgegennehmenden Taxiunternehmen an ein anderes dann nicht mehr von der €Bestellung€ gedeckt, wenn dies dem mutmaßlichen Wunsch des Kunden zuwiderläuft. Im vorliegenden Fall hingegen besteht aus den oben zu § 5 UWG dargelegten Gründen kein Anlass, anzunehmen, dass die Kunden mit der unternehmensinternen Weiterleitung des Fahrgastauftrages nicht einverstanden wären.

Letztlich kann die Frage, ob das vorliegend beanstandete Verhalten § 47 Abs. 2 Satz 2 PBefG unterfällt, jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls verstößt die Beklagte nicht gegen das Verbot des § 47 Abs. 2 S. 1 PBefG. Nicht jede Fahrt, die ein Taxiunternehmer mit einem nicht für die Gemeinde, aus der der Fahrgastauftrag herrührt, konzessionierten Taxi durchführt, verstößt gegen § 47 Abs. 2 S. 1 PBefG, wenn sie nicht auf einer Bestellung im Sinne von § 47 Abs. 2 Nr. 2 PBefG beruht. Gegen eine derart weite Auslegung spricht der Wortlaut des Absatzes 2 Satz 3, der das €Bereithalten an behördlich zugelassenen Stellen€ regelt, was nahelegt dass das Gesetz mit dem Bereithalten das physische Vorhandensein meint eines Taxis meint. Legt man den Begriff des Bereithaltens gemäß Abs. 2 Satz 1 in diesem Sinne aus, kann der Beklagten ein Verstoß gegen diese Vorschrift nicht vorgeworfen werden, weil der Kläger nicht behauptet, dass die Beklagte für die Stadt Stadt2 konzessionierte Taxen außerhalb dieses Gebiets, insbesondere in Stadt1, vorhält, um von dort Fahrgastaufträge entgegenzunehmen. Auch der Klageantrag ist hierauf nicht zugeschnitten.

Allerdings haben das OLG Koblenz (Urteil vom 19.12.2000, Az. 4 U 1000/00) und das OLG Schleswig-Holstein (Urteil vom 12.02.2002, Az. 6 U 65/01) in Fällen, in denen jeweils ein Veranstalter einen pauschalen Auftrag zur Versendung von Taxen an einen Veranstaltungsort erteilt hatte, entschieden, dass es sich hierbei nicht um eine Bestellung im Sinne von § 47 Abs. 2 S. 2 PBefG handele und diese Vorschrift als Ausnahmetatbestand zu dem grundsätzlich geltenden Verbot des § 47 Abs. 2 S. 1 PBefG behandelt. Allerdings führte der pauschale Auftrag in beiden Fällen dazu, dass Taxen in der fremden Gemeinde € am Veranstaltungsort - physisch bereitgehalten wurden und auf Fahrgäste warteten, so dass § 47 Abs. 2 S. 1 PBefG auch bei enger Auslegung gegriffen hätte.

Das Verbot in jedem Fall greifen zu lassen, in dem der Tatbestand des § 47 Abs. 2 S. 2 PBefG € bei enger Auslegung € nicht greift, erscheint mit den Grenzen des Wortsinns nicht vereinbar.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 710 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil der Frage der Auslegung des § 47 Abs. 2 Personenbeförderungsgesetz grundsätzliche Bedeutung zukommt.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 19.05.2011
Az: 6 U 55/10


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