Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 18. Januar 2007
Aktenzeichen: 6 U 105/06

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 18.01.2007, Az.: 6 U 105/06)

(Keine weiteren Angaben)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 23.05.2006verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt amMain wird nach teilweiser Zurücknahme des Eilantrags mit derMaßgabe zurückgewiesen, dass die einstweilige Verfügung desLandgerichts Frankfurt am Main vom 27.01.2006 wie folgt teilweiseaufrechterhalten bleibt:

Der Antragsgegnern wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis250.000,-- EUR € ersatzweise Ordnungshaft € oderOrdnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstreckenan ihrem Präsidenten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland einenStift oder Stifte in einer aus den Abbildungen auf Seite 3 desSchriftsatzes vom 26.01.2006 (Bl. 108 d.A.) ersichtlichen Form,unberücksichtigt der Farbe, anzubieten, in den Verkehr zu bringenund/oder zu bewerben, wenn der Stift die Abmessungen des in Hüllezu den Akten gereichten und als Anlage zum Protokoll vom 30.11.2006genommenen Stiftes A €X€ aufweist.

Die Kosten des Eilverfahrens werden gegeneinanderaufgehoben.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a ZPO abgesehen. Die Antragstellerin hat ihren Eilantrag in der Berufungsverhandlung dahingehend modifiziert, dass von ihrem Unterlassungsbegehren nur noch solche Stifte erfasst werden, die die € mit dem Erzeugnis der Antragstellerin übereinstimmenden € Abmessungen des zu den Akten gereichten Stiftes A €X€ aufweisen.

Soweit die Antragstellerin ihren Eilantrag in der Berufungsverhandlung aufrechterhalten hat, hat die Berufung der Antragsgegnerin in der Sache keinen Erfolg.

Ob der Antragstellerin, wie vom Landgericht angenommen, ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht, was insbesondere € wie im Senatstermin erörtert € eine hinreichende Ähnlichkeit des beanstandeten Stiftes mit der zur Formmarke der Antragstellerin hinterlegten Grafik der Marke (Anlage AST 3 / Bl. 74 d.A.) voraussetzen würde, kann offenbleiben. Denn im Umfang des nunmehr konkretisierten Antrags ergibt sich der Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 9 a), 8 Abs.1 UWG; die Antragstellerin ist insoweit als Herstellerin des Originalstifts aktivlegitimiert.

Durch die sondergesetzliche Regelung des § 14 MarkenG werden Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 9 UWG nicht von vornherein ausgeschlossen. Neben Ansprüchen aus Markenrecht können Ansprüche aus UWG gegeben sein, wenn sie sich gegen ein wettbewerbswidriges Verhalten richten, das als solches nicht Gegenstand der markenrechtlichen Regelung ist (vgl. BGH, WRP 2003, 521, 526 m.w.N. € Abschlußstück). Im vorliegenden Fall beziehen sich die von der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche aus Markenrecht und ihre behaupteten Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz auf verschiedene Schutzgegenstände, weil sie an unterschiedliche Sachverhalte anknüpfen. Für die Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz kommt es nicht auf eine Ähnlichkeit der beanstandeten Textmarker mit den Grafiken der Verfügungsmarken an. Vielmehr macht die Antragstellerin insoweit geltend, dass es sich um eine unlautere Nachahmung ihres Y Textmarkers handele, wobei die Antragsgegnerin auch dessen Abmessungen nahezu identisch übernommen habe.

Der von der Antragstellerin hergestellte und vertriebene Textmarker Y verfügt über wettbewerbliche Eigenart. Diese ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Merkmalen:

- Der Stift verjüngt sich nach vorne (Kappe) und hinten (Korpus) konstant, und zwar in der Breite und in der Höhe,

- die im Querschnitt größte Ausdehnung befindet sich an dem Übergang zwischen dem Korpus und der Kappe,

- der Korpus und die Kappe sind oben und unten abgeflacht, und die Spitze der Kappe und das Ende des Stifts sind ebenfalls abgeflacht.

Neben diesen formbezogenen Merkmalen wird das Erscheinungsbild des Stifts Y in seiner gängigen Ausführungsform vor allem auch durch seine Zweifarbigkeit geprägt, wobei der Korpus in der jeweiligen Markierfarbe und die Kappe sowie die Beschriftung in Schwarz gehalten sind. Außerdem ist der Stift in deutlich wahrnehmbarer Form mit den Marken der Antragstellerin (€Y€und der Abbildung eines €) versehen.

Unerheblich für den Gesamteindruck sind demgegenüber Details, die der Verkehr bei situationsgemäßer Aufmerksamkeit kaum wahrnimmt. Hierzu zählen die €Doppelkante€, die Korpus und Kappe trennt, und die runde Einkerbung auf der Endseite der Kappe. Auch die für sich betrachtet etwas ungewöhnliche asymmetrische Einkerbung mit bumerangförmiger kleiner Kante auf der Kappe des Stifts tritt im Gesamteindruck zurück. Für die wettbewerbliche Eigenart unerheblich sind außerdem bei der Warengattung weitverbreitete Merkmale wie das Vorhandensein einer abziehbaren Kappe und die flache Form des Stifts mit gerundeten Schmalseiten.

Das Erzeugnis der Antragstellerin besitzt fraglos eine €gewisse Bekanntheit€. Darüber hinaus ist die wettbewerbliche Eigenart des Y-Stifts durch langjährige und intensive Benutzung erheblich gesteigert. Diese Einschätzung wird durch die Einwendungen der Antragsgegnerin nicht ernstlich in Frage gestellt, wobei der Senat nicht verkennt, dass zwischen dem vorgelegten B-Stift €Textmarker ...€, bei dem eine erhebliche Marktbedeutung unterstellt werden darf, und dem Y eine vage Ähnlichkeit besteht.

Der beanstandete Stift stellt eine Nachahmung des Y in Form einer nachschaffenden Leistungsübernahme dar. Der Textmarker der Antragsgegnerin verjüngt sich € in der Breite und in der Höhe € nach vorne (Kappe) und hinten (Korpus), wobei sich die voluminöseste Stelle am Übergang zwischen Korpus und Kappe befindet. Korpus und Kappe sind oben und unten abgeflacht; die Spitze der Kappe und das Stiftende sind ebenfalls abgeflacht.

Allerdings unterscheidet sich die angegriffene Ausführungsform von dem Stift der Antragstellerin bereits in der Formgebung durch einzelne Zusätze. Die Kappe ist anders gestaltet; vor allem steht die Kappenspitze an den Schmalseiten etwas über und die Oberfläche der Kappe ist nicht einheitlich, sondern in glänzende und matte Segmente unterteilt. Des Weiteren befinden sich an den Schmalseiten des Korpus Riffelungen, denen keine rein technische Funktion zuzuschreiben ist, da die Griffigkeit des Stiftes nicht spürbar durch die Riffelungen erhöht wird, sondern durch das in diesem Bereich verwendete gummiartige Material.

Wesentlich erheblicher sind die Unterschiede in der Farbgebung. Bei der angegriffenen Ausführungsform sind, abweichend vom gewohnten Erscheinungsbild des Y, die Ober- und Unterseite des Korpus in der Farbe der Kappe gehalten; die Schmalseiten sind davon farblich abgesetzt. Die Farbgebung der Ober- und Unterseite greift zum Stiftende hin teilweise auf die Schmalseiten über. Durch diese farbliche Ausbreitung zum Stiftende hin wird der konische Verlauf des Schaftes optisch etwas konterkariert. Ähnlich verhält es sich bei der Kappe aufgrund der seitlich ausgewölbten Spitze.

Schließlich weist vor allem die Beschriftung auf eine gegenüber dem Y-Stift andere Herkunft hin. In dem Aufdruck €A€ sieht der Verkehr eine Herstellerbezeichnung oder Dachmarke und in €X€ die Produktbezeichnung. Ferner ist auch die gestalterische Ausführung der Beschriftung bei den beiden Stiften verschieden; so ist der Schriftzug €X€ in einem Goldton gehalten.

Durch die demnach von der Antragsgegnerin ergriffenen abstandswahrenden Maßnahmen wird eine unmittelbare Herkunftstäuschung vermieden. Die Annahme einerunmittelbarenHerkunftstäuschung scheitert bereits an den unterschiedlichen und hinreichend auffälligen Herstellerangaben (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, GRUR 2001, 251, 254 € Messerkennzeichnung; BGH, WRP 2006, 75, 79 Rdnr. 33 € Jeans I). Die weiteren eben genannten Unterschiede, die von der klaren Linienführung des Y-Stiftes optisch wegführen, treten ergänzend hinzu.

Unter Einbeziehung der Tatsache, dass der beanstandete Textmarker in seinen Abmessungen nahezu identisch mit dem Produkt der Antragstellerin übereinstimmt, ist jedoch eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu bejahen. Es besteht die Gefahr, dass der Verkehr angesichts des A-Textmarkers vermutet, es mit einer Zweitmarke der Antragstellerin zu tun zu haben, oder annimmt, zwischen den beteiligten Unternehmen bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen.

Zwar spricht eine deutlich erkennbare unterschiedliche Herstellerangabe auf dem nachgeahmten Produkt in der Regel auch gegen die Annahme einer Zweitmarke (vgl. BGH, GRUR 2001, 251, 254 € Messerkennzeichnung; BGH, WRP 2001, 534, 537 € Viennetta). Des Weiteren liegt die Vermutung einer lizenzvertraglichen Beziehung der beteiligten Unternehmen im Regelfall fern, wenn eine (fast) identische Leistungsübernahme zu verneinen ist; denn es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass ein Unternehmen seinem Konkurrenten die nachschaffende Übernahme seiner Produkte gestattet (vgl. BGH, WRP 2001, 534, 537 € Viennetta).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht demgegenüber aber in einer frappanten Übereinstimmung der Abmessungen, die gerade dem aufmerksamen Verbraucher auffallen und ihn zu Fehlschlüssen verleiten kann. An einer (fast) identischen Leistungsübernahme fehlt es hier nur deshalb, weil sich die angegriffene Ausführungsform mit ihren zusätzlichen Merkmalen von dem Gesamteindruck des Y-Textmarkers entfernt. Angesichts der übereinstimmenden Abmessungen kann für nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs der Eindruck entstehen, bei dem angegriffenen Textmarker handele es sich um ein mit dem Y teilweise baugleiches Erzeugnis in abgewandelter Aufmachung, durch dessen Vertrieb die Antragstellerin über ein mit ihr vertraglich verbundenes Unternehmen eine zweite Vermarktungslinie im unteren Preissegment bedienen wolle.

Das als Anlage BAg 1 von der Antragsgegnerin vorgelegte Umfrageergebnis ändert an dieser Einschätzung nichts. Unabhängig von der Frage, ob das Umfrageergebnis als Beleg für das Fehlen einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr gesehen werden kann, spricht es jedenfalls nicht stichhaltig gegen die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die in der Berufungsverhandlung vorgenommene Antragsmodifizierung beinhaltete eine teilweise Rücknahme des Eilantrags mit erheblichem Ausmaß, da der ursprünglich angestrebte Verbotsumfang wesentlich weiter gewesen wäre und kleinere Abänderungen in der Formgebung des gegnerischen Produkts mit erfasst hätte. Andererseits war bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen, dass es der Antragstellerin insbesondere um ein Verbot des angegriffenen Textmarkers in der von der Antragsgegnerin vertriebenen konkreten Ausführungsform ging. Im Ergebnis hält der Senat eine Kostenaufhebung für angemessen, wobei die geringfügige Teilrücknahme vor Erlass der einstweiligen Verfügung keine abweichende Kostenverteilung im Anordnungsverfahren rechtfertigt.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 18.01.2007
Az: 6 U 105/06


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