Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2006
Aktenzeichen: 24 W (pat) 119/05

(BPatG: Beschluss v. 17.10.2006, Az.: 24 W (pat) 119/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 17. Oktober 2006 (Aktenzeichen 24 W (pat) 119/05) die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Juli 2005 erfolgreich gemacht. Die Markenstelle hatte die Anmeldung der Wortmarke "IDEAL REVOLUTION" zurückgewiesen, da sie ihrer Meinung nach keine Unterscheidungskraft besitzt. Sie argumentierte, dass die Verwendung der Worte "IDEAL" und "REVOLUTION" in der Werbung für die beanspruchten Kosmetikprodukte lediglich allgemeine Werbeaussagen seien und keine Unterscheidungsfunktion erfüllen. Die Anmelderin widersprach dieser Einschätzung und argumentierte, dass die Marke aufgrund ihrer Bedeutung und ihrer Verwendung in der Werbung sehr wohl Unterscheidungskraft besitzt. Das Bundespatentgericht stimmte der Anmelderin zu und hob den Beschluss der Markenstelle auf. Es stellte fest, dass die Kombination der Begriffe "IDEAL REVOLUTION" eine ungewöhnliche und über die Einzelworte hinausgehende Bedeutung hat, die nicht nur eine allgemeine Werbeaussage darstellt. Die Marke besitzt daher Unterscheidungskraft und erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine rein beschreibende Marke.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.10.2006, Az: 24 W (pat) 119/05


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Juli 2005 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke IDEAL REVOLUTION ist für die Waren

"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, dekorative Kosmetika"

zur Eintragung in das Register angemeldet.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2005 hat die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Marke sei in sprachüblicher Weise aus den englischen Bestandteilen "IDEAL" und "REVOLUTION" zusammengesetzt. Das in der englischen und deutschen Sprache gleichbedeutende Wort "(R)revolution", welches i. S. v. "Umwälzung, Umdrehung, Umsturz" ursprünglich nur in gesellschaftlichhistorischem Zusammenhang gebraucht worden sei, erlange zunehmend Beliebtheit auf dem hier relevanten Gebiet der Kosmetika, wo Produkte z. B. mit "revolutionäre Gesichtspflege", "Eine Revolution, die unter die Haut geht" oder "ein revolutionäres Anti-Aging-Pflegeprodukt" beworben würden. Das weitere, im Deutschen sprachidentisch benutzte Wort "IDEAL" bedeute "den höchsten Vorstellungen entsprechend, nicht besser vorstellbar". Die kombinierte Wortmarke "IDEAL REVOLUTION" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiters als "ideale Veränderung", "höchst vorstellbare Umwälzung" verstanden und erschöpfe sich damit in der Werbeaussage, dass es sich bei den beanspruchten kosmetischen Mitteln um ideale umwälzende Neuerungen bzw. höchst revolutionäre Neuheiten handle. Aus diesem Grund fehle ihr die Eignung, im Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrunde liegenden Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach ihrer Auffassung könne der angemeldeten Marke ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Unerheblich sei, dass das Wort "REVOLUTION" als solches hin und wieder in der Werbung, so auch im Zusammenhang mit kosmetischen Produkten auftauche und entsprechendes für das Wort "IDEAL" gelte, was die Anmelderin nicht in Abrede stelle. Denn nach ständiger Spruchpraxis sei bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft maßgeblich auf die angemeldete Wortmarke in ihrer Gesamtheit abzustellen, wie sie dem angesprochenen Verkehr entgegentrete, ohne dass dabei eine zergliedernde und analysierende Betrachtungsweise Platz greifen dürfe, wie sie den angefochtenen Beschluss der Markenstelle kennzeichne. Der Charakter der angemeldeten Marke "IDEAL REVOLUTION" gehe, selbst wenn man diese eingedeutscht mit "ideale Revolution" bezeichne, weit über das mit der Kombination der Einzelworte verbundene Begriffsverständnis hinaus und lasse sich nicht auf eine übliche Werbeaussage reduzieren. Wie eine Internet-Recherche der Anmelderin ergeben habe, könne eine Verwendung des Begriffs "ideale Revolution" in beschreibender Funktion weder in Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Warenbereich noch mit irgendwelchen sonstigen Waren oder Dienstleistungen belegt werden. Der Begriff tauche überhaupt nur in philosophischem Zusammenhang und da auch nur sehr vereinzelt auf. Unabhängig davon passten die Begriffe "IDEAL" und "REVOLUTION" nicht zusammen. Mit dem von der Markenstelle angenommenen Verständnis des ungewöhnlichen Begriffs "ideale Revolution" als Werbehinweis im Sinn einer "idealen Veränderung" bzw. "höchst vorstellbaren Umwälzung" würden die interpretatorischen Fähigkeiten der Menschen überstrapaziert. Die angemeldete Marke sei ferner nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, da es ihr, wie dargelegt, an dem hierfür erforderlichen, die beanspruchten Waren konkret beschreibenden Charakter fehle.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke keine absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2002, 804, 806 (Nr. 35) "Philips"; GRUR 2003, 514, 517 (Nr. 40) "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2004, 428, 431 (Nr 48) "Henkel"; BGH GRUR GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) "FUSS-BALL WM 2006"). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. u. a. EuGH GRUR 2003, 514, 517 (Nr. 41) "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2004, 428, 431 (Nr. 50) "Henkel"; GRUR 2004, 943, 944 (Nr 24) "SAT.2"; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen i. d. R. so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 431 (Nr. 53) "Henkel"; BGH MarkenR 2000, 420, 421 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken nach der Rechtsprechung dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; GRUR 2001, 1153 "antiKalk"; GRUR 2005, 417, 418 "BerlinCard") oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien, stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 "Cityservice"; GRUR 2006, 850, 854 (Nr 19) "FUSSBALL WM 2006"). Die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft liegen nach Auffassung des Senats bei der Anmeldemarke jedoch nicht vor.

Zwar kann der Markenstelle darin gefolgt werden, dass die in der Marke "IDEAL REVOLUTION" enthaltenen Wortbestandteile jeweils für sich betrachtet keinen Hinweis auf die Herkunft der in Rede stehenden kosmetischen Mittel aus einem bestimmten Unternehmen vermitteln, sondern von den beteiligten Verkehrskreisen lediglich als Qualitätsangaben bzw. als Anpreisungen oder Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH GRUR 2001, 735, 736 "Test it."; GRUR 2002, 1070, 1071 "Bar jeder Vernunft") aufgefasst werden. Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat und auch die Anmelderin nicht bezweifelt, eignet sich das in der englischen und deutschen Sprache übereinstimmend enthaltene Wort "R(r)evolution" in seiner Bedeutung "umwälzende, bisher Gültiges, Bestehendes o. Ä. verdrängende, grundlegende Neuerung, tief greifende Wandlung" (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. [CD-ROM] zu "Revolution"; Langenscheidt Wörterbuch Englisch, 1999, S. 495) als eine werbliche, auf neue umwälzende Produkteigenschaften hinweisende Werbeaussage, die in diesem Sinn auch nachweislich im Verkehr für einschlägige Waren Verwendung findet (vgl. die dem angefochtenen Beschluss angefügten Internet-Seiten). Ferner stellt das ebenfalls in der deutschen und englischen Sprache gebräuchliche Adjektiv "ideal" in seiner geläufigen Bedeutung "den höchsten Vorstellungen entsprechend; von der Art, wie etwas nicht besser vorstellbar, auszudenken ist" (vgl. Duden, a. a. O., zu "ideal"; Langenscheidt, a. a. O., S. 292) in Bezug auf Waren jedweder Art ein aus sich heraus verständliches positives Eigenschaftsversprechen dar.

Zu berücksichtigen ist insoweit allerdings, dass die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer komplexen mehrgliedrigen Marke wie der vorliegenden, auch wenn die Unterscheidungskraft teilweise für jeden ihrer Begriffe oder Bestandteile getrennt geprüft werden kann, auf jeden Fall auf einer Bewertung der Marke in ihrer Gesamtheit beruhen muss. Der Umstand, dass jeder Bestandteil für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig ist, schließt nämlich nicht aus, dass deren Kombination unterscheidungskräftig sein kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 28) "SAT.2"; GRUR 2006, 229, 230 (Nr. 29) "BioID"). Dabei ist eine unterscheidungskräftige Marke dann anzunehmen, wenn ein merklicher Unterschied zwischen dem Gesamtgebilde und der bloßen Summe der Bestandteile besteht, was bei Wortkombinationen sprachliche oder begriffliche Besonderheiten voraussetzt, welche die gewählte Verbindung als ungewöhnlich und über die bloße Summenwirkung der Einzelworte hinausgehend erscheinen lässt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 98-100) "Postkantoor"; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 39-41) "BIOMILD"; EuGH GRUR 2006, 229, 231 (Nr. 34-37) "BioID"; s. hierzu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 92). Dies trifft nach Überzeugung des Senats vorliegend zu.

Durch die Voranstellung des Adjektivs "IDEAL" vor das Substantiv "REVOLU-TION" entsteht eine aufeinander bezogene gesamtbegriffliche Einheit, die sich nicht in der Eigenschaften aneinanderreihenden Aussage von idealen, nicht besser vorstellbaren sowie eine grundlegende Neuerung darstellenden oder beinhaltenden Produkten erschöpft, sondern in welcher der Begriff "Revolution", also die grundlegende (Produkt-)Neuerung, mit dem Attribut "ideal" belegt wird. Dies hat die Markenstelle an sich nicht verkannt, doch vermag ihr der Senat nicht darin beizutreten, dass auch der Gesamtbegriff "IDEAL REVOLUTION" als solcher von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres und ohne Unklarheiten lediglich als eine allgemeine Werbeaussage aufgefasst werden wird. Als englische Wortfolge in der Bedeutung "ideale Revolution" oder auch als deutsche Wortkombination i. S. v. "Ideal-Revolution" (wie z. B. "Idealfall") verstanden, handelt es sich um ein in semantischer Hinsicht eher ungewöhnliches Begriffspaar, da bereits das Substantiv "Revolution" eine nähere Bestimmung der "Neuerung" oder des "Wandels" als "tief greifend, grundlegend, bisher Gültiges, Bestehendes o. Ä. verdrängend" beinhaltet. Dieses im Grunde nicht mehr steigerbare Geschehen zusätzlich als ein ideales, also ein nicht besser vorstellbares, den höchsten Vorstellungen entsprechendes zu bezeichnen, erscheint demnach nicht als eine sich begrifflich sinnvoll ergänzende, passende Wortverknüpfung. Was folglich unter einer idealen Revolution zu verstehen sein soll, erschließt sich aus der Begriffskombination nicht von selbst, vielmehr ist ihr Aussagegehalt interpretationsbedürftig. Dem entspricht, dass nach der von der Anmelderin und auch einer vom Senat durchgeführten Internet-Recherche, die Wortkombination "ideale Revolution" sehr selten, jeweils in ausschließlich politischem oder philosophischem Zusammenhang belegbar ist, in dem das Wort "Revolution" die Bedeutung von "einem auf eine radikale Veränderung der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ausgerichteten, gewaltsamen Umsturz(versuch)" besitzt (vgl. Duden, a. a. O., zu "Revolution"), der sich ggf. als ein idealer, nicht besser vorstellbarer Umsturz titulieren lässt. Im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen konnte der Senat hingegen einen beschreibenden oder werblichen Einsatz der Begriffskombination "ideale Revolution" bzw. (engl.) "ideal revolution" nicht feststellen. In Bezug auf die beanspruchten kosmetischen Mittel rechtfertigt daher weder der Wortsinn der angemeldeten Begriffszusammenstellung, der aus sich heraus keine ohne weiteres greifbare, eindeutige, Werbebotschaft vermittelt, sondern eine solche allenfalls vage und verschwommen andeutet, noch ihr etwaiger Einsatz in der Werbung die Annahme, der Verkehr werde darin lediglich eine allgemeine werbliche Anpreisung der Waren und kein Unterscheidungsmittel sehen.

Nachdem die angemeldete Marke nicht nur aus der Aneinanderreihung der Worte "IDEAL" und "REVOLUTION" besteht, sondern einen über die möglicherweise beschreibende Bedeutung dieser Einzelworte hinausgehenden Gesamtbegriff bildet, der als solcher keinen bestimmten, die beanspruchten Waren beschreibenden Aussagegehalt besitzt, handelt es sich ferner nicht um eine ausschließlich aus beschreibenden Angaben bestehende Marke i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 17.10.2006
Az: 24 W (pat) 119/05


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