Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2005
Aktenzeichen: 26 W (pat) 328/03

(BPatG: Beschluss v. 08.06.2005, Az.: 26 W (pat) 328/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke "Tour de Soleil" für "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere) einschließlich Weine" hat Widerspruch eingelegt die Inhaberin der prioritätsälteren, unter der Nr. 730 403 für "vins du pays d'Oc" international registrierten, in Deutschland Schutz genießenden Wortmarke "PORTE DU SOLEIL".

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen. Trotz identischer Waren und der deshalb anzulegenden strengen Maßstäbe bestehe keine Gefahr unmittelbarer Verwechslungen, da die Wörter "tour" und "porte" sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher und in begrifflicher Hinsicht deutlich unterschiedlich seien. Auch die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, bestehe nicht. Weder habe die Widersprechende dargetan, dass sie den Verkehr durch Benutzung mehrerer eigener, entsprechend gebildeter Serienmarken an einen Stammbestandteil "soleil" gewöhnt habe, noch erscheine dieses Wort geeignet, als Stammbestandteil einer Serienmarke zu dienen, da es vielfach für unterschiedliche Markeninhaber auf verschiedensten Warengebieten eingetragen sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, die Widerspruchsmarke werde intensiv benutzt, so dass die wegen der bestehenden Warenidentität schon hohen Anforderungen an den Markenabstand noch zu erhöhen seien. Die Marken seien identisch gebildet und unterschieden sich nur in dem Bestandteil "porte" bzw. "tour". Beide Wörter würden mit dem Vokal "o" ausgesprochen, seien einsilbig und hätten den gleichen Klangrhythmus. Bei einer Aussprache von "tour de" als "tor de" sei überdies eine enge Ähnlichkeit zu einer zweisilbigen Aussprache von "porte" als "porte" gegeben. Schriftbildlich seien "P" und "T" sehr ähnlich, wobei die identischen Buchstaben "o" und "r" die Ähnlichkeit verstärkten. Beachtliche Teile der deutschen Verkehrskreise würden das Wort "tour" im Sinne von "Tor" verstehen und im Wort "porte" das deutsche Wort "Portal" erkennen, das als "zum Tor gehörig" verstanden werde; beide Bestandteile beschrieben demnach bauliche Begriffe in einem engen Sinnzusammenhang, so dass unmittelbare Verwechslungsgefahr bestehe. Außerdem würden die identisch aufgebauten Marken infolge des gleichermaßen vorhandenen Bestandteils "de/du soleil" gedanklich miteinander in Verbindung gebracht.

Die Widersprechende beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt Zurückweisung der Beschwerde.

Sie meint, bei beiden Marken handele es sich um Gesamtbegriffe, die über so deutliche Unterschiede verfügten, dass keinerlei Verwechslungen drohten. Das Wort "Tour", das Eingang in die deutsche Sprache gefunden habe und allgemein bekannt sei, werde mit einem langen "u" ausgesprochen und somit ganz anders als das Wort "porte", ob ein- oder zweisilbig artikuliert. Jedenfalls wiesen die Bestandteile "tour" und "porte" deutliche klangliche Unterschiede auf. Beim schriftbildlichen Vergleich träten die Unterschiede auf einen Blick hervor. Begrifflich bestehe ebenfalls keine Ähnlichkeit, weil die Wörter "tour" und "porte" klar unterschiedliche Begriffe bezeichneten. Die Marken hätten also (auch) in ihrer Gesamtheit völlig verschiedene Bedeutungen, was der angesprochene Verkehr auch verstehe. Es bestehe schließlich keine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen. Weder habe die Widersprechende nachgewiesen, dass sie den Bestandteil "Soleil" als Stammbestandteil benutze, noch komme dieses Wort als Stammbestandteil infrage, denn wegen zahlreicher weiterer Markeneintragungen weise dieser Bestandteil keinen eigenständigen Hinweischarakter auf. Eine besonders intensive Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht nachgewiesen, so dass die Kennzeichnungskraft höchstens als normal einzustufen sei.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die Gefahr von Verwechslungen in einem entscheidungserheblichen Umfang nicht besteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG); sie war daher zurückzuweisen.

Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder ggf. aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. Die Marke soll die Ursprungsidentität der mit ihr gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren; dies setzt voraus, dass sie vor prioritätsjüngeren Marken geschützt wird, bei deren Verwendung für die betreffenden Waren und Dienstleistungen die Gefahr eines Irrtums des Verkehrs über deren betriebliche Herkunft besteht. Die Gefahr von Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen; sie hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere der Ähnlichkeit der mit der Marke gekennzeichneten Waren/Dienstleistungen, der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Hierbei besteht eine Wechselwirkung zwischen den verwechslungsbegründenden Faktoren dergestalt, dass eine geringere Ähnlichkeit der Marken durch eine höhere Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Schutzumfang einer Marke von ihrer Kennzeichnungskraft abhängig ist: Marken, die eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, haben einen großen Schutzumfang und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon).

Die Verwechslungsgefahr ist aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers der betreffenden Waren/Dienstleistungen zu beurteilen, der durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig ist, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass seine Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren/Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann und dass er nur selten die Möglichkeit hat, die Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, und sich in der Regel auf sein Gedächtnis verlassen muss (EuGH MarkenR 1999, 236 - Lloyd).

Vorliegend können die einander gegenüberstehenden Waren identisch sein, denn das Warenverzeichnis der jüngeren Marke schließt Weine und damit auch die Waren der Widerspruchsmarke ein. Insoweit sind bei einem Zeichenvergleich strengere Maßstäbe anzulegen. Die von der Widersprechenden pauschal behauptete intensive Benutzung ist indessen, worauf die Inhaberin der jüngeren Marke zutreffend hinweist, nicht belegt. Es ist daher nur von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken kommt es auf die Ähnlichkeit in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht an. Es ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Verwechslungsgefahr in einer Hinsicht kann ausreichen, um die Verwechslungsgefahr insgesamt zu bejahen (EuGH Lloyd aaO).

In schriftbildlicher Hinsicht sind die beiden Wortmarken aufgrund des jeweils ersten Wortes, das wegen seiner Position am Anfang der Marke deren Gesamteindruck maßgeblich beeinflusst, ohne Weiteres erkennbar verschieden. Aufgrund der unterschiedlichen Oberlängen ihrer Buchstaben sowie deren unterschiedlicher Formen und Zahl sind diese Wörter unschwer auseinander zu halten. Hinzu kommt, dass die Bedeutung des in die deutsche Alltagssprache eingegangenen Wortes "Tour" (Duden, Rechtschreibung, 21. Auflage: Ausflug, Wanderung, [Geschäfts]reise, Fahrt, Strecke; Wendung, Runde) von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres erfasst wird und dies einer Verwechslung der jüngeren Marke mit der Widerspruchsmarke zusätzlich entgegen wirkt.

In klanglicher Hinsicht ist entgegen der Ansicht der Markeninhaberin nicht davon auszugehen, dass das allgemein bekannte Wort "Tour" von einem relevanten Teil der angesprochenen Verkehrskreise wie "Tor" ausgesprochen wird. Die klar unterschiedlich klingenden, am Anfang der Marken besonders ins Gewicht fallenden Bestandteile, die akustisch wie [tu:r] und wie [port] in Erscheinung treten, geben den Vergleichsmarken auch in ihrer Gesamtheit ein unüberhörbar unterschiedliches Klangbild. Wenn hingegen das Wort "Porte" zweisilbig ausgesprochen werden sollte, wird dies entgegen der Ansicht der Widersprechenden Verwechslungen erst recht verbinden; denn dann ist die Widerspruchsmarke noch um eine zusätzliche Silbe länger als die jüngere Marke.

In begrifflicher Hinsicht sind ebenfalls keine Verwechslungen zu befürchten. Soweit dem Verkehr die Sinngehalte von "tour", "porte" und "soleil" geläufig sind, wird er die Marken etwa mit "Sonnenfahrt" (in seltenen Fällen evtl "Sonnenturm") bzw. mit "Sonnentor" übersetzen, wobei auf der Hand liegt, dass diese Begriffe jedenfalls nicht als Synonyme angesehen werden können, was Voraussetzung für eine begriffliche Verwechslungsgefahr wäre (vgl zB Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rn 215). Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der jüngeren Marke einen Bezug zu einem Tor sehen wird, weil es keinerlei Anhaltspunkt dafür gibt, dass er den auch im Deutschen geläufigen Begriff "Tour" (vgl o) in solcher Weise missverstehen könnte.

Unter Berücksichtigung der bestehenden Warenidentität und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reicht der Abstand der jüngeren zur älteren Marke aus, Verwechslungen in einem entscheidungserheblichen Umfang entgegenzuwirken. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht daher nicht.

Auch mittelbare Verwechslungen sind nicht zu erwarten. Dies würde voraussetzen, dass der angesprochene Verbraucher zwar erkennt, dass es sich nicht um dieselbe Marke handelt, aber meint, beide Marken stammten vom selben Unternehmen. Dies erfordert zum Einen, dass der angesprochene Verbraucher detailliertere Überlegungen anstellt und eine beachtliche Branchenkenntnis besitzt, zum Anderen, dass in beiden Marken ein übereinstimmender Bestandteil vorhanden ist, dem ein Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zukommt (Ströbele/Hacker, aaO, Rnrn. 470 ff). Im vorliegenden Fall haben beide Marken zwar den übereinstimmenden Bestandteil "soleil". Es gibt aber keinen Grund für die Annahme, dass dieser auf die Inhaberin der Widerspruchsmarke hinweist, denn es handelt sich insoweit weder um einen besonders charakteristisch hervorstechenden noch um einen als Firmenkennzeichnung verwendeten noch sonst mit erhöhter Verkehrsgeltung ausgestatteten Bestandteil (zB aufgrund einer entsprechend gebildeten, der Widersprechenden gehörenden Markenserie). Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass - worauf die Markenstelle zutreffend hinweist - "soleil" ein in einer Vielzahl zugunsten unterschiedlicher Inhaber registrierter Marken enthaltener Bestandteil ist und der Verkehr entsprechend keine Veranlassung hat, in ihm einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen zu sehen.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Für ein Abweichen von der Regel des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, nach der jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, sah der Senat keine Veranlassung.

Albert Reker Friehe-Wich WA






BPatG:
Beschluss v. 08.06.2005
Az: 26 W (pat) 328/03


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