Landesarbeitsgericht Köln:
Beschluss vom 11. Dezember 2009
Aktenzeichen: 9 Ta 413/09

(LAG Köln: Beschluss v. 11.12.2009, Az.: 9 Ta 413/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einem Beschluss vom 11. Dezember 2009 (Aktenzeichen 9 Ta 413/09) über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte entschieden. Es ging darum, ob ein Arbeitgeber von einem ehemaligen Mitarbeiter Herausgabe von Unterlagen, Auskunft über Wettbewerbshandlungen und Erstattung des dadurch entstandenen Schadens verlangen kann. Die Klägerin war ein Unternehmen, das mit Selbstklebetechnik handelt, und der Beklagte war als Controller beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Kündigung. Die Klägerin verlangte in ihrer Klage die Herausgabe von Geschäftsunterlagen, die der Beklagte eigenmächtig mitgenommen hatte, sowie Auskunft über Wettbewerbshandlungen und deren Verkaufserlöse. Sie behauptete, der Beklagte habe mit Hilfe dieser Unterlagen Preise unterboten und einen ihrer besten Kunden abgeworben. Der Beklagte bestritt die Vorwürfe und argumentierte, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei, da das Arbeitsverhältnis beendet sei. Das Arbeitsgericht Köln erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig und wies die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen diese Entscheidung zurück. Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sei, da es sich um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handle, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stünden. Es sei unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis noch bestehe und ob die Wettbewerbshandlungen während oder nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden hätten. Auch das Argument des Beklagten, dass die ordentlichen Gerichte sachnäher für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten seien, überzeugte das Gericht nicht. Es entschied, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben sei und wies die sofortige Beschwerde des Beklagten zurück. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten auferlegt. Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LAG Köln: Beschluss v. 11.12.2009, Az: 9 Ta 413/09


Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist gegeben, wenn ein Arbeitgeber von einem bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer Herausgabe von eigenmächtig mitgenommenen Geschäftsunterlagen, Auskunft über mit Hilfe der Unterlagen erfolgter Wettbewerbshandlungen und Erstattung des durch die Wettbewerbshandlungen entstandenen Schadens verlangt.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 5. November 2009 – 17 Ca 8761/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Streitwert: EUR 10.000,00.

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob für den vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist.

Der Beklagte war bei der Klägerin, die mit Produkten der Selbstklebetechnik handelt, als kaufmännischer Angestellter mit der Funktion eines Controllers beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Beklagten zum Jahresende 2008.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Herausgabe von Geschäftsunterlagen wie Kunden-, Lieferanten- und Preislisten, Unterlassung der Weitergabe und Verwendung dieser Unterlagen zu Wettbewerbshandlungen durch ihn oder Dritte, Auskunft über bereits erfolgte Wettbewerbshandlungen mit Hilfe dieser Unterlagen und dadurch erzielte Verkaufserlöse, Versicherung der Richtigkeit der Auskunft an Eides Statt und Erstattung des dadurch der Klägerin entstandenen und noch entstehenden Schadens.

Sie behauptet, der Beklagte habe unter Verwendung von eigenmächtig kopierten Geschäftsunterlagen gezielt ihre Preise unterboten und einen ihrer besten Kunden abgeworben.

Sie ist der Ansicht, dadurch habe der Kläger eine unerlaubte Handlung begangen und auch gegen § 17 Abs. 2 UWG verstoßen. Für den Rechtsstreit sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

Der Beklagte bestreitet, Geschäftsunterlagen kopiert und mitgenommen zu haben. Was er wisse, befinde sich in seinem Kopf. Er rügt, für den vorliegenden Rechtsstreit sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben, da das Arbeitsverhältnis seit Ende 2008 beendet sei.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 5. November 2009 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt und zur Begründung ausgeführt, die Zuständigkeit ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG.

Gegen den am 12. November 2009 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 26. November 2009 sofortige Beschwerde eingelegt.

II. Die nach §§ 17 a Abs. 4 S. 3 GVG, 569 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Köln den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen.

2. Grundlage der danach vorzunehmenden Rechtswegprüfung ist der Streitgegenstand, der von der klagenden Partei durch den Antrag und den Tatsachenvortrag bestimmt wird. Dabei kommt es nur auf die von der klagenden Partei vorgetragenen Tatsachen, nicht auf die rechtliche Bewertung durch die klagende Partei an. Soweit die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen gleichzeitig notwendige Tatbestandsmerkmale des materiellen Anspruchs sind, ist insoweit die Richtigkeit des Klägervortrags zu unterstellen (vgl. Schwab/Weth/Walker, ArbGG, 2. Aufl., § 2 Rdn. 211 m.w.N.).

3. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind solche aus unerlaubter Handlung, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen.

Sie behauptet, der bei ihr als Arbeitnehmer beschäftigte Kläger habe vor seinem Ausscheiden eigenmächtig Geschäftspapiere kopiert und mitgenommen und sie später entgegen einer Zusage nicht vernichtet, um damit Wettbewerb zu betreiben (vgl. zur nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht bei Geschäftsgeheimnissen: BAG, Urteil vom 15. Dezember 1987 – 3 AZR 474/86-; auch: LAG Sachsen, Urteil vom 10. Juli 2009 – 9 Sa 167/08 -). Wettbewerbsverstöße eines Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber stellen gleichzeitig unerlaubte Handlungen dar. Der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht, da gerade die Zugriffsmöglichkeit während seiner Beschäftigung als Controller diese unerlaubte Handlung zuließ. Die Rechtsfolgen einer Verletzung von Geschäftsgeheimnissen durch den Arbeitnehmer, die später wettbewerbswidrig verwertet werden, sind grundsätzlich von den Arbeitsgerichten zu entscheiden (vgl. OLG Hamburg NzA 2003, 935 f.).

4. Für diese Rechtswegzuständigkeit ist unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis zur Zeit der Klageerhebung noch besteht. Maßgeblich ist allein der Streitgegenstand, nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung. Ebenfalls ist nicht entscheidend, ob das rechtswidrig beschaffte Geschäftsgeheimnis während oder nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Wettbewerbshandlungen verwertet wurde. Eine solche Differenzierung würde zu einer sinnwidrigen Aufspaltung der Zuständigkeit nach Zeiträumen führen (so auch OLG Hamburg a.a.O.).

5. Auch das vom Beklagten angeführte Argument, die ordentlichen Gerichte besäßen die größere Sachnähe für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten, überzeugt nicht. Im vorliegenden Fall kommt es entscheidend darauf an, ob im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ein rechtswidriger Erwerb von Geschäftsgeheimnissen stattgefunden hat. Im Übrigen geht § 17 Abs. 2 GVG von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Rechtswege aus und gestattet auch die Entscheidung von Fragen, die typischerweise von einem Gericht des anderen Rechtswegs entschieden werden (so auch OLG Hamburg a.a.O.).

Nach alledem ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 1/5 des Hauptsachestreitwerts festgesetzt (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 – VIII ZB 30/00 -).

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 17 a Abs. 4 S. 4 GVG, 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Schwartz






LAG Köln:
Beschluss v. 11.12.2009
Az: 9 Ta 413/09


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