Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 21. Dezember 2009
Aktenzeichen: 13 B 725/09

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 21.12.2009, Az.: 13 B 725/09)

Eine hoheitliche Verfügung, die dem Adressaten in ihrem Entscheidungssatz eine Maßnahme auferlegt, die sich auf einen in einem anderen Land befindlichen Gegenstand bezieht und die deshalb nur in diesem Land umgesetzt werden kann, ist nur zulässig, wenn das betreffende andere Land oder das Bundesrecht dies gestattet.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwer-deverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 17.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2008 und 17. März 2009, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, zu Recht angeordnet. Die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Die fraglichen Regelungen sind sich bei summarischer Prüfung rechtswidrig.

Nach Ziffer 1 des Entscheidungssatzes der Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2008 wird der Antragstellerin aufgegeben, die von ihr "registrierte Domain www.....de zu sperren/zu dekonnektieren". Für den Erlass dieser (auf § 9 Abs. 1 GlüStV) gestützten Regelung ist die Antragsgegnerin als Behörde des Landes Nordrhein-Westfalen mangels Verbandskompetenz nicht zuständig.

Die Verbandskompetenz betrifft die Aufgabenabgrenzung zwischen verschiedenen selbständigen Verwaltungsträgern. Sie dient der Sicherung der Verwaltungshoheit des Bundes, der Länder, der Kommunen sowie sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Nach staatsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Bundesstaats- und dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG), sind die Behörden eines Landes grundsätzlich nur innerhalb des eigenen Landesgebiets zu hoheitlichen Eingriffen befugt. Jede rechtswidrige Überschreitung der eigenen Handlungssphäre bedeutet einen Einbruch in eine fremde Verbandseinheit. Eine hoheitliche Verfügung, die dem Adressaten in ihrem Entscheidungssatz eine Maßnahme auferlegt, die sich auf einen in einem anderen Land befindlichen Gegenstand bezieht und die deshalb nur in diesem Land umgesetzt werden kann, ist demnach nur zulässig, wenn das betreffende andere Land oder das Bundesrecht dies gestattet.

Vgl. BVerfG, Entscheidung vom 15. März 1960 - 2 BvG 1/57 -, BVerfGE 11, 6 = DÖV 1960, 424 = DVBl. 1960, 592; BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2002 - 9 A 20.01 -, BVerwGE 115, 373 = NVwZ 2002, 984; OVG NRW, Urteil vom 3. Oktober 1978

- XV A 1927/75 -, NJW 1979, 1057, m. w. N.; Bay. VGH, Beschluss vom 20. November 2008 - 10 CS 08.2399 -, ZfWG 2008, 455 = NVwZ-RR 2009, 202; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 111; Oldiges, DÖV 1989, 873, m. w. N.; Isensee, in: ders./Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 3. Aufl. 2008, § 126 Rn. 33 ff.; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 2004, § 6 Rn. 12.

Hiervon ausgehend fehlt es an der Verbandskompetenz des Landes Nordrhein-Westfalen. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die der Sache nach verfügte Sperrung der Second-Level-Domain "....de" am Geschäftssitz der Antragstellerin in G. am N. und damit außerhalb Nordrhein-Westfalens erfolgen müsste. Auf dieser Grundlage greift die Antragsgegnerin durch die fragliche Verfügung in den Aufgabenbereich des Landes I. ein. Dazu ist sie nicht ermächtigt worden.

Aus § 9 Abs. 1 Satz 2 und § 9 Abs. 1 Satz 4 GlüStV ergibt sich, dass die nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden grundsätzlich nur mit Wirkung für das eigene Land tätig werden dürfen. Eine generelle Übertragung von Hoheitsrechten in der Form, dass sich ein von der Landesaufsichtsbehörde erlassener Verwaltungsakt auch auf einen Gegenstand beziehen darf, der sich auf dem Territorium eines anderen Landes befindet, lässt sich dem Glücksspielstaatsvertrag demnach nicht entnehmen. Anders als es § 59 Abs. 6 RStV für die Aufsicht nach dem Rundfunkstaatsvertrag vorsieht, ist eine länderübergreifende Anordnung nach dem hier allenfalls in Betracht zu ziehenden § 9 Abs. 1 Satz 4 GlüStV vielmehr nur dann möglich, wenn das betroffene Land (I. ) die zuständige Behörde eines anderen Landes (Nordrhein-Westfalen) ermächtigt, auch mit Wirkung für das betroffene Land tätig zu werden. Daran fehlt es hier.

Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 20. November 2008 - 10 CS 08.2399 -, a. a. O.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch die Regelungen in den Ziffern 2 bis 7 der Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2008 sowie die Zwangsgeldfestsetzung und -androhung vom 17. März 2009 rechtwidrig sind, da es an einer vollstreckbaren Grundverfügung fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 21.12.2009
Az: 13 B 725/09


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