Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2008
Aktenzeichen: 25 W (pat) 91/06

(BPatG: Beschluss v. 17.07.2008, Az.: 25 W (pat) 91/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Invoice Factoryist am 9. Dezember 2005 u. a. für die Waren und Dienstleistungen

"Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerhardware und -software; herunterladbare Computerprogramme; Software zur Erstellung von Dokumenten; Software- und Hardwarekonverter für die Umwandlung von Daten beim elektronischen Datenaustausch; Software (soweit in Klasse 9 enthalten) zum elektronischen Ausdruck kommerzieller oder technischer Dokumente und Daten zwischen Computern unterschiedlicher Hersteller mittels Datenfernübertragung; Computersoftware und Computerprogramme, insbesondere zur Verwendung in der Kommunikation, einschließlich der Kommunikation zum Zweck des elektronischen Datenaustauschs; Softwarepakete zur Produktverwaltung mit EDA-Funktionen (elektronischer Datenaustausch zwischen Kunden, Lieferanten, Zulieferern).

Unternehmensverwaltung, Unternehmensberatung, Geschäftsführung; Registrieren, Abschreiben, Abfassen, Zusammenstellen oder systematisches Ordnen von schriftlichen Mitteilungen und Aufzeichnungen; Auswertung oder Zusammenstellung von mathematischen oder statistischen Daten; Aufzeichnung, Speicherung und Abruf von Informationen; Datenverarbeitung; Datenspeicherung und -recherchen; statistische Informationen.

Dienstleistungen eines Internet- und Online-Service-Providers für Dritte, soweit in Klasse 38 enthalten; Telekommunikation; Kommunikationsdienste; Kommunikation zum Zweck des elektronischen Datenaustauschs; Kommunikation zum Zweck des Austauschs von Daten in elektronischer Form; elektronischer Datenaustausch; Informationen in Bezug auf elektronische Kommunikationsnetze;

Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Dienstleistungen eines Internet- und Online-Service-Providers für Dritte, soweit in Klasse 42 enthalten; Dienstleistungen eines Software-Entwicklers, nämlich Programmierung; Installation und Wartung von Datenverarbeitungsanlagen (Software); Dienstleistungen für Dritte, nämlich Vermietung der Zugriffszeit zu betriebswirtschaftlichen Daten aller Art innerhalb von Datenbanken, soweit in Klasse 42 enthalten; elektronische Abwicklung von Geschäftsprozessen zwischen verschiedenen Geschäftspartnern über die Business Integration Plattform"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Nach Beanstandung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG durch Bescheid vom 10. Januar 2006 ist die Anmeldung durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juli 2006 zurückgewiesen worden.

Der angemeldeten Bezeichnung fehle es bereits an der erforderlichen Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die aus den zum englischen Grundwortschatz gehörenden Wörtern "Invoice" und "Factory" gebildete Wortkombination würden die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen ohne weiteres i. S. von "Rechnungsfabrik, Fertigungsstätte für Rechnungen" verstehen. Die angemeldete Bezeichnung reihe sich in eine Vielzahl vergleichbar gebildeter Wortkombinationen mit dem Begriff "factory" ein, bei denen dieser Begriff nicht nur die Herstellungs- und Fertigungsstätte konkreter materieller Gegenstände, sondern auch - wie z. B. die Begriffe "Desgin-Factory" und "Comedy-Factory" verdeutlichten - den Herkunfts- und Erbringungsort von Dienstleistungen bezeichne. Der Verkehr entnehme dem angemeldeten Zeichen daher im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich den Sachhinweis, dass diese irgendeinen Bezug zu einer Herstellungs- oder Fertigungsstätte, einer "factory", aufweisen, deren Schwerpunkt im Bereich von Rechnungen liege.

So könne es sich um spezielle Rechenmaschinen, Geräte oder andere Waren der Klasse 9 handeln, die in besonderer Weise dazu bestimmt und geeignet seien, die entsprechenden Rechnungen zu erstellen, zu verwalten, zu versenden oder Ähnliches. Bei den beanspruchten Dienstleistungen könne es sich jeweils um solche handeln, die Rechnungen in der einen oder anderen Weise zum Gegenstand oder sonst zum Thema hätten. Es könnten also z. B. die beanspruchten Büroarbeiten, nämlich das "Registrieren, Abschreiben, Abfassen, Zusammenstellen oder systematische Ordnen von schriftlichen Mitteilungen und Aufzeichnungen" die entsprechende Dienstleistung zum Vorbereiten der in der Invoice Factory erstellten Rechnungen sein. Damit wirke die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aber nicht als Hinweis auf deren ganz bestimmte betriebliche Herkunft, so dass ihr jegliche betriebskennzeichnende Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle.

Angesichts der fehlenden Unterscheidungskraft der Bezeichnung könne dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juli 2006 aufzuheben.

Dem angemeldeten Zeichen sei kein inhaltlich sinnvoller, unmittelbar beschreibender und eindeutig klarer Aussagegehalt in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu entnehmen. Bei der Beurteilung der Marke sei dabei auf den Gesamteindruck abzustellen, weshalb eine zergliedernde Betrachtungsweise zu unterbleiben habe. Dementsprechend könne sich auch aus einer Kombination von schutzunfähigen Bestandteilen ein insgesamt unterscheidungskräftiges und in dieser Kombination nicht freihaltebedürftiges Gesamtzeichen ergeben.

Das angemeldete Zeichen sei weder lexikalisch nachweisbar noch werde es von weiten Teilen der inländischen Verkehrskreise ohne weiteres verstanden. Soweit sich die angemeldete Bezeichnung in eine Reihe vergleichbar gebildeter Wortkombinationen mit "factory" einreihe, spreche dies bereits deshalb nicht gegen die Schutzfähigkeit, da eine Reihe dieser Begriffskombinationen als Marke eingetragen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angemeldete Bezeichnung "Invoice Factory" für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen bereits nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verfügt.

Die angemeldete Marke setzt sich aus den aus dem Englischen stammenden Bestandteilen "Invoice" und "Factory" zusammen. Der Begriff "Invoice" ist in seiner Bedeutung "Rechnung" vor dem Hintergrund eines im allgemeinen inländischen Geschäftsverkehr zunehmenden Gebrauchs der englischen Sprache mittlerweile weiten Teilen des Verkehrs bekannt und verständlich. Das englische Substantiv "Factory" bedeutet "Fabrik, Fertigungsstätte" und bezeichnet in erster Linie einen gewerblichen, mit Maschinen ausgerüsteten Produktionsbetrieb. Darauf ist der Bedeutungs- und Sinngehalt dieses Begriffs jedoch nicht beschränkt. Die Markenstelle hat unter Bezug auf eine Vielzahl vergleichbar mit dem Begriff "Factory" gebildeter Wortkombinationen zutreffend ausgeführt, dass der Ausdruck bedeutungserweiternd als Bezeichnung für den Herkunfts- bzw. Erbringungsort von Dienstleistungen verwendet wird (vgl. auch BPatG 33 W (pat) 79/00 - TeleF@ctory; 29 W (pat) 161/00 - internet factory; 33 W (pat) 189/00 - linkF@ctory). Dementsprechend werden neben dem Fachverkehr auch ein erheblicher Teil der aufgrund der allgemein gefassten Waren- und Dienstleistungsoberbegriffe ebenfalls zu beachtenden Endverbraucher, wobei nach dem Verbraucherleitbild des EuGH auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2 -, die angemeldete Bezeichnung sofort und ohne weiteres i. S. von "Fertigungs- bzw. Bearbeitungsstätte für Rechnungen" verstehen. Darunter sind Betriebe und Unternehmen zu verstehen, die sich im Wesentlichen mit "papierloser Rechnungsbearbeitung", d. h. einer computergestützten Rechnungserstellung und/oder -bearbeitung befassen.

In dieser Bedeutung erschöpft sich das angemeldete Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedoch nur in einem Hinweis auf den Bestimmungs- bzw. Verwendungszweck der Waren oder auf Gegenstand und Inhalt der beanspruchten Dienstleistungen.

So umfassen sämtliche beanspruchten Warenoberbegriffe der Klasse 09 auch solche EDV-Geräte und Programme, die für den elektronischen Datenaustausch oder die Erfassung und/oder Umwandlung zu verarbeitender Daten im Rahmen einer elektronischen Rechungsbearbeitung bestimmt sein können. Was die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 38 und 42 betrifft, beschreibt "Invoice Factory" den Inhalt und Gegenstand der Dienstleistungen selbst, nämlich dass diese für bzw. im Rahmen einer "Invoice Factory" erbracht werden. Insbesondere die beanspruchten Kommunikations- und Datenübertragungsdienstleistungen können für eine "Invoice Factory" bestimmt und geeignet sein. So ist z. B. ein Datenaustausch über das Internet oder andere Telekommunikationsverbindungen eine notwendige Basis zur Rechnungserstellung im Rahmen einer "Invoice Factory". Ebenso können die Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Unternehmensberatung, Geschäftsführung" der Klasse 35 wie auch die übrigen Dienstleistungen dieser Klasse für ein Unternehmen, welches sich mit einer computergestützten Rechnungserstellung und/oder -bearbeitung befasst, erbracht werden, so dass "Invoice Facory" auch insoweit nur den Gegenstand und Inhalt der jeweligen Dienstleistung beschreibt.

Der Verkehr hat angesichts des im Vordergrund stehenden und deutlich erkennbaren Sinngehalts der angemeldeten Bezeichnung keine Veranlassung, diese als individualisierenden, betrieblichen Herkunftshinweis für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu verstehen. Ob es sich bei der Bezeichnung um eine auf die Anmelderin zurückzuführende Wortneuschöpfung handelt, ist entgegen der Auffassung der Anmelderin für die Frage der Schutzfähigkeit nicht von Bedeutung. Denn die bloße Kombination zweier beschreibender und in ihrem Sinngehalt allgemein bekannter Begriffe führt selbst bei einer Wortneuschöpfung nicht zwangsläufig zur Eintragungsfähigkeit, sondern nur dann, wenn der von der Wortkombination erweckte Eindruck aufgrund einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, in seiner Gesamtheit hinreichend weit von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenstellung der Bestandteile entsteht und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht (EuGH GRUR 2004, 680 Tz. 41 - BIOMILD). Die durch korrekte Aneinanderreihung der beiden Bestandteile "Invoice" und "Factory" in sprachüblicher Weise gebildete Wortkombination weist jedoch keine solche ungewöhnliche Struktur oder Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, sondern trifft eine für den Verkehr sofort erfassbare Sachaussage über mögliche Merkmale und Eigenschaften der betreffenden Waren und Dienstleistungen, ohne dass durch die Zusammenfügung der Wörter der sachbezogene Charakter der Wortkombination verloren geht. Die angemeldete Bezeichnung ist aus sich heraus verständlich und bezeichnet schlagwortartig und treffend das Fachgebiet der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Soweit die 1. Beschwerdekammer des HABM die Auffassung vertreten hat, die vergleichbare Wortkombination "datafactory" sei aus semantischer Sicht ungewöhnlich (Beschluss vom 29. Juni 2006, GRUR-RR 2007, 79, 80 Tz. 23), beruhte diese Auffassung maßgebend auf einem eingeschränktem Verständnis des Begriffs Fabrik bzw. "factory" als einem Gebäude, in dem Waren hergestellt werden (vgl. GRUR-RR 2007, 79, 80 Tz. 19 u. 23); die Entscheidung berücksichtigt jedoch nicht, dass dieser Begriff - wie bereits dargelegt - im allgemeinen Sprachgebrauch auch den Herkunfts- bzw. Erbringungsort von Dienstleistungen bezeichnet, so dass Kombinationen dieses Begriffs mit beschreibenden Sachbegriffen wie "data" oder "Invoice" jedenfalls im EDV-Bereich als Bezeichnung für einen Betrieb der Datenverarbeitung bzw. Rechungsbe- und verarbeitung verstanden werden.

Ob vergleichbare mit dem Bestandteil "factory" gebildete Marken zu Recht zur Eintragung durch das Deutsche Patent- und Markenamt gelangt sind, bedarf keiner abschließenden Erörterung. Denn weder deutsche noch gemeinschaftsrechtliche Voreintragungen sind für die Beurteilung der Schutzfähigkeit einer neu angemeldeten Marke entscheidend, da solche weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung führen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdnr. 25, 26 mwNachw; BPatG MarkenR 2007, 178 - CASHFLOW). Im übrigen gibt der Senat zu bedenken, dass neben Wort-/Bildmarken mit dem Wortbestandteil "factory", die bereits eine schutzbegründende graphische Ausgestaltung aufweisen, auch reine Wortmarken mit diesem Begriff grundsätzlich nicht von einer Eintragung in das Markenregister ausgeschlossen sind, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann, wenn diesen Zeichen ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort (bzw. eine Wortfolge) der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr. seit BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2006, 850 ff. - FUSSBALL WM 2006). Davon kann zB bei einer Reihe der von der Anmelderin benannten (Wort-)Marken wie zB "BUNNY FACTORY" ( 304 455 00), "Solar Factory" (302 017 91) oder auch "Mold Factory" (302 462 11) jedenfalls nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Bei weiteren, vornehmlich älteren "Factory"-Wortmarken dürfte zudem die Beurteilung der Schutzfähigkeit zum Zeitpunkt der Eintragung vor dem Hntergrund der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. GRUR 2004, 192 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 222 - BIOMILD; GRUR 2004, 674 - Postkantoor) nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprechen.

Aufgrund der vorgenannten Feststellungen bestehen auch erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das angemeldete Zeichen in Bezug auf die hier maßgeblichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt,was aber im Hinblick darauf, dass das Zeichen bereits keine ursprüngliche Unterscheidungskraft i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist, keiner abschliessenden Entscheidung bedarf.

Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.

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BPatG:
Beschluss v. 17.07.2008
Az: 25 W (pat) 91/06


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