Oberlandesgericht München:
Urteil vom 10. Mai 2012
Aktenzeichen: 23 U 4635/11

(OLG München: Urteil v. 10.05.2012, Az.: 23 U 4635/11)

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 4.11.2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Klägerin fordert von der Beklagten Zahlung aus abgetretenem Recht im Zusammenhang mit einer Prozessfinanzierungsvereinbarung.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, da es die Abtretung der Forderung an die Klägerin insgesamt als sittenwidrig ansieht. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Nach ihrer Ansicht ist die Abtretung nicht sittenwidrig, da die Klägerin jedenfalls in Höhe der Hälfte der abgetretenen Forderung ihrerseits einen Anspruch gegen die a. GmbH habe. Auch könne die Abtretung als Verfügungsgeschäft nicht sittenwidrig sein. Zudem fehle es an einer Pflichtverletzung der a. GmbH bzw. ihres Geschäftsführers, da der stille Gesellschaftsvertrag wegen Verstoßes gegen § 49 b Abs. 2 BRAO nichtig sei. Jedenfalls müsse die sittenwidrige Abtretung in eine Einziehungsermächtigung umgedeutet werden.

Die Klägerin beantragt daher,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 44.871,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 01.03.2011 zu zahlen.

sowie hilfsweise

das Urteil des LG München I vom 4.11.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die a. Prozessfinanzierungsgesellschaft mbH, H., 44.871,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Ein Verstoß gegen § 49 b Abs. 2 BRAO liege nicht vor, da mit der stillen Gesellschaft gerade eine Organisationsstruktur gewählt worden sei, die einen unmittelbaren Einfluss der Geschäftsführer der Beklagten auf die a. GmbH ausschließe.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

II.

Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.

1. Der Hauptantrag auf Zahlung von 44.871,46 Euro an die Klägerin hat keinen Erfolg, da bereits der Prozessfinanzierungsvertrag der a. GmbH mit Herrn G. nach § 134 BGB unwirksam ist und daher der Anspruch von Herrn G. nicht wirksam an die a. GmbH abgetreten wurde (dazu unten 1.1.). Darüber hinaus wäre auch die Abtretung des Anspruchs der a. GmbH an die Klägerin nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig (dazu unten 1.2).

1.1. Der Prozessfinanzierungsvertrag vom 18./21.2.2006 stellt eine unzulässige Umgehung des Verbots von Erfolgshonoraren nach § 49 b Abs. 2 BRAO dar und ist daher nach § 134 BGB nichtig:

1.1.1. Ein Verstoß gegen § 49 b Abs. 2 BRAO läge jedenfalls dann vor, wenn die Geschäftsführer der Beklagten den Prozessfinanzierungsvertrag persönlich mit Herrn G. abgeschlossen hätten.

Nach § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. sind jegliche Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrags als Honorar erhält (quota litis), unzulässig. Dagegen verstößt die Regelung in Ziff. 5 und Ziff. 7 des Finanzierungsvertrags. Nach Ziff. 5 erhält die a. GmbH an der erstrittenen Summe (nach Abzug der Anwaltskosten) einen Anteil von 50 %. Gemäß Ziff. 7 haben Herr und Frau G. ihren eigenen künftigen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskehrung des Erlöses nach §§ 675, 667 BGB in Höhe von 50 % bereits vorab an die a. GmbH abgetreten, wie das Landgericht im Urteil (Entscheidungsgründe Seite 4) als unstreitig festgestellt hat. Ein Abschluss dieser Vereinbarung mit einer Erfolgsbeteiligung in Höhe von 50 % durch die Geschäftsführer der Beklagten persönlich wäre nach § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. unzulässig gewesen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich auch bei Anwendung des § 49 b Abs. 2 BRAO i.V.m. § 4a RVG in der aktuellen, den Anforderungen des BVerfG (NJW 2007, S. 979 ff.) Rechnung tragenden gültigen Fassung nichts anderes: Auch danach ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen möglich. So darf nach § 4a Abs. 1 RVG ein Erfolgshonorar nur dann vereinbart werden, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Soweit die Beklagten insoweit lediglich auf die "bedauernswerte wirtschaftliche Situation des Herrn G. " verweisen und ausführen, dass "kein anderer Vermögensgegenstand zur Verfügung stand, welcher eine Verfolgung der Rechte ermöglicht hätte", ist dieser Vortrag viel zu pauschal. Außerdem hatte der Zeuge G. nach dessen eigener Aussage (s. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2011, S. 3, Bl. 44 der Akten sowie Anlage zur mündlichen Verhandlung) zuvor bereits eine Vereinbarung mit der Klägerin bzw. Herrn M. persönlich getroffen, in der Herr G. allein für die Prüfung der "ordnungsgemäßen Abwicklung von Verträgen" ein Honorar von 7.000 Euro zugesagt hatte. Dass ihn seine wirtschaftlichen Verhältnisse von der Rechtsverfolgung abhielten, ist mithin nicht ersichtlich.

Zudem muss nach § 4a Abs. 2 und Abs. 3 RVG die Vereinbarung bestimmte Angaben enthalten, wie etwa die wesentlichen Gründe, die für die Bemessung des Erfolgshonorars bestimmend sind. Diesen Voraussetzungen genügt die Vereinbarung vom 18./21.2.2006 ebenfalls nicht.

1.1.2. Die vorliegend gewählte Gestaltung, in der nicht die Geschäftsführer der Beklagten selbst, sondern die a. GmbH den Prozessfinanzierungsvertrag abschließt, ist eine Umgehung des Verbots nach § 49 b Abs. 2 BRAO.

Ob ein - ebenfalls nichtiges - Umgehungsgeschäft vorliegt, ist anhand von Inhalt und Zweck der maßgebenden Verbotsnorm festzustellen (Ellenberger in: Palandt, 71. Auflage 2012, § 134 BGB Rz. 28 m.w.N.). Das grundsätzliche Verbot von Erfolgshonoraren für Rechtsanwälte soll dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit und des Ansehens der Rechtsanwaltschaft dienen. Es soll verhindert werden, dass der Rechtsanwalt den Ausgang eines Mandats zu seiner eigenen "wirtschaftlichen" Angelegenheit macht und bei der Führung des Mandats wirtschaftliche Erwägungen den Ausschlag geben (BGH NJW 2009, S. 3297, 3298; KG, MDR 2003, S. 599; OLG Frankfurt, NJW 2011, S. 3724, 3725). Zudem ist es dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft abträglich, wenn Rechtssuchende den Eindruck gewinnen können, der Rechtsanwalt steigere seine Einsatzbereitschaft mit den finanziellen Erfolgsaussichten des Falls (Dethloff, NJW 2000, S. 2225, 2228). Diese Risiken bestehen aber nicht nur, wenn der Rechtsanwalt selbst ein Erfolgshonorar vereinbart. Auch wenn Rechtsanwälte mehrheitlich an einer Gesellschaft beteiligt sind, die die Prozessführung ihrer eigenen Mandantschaft finanziert, besteht in gleicher Weise die Gefahr, dass die Rechtsverfolgung in einer mit der Stellung als Organ der Rechtspflege unvereinbaren Weise primär aus wirtschaftlichen Interessen betrieben wird. Auch in derartigen Fällen ist daher eine unzulässige Umgehung des § 49 b Abs. 2 BRAO anzunehmen (so auch KG, MDR 2003, S. 599 f; Dethloff, NJW 2000, S. 2225, 2228; Henssler, EWIR 2003, S. 1187 f und NJW 2005, S. 1540; Kilian in: Henssler/Prütting, BRAO, 3. Auflage 2010, § 49 b Rz. 93).

19Im vorliegenden Fall haben sich die Geschäftsführer der Beklagten zwar nicht direkt an der a. GmbH beteiligt, sondern mit dieser lediglich eine stille Gesellschaft gegründet. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falls ist aber auch darin eine Umgehung des Verbots nach § 49 b Abs. 2 BRAO zu sehen: Im Prozessfinanzierungsvertrag vom 18./21.2.2006 ist in Ziff. 2 explizit geregelt, dass die Prozessfinanzierung ausschließlich für den Fall gilt, dass die Beklagte mit der Prozessführung mandatiert ist. Am Gewinn der a. GmbH wiederum sind die Geschäftsführer der Beklagten zu insgesamt 3/4 beteiligt. Damit haben sie am Ausgang des von der a. GmbH finanzierten und von der Beklagten betriebenen Prozesses ein unmittelbares, eigenes wirtschaftliches Interesse.

Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass nach dem Vortrag sowohl der Klägerin (Schriftsatz vom 6.5.2011, S. 2, Bl. 13 der Akten) als auch der Beklagten (Schriftsatz vom 17.8.2011, S. 4, Bl. 39 der Akten und Schriftsatz vom 15.9.2011, S. 5, Bl. 59 der Akten) die bei Prozessgewinn bei der Beklagten eingehenden Gelder in der Regel nicht an die a. GmbH weitergeleitet, sondern unmittelbar direkt an die stillen Gesellschafter und Herrn H. ausgekehrt wurden. Umgekehrt wurden nach dem Vortrag der Beklagten (Schriftsatz vom 15.9.2011, S. 5, Bl. 59 der Akten), den die Klägerin nicht bestritten hat (vgl. Schriftsatz vom 1.3.2012, S. 4, Bl. 114 der Akten), bei erfolglosen Prozessen die Kosten durch die stillen Gesellschafter und Herrn H. übernommen. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass nach § 4 (2) d) des stillen Gesellschaftsvertrages die a. GmbH für die Führung von Prozessen einschließlich der Instruktion zu Prozesshandlungen die Einwilligung sämtlicher stiller Gesellschafter benötigt.

Aus der Gesamtschau dieser Umstände ergeben sich genau die Gefahren für die Unabhängigkeit des Anwalts als Organ der Rechtspflege und für das Ansehen der Anwaltschaft, denen § 49 b Abs. 2 BRAO entgegenwirken will. Die "Zwischenschaltung" der a. GmbH dient lediglich zum Schein, um einen direkten Abschluss des Finanzierungsvertrages durch die Rechtsanwälte zu vermeiden.

1.1.3. Der Prozessfinanzierungsvertrag ist nach § 134 BGB nichtig. Das gesetzliche Verbot nach § 49 b Abs. 2 BRAO zielt gerade auf das Verhältnis der Rechtsanwälte zu den Mandanten ab und soll die anwaltliche Unabhängigkeit sowie das Ansehen der Rechtsanwaltschaft schützen (s. oben Ziff. 1.1.2). Damit ist aber in jedem Fall der Prozessfinanzierungsvertrag - jedenfalls soweit es um die Regelung der Erfolgsbeteiligung und Vergütung geht - nichtig (so auch KG, MDR 2003, S. 599 f; Dethloff, NJW 2000, S. 2225, 2228; Henssler, EWIR 2003, S. 1187 f und NJW 2005, S. 1540). Ob darüber hinaus auch der Vertrag über die stille Gesellschaft nichtig ist, erscheint zwar naheliegend (in diese Richtung wohl Kilian, a.a.O., § 49 b Rz. 93), bedarf aber letztlich keiner Entscheidung.

Soweit der Beklagten nach § 4 b RVG bei einer unzulässigen Vereinbarung eines Erfolgshonorars noch ein Anspruch auf die gesetzliche Vergütung verbleibt (vgl. auch BGH NJW 2004, S. 1169, 1171), wurde jedenfalls in dieser Höhe ohnehin kein Anspruch von Herrn G. an die a. GmbH abgetreten. In Ziff. 5 des Finanzierungsvertrages ist ausdrücklich geregelt, dass die hälftige Verteilung des erstrittenen Betrags "nach Anwaltskosten" erfolgt.

1.2. Zudem hätte die Klägerin, selbst wenn der Prozessfinanzierungsvertrag - und die stille Gesellschaft - wirksam wären, keinen Anspruch gegen die Beklagte erworben, da in diesem Fall die Abtretungsvereinbarung vom 29.12.2010 insgesamt sittenwidrig und nichtig wäre, § 138 Abs. 1 BGB:

1.2.1. Zutreffend verweist die Klägerin zunächst darauf, dass der Zeuge H. als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Alleingesellschafter der a. GmbH die Abtretungsvereinbarung im Außenverhältnis abschließen konnte. Auch verkennt der Senat nicht, dass im Rahmen des Vertrages über die stille Gesellschaft die Geschäftsführungsbefugnis allein bei der a. GmbH lag (§ 4 des Vertrages) und die stillen Gesellschafter zwar Informations- und Kontrollrechte hatten (§ 9 des Vertrages), aber eine Zustimmung der stillen Gesellschafter für die Abtretung einer Forderung der a. GmbH nicht erforderlich war.

Dies schließt aber nicht aus, dass die Abtretungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig ist. Denn vorliegend hat der Zeuge H. als Geschäftsführer der a. GmbH seine Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis missbraucht, indem er mit der Klägerin kollusiv zur Schädigung der stillen Gesellschafter zusammengewirkt hat. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig und daher nichtig, wenn ein Vertreter und sein Geschäftsgegner "hinter dem Rücken" des Vertretenen und zu dessen Schaden gehandelt haben (BGH WM 2003, 2456, 2457; BGH WM 1988, S. 1380, 1381; Ellenberger in: Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 138 Rz. 62). Derartige Vereinbarungen hinter dem Rücken und zu Lasten des Vertretenen, dessen Interessen der Vertretungsberechtigte wahrzunehmen hat, widersprechen den Regeln des geschäftlichen Anstands und kaufmännischer guter Sitte (BGH WM 1988, S. 1380, 1381).

Vorliegend hatte die a. GmbH als Geschäftsführerin im Rahmen der stillen Gesellschaft die Interessen auch der stillen Gesellschafter zu wahren. Diesen stand ausweislich § 7 des Vertrages über die stille Gesellschaft eine Beteiligung am Gewinn des von der a. GmbH betriebenen Handelsgeschäfts in Höhe von je 1/4 zu. Die a. GmbH war daher verpflichtet, eine bewusste Beeinträchtigung der Gewinnchancen der stillen Gesellschafter zu unterlassen (vgl. zu den Pflichten des Geschäftsinhabers bei der stillen Gesellschaft BGH NJW 1988, 414; Hopt in: Baumbach/Hopt, 36. Auflage 2012, § 230 Rz. 16, 17). Dagegen hat die a. GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer H., mit der Abtretungsvereinbarung vom 29.12.2010 in kollusivem Zusammenwirken mit der Klägerin bewusst verstoßen: Mit dieser Vereinbarung wurde der Anspruch der a. GmbH gegen die Beklagte in voller Höhe an die Klägerin abgetreten, ohne dass dafür eine adäquate Gegenleistung für die a. GmbH vorgesehen war. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Klägerin gegen die a. GmbH aus der Vereinbarung vom 22.7.2008 ein Anspruch zusteht, umfasst dieser nur die Hälfte der tatsächlich an die Klägerin abgetretenen Forderung. Bezüglich der restlichen, abgetretenen Forderung ist keinerlei Rechtsgrund oder Gegenleistung für die Abtretung zu erkennen. Dabei handelt es sich auch nicht nur um einen unbedeutenden Betrag, sondern um rund 31.000 Euro. Auch war dem Zeugen H. bei Abschluss des Abtretungsvertrags bewusst, dass die stillen Gesellschafter mit dieser Vereinbarung nicht einverstanden sein würden.

Wenn der Zeuge H. Auseinandersetzungen mit den stillen Gesellschaftern aus dem Weg gehen wollte, wie die Klägerin vorträgt, ist dies menschlich verständlich, rechtfertigt sein Vorgehen aber nicht. Der Zeuge H. selbst hat in der mündlichen Verhandlung vom 26.8.2011 (S. 4, Bl. 45 der Akten) zur Begründung angegeben, er habe gewollt, dass "wenigstens die FI zu ihrem Geld kommt". Deshalb habe er "auf den Rest verzichtet". Der Zeuge H. war aber als Geschäftsführer der a. GmbH und diese als Geschäftsinhaberin im Rahmen der stillen Gesellschaft verpflichtet, nicht die Interessen der Klägerin, sondern die Interessen der stillen Gesellschaft zu wahren.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es innerhalb der stillen Gesellschaft möglicherweise Auseinandersetzungen über die Praxis der Beklagten gab, bei erfolgreich geführten Prozessen 3/4 des zugeflossenen Erfolgshonorars sofort einzubehalten. Jedoch durfte der Zeuge H. diese Auseinandersetzung nicht dadurch vermeiden, dass er eine Forderung der a. GmbH eigenmächtig und - zumindest zur Hälfte - ohne Gegenleistung an die Klägerin abtrat.

Es handelte sich auch um ein kollusives Zusammenwirken mit der Klägerin, der die wesentlichen Umstände bekannt waren und zu deren Vorteil die Vereinbarung erfolgte.

1.2.2. Entgegen der Ansicht der Klägerin umfasst vorliegend die Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB auch die Abtretung als Verfügungsgeschäft:

Grundsätzlich hat die Nichtigkeit eines schuldrechtlichen Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB nicht ohne Weiteres auch die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts zur Folge, worauf die Klägerin zutreffend hinweist. Allerdings ist das Erfüllungsgeschäft dann gleichfalls nichtig, wenn die Unsittlichkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt, wenn also mit dem Erfüllungsgeschäft sittenwidrige Zwecke verfolgt werden oder in ihm die Sittenwidrigkeit begründet ist (BGH WM 1985, S. 1269, 1270; BGH WM 1996, S. 133, 135; BGH, NJW-RR 2006, S. 888, 889). Dies trifft vorliegend zu. Der Zeuge H. hat nach eigener Aussage bezweckt, dass die Klägerin in jedem Fall das Geld bekommt. Es sollte damit verhindert werden, dass den stillen Gesellschaftern direkt oder mittelbar über eine Gewinnverteilung der a. GmbH das Erfolgshonorar (anteilig) verbleiben konnte. Dieses Ziel hat der Zeuge H. gerade durch die Abtretung selbst erreicht, da erst damit eine die Klägerin begünstigende und die stillen Gesellschafter schädigende Vermögenslage erreicht wurde. Zu berücksichtigen ist ferner, dass jedenfalls bezüglich der Hälfte der abgetretenen Forderung kein gesondertes Kausalgeschäft abgeschlossen wurde, sondern dieses (möglicherweise als Schenkung) konkludent mit der Abtretungsvereinbarung vom 29.12.2010 zu einer einheitlichen Vereinbarung verbunden wurde.

1.2.3. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Abtretungsvereinbarung insgesamt und nicht nur in Höhe von 50 % unwirksam ist:

Dabei geht der Senat wie das Landgericht davon aus, dass mit Vereinbarung vom 22.7.2008 eine hälftige Aufteilung des Erfolgshonorars zwischen der Klägerin und der a. GmbH vereinbart wurde. Auf die Ausführungen des Landgerichts kann insoweit Bezug genommen werden. Dies ändert aber nichts an der Gesamtnichtigkeit:

Zu berücksichtigen ist insbesondere der Schutzgedanke des § 138 BGB: Sittenwidrige Rechtsgeschäfte dürfen für den Gläubiger nicht das Risiko verlieren, mit dem sie durch die gesetzlich angeordnete Nichtigkeitssanktion behaftet sind. Das wäre aber der Fall, wenn er im Allgemeinen damit rechnen könnte, schlimmstenfalls durch gerichtliche Feststellung das zu bekommen, was gerade noch rechtlich vertretbar und damit sittengemäß ist. Sittenwidrige und wucherische Rechtsgeschäfte sind daher grundsätzlich als Einheit zu werten und dürfen auch nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion mit einem zulässigen Inhalt aufrechterhalten werden (BGH NJW 2001, S. 815, 817; BGH NJW 1979, S. 1605, 1606 je m.w.N.). Etwas anderes kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich der Vertragsinhalt eindeutig in einen nichtigen und einen von der Nichtigkeit nicht berührten Teil auftrennen lässt (BGH NJW 2001, S. 815, 817).

Vorliegend spricht der Schutzgedanke des § 138 BGB für eine Gesamtnichtigkeit. Gerade bei einem kollusiven Zusammenwirken zulasten eines Dritten sollten die Parteien nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Rechtsgeschäft zumindest im gerade noch zulässigen Umfang aufrechterhalten bleibt. Zudem wusste der Zeuge H., dass die stillen Gesellschafter auch mit einer Abtretung nur in Höhe von 50 % der Forderung der a. GmbH nicht einverstanden wären. Die Auseinandersetzung mit den stillen Gesellschaftern hat der Zeuge H. bewusst vermieden, indem er durch die Abtretungsvereinbarung "vollendete Tatsachen" schaffen wollte.

Schließlich liegt auch nur eine einheitliche Abtretungsvereinbarung vor, die sich nicht problemlos in einzelne wirksame und unwirksame Teile aufgliedern lässt.

2. Der Hilfsantrag der Klägerin ist zwar zulässig, aber ebenfalls unbegründet.

2.1. Der erstmals in zweiter Instanz gestellte Hilfsantrag ist eine nach § 533 ZPO zulässige, sachdienliche Klageänderung (zur Anwendbarkeit des § 533 ZPO s. Ball in: Musielak, ZPO, 8. Auflage 2011, § 533 Rz. 6). Der Senat kann der Entscheidung über den Hilfsantrag dieselben Tatsachen zugrunde legen, die auch für die Entscheidung über den Hauptantrag maßgeblich sind.

2.2. Der Hilfsantrag ist jedoch nicht begründet. Die a. GmbH hat keine Forderung gegen die Beklagte erworben, da der Prozessfinanzierungsvertrag nichtig ist (s. oben Ziff. 1.1).

Selbst wenn der Prozessfinanzierungsvertrag wirksam und lediglich die Abtretung sittenwidrig wäre (vgl. oben Ziff. 1.2), wäre der Hilfsantrag unbegründet. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin kommt auch eine Umdeutung der sittenwidrigen Abtretung nach § 140 BGB in eine wirksame Einziehungsermächtigung nicht in Betracht. Wenn die Vertragspartner im Falle der Sittenwidrigkeit damit rechnen könnten, dass sie schlimmstenfalls durch gerichtliche Festsetzung das bekommen, was gerade noch vertretbar und damit sittengemäß ist, verlöre das sittenwidrige Rechtsgeschäft für sie das Risiko, mit dem es durch die vom Gesetz angedrohte Nichtigkeitsfolge behaftet sein soll. Sittenwidrige Rechtsgeschäfte können daher grundsätzlich nicht nach § 140 BGB umgedeutet werden (BGH NJW 1977, S. 1233, 1234; BGH NJW 2001, S. 815, 817).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Darüber hinaus steht die Entscheidung des Senats mit höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung in Einklang.






OLG München:
Urteil v. 10.05.2012
Az: 23 U 4635/11


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