Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2007
Aktenzeichen: 10 W (pat) 47/05

(BPatG: Beschluss v. 22.02.2007, Az.: 10 W (pat) 47/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 22. Februar 2007 entschieden, dass den Patentinhabern Wiedereinsetzung in die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr gewährt wird. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, mit dem das Patent aufgrund der nicht rechtzeitigen Zahlung erloschen war, wurde aufgehoben. Darüber hinaus wurde angeordnet, dass eine der beiden Beschwerdegebühren zurückgezahlt wird.

Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung haben die Patentinhaber angegeben, dass die deutschen Inlandsvertreter nicht mit der Zahlung der Gebühren beauftragt waren und dass ein Fehler bei der Dateneingabe in die Datenbank der britischen Vertreter dazu geführt hat, dass die Jahresgebühr für das streitgegenständliche Patent nicht gezahlt wurde. Die britischen Vertreter haben ein elektronisches Datenbanksystem namens COMUS genutzt, das eine Überprüfung der Zahlungen ermöglicht. Aufgrund eines Fehlers haben sie jedoch versehentlich das falsche deutsche Aktenzeichen für die Zahlung angewiesen, so dass die Gebühr für das parallele Patent gezahlt wurde, aber nicht für das streitgegenständliche Patent.

Das Patentamt hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zuerst zurückgewiesen, da die 2-Monatsfrist zur Stellung des Antrags bereits abgelaufen war. Die Patentinhaber haben daraufhin Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass der Wegfall des Hindernisses, nämlich der Zahlung der Gebühr, erst am 5. September 2003 stattgefunden hat, als die britischen Vertreter von der Fristversäumung erfahren haben. Das Bundespatentgericht hat diese Argumentation akzeptiert und festgestellt, dass die Antragsfrist gewahrt wurde.

Das Gericht hat zudem festgestellt, dass weder den Inlandsvertretern noch den britischen Vertretern ein Verschulden anzulasten ist. Die Inlandsvertreter haben ihre anwaltliche Sorgfaltspflicht dadurch erfüllt, dass sie den Patentinhabern den Hinweis des Patentamts weitergeleitet haben. Die britischen Vertreter haben das Datenbanksystem COMUS genutzt, das bisher zuverlässig funktioniert hat. Der Fehler bei der Dateneingabe war unverschuldet und wurde von Mitarbeitern verursacht, die regelmäßig überwacht werden.

Aufgrund dieser Umstände hat das Bundespatentgericht entschieden, den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr zu gewähren. Es wurde auch angeordnet, eine der Beschwerdegebühren zurückzuzahlen, da die Patentinhaber eine Bruchteilsgemeinschaft bilden und daher nur eine Gebühr zahlen müssen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 22.02.2007, Az: 10 W (pat) 47/05


Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 52 EP - vom 6. Juli 2005 aufgehoben. Den Patentinhabern wird Wiedereinsetzung in die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr gewährt.

2. Die Rückzahlung einer der zwei Beschwerdegebühren wird angeordnet.

Gründe

I.

Auf die am 27. Dezember 1996 eingereichte Anmeldung wurde den beiden Patentinhabern mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland das europäische Patent 0 870 185 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Behandlung einer Zellsuspension" erteilt, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 696 24 135.8 geführt wird.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2003 ("Wichtige Mitteilung") wies das Patentamt auf den Fristablauf für die Zahlung der 7. Jahresgebühr mit Zuschlag (180,- € plus 50,- €, insgesamt 230,- €) am 30. Juni 2003 hin. Das Patentamt vermerkte im August 2003 in der Akte, dass das Patent wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen ist.

Mit Schriftsatz vom 5. November 2003, eingegangen am selben Tag, haben die Patentinhaber unter gleichzeitiger Zahlung der 7. Jahresgebühr mit Zuschlag Wiedereinsetzung beantragt, nämlich in die am 28. Februar 2003 endende Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr ohne Zuschlag, hilfsweise in die am 30. Juni 2003 endende Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr mit Zuschlag.

Zur Begründung ist ausgeführt, nicht die deutschen Inlandsvertreter seien mit der Gebührenzahlung beauftragt gewesen, sondern die britischen Vertreter, die Anwaltskanzlei A..., die sich ihrerseits der Firma B... bedienten. Die Inlandsvertreter hätten den Ge- bührenhinweis des Patentamts vom 6. Mai 2003 mit Schreiben vom 22. Mai 2003 an die die britischen Vertreter weitergeleitet. Anlässlich einer routinemäßigen Überprüfung des Status des deutschen Teils in der Kanzlei der Inlandsvertreter sei festgestellt worden, dass das Patent erloschen sei. Dies sei mit Schreiben vom 3. September 2003 den britischen Vertretern mitgeteilt worden, das dort am 5. September 2003 eingegangen sei. Der dort tätige Patentanwalt C... habe am selben Tag festgestellt, dass das Patent entgegen dem Willen der Patentinhaber erloschen sei. Der Tag des Wegfalls des Hindernisses sei daher der 5. September 2003, so dass der am 5. November 2003 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung fristgemäß sei.

Die Versäumung der Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr beruhe auf einer Verwechslung der beiden europäischen Patente der Patentinhaber, die sich nur in der Endziffer unterschieden; das streitgegenständliche EP-Patent habe die Veröffentlichungsnummer 0 870 185 (deutsches Aktenzeichen 696 24 135), ein weiteres am selben Tag angemeldetes europäisches Patent derselben Patentinhaber habe die Nummer 0 870 184 (deutsches Aktenzeichen 696 22 282). Ein versehentliches Ablegen einer zu letzterem Patent gehörenden Aktenzeichenmitteilung in die Akte des streitgegenständlichen EP-Patents habe einen Fehler bei der Dateneingabe in der Datenbank der britischen Vertreter zur Folge gehabt, was dazu geführt habe, dass für das parallele EP-Patent 0 870 184 die 7. Jahresgebühr zweimal, für das streitgegenständliche aber nicht gezahlt worden sei. Im Einzelnen wird unter Beifügung von Kopien und einer eidesstattlichen Versicherung, abgegeben von C..., Partner in der Kanzlei der britischen Vertreter, folgendes vorgetragen:

Die britischen Vertreter verfügten über ein elektronisches Datenbanksystem namens COMUS, in dem für jede Anmeldung bzw. jedes Patent ein Eintrag bestehe. Wenn das europäische Patent erteilt worden sei, werde, wenn für einen Bestimmungsstaat ein nationales Aktenzeichen vergeben werde, dieses in COMUS eingetragen. Die mit der Gebührenzahlung beauftragte Firma B... greife einmal pro Woche auf COMUS zu, um sich die Daten der betreffenden Anmeldung oder Patents herunterzuladen. Dabei vergleiche sie diese Daten bei europäischen Anmeldungen oder Patenten mit einem Datensatz, der der ESPACE-Datenbank des Europäischen Patentamts entnommen werde. Wenn ein nationales Aktenzeichen in COMUS verzeichnet sei, zahle B... die Jahresgebühren unter diesem nationa- len Aktenzeichen ein; wenn ein nationales Aktenzeichen nicht verfügbar sei, zahle B... die Jahresgebühren unter der europäischen Veröffentlichungsnummer ein und überprüfe dabei das jeweilige Land, die Europäische Veröffentlichungsnummer, die Anmeldenummer und den Namen des Anmelders. Dieses System habe sich bisher als zuverlässig erwiesen.

Bezüglich des parallelen EP-Patents 0 870 184, für das ebenfalls die hier tätigen Inlandsvertreter mit der Vertretung des deutschen Teils beauftragt worden seien, informierten diese mit Schreiben vom 24. Juli 2002 die britischen Vertreter über das vom DPMA vergebene Aktenzeichen (696 22 282.5). Dieses Schreiben sei von einem Angestellten der britischen Vertreter, einem Formalien-Assistenten, versehentlich nicht der EP-Akte 0 870 184, sondern der EP-Akte 0 870 185 zugeordnet worden; beide Akten hingen im Aktenlager der britischen Vertreter, da sie sich nur durch die Endziffer unterschieden, unmittelbar nebeneinander. In COMUS habe demzufolge das parallele EP-Patent 0 870 184 kein nationales Aktenzeichen gehabt; die Zahlung der 7. Jahresgebühr für dieses Patent an das DPMA sei am 6. Januar 2003 allein unter der EP-Veröffentlichungsnummer 0 870 184 durchgeführt worden. Als bezüglich des streitgegenständlichen EP-Patents die Inlandsvertreter die britischen Vertreter mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 über das vom DPMA vergebene Aktenzeichen informierten (696 24 135.8), sei diese Aktenzeichenmitteilung zwar korrekt der Akte des streitgegenständlichen EP-Patents zugeordnet worden. Nunmehr habe aber dessen Akte zwei Aktenzeichenmitteilungen enthalten. Als dann das deutsche Aktenzeichen in COMUS eingegeben worden sei, habe der Formalien-Assistent offenbar nur das erste Schreiben vom 24. Juli 2002 gesehen und somit das falsche deutsche Aktenzeichen 696 22 282.5 (das eigentlich zu dem parallelen EP-Patent 0 870 184 gehörte) für das streitgegenständliche EP-Patent 0 870 185 eingetragen. Folglich habe sich dieser Fehler auch im Datenbanksystem von B... befunden. Die B... habe daher am 7. Ja- nuar 2003 die 7. Jahresgebühr für das streitgegenständliche EP-Patent 0 870 185 unter dem (falschen) deutschen Aktenzeichen 696 22 282.5 angewiesen. Damit sei die 7. Jahresgebühr zweimal für das parallele EP-Patent 0 870 184 gezahlt worden, nicht aber für das streitgegenständliche Patent.

Welcher Formalien-Assistent bei den britischen Vertretern die falsche Ablage der Aktenzeichenmitteilung und die falsche Eingabe in COMUS durchgeführt habe, sei nicht mehr zu ermitteln gewesen. Die Formalien-Assistenten in der Kanzlei der britischen Vertreter arbeiteten aber alle bereits seit Jahren in diesem Bereich und hätten zuvor eine spezielle Ausbildung in der Kanzlei erhalten; deren Arbeit werde zudem in regelmäßigen Kontrollen überprüft. Dieser Fehler sei der erste seit Einführung des EPÜ und des COMUS-Datenbanksystems in der Kanzlei gewesen.

Die Versäumung der Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr mit Zuschlag beruhe des weiteren darauf, dass zwar nach Erhalt des Gebührenhinweises des DPMA in der Kanzlei der britischen Vertreter die Jahresgebührenzahlung sowohl im COMUS-Datenbanksystem als auch auf dem System der B... im Mai 2003 über- prüft worden sei. Der für das streitgegenständliche EP-Patent 0 870 185 in COMUS befindliche Datensatz, der über die EP-Veröffentlichungsnummer ausgewählt werde, habe jedoch die Angabe erhalten, dass B... am 7. Januar 2003 die Zahlung der Jahresgebühr angewiesen und hierfür vom DPMA am 11. Februar 2003 eine Empfangsbestätigung erhalten habe. Folglich sei intern auf dem Schreiben der Inlandsvertreter vom 22. Mai 2003 vermerkt worden "B...". Es sei auch durchaus nicht unüblich gewesen, dass ein Gebührenhinweis des DPMA eingehe, obwohl die relevante Jahresgebühr tatsächlich schon bezahlt worden sei. Der Vermerk "B...", stamme, soweit es im Nachhinein feststellbar sei, von der Assistentin Mrs. D..., die seit mehreren Jahren mit dem COMUS-Sys- tem vertraut sei und sich stets als sehr zuverlässig erwiesen habe. Erst am 5. September 2003, nach Erhalt eines Schreibens der Inlandsvertreter, sei in der Kanzlei der britischen Vertreter festgestellt worden, dass das in ihren Unterlagen angegebene deutsche Aktenzeichen für das streitgegenständliche EP-Patent 0 870 185 nicht stimme und die Jahresgebühr tatsächlich nicht gezahlt worden sei.

Auf den Bescheid des Patentamts vom 11. März 2004 ist mit Schriftsatz vom 21. Mai 2004 der Vortrag, unter Beifügung einer weiteren eidesstattlichen Versicherung von Herrn C..., dahingehend ergänzt worden, dass die Über- prüfung der Gebührenzahlung im Mai 2003 nicht durch Herrn C... selbst, son- dern durch einen der Formalien-Assistenten durchgeführt worden sei, wobei es sich aber nicht feststellen lasse, welcher es gewesen sei. Üblicherweise würden solche Überprüfungen von Mrs. D... vorgenommen; bei dem Vermerk "B..." scheine es sich auch um ihre Handschrift zu handeln, obwohl dies nicht eindeutig feststellbar sei.

Nach weiteren patentamtlichen Bescheiden vom 29. Dezember 2004 und 5. April 2005, in denen im Wesentlichen auf die Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags hingewiesen worden ist, hat das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 52 EP - durch Beschluss vom 6. Juli 2005 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, denn die 2-Monatsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG sei überschritten. Im Antrag auf Wiedereinsetzung werde angegeben, dass die Inlandsvertreter den britischen Vertretern das Erlöschen des Patents mit Schreiben vom 3. September 2003 mitgeteilt hätten. Die Antragsfrist beginne mit positiver Kenntnis von der Säumnis. Das der Vornahme der Handlung entgegenstehende Hindernis sei bei den Inlandsvertretern somit am 3. September 2003 entfallen. Die 2-Monatsfrist sei damit bei Stellung des Antrags am 5. November 2003 bereits abgelaufen gewesen.

Hiergegen wenden sich die Patentinhaber - unter Zahlung von zwei Beschwerdegebühren - mit der Beschwerde undbeantragen, den Beschluss vom 6. Juli 2005 aufzuheben und die Wiedereinsetzung zu gewähren, die rein vorsorglich gezahlte zweite Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Zur Begründung ist ausgeführt, der angefochtene Beschluss gehe zu Unrecht davon aus, dass der Wegfall des Hindernisses und damit der Beginn der Antragsfrist auf den 3. September 2003 falle. Die Kanzlei der Inlandsvertreter sei ausdrücklich nicht für das Überwachen und Einzahlen der Jahresgebühren verantwortlich gewesen. Die Kanzlei habe auch keine Kenntnis über die Vorgänge der Jahresgebührenzahlung bei der Kanzlei der britischen Vertreter gehabt, so dass bei den Inlandsvertretern mit Kenntnis des Erlöschens des Patents auch kein Hindernis habe wegfallen können. Sie hätten gar nicht wissen können, ob das Patent willentlich oder versehentlich erloschen sei. Diese Fallkonstellation sei vergleichbar mit der in der Entscheidung des Bundespatentgerichts in BPatGE 13, 87. In der Entscheidung des 10. Senats vom 20. September 1999, 10 W (pat) 16/99, sei nur deshalb davon abgewichen worden, weil ein besonderer Umstand vorgelegen habe - die Inlandsvertreter hätten dort aufgrund einer durch sie abgegebenen Lizenzbereitschaftserklärung nicht davon ausgehen können, dass das Interesse an der Aufrechterhaltung des Patents fehle -, der im hiesigen Fall nicht gegeben sei.

Die Patentinhaber seien zudem in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, weil die Patentabteilung trotz mehrfacher Bitte um mündliche Anhörung eine solche wegen fehlender Sachdienlichkeit abgelehnt habe, ohne eine sachliche Begründung hierfür zu geben. Der angefochtene Beschluss weise zudem einen Begründungsmangel auf, da die Gründe keinen Aufschluss erbrächten, warum von der zitierten Rechtsprechung abgewichen werde.

Die zweite Beschwerdegebühr sei nur rein vorsorglich gezahlt worden. Für jeden Beschwerdeführer wäre nur dann eine eigene Beschwerdegebühr zu zahlen, wenn sie nicht in Rechtsgemeinschaft stünden, was hier aber der Fall sei; die Patentinhaber stünden als gemeinsame Inhaber in einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 714 ff. BGB.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Den Patentinhabern kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, und zwar die vorrangig beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr.

1. Es besteht kein Anlass für eine Zurückverweisung der Sache gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG.

Der von den Patentinhabern in der Beschwerdebegründung gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist nicht feststellbar. Alle Umstände, auf die sich die Patentabteilung im angefochtenen Beschluss stützt, sind den Patentinhabern zuvor in drei Bescheiden des Patentamts, auf die sie sich jeweils haben äußern können, mitgeteilt worden. Grundsätzlich gibt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung, weil dieser Anspruch auch im schriftlichen Verfahren erfüllt werden kann (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., Einl. Rdn. 232) und hier auch erfüllt worden ist. Eine andere Frage ist, ob die Ablehnung der Anhörung als solche einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt (vgl. Schulte, a. a. O., § 79 Rdn. 23 unter Nr. 5). Eine gesetzliche Grundlage für eine Anhörung im Wiedereinsetzungsverfahren bezüglich eines erteilten Patents (außerhalb eines Einspruchsverfahrens) findet sich im Patentgesetz jedoch nicht; § 46 PatG betrifft nur das Verfahren vor der Prüfungsstelle, § 59 Abs. 3 PatG bezieht sich nur auf das Einspruchsverfahren. Selbst wenn man die entsprechende Anwendung von §§ 46, 59 Abs. 3 PatG (i. d. F. bis 30. Juni 2006) auch auf sonstige Verfahren vor dem Patentamt in Betracht zieht, hat die Patentabteilung für die Frage, wann eine beantragte Anhörung sachdienlich ist, einen Beurteilungsspielraum (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl. § 46 Rdn. 13 ff.). Diesen ihr zustehenden Beurteilungsspielraum hat sie jedenfalls nicht derart überschritten, dass ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG anzunehmen wäre.

Ein Begründungsmangel, mithin ein Verstoß gegen die Begründungspflicht (vgl. Schulte, a. a. O., § 79 Rdn. 23 unter Nr. 4) ist in dem angefochtenen Beschluss ebenfalls nicht zu erkennen, zumal sich der Beschluss zur Begründung auch auf alle drei zuvor ergangenen Bescheide bezogen hat. Der maßgebende Grund für die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags ist erkennbar und ausgeführt. Dass sich der Beschluss nur unzureichend damit auseinander gesetzt hat, warum er von BPatGE 13, 87 abweicht, stellt keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht dar (vgl. Schulte, a. a. O., § 47 Rdn. 22).

2. Die Patentinhaber haben die Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr, die nach Art. II § 7 IntPatÜG i. V. m. § 17 Abs. 1 PatG zu zahlen ist, versäumt. Diese ist gemäß § 3 Abs. 2 PatKostG am 31. Dezember 2002 fällig gewesen und konnte gemäß § 7 Abs. 1 PatKostG bis 28. Februar 2003 zuschlagsfrei, bis 30. Juni 2003 mit Zuschlag entrichtet werden. Die Zahlung erst am 5. November 2003 ist daher verspätet. Das Patent ist gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG erloschen.

3. Der wegen Versäumung der Zahlungsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung hat Erfolg.

a. Der am 5. November 2003 gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig.

aa. Der Antrag ist statthaft. Dieser bezieht sich auf zwei Fristen, nämlich nach Hauptantrag auf die Versäumung der Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG, nach Hilfsantrag auf die Frist zur Zahlung mit Zuschlag gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG. Nicht nur der Hilfsantrag, dessen Statthaftigkeit außer Zweifel steht, sondern auch der Hauptantrag bezieht sich auf eine Frist i. S. v. § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat; die Eintritt der Fälligkeit des Zuschlags stellt nicht bloß einen Kosten-, sondern auch einen Rechtsnachteil dar (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 123 Rdn. 7; Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 58 unter Nr. 3; Busse, a. a. O., § 123 Rdn. 19; BPatGE 1, 15, 20). Der Hauptantrag kann auch nicht dadurch als rechtlich überholt angesehen werden, dass die Patentinhaber eine weitere Frist versäumt haben, die einen gravierenderen Rechtsnachteil, nämlich den Verlust des Patents, mit sich bringt. Wenn nämlich über den Hauptantrag positiv entschieden wird, ist als Folgewirkung auch der Verlust des Patents hinfällig.

bb. Die Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG ist eingehalten.

Der Wegfall des Hindernisses tritt ein, sobald das Ereignis seine hindernde Wirkung auf den Säumigen oder dessen Vertreter verliert, also wenn Säumiger oder Vertreter bei der Aufwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist dann der Fall, sobald die Partei oder ihr Vertreter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Versäumung hätte erkennen können (vgl. Benkard, a. a. O., § 123 Rdn. 54; Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 26). Grundsätzlich steht zwar die Kenntnis des Vertreters der Kenntnis der Partei gleich (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 29). Dies gilt aber im Falle versäumter Jahresgebührenzahlungen nicht für den Vertreter, der nicht mit der Überwachung und Zahlung von Jahresgebühren beauftragt ist. Die Patentinhaber haben zu Recht auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts in BPatGE 13, 87, 91/92 hingewiesen, wonach nur auf die Kenntnis des mit der Überwachung und Zahlung von Jahresgebühren befassten Vertreters abzustellen ist, nicht auf die Inlandsvertreter, wenn sie hiermit nicht beauftragt sind (so auch Benkard, a. a. O., § 123 Rdn. 54). Auch die vom Patentamt zitierte Entscheidung des 10. Senats vom 20. September 1999, 10 W (pat) 16/99, in der es wie hier darum ging, ob bei der Einhaltung der Antragsfrist auf die nicht mit der Überwachung und Zahlung der Jahresgebühren beauftragten Inlandsvertreter abzustellen ist oder nicht, hat sich grundsätzlich auf BPatGE 13, 87 bezogen und nur wegen besonderer Umstände des Einzelfalls gleichwohl auf die Kenntnis der Inlandsvertreter abgestellt; diese hatten kurz vor Kenntniserlangung von der Fristversäumung eine Lizenzbereitschaftserklärung abgegeben, aufgrund derer für die Inlandsvertreter kein Anlass für die Annahme bestehen konnte, dass kein Interesse an der Aufrechterhaltung des Patents besteht. Ein derartiger besonderer Umstand, aufgrund dessen die Inlandsvertreter annehmen mussten, dass die Patentinhaber das Patent auf jeden Fall aufrecht erhalten wollten, ist hier aber nicht erkennbar.

Hiervon ausgehend ist daher hier für den Beginn der Antragsfrist nicht auf die Kenntnis der Inlandsvertreter abzustellen, sondern nur auf die Kenntnis der britischen Vertreter, da nur diese mit der Jahresgebührenüberwachung und -zahlung beauftragt waren. Diese erlangten erst mit Erhalt des Schreibens der Inlandsvertreter vom 3. September 2003, nämlich am 5. September 2003, positive Kenntnis von der Fristversäumung. Auch hinsichtlich der Frist zur zuschlagsfreien Zahlung ist bei den britischen Vertretern der Wegfall des Hindernisses erst am 5. September 2003 anzunehmen. Denn der Fehler bei der Dateneingabe in die Datenbank der Kanzlei, der das Hindernis für die Gebührenzahlung darstellt, ist trotz Überprüfung durch eine zuverlässige Hilfsperson im Mai 2003 nicht erkannt worden, so dass das Hindernis bei den britischen Vertretern unverschuldet bis zum 5. September 2003 fortbestand. Damit ist mit der Antragstellung am 5. November 2003 die zweimonatige Antragsfrist des § 123 Abs. 1 Satz 2 PatG gewahrt.

cc. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 PatG sind ebenfalls eingehalten. Der Wiedereinsetzungsantrag enthält die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen. Die versäumte Handlung, die Zahlung der 7. Jahresgebühr, ist gleichzeitig mit der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und damit rechtzeitig innerhalb der Antragsfrist erfolgt. Die vorgetragenen Tatsachen sind glaubhaft gemacht worden.

b. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Die Patentinhaber haben in glaubhafter Weise dargetan, dass sie die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr ohne Verschulden versäumt haben. Es trifft weder sie selbst ein Verschulden noch liegt ein den Patentinhabern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihrer Vertreter vor.

Bezüglich der Inlandsvertreter, die nicht mit der Überwachung und Zahlung der Jahresgebühren beauftragt waren, ist ein Verschulden nicht erkennbar. In Fällen, in denen ein Vertreter nicht mit der Einzahlung der Jahresgebühren beauftragt ist, genügt er nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt 10 W (pat) 36/04 vom 2. Februar 2006; 4 W(pat) 78/97 vom 19. August 1998, jeweils vollständig veröffentlicht in juris; BPatGE 13, 87, 93/94) seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht dadurch, dass er den Anmelder/Patentinhaber über die Notwendigkeit und die Frist der Gebührenzahlung sowie auf die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Zahlung hinweist; er muss nicht selbst die Zahlung bewirken oder die Frist hierfür überwachen. Es besteht beim Ausbleiben einer Antwort grundsätzlich auch keine Nachfragepflicht des Vertreters (vgl BPatGE 13, 87, 94). Hiervon ausgehend haben die Inlandsvertreter ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflicht hier dadurch genügt, dass sie den Gebührenhinweis des Patentamts vom 6. Mai 2003 an die britischen Vertreter weitergeleitet haben.

Auch bezüglich der britischen Vertreter, die mit der Überwachung und Zahlung der Jahresgebühren beauftragt waren, ist ein Verschulden nicht feststellbar. Nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag, an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Anhalt besteht, ist die Gebührenüberwachung und -zahlung durch das Datenbanksystem COMUS, auf das die Jahresgebührenzahlungsfirma B... zugreift, wobei diese bei EP-Patenten wie hier darüber hinaus einen Abgleich mit einer weiteren Datenbank (ESPACE des EPA) vornimmt, umfassend organisiert. Den zur Fristversäumung führenden Fehler bei der Dateneingabe in die Datenbank der Kanzlei haben Angestellte der britischen Vertreter (sog. Formalien-Assistenten) verursacht, deren Fehlverhalten nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar ist, da sie nur Hilfspersonen, keine Vertreter sind. Da sie seit mehreren Jahren tätig, eingewiesen und regelmäßig überwacht worden sind, liegt insoweit kein (Auswahl-, Unterweisungs- oder Überwachungs-) Verschulden der britischen Vertreter vor. Da die Zahlung bereits im Januar 2003 erfolgen sollte, was nur an der Angabe des falschen deutschen Aktenzeichens gescheitert ist, ist bereits die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr, die am 28. Februar 2003 geendet hat, ohne Verschulden versäumt worden.

Es kann daher Wiedereinsetzung gemäß dem Hauptantrag der Patentinhaber gewährt werden, nämlich in die Frist zur zuschlagsfreien Zahlung der 7. Jahresgebühr.

4. Der Antrag auf Rückzahlung der zweiten Beschwerdegebühr ist begründet, denn sie ist ohne Rechtsgrund gezahlt und entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückzuzahlen.

Das Patentkostengesetz ist zwar nunmehr dahingehend geändert, dass im Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs. 1 PatKostG unter B. (1) ausdrücklich bestimmt ist, dass die Gebühren Nr. 400 000 bis 401 300 (= Beschwerdegebühr) für jeden Antragsteller gesondert erhoben werden. Ob dies auch dann gilt, wenn in Rechtsgemeinschaft stehende Beschwerdeführer wie mehrere Inhaber eines Patents, einer Marke usw. Beschwerde einlegen, kann hier dahingestellt bleiben. Denn diese am 1. Juli 2006 in Kraft getretene Änderung (durch das Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom 21. Juni 2006, BGBl I, 1318; BlPMZ 2006, 225) ist nicht anwendbar auf in der Vergangenheit abgeschlossene prozessuale Sachverhalte, mithin nicht auf eine Beschwerdeeinlegung wie hier im August 2005. Nach bisheriger Rechtsprechung ist nur eine Beschwerdegebühr zu zahlen, wenn Beschwerdeführer in Rechtsgemeinschaft stehen (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1984, 36, 38 - Transportfahrzeug). Das ist bei mehreren Patentinhabern, wie in der Beschwerdeschrift zu Recht ausgeführt ist, der Fall. Sie bilden, wenn nichts anderes bestimmt ist, eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB (vgl. Schulte, a. a. O., § 6 Rdn. 22). Sie haben daher nur eine Beschwerdegebühr zu zahlen (so auch Hövelmann, Streitgenossen vor dem Patentamt und dem Bundespatentgericht, Mitt. 1999, 129 ff., 133 li. Sp.), so dass die zweite Beschwerdegebühr hier ohne Rechtsgrund gezahlt und zurückzuzahlen ist.






BPatG:
Beschluss v. 22.02.2007
Az: 10 W (pat) 47/05


Link zum Urteil:
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