Landgericht Hamburg:
Urteil vom 20. Februar 2014
Aktenzeichen: 327 O 621/13

(LG Hamburg: Urteil v. 20.02.2014, Az.: 327 O 621/13)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 02.12.2013 wird bestätigt.

2. Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung wegen der Verletzung einer IR-Marke durch den Vertrieb verschiedener Hosenmodelle mit einer in Form eines an der Seitennaht angebrachten Winkelbandes auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin ist ein in D. ansässiges Unternehmen, das Sportartikel sowie Sport- und Freizeitkleidung vertreibt. Der Vertrieb erfolgt zum großen Teil in Deutschland und der Europäischen Union. Sie erzielte damit im Geschäftsjahr 2012 einen Umsatz von ca. 23,5 Mio Euro in Deutschland.

Die Antragsgegnerin ist eine Tochtergesellschaft des H&M-Konzerns, der als Textileinzelhandelsunternehmen Bekleidung in 48 Ländern weltweit verkauft und im Geschäftsjahr 2012 nach eigenen Angaben einen weltweiten Gesamtumsatz von ca. 15,84 Mrd. Euro erwirtschaftet hat. Deutschland ist mit einem Gesamtumsatzanteil von 22 % der umsatzstärkste Absatzmarkt.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Internationalen Registrierung 0...7 (Priorität: 6.12.2006) mit Schutzerstreckung auf die Europäische Gemeinschaft (vgl. Anl. Ast 4):

Die Marke beansprucht Schutz u.a. in Klasse 25 für Bekleidung und steht in Kraft.

Nach Internetrecherchen Ende Oktober 2013 und Testkäufen Mitte November 2013 erlangte die Antragstellerin Kenntnis von der Antragsgegnerin und den von ihr in Deutschland vertriebenen folgenden Hosen (Verletzungsformen a-d):

a)

b)

c)

d)

Die Antragstellerin sieht hierin eine Markenverletzung und forderte die Antragsgegnerin daraufhin mit Schreiben vom 15.11.2013 erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf (vgl. Anl. Ast 23).

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die seitliche Kennzeichnung der Hosen eine Verletzung ihrer Markenrechte aus der unter anderem für Bekleidung eingetragenen Internationalen Registrierung 0...7 darstelle. Hilfsweise macht sie einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 UWG geltend. Sie vertritt insoweit die Auffassung, dass eine irreführende geschäftliche Handlung vorliege.

Aus ihrer Sicht ergibt sich eine weit über das durchschnittliche Maß gesteigerte Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke aus umfangreichen Sponsoringaktivitäten bei verschiedenen populären Sportarten (Fußball, Handball, Radsport), Sportvereinen (u.a. Real Madrid, Benfica Lissabon Hellas Verona, Honved Budapest), Nationalmannschaften (z.B. Dänemark bei den Fußball Welt- bzw. Europameisterschaften 1986, 1992 und 2002) und Veranstaltungen (UEFA-Pokal, DFB-Pokal, Tour de France). Eine Bekanntheit über den sportinteressierten Verkehr hinaus ergäbe sich aus der Tatsache, dass die Kleidungsstücke von prominenten Personen wie R. W., J. L., J. S. und P. H. bei öffentlichen Auftritten getragen würden.

Die sich gegenüberstehenden Zeichen seien einander auch jeweils sehr ähnlich. Geringfügige Unterschiede nehme der Verkehr, der die Zeichen nicht unmittelbar miteinander vergleichen könne, nicht wahr. Zudem entspreche die Verwendung der Streifenkennzeichnung durch die Antragsgegnerin auf den Kleidungsstücken jener der Antragstellerin. Die Benutzung erfolge auch markenmäßig und nicht lediglich ornamental. Dass die Kennzeichnung möglicherweise auch ästhetische Zwecke habe, stehe dem nicht entgegen.

Auf Antrag der Antragstellerin vom 27.11.2013 ist der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 2.12.2013 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden,

in der Bundesrepublik Deutschland Bekleidungsstücke herzustellen oder herstellen zu lassen, einzuführen, anzubieten, zu vertreiben, in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen, die eine Reihe winkelförmig angeordneter Elemente aufweisen, wie aus den nachfolgend eingeblendeten Abbildungen ersichtlich [es folgen die Abbildungen a) € d)]

Gegen die ergangene einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Zur Begründung trägt sie vor, dass es bereits an einer markenmäßigen Benutzung des streitgegenständlichen Zeichens fehle. Denn der Verkehr gehe bei auf der Außenseite von Kleidungsstücken aufgedruckten Wörtern oder Symbolen nicht generell von einem Herkunftshinweis aus. Die angebrachten Winkel würden vielmehr als Verzierung verstanden. Insbesondere sei die Verwendung von Mustern auf der Außenseite von Sportbekleidung ein bekanntes Gestaltungselement, das von einer Vielzahl von Herstellern verwendet werde. Darüber hinaus spielten die Kennzeichnungsgewohnheiten im Bereich der Sportbekleidung für die weibliche Zielgruppe der Antragsgegnerin keine Rolle.

Im Übrigen bestehe aber aufgrund der vom Verkehr wahrgenommenen optischen Unterschiede der Zeichen auch keine Zeichenähnlichkeit und folglich keine Verwechslungsgefahr. Hinzu kämen das Präsentationumfeld und die deutliche Kennzeichnung mit H&M-Marken, die der Verwechslungsgefahr ebenfalls entgegenwirkten.

Zudem sei die Verfügungsmarke nicht rechtserhaltend benutzt, da eine Benutzung stets nur in abweichender und damit nicht rechtserhaltender Form stattgefunden habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Sie vertieft ihr Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass die Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem relevanten Warensektor jener der Antragstellerin und zahlreicher weiterer Hersteller, darunter die Antragsgegnerin selbst, entspreche. Auch bei modischen Freizeithosen sei es Praxis, Bildmarken in Form von Bändern und Streifen entlang der Hosenbein-Außennaht anzubringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2014 verwiesen.

Gründe

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet mit der Folge, dass die bereits ergangene einstweilige Verfügung vom 2.12.2013 zu bestätigen war. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind gegeben.

1.

Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin folgt aus Art. 9 Abs. 1, S. 2 lit. b) GMV. Danach ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Gemeinschaftsmarke ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Gem. Art. 145 GMV hat die internationale Registrierung dieselbe Wirkung wie die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, soweit die Europäische Gemeinschaft als Registrierungsstaat benannt ist.

a) Die streitgegenständliche Kennzeichnung der Hosen mit Winkelbändern stellt eine markenmäßige Benutzung dar. Die markenmäßige Benutzung setzt voraus, dass das Zeichen im Rahmen des Produktabsatzes vom Verkehr jedenfalls auch zur Unterscheidung der Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer benutzt wird, so dass die Abnehmer es als Herkunftskennzeichnung dieser Waren oder Dienstleistungen auffassen (EuGH GRUR 2007, 971, 972 (Tz. 27) € Céline). Ausreichend ist insofern, dass die Benutzung den bloßen Eindruck aufkommen lässt, dass eine Verbindung im geschäftlichen Verkehr zwischen den betroffenen Waren und dem Markeninhaber besteht (EuGH GRUR 2003, 55, 58 (Tz. 56) € Arsenal Football Club).

Im vorliegenden Fall ist maßgeblich, wie der Verkehr die seitlich an den Hosen angebrachten Winkelbänder versteht. Für die Beurteilung ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten des jeweiligen Warensektors abzustellen (BGH BeckRS 2010, 16047, Tz. 20 - CCCP). Entscheidend sind die Kennzeichnungsgewohnheiten im Bereich der Sport- und Freizeitkleidung. An einer markenmäßigen Verwendung fehlt es, wenn der Verkehr die Positionierung der Winkel lediglich als funktionelle oder ästhetische Ausgestaltung und damit nicht als Herkunftshinweis ansieht (vgl. BGH GRURInt 2012, 666, 668 € Medusa; GRUR 2008, 793 € Rillenkoffer). Der Verkehr betrachtet nicht jedes auf Kleidungsstücken abgedruckte Symbol als Herkunftshinweis. So wird er bloße Wörter der allgemeinen Sprache, insbesondere solche, deren Sinngehalt sich ihm im Sinne einer allgemeinen Bedeutung (Meinungsäußerung, Parole etc.) erschließen, nicht als Herkunftshinweis auffassen. Gleiches gilt bei Zeichen für bloße Verzierungen, die als solche erkennbar sind.

Dafür, dass die seitliche Kennzeichnung als Herkunftshinweis verstanden wird und es sich damit gerade nicht um eine bloße Verzierung handelt, spricht vorliegend jedoch die im Bereich der Sport- und Freizeitkleidung übliche Positionierung von auf den Hersteller hindeutenden Zeichen an der Außenseite von Sport-Hosen. So sind dem Verkehr unter anderem in ähnlicher Weise die €Adidas€-Streifen als Herkunftshinweis bekannt. Der hohe Bekanntheitsgrad der Adidas-Kennzeichnung trägt insofern zu einem Verkehrsverständnis bei, das seitlich auf einer Sporthose angebrachte Kennzeichnungen überwiegend als Herkunftshinweis und nicht als bloße Dekoration versteht. Dass die Verfügungsmarke insoweit aufgrund der niedrigeren Verkaufszahlen nicht den gleichen Bekanntheitsgrad wie Adidas erreicht, führt zu keinem anderen Ergebnis, da jedenfalls ein zwar im Vergleich zur Adidas-Kennzeichnung geringerer, aber trotzdem noch erheblicher Teil des Verkehrs von einem Herkunftshinweis ausgehen wird. Hiergegen spricht auch nicht, dass eine Zuordnung möglicherweise nicht eindeutig zum Unternehmen der Antragstellerin erfolgt. Ausreichend ist, dass der Verkehr in der Kennzeichnung den Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sieht, ohne dass er in der Lage sein muss, dieses konkret zu benennen.

Diese Ansicht steht auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des OLG Köln (GRUR-RR 2006, 360, 361, Tz. 11 € Streifenornamentik und Herstelleremblem auf Sportbekleidung), in welcher das Gericht Streifenmustern per se eine dekorative Natur zugesprochen hat. Diese Entscheidung kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, da es sich bei dem Winkelband um eine komplexere und vor allem zur Verzierung von Sport- und Freizeithosen auch ungewöhnlichere geometrische Formen handelt, als dies bei einfachen Streifen der Fall ist.

Soweit gegen die Komplexität des Winkelbandes die Entscheidung des EuGH (GRUR 2013, 519 € Umsäumter Winkel) angeführt wird, ist die Feststellung, dass es sich bei einem mit gestrichelten Linien umsäumten Winkel um eine einfache und banale Form handelt, nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zum einen handelt es sich vorliegend nicht um Schuhwaren, sondern um Sport- und Freizeithosen. Zum anderen stellt die Zeichenform der Verfügungsmarke keinen einzelnen Winkel, sondern eine Anordnung mehrerer Winkel dar. Dies spricht für eine erhöhte Komplexität, die auch vom Verkehr als solche wahrgenommen wird, was wiederum gegen die Einordnung als bloße Verzierung aus Verkehrssicht spricht.

Es handelt sich bei dem Winkelband auch nicht lediglich um eine bloße Variation eines sogenannten Fischgrät-Musters. Ein solches Muster ist durch seine ornamentale Orientierung an der Form eines Fisch-Rückgrats mit Gräten gekennzeichnet. Bei Textilien erfolgt die Umsetzung durch abwechselnde Verwendung verschiedenfarbigen Garns und der periodischen Anordnung seiner Elemente in Form einer Translationssymmetrie im rechten Winkel oder 45° zum rechten Winkel. Es handelt sich bei einem Fischgrät-Muster zudem um ein Stoffmuster, das als solches - und nicht als auf den Stoff aufgebrachte Verzierung wahrgenommen wird. Sein Charakter besteht gerade darin, dass das Kleidungsstück selbst in diesem Muster genäht ist und nicht darin, dass ein solches Muster auf das Material aufgebracht wird. Es ist daher nicht naheliegend, dass der Verkehr in den Winkelbändern ein solches Muster und damit eine ihm bekannte ästhetische Gestaltung sehen wird.

Das Anbringen des Winkelbandes an der Seite der Hose entspricht auch den Kennzeichnungsgewohnheiten im Bereich der Sport- und Freizeithosen. Zwar handelt es sich bei der gekennzeichneten Ware nicht um Sportkleidung. Allerdings ist eine klare Trennung von Sport- und Freizeitkleidung nach dem heutigen Verkehrsverständnis nicht möglich. Beide Bereiche gehen fließend ineinander über und ergänzen sich. Welche Kleidungsstücke welchem Bereich zuzuordnen sind, werden vielfach Teile des Verkehrs ganz unterschiedlich beurteilen. Eine strikte Trennung dieser beiden Segmente lässt sich so nicht aufrechterhalten. Insbesondere wird es der Verkehr als nahe liegend empfinden, dass Designs für Sportsachen auch auf Freizeitkleidung übertragen werden bzw. dies als logische Erweiterung einer Produktlinie auffassen.

Auch die an in der Kleidung der Antragsgegnerin angebrachten Hüfteinnäher, die zweifellos einen Herkunftshinweis enthalten, ändern nichts an der herkunftshinweisenden Funktion des Winkelbandes. Die Kennzeichnung ist im Inneren der Hose angebracht. Der Verkehr wird Hüfteinnäher und die hierauf aufgebrachten Informationen daher in der Regel nur wahrnehmen, wenn er gezielt hiernach sucht. Dies erfolgt typischerweise erst nach dem Kauf eines Produkts. Dagegen ist es gerade ein wesentliches Element eines Herkunftshinweises € mithin einer Marke € dem Betrachter von sich aus €ins Auge zu stechen€. Dieser Funktion ist sich auch der Verkehr bewusst und nimmt dementsprechend auffallend herausstehende Zeichen gerade deswegen als Herkunftshinweis wahr. Aber selbst wenn der Verkehr auch die Kennzeichnung €H&M€ des Hüfteinnäher wahrnehmen würde, so spricht dies nicht dagegen die Winkelbänder als Herkunftshinweis auf die Antragstellerin zu interpretieren. Denn der Verkehr ist die Mehrfachkennzeichnung von Waren gewöhnt und versteht ihre Verwendung als herkunftshinweisend. Dies liegt insbesondere bei der Verwendung verschiedener Marken in unterschiedlichen Funktionen nahe (BGH GRUR 2002, 171, 173 € Marlboro-Dach; vgl. Ingerl/Rohnke MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 198 m.w.N.). Darüber hinaus kennt der Verkehr die Vertriebsstrukturen sowohl von Antragsgegnerin wie Antragstellerin im Einzelnen nicht. Dass die Kleidungstücke nur über die Antragsgegnerin verkauft werden bedeutet nicht zwingend, dass der Verkehr nicht dem Eindruck unterliegt, dass die Produkte der Antragstellerin auch über die Antragsgegnerin vertrieben werden. Hierfür spricht auch, dass die Antragsgegnerin aktuell und in der Vergangenheit Kooperationen mit bekannten Designern eingegangen ist (bspw. €Versace€). Dass solche Kooperationen regelmäßig von der Antragsgegnerin beworben bzw. angekündigt werden, wird dem Verkehr im Regelfall nicht vollumfänglich bekannt sein. Er wird eine Kooperation jedenfalls nicht deswegen ausschließen, weil er eine solche nicht in der Werbung gesehen hat.

b) Zwischen der Verfügungsmarke der Antragstellerin und den von der Antragsgegnerin verwendeten Zeichen (Vergleichsformen a-d) besteht markenrechtliche Verwechslungsgefahr. Die Antragsgegnerin verwendet hochgradig ähnliche Zeichen für identische Waren.

Verwechslungsgefahr erfordert, dass der Verkehr aufgrund der Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen mit der Marke sowie dem streitgegenständlichen Zeichen davon ausgehen kann, dass die gekennzeichneten Waren aus dem selben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen könnten (st. Rspr.: vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 924 (Tz. 29) € Canon; EuGH GRUR 2010, 451, 453 (Tz. 38) € BergSpechte; vgl. Ingerl/Rohnke MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 369 m.w.N.). Die Verwechslungsgefahr ist mit Blick auf die angesprochenen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der gekennzeichneten Waren zu beurteilen, wobei zwischen diesen eine Wechselwirkung bestehen kann (EuGH GRUR 1998, 922, 923 (Tz. 17) € Canon).

aa) Die von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke ist durch langjährige und prominente Benutzung deutlich gesteigert.

Unter Kennzeichnungskraft versteht man die Eignung eines Zeichens, sich dem Publikum aufgrund seiner Eigenart und seines ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Marke einzuprägen, d.€h. als Herkunftshinweis erkannt, in Erinnerung behalten und wiedererkannt zu werden. (Ingerl/Rohnke MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 497).

Zu berücksichtigen sind dabei die Eigenschaften, die die Marke von Haus aus besitzt, der gehaltene Marktanteil, die geographische Verbreitung und Dauer ihrer Benutzung als Herkunftshinweis (vgl. EuGH GRUR 2005, 763, 764 (Tz. 25 f.) € Nestlé; EuGH GRUR Int. 2006, 842, 845 (Tz. 61) € Storck; EuGH GRUR 2002, 804, 808 (Tz. 64) € Philips) sowie der Werbeaufwand und der Anteil der beteiligten Verkehrskreise, der die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt. Dabei ist insbesondere auf die Bekanntheit der Marke abzustellen (EuGH GRUR-RR 2009, 356, 358 (Tz. 62) € Editions Albert René). Die höhere Bekanntheit einer Marke rechtfertigt einen umfassenderen Schutz gegenüber Marken, mit geringerer Kennzeichnungskraft (EuGH GRUR 1998, 922, 923 (Tz. 18) € Canon; vgl. Ingerl/Rohnke MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 501 m.w.N.). Demgegenüber sind allgemein in gewerblichen Kennzeichnungen oder für bestimmte Produkte häufig verwendete und abgegriffene Bildsymbole als kennzeichnungsschwach einzustufen (Ingerl/Rohnke MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 592).

Die Antragstellerin hat vorliegend glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsmarke eine gewisse Bekanntheit aufgrund der Verwendung für Sportbekleidung erlangt hat. Hierfür spricht insbesondere die Verwendung bei sportlichen Großereignissen, die in der Regel ein hohes Publikumsinteresse hervorrufen (vgl. Anlagenkonvolute ASt 1 € 3), die lange Tradition des Sponsoring seit den 60iger Jahren bis heute (vgl. Anlagenkonvolute ASt 6 € 17 und eidesstattliche Versicherung Schriver, Anl. ASt 18). Hinzu kommt, dass die Produkte von einigen Prominenten getragen wurden, was aufgrund des Verkehrsinteresses am Modegeschmack prominenter Personen ebenfalls für einen erhöhten Bekanntheitsgrad spricht. Auf der anderen Seite ist auch die Markenform € obwohl sie in ihrer Grundstruktur auf einer bekannten geometrischen Figur (€Winkel€) basiert € hinreichend komplex, um nicht als unterdurchschnittlich kennzeichnungsstark beurteilt zu werden. Auch bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine mögliche Schwächung der Kennzeichnungskraft durch verwendete Drittzeichen.

bb) Zwischen den streitgegenständlichen Zeichen und der Verfügungsmarke besteht hochgradige Zeichenähnlichkeit. Es handelt sich vorliegend um den Vergleich zweier reiner Bildzeichen. Die Zeichenähnlichkeit ist somit nach dem Grad der Ähnlichkeit in Bild und Bedeutung zu bestimmen, sowie ggf. nach der Bedeutung, die diesen Elementen unter Berücksichtigung der Art der Waren oder Dienstleistungen und den Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zukommt (EuGH GRUR 2007, 700, 701 f. (Tz. 36) € Shaker; EuGH GRUR 2006, 237, 239 (Tz. 37) € Ruiz-Picasso; vgl. Ingerl/Rohnke, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 377, 809). Bei Bildzeichen ist dabei der Gesamteindruck des Zeichens zugrundezulegen (EuGH GRUR 1998, 387, 390 (Tz. 23) € SABEL).

Die Verfügungsmarke stellt eine Aneinanderreihung von 8 bzw. 16 nach unten zeigenden Winkeln dar. Dabei wechseln sich schwarze und weiße Winkel ab, wobei letztere auch als Lücken zwischen den schwarzen Winkeln wahrgenommen werden können. Die Winkel sind dabei in Größe, Form und Abstand gleich. Sie sind in einem stumpfen Winkel (zwischen 90 und 180 Grad) geöffnet.

Die Vergleichsform (a) besteht ebenfalls aus nach unten zeigenden Winkeln, die in einer von oben nach unten laufenden Kette aneinandergereiht sind. Dabei unterscheidet sich die Winkelform durch die geringere Balkendicke und größere Öffnungswinkel von der Verfügungsmarke. Zudem handelt es sich um jeweils drei dicht hintereinander angeordnete Winkel mit hierauf folgender Lücke. Im Hinblick auf den Gesamteindruck bleiben jedoch die wesentlichen Merkmale enthalten, die sich als €Winkelband mit nach unten zeigenden Winkeln€ beschreiben lassen.

Bei Vergleichsform (b) sind die Winkel abstrakter und verzierter gestaltet. Trotzdem bleiben die Winkelform und das Grundmuster der linienförmigen Anordnung erkennbar.

Vergleichsformen (c) und (d) sind dem Verfügungszeichen hier insofern ähnlicher, als sie ihr vom Öffnungswinkel praktisch ganz entsprechen. Darüber hinaus ist der Wechsel dunkler Winkel/heller Winkel (oder je nach Betrachtungsweise Freifläche zwischen den Winkeln) mit der Anordnung der Marke der Antragstellerin praktisch identisch und unterscheidet sich lediglich durch einen weißen Punkt, der in die schwarzen Winkel hineinreicht.

Alle Vergleichsformen stellen ein nach unten laufendes Winkelband dar. Auch wenn die Winkel sich in den genannten Einzelheiten von der Gestaltung der Verfügungsmarke unterscheiden, so treten diese Unterschiede im Vergleich zu den Gemeinsamkeiten zurück. Der Verkehr wird die verwendeten Winkelbänder daher jeweils als mit dem Winkelband der Verfügungsmarke als sehr ähnlich empfinden.

Hieran vermögen auch die jeweils vorhandenen graphischen Unterschiede nichts zu ändern. Weder die leicht veränderte Form der Winkel, noch die abweichende Winkelgröße oder Balkendicke verändern das Zeichen in seinem charakteristischen Wesen. Dies gilt erst recht für den weißen Punkt der Vergleichszeichen c) und d). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Verkehr die beiden Zeichen in der Regel nicht gleichzeitig betrachten wird, sondern den Vergleich jeweils auf Grundlage eines undeutlichen Erinnerungseindrucks anstellt (vgl. EuGH GRUR Int. 2007, 718, 721 (Tz. 60) € Alcon). Dabei treten Detailunterschiede im Erinnerungsbild eher zurück. Die Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen bewegen sich eben gerade im Bereich von Details und fallen daher gegenüber den Gemeinsamkeiten in der Gesamtgestaltung weniger ins Gewicht. Daher ist es auch unerheblich, dass die Anzahl der Winkel teilweise von der der Verfügungsmarke abweicht. Der Verkehr wird diese Abweichung entweder nicht bemerken oder er wird ihr keine Bedeutung beimessen, da er die Marke der Antragstellerin nicht spezifisch als eine Aneinanderreihung von acht oder 16 Winkeln, sondern lediglich von mehreren Winkeln interpretiert. Insbesondere lässt diese Tatsache wie auch die oben erwähnten Unterschiede für den Verkehr eher die Interpretation wahrscheinlich erscheinen, dass es sich um eine designspezifische Fortentwicklung des Winkelmusters der Verfügungsmarke handeln kann. Obwohl es sich hier um keine Positionsmarke handelt, trägt insoweit auch die Anbringung des Zeichens an der exakt selben Position, nämlich der seitlichen Längsnaht der Hose, zu diesem Gesamteindruck bei.

cc) Zwischen den Waren für die das Verfügungszeichen Schutz genießt (u.a. Bekleidung) und den mit den angegriffenen Zeichen gekennzeichneten Waren (Sport- bzw. Freizeithosen) besteht Warenidentität.

dd) Im Ergebnis ist das Bestehen von unmittelbarer Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen zu bejahen. In Anbetracht der Warenidentität und der gesteigerten Kennzeichnungskraft sind unter Berücksichtigung des Prinzips der Wechselwirkungslehre (EuGH GRUR 1998, 922, 923 (Tz. 17) € Canon) keine gesteigerten Anforderungen mehr an den Grad der Kennzeichenähnlichkeit zu stellen. Jedenfalls wird der insoweit erforderliche deutliche Zeichenabstand zwischen Verfügungsmarke und Vergleichszeichen in keinem der streitgegenständlichen Fälle gewahrt. Ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs wird beim Betrachten der Zeichen davon ausgehen, dass die damit gekennzeichneten Produkte aus demselben bzw. miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

d) Die Marke ist auch rechtserhaltend benutzt worden. Gem Art 15 Abs. 1 lit. a) GMV gilt als Benutzung einer eingetragenen Marke auch die Benutzung der Gemeinschaftsmarke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass hierdurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird. Entscheidend ist, ob der Verkehr in der benutzten Form dieselbe Marke sieht oder die eingetragene und die benutzte Form als dasselbe Zeichen ansieht (Ingerl/Rohnke MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 26 Rn. 137 m.w.N.). Die bloße Tatsache, dass der Verkehr Unterschiede in den Zeichen erkennt, schadet also nicht. Bei Bildzeichen spricht dabei die Weglassung von auffallenden, den Gesamteindruck (mit-)prägenden Bildbestandteilen gegen eine rechtserhaltende Benutzung (BGH GRUR 1999, 498, 499 f. € Achterdiek).

Die Verfügungsmarke enthält acht bzw. 16 Winkelelemente, demgegenüber werden auf den von der Antragstellerin gekennzeichneten Waren auch Winkelketten mit anderen Winkelanzahlen verwendet. Der Verkehr wird hier jedoch aufgrund einer höheren Winkelzahl kein von der eingetragenen Marke abweichendes Zeichen in der verwendeten Form erkennen. Er wird das Zeichen als Winkelband mit einer Vielzahl von Winkel interpretieren, dessen genaue Länge auch von der jeweiligen Kleidungsgröße abhängen kann. In den meisten Fällen wird er sich der genauen Anzahl der Winkel nicht bewusst sein. Eine abweichende Verwendung in dem Sinne, dass wesentliche Bildelemente weggelassen oder verändert worden wären, ist hier nicht erfolgt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 20.02.2014
Az: 327 O 621/13


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