Landgericht Aachen:
Urteil vom 7. September 2010
Aktenzeichen: 41 O 110/09

(LG Aachen: Urteil v. 07.09.2010, Az.: 41 O 110/09)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zur Vollstreckung kommenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Pflanzenschutzmittel herstellt und vertreibt, unter anderem auch in Deutschland. Ihr wurde für das Pflanzenschutzmittel "U ..." in Deutschland durch das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Zulassung nach § 15 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) erteilt.

Diese Zulassung ist zwischenzeitlich vom BVL zum 30.5.2010 widerrufen worden. Gleichzeitig wurde eine Aufbrauchfrist bis zum 30.5.2011 festgesetzt.

Die Beklagte ist eine Handelsgesellschaft, die sich mit dem Import und Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln nach Deutschland befasst.

Die Beklagte lieferte im April 2009 an die Firma C GmbH in U3 (N-W) ein Pflanzenschutzmittel mit der Bezeichnung "C2 ...". Für ein Pflanzenschutzmittel mit dieser Bezeichnung hatte das BVL der Firma B eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gem. § 16 c) PflSchG erteilt.

Die Klägerin beauftragte die T GmbH, eine Probe aus dem an die C GmbH gelieferten und am 6.4.2009 gekauften Gebinde zu untersuchen.

Der Untersuchungsbericht vom 06.05.2009 kam zu dem Ergebnis, dass die Formulierung von "C2 ..." nicht mit dem Mittel "U1 ..." vergleichbar sei. In Bezug auf den Magnesiumgehalt wichen die Mittel um das zwanzigfache, in Bezug auf den Aluminiumgehalt um das sechzigfache voneinander ab. In einem weiteren Untersuchungsbericht vom 18.08.2009 stellte das Institut T Unterschiede in Bezug auf die Teilchengrößenverteilung bei den beiden Mitteln fest.

In einem Schreiben vom 16.07.2009 (Anlage B3) teilte das BVL mit, dass die Abweichungen der beiden Mittel bekannt seien, das BVL aber keine Hinweise in dem ersten T-Bericht vom 06.05.2009 vorfinden könne, die gegen die der Behörde vorliegende Zusammensetzung sprechen. Das BVL sehe keine Hinweise, dass die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung missbraucht werde.

In einem Schreiben des BVL vom August 2009 (B8) an die Beklagte teilte die Behörde mit, dass die in der ersten Untersuchung des Institut T festgestellten Unterschiede zwar bestätigen, dass die Mittel nicht zu 100 % übereinstimmten, die Unterschiede aber nach Ansicht des BVL nicht ausreichten, um eine fehlende Identität im Sinne des Parallelhandels zu beweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels "C2 ..." sei unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 16 c) PflSchG nicht vorlägen. Sie behauptet, es fehle an der Zulassung dieses Mittels in einem anderen EU/EWR-Mitgliedsstaat. Es handle sich um illegale Importware unbekannter Herkunft. Die Beklagte verfüge nicht über eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung und könne sich auch nicht auf die der Firma B erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung berufen.

Es gebe keinen stofflichen Unterschied in der Zusammensetzung von "U ..." und dem vom Institut T untersuchten "U1 ...". Es läge aber keine stoffliche Übereinstimmung zwischen "U ..." als Referenzmittel und "C2 ..." vor, was sich aus dem Bericht des Instituts T ergebe.

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass das Merkmal der Ursprungsidentität des Referenzmittels und des Parallelimports aufgrund richtlinienkonformer Auslegung des § 16 c) PflSchG für einen rechtmäßigen Parallelimport gegeben sein müsse.

Es läge Missbrauch vor. Das bei der Fa. C erstandene Mittel könne nicht von der Fa. B stammen, da jene bereits am 1.4.2009 über das Mittel verfügt habe, die Beklagte ihrerseits aber erst am 1.4.2009 durch die Fa. B beliefert worden sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

das von ihr unter der Bezeichnung "C2 ..." angebotene Pflanzenschutzmittel, welches den Wirkstoff "Bifenthrin" in einer Konzentration von 80 g/l enthält, im Geltungsbereich des deutschen Pflanzenschutzgesetzes in Verkehr zu bringen, d.h. dieses Pflanzenschutzmittel anzubieten und/oder zur Abgabe vorrätig zu halten und/oder feilzuhalten und/oder an andere abzugeben, soweit nicht dieses Mittel

in der Bundesrepublik Deutschland

zugelassen ist oder

(2) (a) in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen ist und

(b) mit dem in Deutschland zugelassenen Referenzmittel stofflich übereinstimmt und

(c) über eine vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gemäß § 16 c) PflSchG verfügt sowie

(d) von der Klägerin, einem der Klägerin angeschlossenen Unternehmen oder einem Lizenznehmer der Klägerin nach demselben Prozess hergestellt wurde,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 01. Januar 2009 das von ihr unter der Bezeichnung "C2 ..." angebotene, den Wirkstoff Bifenthrin in einer Konzentration von 80 g/l enthaltene Pflanzenschutzmittel in den Geltungsbereich des deutschen Pflanzenschutzgesetzes in Verkehr gebracht hat, d.h. dieses Pflanzenschutzmittel angeboten und/oder zur Abgabe vorrätig gehalten und/oder feil gehalten und/oder an andere abgegeben hat, und zwar unter der Angabe der Liefermenge, Lieferzeiten, Lieferpreise und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, einschließlich der Gestehungskosten und einschließlich des erzielten Gewinns,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch den in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 01. Januar 2009 erfolgten Vertrieb von nicht verkehrsfähigen Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Bifenthrin durch die Beklagte, insbesondere des von ihr angebotenen Pflanzenschutzmittels "C2 ...", entstanden ist und künftig noch entstehen wird und

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 3.914,- € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2009 zu erstatten.

Für den Fall des Obsiegens beantragt die Klägerin,

5. dass sie befugt ist, dass Urteil auf Kosten der Beklagten öffentlich bekannt zu machen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das Pflanzenschutzmittel "C2 ..." sei in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassen. Zulassungsinhaberin und Herstellerin sei die Firma H AG. Das Pflanzenschutzmittel "C2 ..." sei von der Firma B als Inhaberin der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach Deutschland importiert, von der Beklagten erworben und sodann weiter vertrieben worden. Es handle sich bei dem importierten Mittel auch um das Mittel, für das eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wurde. Sie ist der Ansicht, sie benötige keine eigene Verkehrsfähigkeitsbescheinigung. Die der B erteilte Bescheinigung sei für den vorliegenden Rechtsstreit und das Vorliegen eines rechtmäßigen Parallelimports vorgreiflich.

Die Beklagte ist der Ansicht, § 16 c) PflSchG lasse eine stoffliche Übereinstimmung genügen. Die bestehenden stofflichen Unterschiede zwischen beiden Mitteln seien unerheblich, was auch die Stellungnahmen des BVL zeigten. Eine Herstelleridentität sei nach geltendem deutschen und europäischen Recht nicht erforderlich.

Sie meint, der Untersuchungsbericht des Instituts T sei untauglich. Weil das Institut mangels Kenntnis der Formulierungsdaten im Gegensatz zum BVL keine Dokumentenprüfung vornehme und vornehmen könne, sei es verpflichtet gewesen, die zu vergleichenden Pflanzenschutzmittel aus solchen Gebinden zu entnehmen, die in Deutschland in den Markt in Verkehr gebracht worden und original verschlossen gewesen seien. Dies sei jedenfalls bei dem Mittel "U1 ..." nicht erfolgt, denn dem Institut sei ein Gebinde zur Verfügung gestellt worden, bei dem es sich um eine nicht für den Verkauf bestimmte Forschungs- und Entwicklungsprobe gehandelt habe. Zudem handele es sich bei dem Referenzmittel um das Produkt "U ...", nicht "U1 ...". Die Identität beider Mittel werde mit Nichtwissen bestritten.

Die Untersuchungen des Instituts T seien auch naturwissenschaftlich nicht haltbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht Aachen ist sachlich gem. § 13 UWG und örtlich gem. § 14 Abs. 1 UWG als Gericht der Hauptsache zuständig.

Die Feststellungsklage des Klageantrags zu 2) ist gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das Feststellungsinteresse ist gegeben. Die Klägerin besaß bei Eintritt der Rechtshängigkeit als einziges Unternehmen eine Bifenthrin-Zulassung in Deutschland. Ein Schadenseintritt durch negative Absatzwirkungen bei der Klägerin ist wahrscheinlich, denn es ist davon auszugehen, dass die Beklagte durch den Verkauf von "C2 ..." einen Teil der Nachfrage auf sich umlenken konnte.

Die Klage ist aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr.11, 8 UWG i.V.m. §§ 11, 16 c) PflSchG.

Eine unlautere Wettbewerbshandlung der Beklagten nach § 4 Nr. 11 UWG liegt nicht vor. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Ein Verstoß gegen §§ 11, 16 c) PflSchG, also ein rechtswidriger Parallelimport von Pflanzenschutzmitteln, konnte von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt werden.

Gemäß § 11 Abs.1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel in der Formulierung, mit der die Abgabe an den Anwender vorgesehen ist, nur in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom BVL zugelassen sind. Liegt eine Zulassung nicht vor, gilt es als zugelassen, wenn seine Verkehrsfähigkeit nach § 16 c) PflSchG vom BVL festgestellt worden ist. Gemäß § 16 c) PflSchG darf ein Pflanzenschutzmittel, das in einem anderen Mitgliedstaat oder einem EWR-Staat zugelassen ist und mit einem in Deutschland zugelassenen Mittel übereinstimmt, nur eingeführt und in den Verkehr gebracht werden, wenn derjenige, der die Einfuhr oder das Inverkehrbringen vornehmen will, beim BVL vor dem erstmaligen Inverkehrbringen die Feststellung der Verkehrsfähigkeit beantragt und das BVL diese festgestellt hat. Die Prüfung der Verkehrsfähigkeit durch das BVL ist hier nach Maßgabe der § 16 c) Abs.1, 4 PflSchG i.V.m. § 1 c) PflSchMGV erfolgt.

Ein Verstoß liegt nicht in der unstreitig fehlenden Ursprungsidentität des importierten Mittels mit dem Produkt der Klägerin. Für einen rechtmäßigen Parallelimport von Pflanzenschutzmitteln ist das Vorliegen dieser Voraussetzung nach geltendem Recht nicht erforderlich.

Das geltende PflSchG selbst sieht - insoweit abweichend vom Referentenentwurf vom 24.06.2004 und vom Gesetzesentwurf vom 05.11.2994, BR-Drs. 871/04 - keine derartige zusätzliche Voraussetzung vor.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass das Erfordernis der Ursprungsidentität richtlinienrechtlich (RL 1991/414/EWG) geboten ist und insofern eine richtlinienkonforme Auslegung in Betracht käme.

Die zwingende Ursprungsidentität folgt nicht aus den Urteilen des EuGH in den Rechtssachen C-100/96 (British Agrochemicals) und C-201/06 (Deltamex).

Die Vorlageentscheidung des EuGH C-100/96 (British Agrochemicals) gibt eine bejahende Antwort auf die Frage, ob britische Prüfungsrichtlinien den Anforderungen der RL 91/414/EWG genügen, welche bei bestrittener Identität des Mittels mit dem im Inland zugelassenen Stoff unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Herstelleridentität) ein erneutes Zulassungsverfahren nicht gebieten, sondern ein vereinfachtes Verfahren zur Feststellung der Identität vorsehen. Die vom Gerichtshof für diesen Fall formulierten Voraussetzungen für ein Abweichen von dem in der Richtlinie an sich vorgesehenen Zulassungsverfahren dürfen nicht aus dem Sinnzusammenhang herausgerissen werden, in dem sie stehen (so BGH I ZR 134/00, WRP 2003, 268ff., "Zulassungsnummer III", S. 7). Der EuGH-Entscheidung kann nicht entnommen werden, dass die Richtlinie über ihren Wortlaut hinaus auch vorschreibt, dass ein mit einem im Einfuhrmitgliedstaat zugelassenen Stoff identisches Mittel bei fehlender Herstelleridentität keinen rechtmäßigen Parallelimport darstellen kann ( so: BGH, ebenda).

In der Rechtssache C-201/06 vom 21.02.2008 (Deltamex) hatte der EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren zu prüfen, ob es gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs nach Art. 28 EGV (heute Art. 34 AEUV) verstößt, wenn in einem vereinfachten Zulassungsverfahren für Parallelimporte die Ursprungsidentität als zusätzliche Voraussetzung aufgenommen worden ist. Der EuGH hat entschieden, dass die Statuierung dieser Voraussetzung in einem vereinfachten Zulassungsverfahren zulässig ist. In Rn.38 führt der EuGH aus, dass der gemeinsame Ursprung einen wichtigen Anhaltspunkt für die Übereinstimmung der betreffenden Erzeugnisse und damit dafür darstelle, dass die Zulassung des Referenzerzeugnisses für das Einfuhrerzeugnis verwendet werden kann. In Rn. 43 betont der EuGH, dass die Erzeugnisse für den Fall, dass sie keinen gemeinsamen Ursprung hätten, parallel, d.h. von zwei konkurrierenden Unternehmen hergestellt worden seien und deshalb als erstmals im Einfuhrmitgliedstaat in den Verkehr gebracht betrachtet werden müssten, so dass der Einfuhrmitgliedstaat grundsätzlich die Einhaltung des durch die Richtlinie eingeführten Zulassungsverfahrens verlangen oder ggf. das Inverkehrbringen und die Verwendung verbieten müsse. Diese Ausführungen des EuGH wurden jedoch im Zusammenhang mit einer sich von der deutschen Regelung deutlich unterscheidenenden französischen Regelung getroffen. Auch impliziert die Annahme eines "wichtigen Anhaltspunkts" nicht ein zwingendes Erfordernis der Ursprungsidentität für jeden nationalen Gesetzgeber. Aus den Entscheidungsgründen kann nicht gefolgert werden, dass die deutsche Regelung des Zulassungsverfahrens in §§ 11 ff. PflSchG, die das Erfordernis der Ursprungsidentität gerade nicht vorsieht, gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Denn die vom EuGH geforderte Zulassung wird durch das Verfahren nach §§ 16c, 11 PflSchG sicher gestellt. Dass eine Zulassung nur in Betracht kommt, wenn Ursprungsidentität gegeben ist, ist der genannten Entscheidung nicht zu entnehmen.

Das Erfordernis der Ursprungsidentität folgt für den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht aus Art. 52 der VO (EG) 1107/2009. Diese Verordnung tritt gem. Art. 84 a.E. erst ab dem 14. Juni 2011 in Kraft und ist damit für die streitgegenständliche Wettbewerbshandlung nicht von Belang.

Von einem rechtswidrigen Parallelimport ist auch mit Blick auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 16 c) PflSchG nicht auszugehen.

Die Klägerin behauptet, dass für das tatsächlich importierte Pflanzenschutzmittel weder eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat bestehe, noch eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für dieses vorliege und auch die stoffliche Identität nicht gegeben sei. Die Ausführungen der Klägerin hierzu sind aber nicht hinreichend substantiiert und vermögen die Annahme eines Verstoßes der Beklagten nicht zu begründen.

Die Darlegungslast für den Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung trägt die Klägerin. Im Fall des § 4 Nr. 11 UWG hat entsprechend den allgemeinen Regeln der Anspruchsteller den Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 26.06.2008, I ZR 112/05, Rz.11). Mit Blick auf die Entscheidung des BGH in der Rechtssache "Quizalofop" gilt jedoch etwas anderes, wenn das beanstandete Verhalten unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht. In diesem Fall müsse der Anspruchsteller lediglich darlegen und beweisen, dass das beanstandete Verhalten von dem generellen Verbot erfasst wird. Demgegenüber trage der in Anspruch Genommene die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das fragliche Verhalten ausnahmsweise zulässig ist. Damit weist der BGH dem Importeur bzw. Vertreiber des Pflanzenschutzmittels die Darlegungslast zu (BGH, Urteil vom 19. November 2009, I ZR 186/07, S. 7 - Quizalofop). Es ist jedoch zu beachten, dass dieses Urteil noch zur Rechtslage vor der im Jahr 2006 erfolgten Reform des PflSchG ergangen ist. Nach alter Rechtslage gab es das zwingende Genehmigungsverfahren nach § 16 c) PflSchG noch nicht; das im Rechtsstreit "Quizalofop" gegenständliche Mittel war zuvor noch nie von einer Behörde auf seine stoffliche Übereinstimmung mit einem Referenzmittel überprüft worden. Anders stellt sich der vorliegende Fall dar, in dem das BVL die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach Prüfung der Voraussetzungen des § 16 c) PFlSchG für "C2 ..." erteilt hat. Bei dieser Verkehrsfähigkeitsbescheinigung handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 S.1 VwVfG. Innerhalb des insoweit vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens hat das BVL geprüft und bejaht, dass die erforderliche EU/EUG - Zulassung vorliegt und die stoffliche Übereinstimmung gegeben ist.

Hiervon ist für das weitere Verfahren auszugehen.

Der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG ist dann nicht erfüllt, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH I ZR 194/02, "Atemtest", Rz.16 m.w.N.). Die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung spricht als begünstigender Verwaltungsakt die Berechtigung der Beklagten aus, dieses Produkt in den Verkehr zu bringen. An diesen Verwaltungsakt sind die Zivilgerichte, solange er besteht, gebunden. Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass nicht der Beklagten, sondern der B als Importeurin die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wurde. § 16 c) PflSchG ist nicht zu entnehmen, dass nach Einfuhr und Inverkehrbringen durch den Importeur, der die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung besitzt, auf den nachgeordneten Handelsstufen nochmals eine eigene Zulassung notwendig ist.

Für eine Nichtigkeit des Bescheids bestehen keine Anhaltspunkte.

Ein Rechtsverstoß der Beklagten käme einzig in Betracht, wenn sie ein anderes als das als zugelassen zu behandelnde Produkt in Deutschland verkauft hat. Für diesen Fall wäre die der B erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nicht vorgreiflich. Insoweit erscheint es hier jedoch nicht angemessen, die Darlegungslast der Beklagten aufzuerlegen (so aber OLG München, 29 U 5164/09, S. 7 f., - Anlage B4 der Gerichtsakte; LG Ulm, 11 O 68/09, S. 10 ff. - Bl. 157 ff. der Gerichtsakte), wie dies der BGH in dem gänzlich anders gelagerten Fall "Quizalofop" entschieden hat. Vielmehr hat die Klägerin zunächst substantiiert Anhaltspunkte darzulegen, dass - wie die Klägerin behauptet - ein anderes, im Sinne des Parallelhandels nicht identisches Produkt, das in einem anderen Mitgliedstaat nicht zugelassen ist, entgegen der bestehenden Verkehrsfähigkeitsbescheinigung in Verkehr gebracht worden ist.

Diesbezüglich hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

Hinreichend substantiiert ist der Vortrag des Klägers, wenn dieser Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu bejahen. Wie genau der Vortrag der darlegungspflichtigen Partei sein muss, hängt vom Einzelfall ab (BGH NJW 2000, 3286; BGH NJW-RR 1998, 712), also auch davon, inwieweit der Vortrag der Gegenpartei Anlass zu ihrer Aufgliederung, Ergänzung und zu weiteren Vortrag konkreter Einzeltatsachen gibt (Thomas/Putzo, ZPO 28. Auflage, vor § 253, Rn. 40). Ein Vortrag bis in alle Einzelheiten ist dabei nicht notwendig; es handelt sich jedoch um einen Rechtsmissbrauch, wenn die Behauptung offensichtlich "ins Blaue hinein" aufgestellt wird.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die dafür sprächen, dass durch die Beklagte ein anderes als das Mittel veräußert wurde, für welches das BVL eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erteilt hat.

Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat und eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für das tatsächlich importierte und vertriebene Mittel fehlen; es handelt sich lediglich um Behauptungen ins Blaue hinein. Auch finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Produkt durch die Beklagte - ohne Verkehrsfähigkeitsbescheinigung - und nicht durch die B - mit Verkehrsfähigkeitsbescheinigung - nach Deutschland importiert wurde.

Die Klägerin hat auch nicht die fehlende stoffliche Übereinstimmung von Referenzmittel und dem tatsächlich in Verkehr gebrachten Mittel als Indiz dafür, dass es sich bei dem am 6.4.2010 erworbenen Mittel um ein anderes handele, als das, für welches die Fa- B eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung hat, substantiiert dargelegt.

Hierzu hat sie die Berichte des Institut T vorgelegt. Die Stellungnahmen des BVL zur im ersten Bericht vom 16.05.2009 angesprochenen Problematik des Magnesium- und Aluminiumgehalts lassen erkennen, dass das BVL diese Abweichungen bei seiner Dokumentenprüfung vor Augen hatte und trotzdem die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat. Sie hat die ihr bekannten Abweichungen als unerheblich im Sinne des Parallelhandels erkannt und im Bericht keine Hinweise vorfinden können, die gegen die der Behörde vorliegende stoffliche Zusammensetzung von "C2 ..." sprechen. Insoweit ergeben sich aus dem Bericht keine Anhaltspunkte für eine relevante stoffliche Abweichung. Desweiteren ist die Klägerin auf die methodische Kritik der Beklagten an dem ersten Bericht auch nicht vertieft eingegangen.

Im Hinblick auf den Bericht vom 18.08.2009 zur unterschiedlichen Teilchengrößenverteilung, zu dem sich das BVL in seinen Stellungnahmen nicht geäußert hat, bleibt im Unklaren, was das Optimum der Teilchengrößenverteilung ist und inwieweit entweder das Mittel der Klägerin oder der Beklagten von dem Optimum abweichen. Genauere Nachweise zur Relevanz der Teilchengrößenverteilung für die Wirksamkeit der Produkte wurden nicht vorgelegt.

Es kann auch nicht aus dem Zeitpunkt der Belieferung der Fa. C geschlossen werden, dass nicht ein Mittel der Fa. B geliefert worden sei. Zwar trägt die Klägerin vor, die Fa. C sei bereits am 1.4.2009 von der Beklagten beliefert worden. Zu diesem Zeitpunkt sei aber die Beklagte selbst erst beliefert worden. Indes ist diese Darlegung nicht überzeugend. Denn aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Anlage K2 ergibt sich, dass die Fa. C erst am 3.4.2010 beliefert worden ist. Denn dem Hinweis auf der Anlage, dass voraussichtlicher Lieferzeitpunkt der 3.4.2009 ist, ist als Empfangsbestätigung die Unterschrift eines Mitarbeiters der Fa. C hinzu gesetzt, ohne dass hinsichtlich des Liefertermins eine Korrektur gemacht worden wäre, was für die Richtigkeit der Angabe spricht.

Darüber hinaus steht der Klägerin aber auch deshalb kein Unterlassungsanspruch zu, weil sie zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (spätestens seit dem 30.5.2010) nicht mehr Mitbewerberin der Beklagten ist.

Durch Verwaltungsakt des BVL ist die Zulassung des Mittels U ... mit Wirkung zum 30.5.2010 widerrufen worden. Seitdem darf die Klägerin das vorgenannte Mittel nicht mehr in den Verkehr bringen, so dass eine Mitbewerbereigenschaft ab diesem Zeitpunkt ausscheidet.

Die von der Klägerin vertretene Ansicht, durch die gewährte Aufbrauchfrist zum 30.5.2011 sei sie noch Mitbewerber der Beklagten bis zum Ablauf dieses Zeitpunktes, ist unzutreffend.

§ 6a II PflSchutzG gewährt nur die Möglichkeit, nach widerrufener Zulassung, das betroffene Mittel innerhalb der durch das BVL eingeräumten Frist noch anzuwenden, nicht weiter anzubieten.

Mangels unlauterer Wettbewerbshandlungen der Klägerin nach §§ 3, 4 UWG kommen auch keine von der Klägerin in den Klageanträgen zu 2) bis 5) geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Kostenerstattung und Urteilsbekanntmachung in Betracht.

Diese Ansprüche scheitern auch deshalb, weil sie Vorsatz oder Fahrlässigkeit in Bezug auf die Verletzungshandlung voraussetzen. Anhaltspunkte, dass die Beklagte als Importeurin des Mittels wusste oder hätte erkennen können, dass -unterstellt der klägerische Vortrag sei richtig- eine Übereinstimmung mit U ... nicht gegeben war, sind nicht ersichtlich.

Der Schriftsatz vom 31.8.2010 gibt keinen Anlass, anders zu entscheiden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen den §§ 91 I, 709 ZPO.

Streitwert: bis 760.000 €

Q vD C3






LG Aachen:
Urteil v. 07.09.2010
Az: 41 O 110/09


Link zum Urteil:
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