Landgericht Dortmund:
Beschluss vom 25. November 2010
Aktenzeichen: 18 O 158/05 AktE

(LG Dortmund: Beschluss v. 25.11.2010, Az.: 18 O 158/05 AktE)

Tenor

Die von der Antragsgegnerin den außenstehenden Aktionären der C AG gemäß §§ 327a, 327b, 327f AktG zu gewährende Barabfindung wird auf 120,40 € je Stückaktie festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller werden der Antragsgegnerin auferlegt, die auch die Vergütung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre zu tragen hat.

Der Geschäftswert für die gerichtlichen Gebühren und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre wird auf 4.749.345,81 € festgesetzt.

Gründe

Gründe :

I.

Die Antragsgegnerin ist Mehrheitsaktionärin der C AG. Die beiden Gesellschaften schlossen am 24.9.2004 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Hauptversammlung der C AG am 19.11.2004 unter Tagesordnungspunkt 1 zustimmte. Nach § 5 des Vertrages war ursprünglich eine Barabfindung von 86,38 € je Aktie vorgesehen, die Hauptversammlung hob diesen Betrag auf 88,51 € an. Ferner wurde gemäß § 4 des Vertrages ein Ausgleich von 4,69 € je Aktie für jedes volle Geschäftsjahr angesetzt, abzüglich Körperschaftssteuer einschließlich Solidaritätszuschlag 4,06 € je Aktie. Die Angemessenheit dieser Abfindung und des Ausgleichs sind Gegenstand des Verfahrens 18 O 157 / 04 AktE.

Unter Tagesordnungspunkt 2 beschloss die Hauptversammlung auf Verlangen der Antragsgegnerin als Mehrheitsaktionärin die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf die Antragsgegnerin gegen Gewährung einer Barabfindung (sogenannter "squeeze out"). Die Abfindung war auch insoweit erst mit 86,38 € je Aktie vorgesehen und wurde sodann in der Hauptversammlung auf 88,51 € angehoben. Der Beschluss wurde am 5.10.2004 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Angemessenheit dieser Barabfindung anläßlich der Übertragung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Sowohl der angemessenen Abfindung nach § 305 AktG (Punkt 1 der Tagesordnung) als auch nach § 327c AktG (Punkt 2 der Tagesordnung) liegt zugrunde eine gutachterliche Stellungnahme von Q (Q). Die Gutachter ermittelten zum 19./20.11.2004 nach dem Ertragswertverfahren einen Unternehmenswert der C AG von 342,5 Mio €. Daraus ergab sich eine Barabfindung von 76,30 € je Aktie. Die Stellungnahme von Q ist Bestandteil des Berichtes der Antragsgegnerin zu den Voraussetzungen und der Angemessenheit der Barabfindung.

Zusätzlich ermittelte Q den gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs der C AG für die Zeit vom 22.6.2004 bis zum 21.9.2004 mit 86,38 €. Die Hauptversammlung vom 19.11.2004 erhöhte dann die Abfindung auf 88,51 €, wobei als Bezugsperiode nunmehr die drei Monate vor der Hauptversammlung herangezogen wurden.

Mit Beschluss vom 20.7.2004 bestellte das Landgericht Dortmund die E, N zum sachverständigen Prüfer der Angemessenheit der Barabfindung. In der abschließenden Erklärung zu ihrem Gutachten vom 23.9.2004 bezeichnete der Prüfer die Barabfindung sowie die gewählte Bewertungsmethode als angemessen.

Das Grundkapital der C AG betrug am 19.11.2004 114.762.786,13 €. Es war eingeteilt in 4.489.130 auf den Inhaber lautende Aktien ohne Nennbetrag (Stückaktien). Am 12.2.2004 veröffentlichte die Antragsgegnerin ein öffentliches Übernahmeangebot aller C AG - Aktien zum Preis von 80,00 € je Stück. Danach erwarb sie unabhängig vom Übernahmeangebot börslich und außerbörslich 13,98 % der Aktien an der C AG. Weitere 61,73 % der Aktien erwarb die Antragsgegnerin von der C2 Vereinsbank AG, N, ebenfalls zum Preis von 80,00 € je Stück. Bis zum 22.9.2004 gehörten der Antragsgegnerin n4.340.201 Aktien der C AG. Damit war am Bewertungsstichtag die Antragsgegnerin mit 96,68% an der C AG beteiligt. Die restlichen 148.929 Aktien (3,32 %) waren in der Hand außenstehender Aktionäre.

Die C AG gehörte zu den führenden Brauereikonzernen in Deutschland.

Die Gruppe gliederte sich in die Sparten Produktion und Vertrieb nationaler Biermarken einschließlich der Entwicklung und Verwaltung von Gastronomiebetrieben, Produktion und Vertrieb alkoholfreier Getränke vor allem im Mineralwassermarkt sowie die Verwaltung des - nicht betriebsnotwendigen - Immobilienbestandes.

Kernunternehmen in der Sparte Produktion und Vertrieb nationaler Biermarken war zum einen die C3 GmbH mit den Marken "C4", "X", "S", "V" sowie verschiedenen Alt- und Kölsch-Marken. Weiteres Kernunternehmen war die G GmbH & Co. KG mit der nationalen Premiummarke "K2". Hinzu kamen die M GmbH, M2 mit den Marken "S2" und "T", Die T2 GmbH, C4 mit den Marken "T5" und "C5" sowie die U GmbH & Co. KG.

Die Sparte Produktion und Vertrieb alkoholfreier Getränke bestand aus den Gesellschaften C6 GmbH, C4, die u.a. die Marke "W" hielt, sowie der T3 GmbH, T4, die Getränke unter den Marken "T5", "H" und "B" produzierte und vertrieb.

Geschäftsjahr der C AG war das Kalenderjahr.

Die Antragsgegnerin gehört zur Firmengruppe der P KG, C6. Sie dient als Zwischenholding für deren unternehmerische Aktivitäten im Bereich Bier und alkoholfreie Getränke. Neben der C AG hält sie auch die Mehrheit an der S3 AG.

Die Antragsteller halten die angebotene Abfindung und den Ausgleich für zu gering bemessen. Sie rügen u.a. den in Ansatz gebrachten Kapitalsierungszinssatz. Des weiteren haben sie teilweise Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung des Wertes "K2" vorgebracht sowie gegen weitere Annahmen von Q. Wegen der Einzelheiten der Bewertungsrügen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Antragsteller sowie des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre verwiesen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die angebotene Abfindung sowie den ermittelten Ausgleich. Auch insoweit wird auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen H2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 30.3.2009 Bezug genommen.

II.

1.

Die Anträge sämtlicher Antragsteller sind zulässig. Alle Antragsteller haben ihre Antragsberechtigung hinreichend dargetan und nachgewiesen.

2.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 8 SpruchG (einer sog. "Soll-Vorschrift") ist im vorliegenden Verfahren abgesehen worden, weil allen Verfahrensbeteiligten nach Durchführung der mündlichen Verhandlung in der Parallelsache 18 O 157 / 04 AktE bereits ein ausführlich begründeter Vergleichsvorschlag der Kammer vorgelegt worden ist, der von einigen Antragstellern und der Antragsgegnerin abgelehnt worden ist. Die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung versprach für das Verfahren keinen Gewinn.

3.

Die Anträge haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit war die den Antragstellern gemäß §§ 327a, 327b, 327f AktG zu zahlende Abfindung zu erhöhen.

a)

Die Barabfindung im Sinne von § 327b AktG muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Die Abfindung muss dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschaffen, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht.

aa)

Zur Wertermittlung der C AG wurde sowohl im Bericht gemäß § 327c Abs. 2 AktG als auch durch den gerichtlichen Sachverständigen die Ertragswertmethode angewendet, die in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt ist.

Bei der Bewertung ist grundsätzlich von dem zum Bewertungsstichtag geltenden IDW S.1 2000 auszugehen. Auch wenn es sich bei dem IDW S.1 um keine Rechtsnorm handelt, dient die Anwendung des zum Bewertungsstichtag geltend IDW - Standards dazu, einheitliche Bewertungskriterien für die Bewertung zu gewährleisten. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Frage der Bewertung von der Zufälligkeit der Verfahrensdauer abhängen könnte.

bb)

Für die Bestimmung der Abfindung ist der Unternehmenswert zum Bewertungsstichtag 19.11.2004 unter Berücksichtigung der künftigen Entwicklung zu ermitteln.

(1)

Der Sachverständige hält die Planung der C AG, wie sie auch Eingang in das Gutachten Q gefunden hat, vor dem Hintergrund der erwarteten Marktentwicklung in den Sparten Bier, alkoholfreie Getränke und Immobilien im wesentlichen für plausibel.

Dass dem Sachverständigen nicht sämtliche angeforderten Unterlagen vorgelegt worden sind, ist letztlich ohne Belang. Der Sachverständige hat seine Plausibilitätsprüfung durchführen können. Aus den ihm vorliegenden Unterlagen hat er keine Unstimmigkeiten entnommen. Insoweit bestehen hier aus Sicht der Kammer keine Bedenken, den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen.

Für die Phase der ewigen Rente hat der Sachverständige gegenüber der Bewertung durch Q Anpassungen des EBIT nach neutralem Ergebnis vorgenommen.

Er hat zum einen die Erhöhung der Leasingraten um 300 T € pro Jahr für das Jahr 2009 für die Abfüllanlage T4 gegenüber dem Jahr 2008 für nicht plausibel erachtet. Angesichts des Umstandes, dass die vorhandene Anlage für 230 T € jährlich weiter gemietet werden kann - bei dann wegen des Alters steigenden Aufwendungen für Reparaturen und Instandhaltung - und dem Umstand, dass eine neue Anlage ohne zwischenzeitliche Preiserhöhungen und Finanzierungskosten zu einem jährlichen Aufwand für Abschreibungen von 760 T € führt, erscheint der Wert von 868 T € aus dem Jahr 2008 weiterhin ausreichend, eine Erhöhung ist nicht notwendig.

Eine Modifikation im Bereich der Pensionsaufwendungen ergibt sich daraus, dass Q mit einem Kapitalisierungszinssatz von 5,2 % gerechnet hat, im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen aber hier von einem solchen von 4,40% auszugehen ist - siehe unten Bl. 10ff, 13 des Beschlusses- (auch wenn es um die Zeit der ewigen Rente geht, ist kein Wachstumsabschlag zu machen, weil das Wachstum der Rentenansprüche bereits in den - seitens des Sachverständigen nicht beanstandeten - Annahmen für die künftige Entwicklung enthalten war (vgl. Seite 85 des Gutachtens).

Eine weitere Korrektur beruht darauf, dass in der Phase der ewigen Rente kein Rückgang des Personalaufwandes mehr geplant wurde.

Eine weitere Korrektur ergab sich daraus, dass hier von einem anderen Wachstumsabschlag ausgegangen wird (nämlich 1,25% - siehe unten Bl. 13 des Beschlusses) als seitens Q.

Weiter sind in die Planung Synergieeffekte eingestellt worden. Hier sind dem Sachverständigen geeignete Unterlagen zur Überprüfung nicht vorgelegt worden (vgl. Seite 89 des Gutachtens).

Letztlich bestehen aber dennoch keine Bedenken, die Ermittlung von Q für die Synergien hier zugrunde zu legen. Dies deshalb, weil Q unechte und echte Synergien unterschiedslos behandelt hat (Seite 89 des Gutachtens). Im Rahmen des Ausgleichsanspruchs sind nach dem IDW S 1 2000 an sich nur die unechten Synergien werterhöhend zu berücksichtigen, die mit einer nahezu beliebigen Anzahl von Partnern erzielt werden können. Nicht zu berücksichtigen sind die echten Synergieeffekte, die sich aus dem Bewertungsanlass und mit dem so ins Auge gefassten Partner ergeben.

Da Q hier nicht trennt und unterschiedslos alle Synergien bei Ermittlung des Unternehmenswertes berücksichtigt, erscheint es aus Sicht der Kammer im Ergebnis nicht unangemessen, die Zahlen von Q hier im Rahmen der Schätzung des Unternehmenswertes zugrunde zu legen.

Ebenfalls angemessen ist es, die Verbundvorteile hälftig auf die C Gruppe und die S3-Gruppe zu verteilen.

Bei Zusammengehen von Unternehmen, die auf denselben Märkten tätig sind, erscheint es eher zufällig, bei welchem Unternehmensbestandteil die Synergien dann letztlich verwirklicht werden. Die hälftige Verteilung der Synergieeffekte ist daher sachgerecht.

Bezüglich des Finanzergebnisses gilt folgendes :

Den seitens Q in Ansatz gebrachten Finanzbedarf für die Jahre 2004 bis 2008 durch Fortschreiben der Finanzschulden und - forderungen zum 31.12.2003

hat der Sachverständige hinsichtlich der in Ansatz gebrachten Zinssätze - für die Jahre 2004 bis 2008 - für plausibel erachtet. Gleiches gilt für den Bestand der verzinslichen Posten. Die Zahlen zur Verschuldung hat er neu entwickelt (Seite 92f des Gutachtens).

Die Zinserwartungen für die Phase der "ewigen Rente" hat der Sachverständige unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Daten für die fernere Planungsphase on der Regel aus den Daten des letzten Zeitraums der näheren Planungsphase abgeleitet werden sollen, den Zahlen des Jahres 2008 angepasst. Es ergeben sich damit für die Zeit der ewigen Rente etwas geringere Zinsansätze als seitens Q (Seite 92 des Gutachtens).

Bezüglich der ausschüttbaren Erträge ist das Vorliegen von Ausschüttungssperren zu beachten. Der auf den Buchwert von Vermögensgegenständen entfallende Wert ist nur ausschüttbar, wenn hierfür im Übrigen ein Bilanzgewinn oder ausschüttungsfähige Rücklagen bereit stehen. Dies hat der Sachverständige bei seinen Berechnungen berücksichtigt (Seite 93f, 96f und 103 des Gutachtens).

Entsprechend dem anzuwendenden IDW S 1 2000 ist im Übrigen von einer Vollausschüttung der Erträge auszugehen.

Bei den Steuern auf Unternehmensebene hat der Sachverständige die Annahmen von Q übernommen.

Weiterhin ist ein typisierter durchschnittlicher Ertragssteuersatz auf der Ebene der Anteilseigner in Höhe von 35% zu berücksichtigen. Gemäß dem Halbeinkünfteverfahren beträgt der Steuersatz dann 17,5%.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass 2004 bis 2007 kein Ertragsüberschuss vorhanden sein wird. 2008 ist ein solcher von 19.996 T € zu erwarten und für die Zeit danach ein solcher von 17.680 T € jährlich zugrundezulegen.

(2)

Die Ertragsüberschüsse sind auf den Bewertungsstichtag zu kapitalisieren.

Der Kapitalisierungszinssatz ist aus Sicht der Kammer abweichend vom Übertragungsbericht festzusetzen.

(a) Bezüglich des Basiszinssatzes schließt sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen H2 an und geht von einem Basiszinssatz von 4,8% für den Bewertungsstichtag aus. Der Basiszinssatz stellt die Verzinsung dar, die ein Investor durch eine quasi risikolose Geldanlage am Kapitalmarkt erzielen könnte.

Diesen Zinssatz hat der Sachverständige auf der Grundlage der Zinsstrukturkurve der Deutschen Bundesbank für einen Zeitraum von 3 Monaten vor dem Bewertungsstichtag ermittelt. Die Ermittlung des Basiszinssatzes auf dieser Grundlage ist aus Sicht der Kammer sachgerecht. Durch das Abstellen auf die hypothetischen Zerobond- Zinssätze der Deutschen Bundesbank werden objektive Werte zugrundegelegt. Um kurzfristige Schwankungen und Schätzfehler auszugleichen, ist es weiter sachgerecht, einen Durchschnittszinssatz aus den Zerobond-Zinssätzen der letzten drei Monate vor dem Bewertungsstichtag zu bilden.

Zwar galt zum Bewertungsstichtag noch nicht der IDW S 1 vom 18.10.2005, der ausdrücklich ausführt, dass der Basiszinssatz aus einer Zinsstrukturkurve entnommen wird, die unter Rückgriff auf öffentliche Anleihen mit langer Restlaufzeit ermittelt wird.

Allerdings war - worauf der Sachverständige Seite 108 seines Gutachtens hinweist - auch nach dem IDW S 1 2000 eine zukunftsgerichtete Schätzung einer Zinsentwicklung gefordert. Bei der Ermittlung des Basiszinssatzes auf der Grundlage von Zinsstrukturkurven handelt es sich lediglich um ein Mittel zu einer solchen zukunftsgerichteten Schätzung.

Auch andere Gerichte haben zur Ermittlung des Basiszinssatzes für Stichtage vor Geltung des Standards IDW S 1 2005 die Zinsstrukturkurve herangezogen (OLG München, AG 2007, 287, 290; LG Frankfurt, AG 2007,42, 44; LG Frankfurt, NZG 2006, 868, 870; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.2.2008, 20 W 9 / 06, zitiert nach juris, RdNr. 79).

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 7.5.2008 (Beschluss vom 7.5.2008, 26 W 16 / 06 AktE, zitiert nach juris, RdNr. 14) steht aus Sicht der Kammer der Ermittlung des Basiszinssatzes auf der Grundlage von Zinsstrukturkurven nicht entgegen. Das OLG hat diesen Ansatz jedenfalls als vertretbar bezeichnet.

Hinzu kommt, dass der im Übertragungsbericht angenommene Basiszinssatz von 5,5% angesichts der zum Bewertungsstichtag stark rückläufigen Zinsen nicht unproblematisch erscheint.

(b) Der Basiszinssatz ist um einen Risikozuschlag zu erhöhen. Dieser trägt dem Umstand Rechnung, dass der Basiszins auf der Grundlage für sicher gehaltener öffentlicher Anleihen ermittelt wird, es aber hier um die Abfindung in Bezug auf Unternehmensanlagen geht. Anlagen in Unternehmen sind risikoreicher als solche in öffentlichen Anleihen. Der Risikozuschlag führt zu einer höheren Abzinsung und damit im Ergebnis zu einem niedrigeren Abfindungsbetrag.

Anerkannte Methode zur Ermittlung des Risikozuschlags ist das Kapitalpreisbildungsmodell (Capital asset pricing model - CAPM).

Ermittelt wird dabei ein allgemeines Marktrisiko, welches in der Renditedifferenz zwischen der Aktienrendite und der Rendite öffentlicher Anleihen seinen Ausdruck findet. Dieser Wert wird sodann durch Multiplikation mit dem individuellen Betafaktor angepasst.

Auch der zum Stichtag geltende IDW S 1 2000 sah neben der typisierten Festlegung eines Risikozuschlags eine marktgestützte Ermittlung nach dem CAPM vor.

Aus Sicht der Kammer erscheint eine Marktrisikoprämie von 5% angemessen, wie sie auch der gerichtliche Sachverständige zugrunde legt (Seite 120 des Gutachtens). Ausgangspunkt der Überlegung sind die sogenannten Stehle / Hartmond - Reihen, welche die durchschnittliche Aktienrendite und die Risikoprämie auf der Grundlage der DAX-Werte und der CDAX-Werte für verschiedene Anlagezeiträume ab 1955 angeben. Um Verzerrungen durch Sondereignisse aus lang zurückliegenden Zeiten zu vermeiden, erscheint es aus Sicht der Kammer angemessen, hier die Werte kurzer Anlagezeiträume von bis zu 2 Jahren der Betrachtung zugrundezulegen. Dies führt dazu, die hier zugrundezulegende Marktrisikoprämie mit 5% zu bemessen.

Dieser Wert ist sodann mit dem Betafaktor zu multiplizieren. Der Betafaktor berücksichtigt, wie sich das zu bewertende Unternehmen zum Marktrisiko verhält.

Diesen Beta-Faktor hat der Sachverständige hier nachvollziehbar mit 0,4 ermittelt.

Hierbei hat er auf eine peergroup ausländischer Unternehmen zurückgegriffen (Seite 122ff des Gutachtens).

Die Zugrundelegung eines Betas der C AG ist aus Sicht des Sachverständigen nachvollziehbar nicht möglich. Es fehlt an einem ausreichenden Bestimmtheitsmaß. Das Bestimmtheitsmaß gibt an, welcher Prozentanteil der Kursveränderung einer Aktie auf die Veränderung des Bezugsindex zurückzuführen ist. Bei einem Wert von 0 besteht keine Abhängigkeit, üblicherweise wird ein Bestimmtheitsmaß von mindestens 0,1 vorausgesetzt (Seite 121 des Gutachtens).

Bei der C AG beträgt der Wert 0, auch die übrigen deutschen Gruppen weisen kein verwertbares Bestimmtheitsmaß auf, es liegt unter 0,1, was bedeutet, dass die Kursentwicklung im Verhältnis zum Gesamtmarkt eher zufallsbedingt war.

Insoweit war es nachvollziehbar, dass der Sachverständige zur Ermittlung des Beta auf eine peergroup ausländischer Unternehmen zurückgegriffen hat.

Aufgrund des Verschuldungsgrades können - so die nachvollziebaren Ausführungen des Sachverständigen - die I NV (Niederlande) und T6 PLC (Großbritannien) als vergleichbar angesehen werden. Gemessen am jeweiligen Heimatindex auf der Basis von wöchentlich erfassten Daten über einen Zeitraum von 2 Jahren ergibt sich ein Beta für diese beiden Unternehmen von 0,347 bzw. 0,561.

Das Bestimmtheitsmaß beträgt 0,193 und 0,183, ist also ausreichend.

D A/S (Dänemark) weist bei einem erheblich höheren Verschuldungsgrad ein Beta von 0,406 auf, das Bestimmtheitsmaß beträgt 0,179.

Insoweit war es aus Sicht der Kammer plausibel, das Beta mit 0,4 festzusetzen

(c) Der sich aus Basiszinssatz und Risikozuschlag ergebende Zinssatz ist um den Wert der durchschnittlichen persönlichen Ertragsbesteuerung der Anteilseigner zu reduzieren. Die Rechtsprechung hält dabei an der typisierten Einkommenssteuer von 35% fest. Anlass, hiervon abzuweichen, besteht nicht.

(d) Für die Phase der "ewigen Rente" ist weiterhin noch ein Wachstumsabschlag zu machen. Mit diesem wird zugunsten des Aktionärs berücksichtigt, dass sich die Geldentwertung in festverzinslichen Anleihen stärker auswirkt als bei der Unternehmensbeteiligung. Das Unternehmen hat in der Regel die Möglichkeit, die Geldentwertung durch Preiserhöhungen aufzufangen, während die Anleihe ohne Inflationsausgleich zum Nominalbetrag zurückgezahlt wird. Die Höhe des Abschlags hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, ob und in welcher Weise das Unternehmen aufgrund der Unternehmensplanung und der Inflationserwartung in der Lage sein wird, nachhaltige Wachstumserwartungen zu erfüllen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.5.2009, I - 26 W 5 / 07, zitiert nach juris, RdNr. 126).

Im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen hält die Kammer hier einen Wachstumsabschlag von 1,25% für angemessen. Auszugehen ist dabei von einer langfristig anzunehmenden Inflationserwartung von 2%. Dieser Wert entspricht in etwa dem seitens der EZB formulierten langfristigen Inflationsziel und eignet sich demgemäß als Anhaltspunkt. Es erscheint weiterhin plausibel, dass die C AG als Großunternehmen der Brauereibranche in der Lage gewesen wäre, mehr als die Hälfte inflationsbedingter Kostensteigerungen weiterzugeben. Eine darüberhinausgehende Überwälzungsquote kommt aus Sicht der Kammer aber nicht in Betracht, da nicht zu verkennen ist, dass aufgrund veränderter Trinkgewohnheiten und der demographischen Entwicklung Preissteigerungen auch Grenzen gesetzt sind. Ein Wachstumsabschlag von 1,25% erscheint nach alledem angemessen.

(e) Damit ergeben sich folgende Kapitalisierungszinssätze :

1. Phase : 4,8% + (5% x 0,4) - ((4,8% + (5% x 0,4))x 0,35) = 4,42%,

gerundet 4,40%,

2. Phase : 4,40 % - 1,25% = 3,15%.

(3)

Angewendet auf die Planzahlen folgt daraus zum Bewertungsstichtag auf der Grundlage des Standards IDW S 1 2000 ein Ertragswert der C AG von 473.497.000 € (Seite 133 des Gutachtens i.V.m. Anlage 4).

(4)

Nicht betriebsnotwendiges Vermögen ist neben dem Ertragswert gesondert zu bewerten.

Bezüglich der Grundstücke nimmt das Gutachten zum Bericht gemäß § 327c Abs. 2 AktG an, dass Gaststätten als Absatzkanäle von untergeordneter Bedeutung sind - und damit nicht zum betriebsnotwendigen Vermögen gehören - wenn der Bierabsatz unter 5% der Umsatzerlöse liegt (Bericht gemäß § 327c Abs. 2 AktG, Seite 146 RdNr. 337 / Gutachten Q Seite 91 RdNr. 336).

Hiernach wurden 43 Objekte als nicht betriebsnotwendig eingeordnet und mit einem Verkehrswert von 81.108.000 € angesetzt.

Bezüglich des Verkehrswertes gilt, dass zwar teilweise Antragsteller Bedenken bezüglich des Verkehrswertes geltend gemacht haben. Greifbare Anhaltspunkte für eine wesentliche Unrichtigkeit des Gesamtwertes bestehen aber nicht. In dem gemeinsamen Bericht ist offengelegt, um welche Grundstücke es geht. Ebenso ist die Methode der Wertermittlung dargetan, zu einem erheblichen Teil wurden demnach Wertgutachten eingeholt, teilweise lagen konkrete Kaufangebote vor. Der Prüfbericht der gerichtlich bestellten Prüfer weist aus, dass die Wertansätze im Wesentlichen anhand von externen Gutachten, Kaufverträgen und sonstigen Unterlagen nachgewiesen wurden (Seite 13 unten des Prüfberichtes). Die Verkehrswertgutachten lagen dem Sachverständigen vor (Seite 2 des Gutachtens).

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es vorliegend letztlich um eine Schätzung des Unternehmenswertes geht und auch bei Abweichungen im Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens um 25% oder gar 50% nach oben sich letztlich nur Steigerungen des Unternehmenswertes von weniger als 4% bzw. bis rund 6,6% ergeben(vgl. Seite 134 des Gutachtens), erscheint es aus Sicht der Kammer angemessen und ausreichend für die Schätzung die Wertangaben des gemeinsamen Berichtes zugrunde zu legen.

Unter Berücksichtigung der Buchwerte von 36.914.000 € ergibt sich so ein fiktiver Veräußerungserlös von 44.194.000 €. Nicht zu beanstanden ist aus der Sicht des Sachverständigen, dass nur dieser über die Buchwerte hinausgehende Veräußerungserlös für das nicht betriebsnotwendige Vermögen berücksichtigt wird.

Denn der Buchwert war nur auskehrbar, soweit ein Bilanzgewinn bestand oder Rücklagen bestanden, ansonsten besteht eine Ausschüttungssperre. Eine Rücklage bestand insoweit aber nur in Höhe von 1.600.000 € (Seite 151 RdNr. 348 des Berichtes gemäß § 327c Abs.2 AktG und Seite 94 oben des Gutachtens (30.184 TE - 28.600 TE).

Somit ergibt sich für nicht betriebsnotwendige Grundstücke ein für den Unternehmenswert zu berücksichtigender Wert von 45.794.000 € (Seite 133 des Gutachtens), 44.194.000 € + 1.600.000 €.

Der um die die ausschüttbare Rücklage verminderte Buchwert ist ertragswerterhöhend fiktiv wieder angelegt worden, ist also bereits beim Ertragswert berücksichtigt, wobei der Sachverständige für seine Berechnungen den von ihm ermittelten Kapitalisierungszinssatz von 6,8% zugrundegelegt hat (Seite 94 des Gutachtens).

Die sonstigen Beteiligungen sind mit 21.184.000 € anzusetzen. Insoweit handelt es sich um den Wert aus dem gemeinsamen Bericht (Seite 152ff des Berichtes gemäß § 327c Abs. 2 AktG). Mangels konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit kann dieser Wert zugrundegelegt werden.

Ein weiterer Sonderwert für die K KG ist nicht zu berücksichtigen.

Es bestand ein Andienungsrecht der C AG bezüglich der K KG an die C2 Vereinsbank zu einem Betrag von 162 Mio €.

Nach den seitens des Sachverständigen zugrundegelegtem Kapitalisierungszinssatz liegt der Ergebnisbeitrag der K KG im Rahmen des Unternehmenswertes bei 173,7 Mio € anstelle 138,7 Mio € in dem gemeinsamen Bericht. Da das Andienungsrecht im Wert geringer ist, bestand kein Anlass von dem Andienungsrecht Gebrauch zu machen mit der Folge dass auch kein Sonderwert aus einer fiktiven Veräußerung anzusetzen ist (Seite 132 des Gutachtens).

(5)

Insgesamt ergibt sich damit zum Bewertungsstichtag ein Unternehmenswert von 540.475.000 € (473.497.000 € + 45.794.000 € + 21.184.000 €), vgl. Seite 133 des Gutachtens.

Bei einer Aktienzahl von 4.489.130 Stück ergibt sich dann bezogen auf den Bewertungsstichtag ein Anteilswert von 120,40 € je Aktie.

(6)

Die Angaben in dem Gemeinsamen Bericht zum Liquidationswert, der hiernach rund 40% unter dem im Ertragswertverfahren ermittelten Wert liegen soll (Seite 156f des Berichtes gemäß § 327c Abs. 2 AktG), sind von den Antragstellern nicht konkret beanstandet worden. Letztlich kann die Ermittlung des Liquidationswertes auch unterbleiben, wenn nicht - wie hier -, die Absicht bestand, das Unternehmen zu liquidieren (OLG Düsseldorf, AG 2009, 907, 909).

(7)

Die Börsenkurse der C AG lagen in der Zeit September 2004 bis November 2004 zu keinem Zeitpunkt über dem seitens des Sachverständigen ermittelten Wert pro Aktie (Seite 136 des Gutachtens).

(8)

Eine Entscheidung über die Verzinsung hatte nicht zu ergehen. Der im Spruchverfahren ergehende Beschluss ist kein Vollstreckungstitel. Über die Verzinsung als Teil des konkreten Zahlungsanspruchs hat daher im Streitfall erst das nach § 16 SpruchG für die Leistungsklage zuständige Gericht zu entscheiden (OLG Düsseldorf, AG 2009, 907, 912).

Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG. Da der Abfindungsbetrag entsprechend dem Antrag der Antragsteller höher festgesetzt worden ist, entsprach es nicht der Billigkeit, diese den Antragstellern aufzuerlegen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller beruht auf § 15 Abs. 4 SpruchG. Unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens entspricht es wiederum der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Die Bestimmung des Geschäftswertes folgt aus §§ 15 Abs. 1 Satz 2 und 3 SpruchG. Die Entscheidung über den für die Berechnung der außergerichtlichen Kosten erforderlichen Geschäftswert für jeden Antragsteller ist einer gesonderten Beschlussfassung vorzubehalten. Insoweit müssen auch diejenigen Antragsteller, die die Zahl der von ihnen gehaltenen Aktien bisher nicht angegeben haben, diese Angabe nachholen und den Aktienbesitz nachweisen.

Dortmund, 25.11.2010 18. Zivilkammer - IV. Kammer für Handelssachen






LG Dortmund:
Beschluss v. 25.11.2010
Az: 18 O 158/05 AktE


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