Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 21. März 2013
Aktenzeichen: I-2 U 73/09

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 21.03.2013, Az.: I-2 U 73/09)

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Mai 2009 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass sich das klageabweisende Urteil des Landgerichts nicht auf die Ausführungsform "B" bezieht.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: Der Klägerin werden vorab die Kosten der Beweisaufnahme auferlegt. Von den weiteren Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 1/5, die Beklagten zu 1. und 2. einerseits und die Beklagten zu3. und 4. andererseits jeweils 2/5 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 2. werden der Klägerin zu 1/3 und den Beklagten zu1. und 2. zu 2/3 auferlegt. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3. und 4. haben sie Klägerin 1/3 und die Beklagten zu 3. und 4. 2/3 zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistetet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

V.

Der Streitwert für die erste Instanz wird - in Abänderung der im landgerichtlichen Urteil erfolgten Streitwertfestsetzung - auf 100.000,00 EUR festgesetzt, wovon auf die Beklagten zu 1. und 2. einerseits und auf die Beklagten zu 3. und 4. andererseits jeweils 50.000,00 EUR entfallen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt, wovon auf die Beklagten zu 1. und 2. einerseits und auf die Beklagten zu3. und 4. andererseits jeweils 250.000,00 EUR entfallen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist seit dem 11. Oktober 2004 als Inhaberin des deutschen Patents39 35 XXX (Anlage K 3, Klagepatent) eingetragen, aus dem sie die Beklagten in Anspruch nimmt.

Das Klagepatent wurde am 24. Oktober 1989 angemeldet. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 23. August 1990. Das Klagepatent ist mit Ablauf des 24. Oktober 2009 durch Zeitablauf erloschen.

Das Klagepatent betrifft eine Chipkarte. Sein einziger Patentanspruch lautet wie folgt:

"Chipkarte, bei der die Energieversorgung und der bidirektionale Datenaustauschüber Kontakte bewirkt wird, dadurch gekennzeichnet,

- dass neben einem Kontaktfeld (Teil 3) auch noch Spulen (Teil 4, Teil 5) zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen sind,

- dass ein Dioden-Kondensatornetzwerk (Teil 2.1.1.) zur Gleichrichtung und Glättung einer in den Spulen induzierten Wechselspannung an die Spulen angeschlossen ist,

- dass die so erzeugte Gleichspannung (U1) zur Spannungsversorgung des Chips (Teil 2) dient und an einen ersten Eingang (E1) einer Schaltung (Teil 2.1.2.) geführt ist,

- dass eine über das Kontaktfeld gelieferte Gleichspannung (U2) zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen zweiten Eingang (E2) der Schaltung (Teil 2.1.2.) geführt ist,

- dass die Schaltung (Teil 2.1.2.) an ihrem Ausgang ein Signal (E3) abgibt, das abhängig vom Vorliegen der Spannungen (U1 und U2) zwei verschiedene logische Pegel aufweist und das eine weitere Schaltung (Teil 2.1.3.) steuert,

- dass der Schaltung (Teil 2.1.3.) über eine Leitungsreihe (I1 bis IN) Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vom Kontaktfeld her zugeführt werden, und der über einer Schaltung (Teil 2.1.4.) und eine andere Leitungsreihe (K1 bis KN) Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch von Spulen her zugeführt werden,

- dass die Schaltung (Teil 2.1.3.) an ihrem Ausgang über eine Leitungsreihe (A1 bis AN) an den Chip angeschlossen ist, und

- dass bei Vorliegen der Spannung (U1) die Signale von den Spulen und bei Vorliegen der Spannung (U2) die Signale vom Kontaktfeld an den Chip (Teil 2) durchgeschaltet werden."

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei das Bild 1 eine erfindungsgemäße Chipkarte, Bild 2 ein erfindungsgemäßes Kontaktfeld (Teil 3) und Bild 3 das in dem Teil 3 liegende Umschaltelement als Teil 2.1. darstellt.

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. seit dem 1. April 2005 ist, stellte von ihr als "C"-Karten bezeichnete Chipkarten für den Rhein-Main-Verkehrsverbund zum Zwecke des Einsatzes im Gebiet der D AG her. Bei diesen bis 2003 gelieferten Chipkarten handelt es sich um so genannte Dual-Interface-Karten, die sowohl kontaktlos als auch kontaktbehaftet arbeiten. Sie ermöglichen das bargeldlose Bezahlen von Bus- und Bahnfahrten und eine kontaktlose Zugangskontrolle zu den Bussen und Bahnen. Die Karten waren mit Chips aus dem Hause der ursprünglich in Anspruch genommenen E GmbH ausgestattet, die unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 4. stand und zwischenzeitlich auf die Beklagte zu 3. als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen worden ist (vgl. Anlage K 49). Die betreffenden Chips wurden unter den Bezeichnungen "F" und "B" beworben.

Die nachfolgend wiedergegebene Schaltskizze (Anlage L 6) zeigt die grundsätzliche Schaltungsanordnung des Chips "F".

Die Klägerin hat eine mit einem Chip des Typs "F" ausgestattete "C"-Karte der Beklagten zu 1. untersuchen lassen und die Beklagten gestützt auf diese Analyseergebnisse (Anlagen K 20 und K 21) mit ihrer Klage wegen Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen, wobei sie in ihrer Klageschrift vom 11. Juli 2006 neben dem Chip "F" auch den Chip "B" benannt hat. Nachdem die Beklagten im Anschluss an den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31. August 2006 in ihren Klageerwiderungen auch auf letzteren Chip eingegangen sind, hat die Klägerin erklärt, dass lediglich Chipkarten mit dem Chip "F" Gegenstand ihres Angriffs seien und ausgeführt, dass sie eine Verletzung des Klagepatents durch Karten mit dem Chip "B" zu keinem Zeitpunkt behauptet habe. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2007 (Bl. 262 GA) hat sie vorsorglich die Rücknahme ihrer Klage hinsichtlich des Chips "B" erklärt. Dieser Teil-Klagerücknahme haben die Beklagten nicht zugestimmt.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht:

Sie sei durch Übertragung materielle Inhaberin des Klagepatents geworden. Soweit sie Schadenersatz für die Zeit vor der Übertragung des Klagepatents begehre, sei sie aufgrund einer ununterbrochenen Kette von Abtretungen und Übertragungen hierzu berechtigt.

Die Beklagten verletzten das Klagepatent. Die Herstellung und der Vertrieb von Karten mit dem Chip "F" stelle eine unmittelbare Patentverletzung seitens der Beklagten zu 1. und 2. dar und das Anbieten und Liefern des "F Chips" durch die Beklagten zu 3. und 4. sei als mittelbare Patentverletzung zu werten. Die mit dem Chip "F" ausgestattete Chipkarte verwirkliche sämtliche Merkmale des Patentanspruchs. Der Benutzung des Klagepatents stehe nicht entgegen, dass die angegriffene Ausführungsform nur eine Spule aufweise. Diesbezüglich hat die Klägerin zunächst geltend gemacht, dass das Merkmal des Patentanspruchs, wonach neben dem Kontaktfeld "Spulen" zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen sind, von der angegriffenen Chipkarte wortsinngemäß verwirklicht werde. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz hat sie sich insoweit auf Äquivalenz berufen und geltend gemacht, dass eine Spule für den Fachmann fachnotorisch ein äquivalentes Mittel zur Spannungsversorgung und zum Datentransfer durch mehrere Spulen sei.

Die angegriffene Chipkarte entspreche auch den weiteren Vorgaben des Klagepatents. So weise der auf der Chipkarte eingebettete Chip "F" insbesondere eine "Schaltung (Teil 2.1.2.)" im Sinne des Klagepatents auf. Ferner verfüge er auch über eine patentgemäße "Schaltung (Teil 2.1.3.)" sowie eine "Schaltung (Teil 2.1.4.)"

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

I.

1.

die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen:

in der Bundesrepublik Deutschland Chipkarten herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Energieversorgung und der bidirektionale Datenaustausch über Kontakte bewirkt werden, dadurch gekennzeichnet,

a) dass neben einem Kontaktfeld auch eine Spule zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen ist,

b) dass ein Dioden-Kondensatornetzwerk zur Gleichrichtung und Glättung einer in den Spulen induzierten Wechselspannung an die Spulen angeschlossen ist,

c) dass die so erzeugte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen ersten Eingang einer Schaltung (S1) geführt ist,

d) dass eine über das Kontaktfeld gelieferte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen zweiten Eingang der Schaltung (S1) geführt ist,

e) dass die Schaltung (S1) an ihrem Ausgang ein Signal abgibt, das abhängig vom Vorliegen der in c) und d) genannten Spannungen zwei verschiedene logische Pegel aufweist und das eine weitere Schaltung (S2) steuert,

f) dass der Schaltung über eine Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vom Kontaktfeld her zugeführt werden, und der über eine dritte Schaltung (S3) und eine andere Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch von Spulen her zugeführt werden,

g) dass die Schaltung (S2) an ihrem Ausgang über eine Leitungsreihe an den Chip angeschlossen ist, und

h) dass bei Vorliegen der Spannung die Signale von den Spulen und bei Vorliegen der Spannung die Signale vom Kontaktfeld an den Chip durchgeschaltet werden;

2.

ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1. die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15.07.1996 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten undpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten undpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den unter 1. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden;

3.

die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter I. 1. beschriebenen Chipkarten zu vernichten oder an einen von ihr zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II.festzustellen, dass die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr und der G GmbH & Co. KG durch zu I. 1. bezeichneten, seit dem 15.07.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

III.

die Beklagten zu 3. und 4. als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen:

in der Bundesrepublik Deutschland elektronische Chips für Chipkarten, Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, und zwar Chipkarten,

bei denen die Energieversorgung und der bidirektionale Datenaustausch über Kontakte bewirkt werden, und die Chipkarten dadurch gekennzeichnet sind,

a) dass neben einem Kontaktfeld auch eine Spule zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen ist,

b) dass ein Dioden-Kondensatornetzwerk zur Gleichrichtung und Glättung einer in den Spulen induzierten Wechselspannung an die Spulen angeschlossen ist,

c) dass die so erzeugte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen ersten Eingang einer Schaltung (S1) geführt ist,

d) dass eine über das Kontaktfeld gelieferte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen zweiten Eingang der Schaltung (S1) geführt ist,

e) dass die Schaltung (S1) an ihrem Ausgang ein Signal abgibt, das abhängig vom Vorliegen der in c) und d) genannten Spannungen zwei verschiedene logische Pegel aufweist und das eine weitere Schaltung (S2) steuert,

f) dass der Schaltung über eine Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vom Kontaktfeld her zugeführt werden, und der über eine dritte Schaltung (S 3) und eine andere Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch von Spulen her zugeführt werden,

g) dass die Schaltung (S2) an ihrem Ausgang über eine Leitungsreihe an den Chip angeschlossen ist, und

h) dass bei Vorliegen der Spannung die Signale von den Spulen und bei Vorliegen der Spannung die Signale vom Kontaktfeld an den Chip durchgeschaltet werden,

ohne im Falle des Anbietens ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die elektronischen Chips nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Patents DE 3935XXX in so genannten Dual-Interface-Cards verwendet werden dürfen

oder im Falle der Lieferung die Abnehmer bei Meidung einer an den Patentinhaber für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Vertragsstrafe von 1.000,00 EUR pro Chip vertraglich verpflichten, die Chips nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für Dual-Interface-Karten zu verwenden, die mit den vorstehend unter a) bis h) bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind;

2.

ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 3. die zu II. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 15.07.1996 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten undpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten undpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den unter 1. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden;

IV.festzustellen, dass die Beklagten zu 3. und 4. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr und der G GmbH & Co. KG durch zu III. 1. bezeichneten, seit dem 15.07.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Parteifähigkeit und die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede gestellt sowie die Einrede der Verjährung erhoben. Außerdem haben sie eine Verletzung des Klagepatents bestritten und diesbezüglich geltend gemacht:

Einer Verletzung des Klagepatents stehe bereits entgegen, dass die mit dem Chip "F" ausgestattete Chipkarte - unstreitig - nur eine Spule aufweise. Die Verwendung nur einer Spule stelle auch kein äquivalentes Mittel dar, weil der Patentanspruch ausdrücklich und bewusst in Abgrenzung zum Stand der Technik das Vorhandensein von mehreren Spulen an der kontaktlosen Schnittstelle fordere. Außerdem liefen bei dem Chip "F" die Signale zum Datenaustausch vom Kontaktfeld und von der kontaktlosen Schnittstelle nicht in einem vom Klagepatent geforderten "Multiplexer (Teil 2.1.3.)" zusammen, bei dem entweder die eine oder die andere Leitungsreihe zum Mikrokontroller durchgeschaltet werde. Auch fehle es an einer "Schaltung (Teil 2.1.2.)", die zwei Gleichspannungen miteinander vergleiche, die vom Kontaktfeld bzw. (nach Gleichrichtung) von der Spule zur Verfügung gestellt würden. Der Chip "F" habe schließlich auch keine "Schaltung (Teil 2.1.4)", deren patentgemäße Aufgabe es sei, die von der Spule kommenden Daten vollständig den vom Kontaktfeld her kommenden Daten anzupassen.

Durch Urteil vom 12. Mai 2009 hat das Landgericht - nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen - die Klage abgewiesen, wobei es davon ausgegangen ist, dass sich die Klage auch gegen den Chip "B" richtet. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Eine Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents durch die angegriffene Chipkarte lasse sich ebenso wenig feststellen wie die objektive Eignung der angegriffenen Chips, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Die mit dem Chip "F" ausgestattete Chipkarte mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Es fehle bei dieser Ausführungsform jedenfalls an einer "Schaltung (Teil 2.1.3.)" im Sinne des Klagepatents sowie an einer patentgemäßen "Schaltung (Teil 2.1.4.)".

Der Angriff der Klägerin richte sich auch gegen den Chip "B". Die diesbezüglich von der Klägerin "vorsorglich" erklärte Klagerücknahme sei aufgrund der Verweigerung der Einwilligung durch die Beklagten wirkungslos. Die Klägerin habe in der Klageschrift zur Begründung ihres Klageantrages nicht nur auf den Chip "F" als Verletzungsform abgestellt, sondern auch auf den Chip mit der Bezeichnung "B". Sie habe ihre Klageanträge damit auch auf diesen Chip gestützt. Dass sie keinen weitergehenden eigenen Sachvortrag zu diesem Chip geliefert, sondern zur materiellen Begründung des Verletzungsvorwurfs hauptsächlich auf Untersuchungen des Chips "F" abgestellt habe, stehe dem nicht entgegen. Dies beruhe darauf, dass die Klägerin den Chip "B" ursprünglich als bloße "kapazitätsmäßige Erweiterung" des im Einzelnen dargestellten Chip "F" angesehen habe. Eine mittelbare Verletzung des Klagepatents durch den Chip "B" sei seitens der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen worden. Sachvortrag zu diesem Chip fehle. Dem Vortrag der Beklagten, dass sich die Schaltungsanordnung des Chips "B" von derjenigen des Chips "F" unterscheide und dass (auch) dieser Chip nicht erfindungsgemäß sei, sei die Klägerin zu Recht nicht (mehr) entgegen getreten.

Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nachdem das Klagepatent wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschen ist, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz im Verhandlungstermin am 21. Februar 2013 (Bl. 1653 GA) hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsansprüche sowie der gegenüber den Beklagten zu 1. und 2. geltend gemachten Vernichtungsansprüche in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages aus:

Die Chipkarte mit dem Chip "F" mache entgegnen der Beurteilung des Landgerichts von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie verwirkliche die vom Landgericht als nicht erfüllt angesehenen Merkmale wortsinngemäß. Die weiteren Merkmale, mit denen sich das Landgericht nicht befasst habe, seien ebenfalls wortsinngemäß verwirklicht. Das gelte insbesondere für das Merkmal, wonach "Spulen" zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen seien. Eine einzelne Spule falle unter den Wortsinn des Patentanspruchs, da auch sie unmittelbar zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen sei. Es sei technisch möglich, die Spannungsversorgung und den Datenaustausch über nur eine Spule in der Chipkarte durchzuführen. Aus der Klagepatentbeschreibung ergebe sich, dass bei mittels Kontakten arbeitenden Chipkarten die Energieversorgung und der Datenaustausch über die Kontakte und dass bei kontaktlos arbeitenden Chipkarten die Energieversorgung und der Datenaustausch über eine Antennenspule erfolge. Der Begriff "Spulen" werde daher gattungsmäßig gebraucht, wobei auch eine Spule die Spannungsversorgung und den Datenaustausch sicherstellen könne. Da die angegriffene Ausführungsform auch die weiteren Merkmale des Klagepatents wortsinngemäß verwirkliche, entspreche sie den Vorgaben des Klagepatents.

Jedenfalls mache die Chipkarte mit dem Chip "F" von der technischen Lehre des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.

Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass sich der Klageantrag auch gegen den Chip "B" richte. Diesbezüglich sei sie aufgrund der Werbungsäußerungen der Beklagten zu 1. davon ausgegangen, dass dieser Chip lediglich eine Speicherkapazitätserweiterung des Chips "F" darstelle und im Übrigen schaltungstechnisch mit diesem identisch sei. Nachdem die Klägerin aufgedeckt habe, dass es sich bei diesem Chip nicht nur um eine Kapazitätserweiterung des Chips "B" handele, habe sie die Klage insoweit rein vorsorglich zurückgenommen. Im Folgenden habe sie zu dem Chip "B" nichts mehr vorgetragen. Die ohne vorherigen Hinweis erfolgte Klageabweisung betreffend diesen Chip sei überraschend gewesen. Das Landgericht habe übersehen, dass insoweit eine Klagerücknahme nicht erforderlich gewesen sei.

Nachdem sie in der Berufungsbegründung zu einer Verletzung des Klagepatents durch den Chip "B" nichts vorgetragen hat, hat die Klägerin im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens vorsorglich geltend gemacht, dass das Klagepatent auch durch diese Ausführungsform verletzt werde, und hierzu vorgetragen.

Die Klägerin beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und

I.

die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1. in der Zeit vom 15.07.1996 bis 24.10.2009 in der Bundesrepublik Deutschland Chipkarten hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat, bei denen die Energieversorgung und der bidirektionale Datenaustausch über Kontakte bewirkt werden, dadurch gekennzeichnet,

a) dass neben einem Kontaktfeld auch eine Spule zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen ist,

b) dass ein Dioden-Kondensatornetzwerk zur Gleichrichtung und Glättung einer in den Spulen induzierten Wechselspannung an die Spulen angeschlossen ist,

c) dass die so erzeugte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen ersten Eingang einer Schaltung (S1) geführt ist,

d) dass eine über das Kontaktfeld gelieferte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen zweiten Eingang der Schaltung (S1) geführt ist,

e) dass die Schaltung (S1) an ihrem Ausgang ein Signal abgibt, das abhängig vom Vorliegen der in c) und d) genannten Spannungen zwei verschiedene logische Pegel aufweist und das eine weitere Schaltung (S2) steuert,

f) dass der Schaltung über eine Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vom Kontaktfeld her zugeführt werden, und der über eine dritte Schaltung (S3) und eine andere Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch von Spulen her zugeführt werden,

g) dass die Schaltung (S2) an ihrem Ausgang über eine Leitungsreihe an den Chip angeschlossen ist, und

h) dass bei Vorliegen der Spannung die Signale von den Spulen und bei Vorliegen der Spannung die Signale vom Kontaktfeld an den Chip durchgeschaltet werden,

und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten undpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten undpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den unter 1. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden;

II.festzustellen, dass die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr und der G GmbH & Co. KG durch zu I. bezeichneten, in der Zeit vom 15.07.1996 bis 24.10.2009 begangenen Handlungen entstanden ist;

III.

die Beklagten zu 3. und 4. als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 3. in der Zeit vom 15.07.1996 bis 24.10.2009 in der Bundesrepublik Deutschland elektronische Chips für Chipkarten, Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland angeboten und/oder an solche geliefert haben, und zwar für Chipkarten, bei denen die Energieversorgung und der bidirektionale Datenaustausch über Kontakte bewirkt wird, und die Chipkarten dadurch gekennzeichnet sind,

a) dass neben einem Kontaktfeld auch eine Spule zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen ist,

b) dass ein Dioden-Kondensatornetzwerk zur Gleichrichtung und Glättung einer in den Spulen induzierten Wechselspannung an die Spulen angeschlossen ist,

c) dass die so erzeugte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen ersten Eingang einer Schaltung (S1) geführt ist,

d) dass eine über das Kontaktfeld gelieferte Gleichspannung zur Spannungsversorgung des Chips dient und an einen zweiten Eingang der Schaltung (S1) geführt ist,

e) dass die Schaltung (S1) an ihrem Ausgang ein Signal abgibt, das abhängig vom Vorliegen der in c) und d) genannten Spannungen zwei verschiedene logische Pegel aufweist und das eine weitere Schaltung (S2) steuert,

f) dass der Schaltung über eine Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vom Kontaktfeld her zugeführt werden, und der über eine dritte Schaltung (S3) und eine andere Leitungsreihe Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch von Spulen her zugeführt werden,

g) dass die Schaltung (S2) an ihrem Ausgang über eine Leitungsreihe an den Chip angeschlossen ist, und

h) dass bei Vorliegen der Spannung die Signale von den Spulen und bei Vorliegen der Spannung die Signale vom Kontaktfeld an den Chip durchgeschaltet werden,

und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den unter 1. bezeichneten Chips unmittelbar zugeordnet werden;

IV.

festzustellen, dass die Beklagten zu 3. und 4. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr und der G GmbH & Co. KG durch zu III. bezeichneten, in der Zeit vom 15.07.1996 bis zum 24.10.2009 begangenen Handlungen entstanden ist.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die landgerichtliche Entscheidung als zutreffend und treten dem Berufungsvorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens machen sie geltend:

Die Chipkarte mit dem Chip "F" mache von der Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch äquivalent Gebrauch. Denn sie verwirkliche die bereits in erster Instanz bestrittenen Merkmale nicht. Da der Chip unstreitig nur eine einzige Spule aufweise, fehle es bereits an der vom Patentanspruch verlangten Mehrzahl von Spulen. Das betreffende Merkmal sei weder wortsinngemäß nochäquivalent verwirklicht.

Zutreffend habe das Landgericht die Klage auch in Bezug auf den "B" abgewiesen. Diese Ausführungsform habe die Klägerin mit ihrer Klage ebenfalls angegriffen. Es hätten damit zwei Streitgegenstände vorgelegen. Indem die Klägerin ihre Klage auf den "F" beschränkt habe, habe sie ihre weitergehende Klage zurückgenommen. Diese Teil-Klagerücknahme sei infolge der von ihnen verweigerten Einwilligung in die Klagerücknahme wirkungslos gewesen, worauf das Landgericht die Klägerin nicht habe hinweisen müssen. Zur Vermeidung einer Klageabweisung habe die Klägerin in erster Instanz vortragen müssen, warum aufgrund des unstreitigen Sachverhalts eine Verletzung des Klagepatents durch den "B" vorliege. Soweit die Klägerin nunmehr erstmalig nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eine Verletzung des Klagepatents durch die Chipkarte mit dem Chip "B" geltend mache, sei dies unzulässig und verspätet. Im Übrigen mache auch dieser Chip von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin hat in erster und zweiter Instanz mehrere Gutachten (Anlagen K 20, K 23, K 42, K 50, K 51, Stellungnahme vom 26.04.2012 ["Anlage K 23"], Stellungnahme vom 18.12.2012, Stellungnahme vom 26.04.2012) vorgelegt, die das H für sie erstellt hat. Sie hat außerdem ein von Prof. Dr. I erstelltes Gutachten (Anlage K 48) überreicht.

Die Beklagten haben im ersten Rechtszug drei von Prof. Dr.-Ing. habil. J, Institut für K der Universität L, erstellte Gutachten (Anlagen L 24, L 28 und B 24) vorgelegt.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 25. Juni 2010 (Bl. 978 - 981 GA) die Einholung des schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen und überdies gemäß Beschluss vom 20. Juli 2012 (Bl. 1139 GA) eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens angeordnet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das von Prof. Dr.-Ing. M, N, unter dem 13. September 2011 erstattete schriftliche Gutachten (Anlage zu den Gerichtsakten) und auf sein schriftliches Ergänzungsgutachten vom 15. November 2012 (Bl. 1371 - 1384a GA) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als sie sich dagegen richtet, dass das Landgericht auch über den Chip "B" entschieden hat, weil dieser nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens war. Gegenstand des Rechtsstreits waren und sind allein die mit dem Chip "F" ausgerüstete Chipkarte sowie der Chip "F", weshalb das Landgericht nur über diese eine Entscheidung treffen durfte. Auf die Berufung hat der Senat daher klargestellt, dass sich die Klageabweisung nicht auf die Ausführungsform "B" bezieht, und das landgerichtliche Urteil damit insoweit abgeändert. Das Berufungsbegehren der Klägerin in Bezug auf die Ausführungsform "F" ist in eben diesem Sinne zu verstehen gewesen. Im Übrigen bleibt die Berufung der Klägerin aber ohne Erfolg. Die den mit dem Chip "F" ausgerüstete Chipkarte sowie den Chip "F betreffende Klage hat das Landgericht zu Recht abgewiesen. Die Chipkarte mit dem Chip "F" macht von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weshalb der Klägerin die gegen die Beklagten zu 1. und 2. noch geltend gemachten Klageansprüche auf Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht zustehen. Ebenso hat die Beklagte zu 3. bzw. ihre Rechtsvorgängerin das Klagepatent nicht durch die Lieferung des Chips "F" mittelbar verletzt, weshalb der Klägerin auch die gegen die Beklagten zu 3. und 4. noch geltend gemachten Klageansprüche auf Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht zustehen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

A.

Das Klagepatent betrifft eine Chipkarte.

Chipkarten sind Kunststoffkarten mit einem eingebetteten Chip, die einen Speicher sowie Hardware-Logik oder auch einen Mikroprozessor enthalten. In den Speichereinheiten des Chips kann Information (Daten) abgelegt (eingeschrieben) und es können aus dem Speicher Daten ausgelesen werden. Das Lesen und Schreiben der Daten erfolgt über Geräte, die üblicherweise als Lesegeräte bezeichnet werden. Um mit dem Lesegerät kommunizieren zu können, benötigt die Karte Schnittstellen. Diese können kontaktbehaftet oder kontaktlos sein. Am Anmeldetag des Klagepatents waren zum einen kontaktbehaftete Chipkarten und zum anderen kontaktlose Chipkarten bekannt.

Bei den kontaktbehafteten Chipkarten werden die Energieversorgung und der bidirektionale Datenaustausch über Kontakte bewirkt. Zum Betrieb müssen diese Karten in ein Lesegerät eingeführt werden, so dass die dort vorhandenen Kontakte an dem auf der Karte befindlichen Kontaktfeld anliegen. Über die einzelnen Kontakte wird der Chip mit Energie versorgt und ein Datenaustausch zwischen Lesegerät und Karte ermöglicht. Zur Sicherstellung der Verwendung kontaktbehafteter Chipkarten in unterschiedlichen Lesegeräten wurde die internationale ISO-Norm 7816 geschaffen (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 19 bis 20).

Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt, ist eine kontaktbehaftete Karte z. B. in der DE 37 21 XYZ (Anlage L 2) offenbart, deren Figuren 1 und 2 nachfolgend eingeblendet werden. Sie dient als Kreditkarte zum bargeldlosen Einkauf, wobei die Daten von der Karte durch eine Lese/Einschreibeinheit aufgenommen werden (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 6 bis 10).

Bei den kontaktlosen Chipkarten erfolgen die Versorgung der Karte mit Energie und der Datenaustausch nicht durch galvanisches Kontaktieren, d. h. nicht durch direkte mechanische, elektrisch leitende Verbindung, sondern berührungslos, indem elektromagnetische Wellen sowohl zur Datenübertragung als auch zur Energieübertragung genutzt werden (vgl. Gutachten Dipl.-Ing. O, Seite 10 [Bl. 463 GA]).

Eine solche kontaktlose Chipkarte ist z. B. in der von der Klagepatentschrift zitierten DE 37 21 XZX (Anlage L 3) beschrieben, deren Figuren 1 und 2 nachfolgend eingeblendet werden. Die Klagepatentschrift führt aus, dass die aus dieser Druckschrift bekannte Chipkarte über kontaktlose, elektromagnetische Energie und/oder Signalübertragung mit einer stationären Schaltungsanordnung zusammenarbeitet, wobei bei dieser Karte die für die Übertragung vorgesehene "Antennenspule" konzentrisch um die aktive Fläche des Halbleiterkörpers der integrierten Schaltung angeordnet ist (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 11 bis 18).

Kontaktlose Chipkarten wurden am Anmeldetag des Klagepatents parallel zu den kontaktbehafteten Karten am Markt angeboten (Anlage K 3, Spalte 1 Zeile 20 bis 34). Damit die Belegung des Kontaktfeldes berührungsloser Karten an unterschiedlich ausgeführten Schreib-/Lesemodulen immer gleich ist und alle Karten in gleicher Weise betrieben sowie mit Energie versorgt werden, sind auch der Datenfluss, die Datenformate sowie die Taktfrequenzen für diese Karten genormt (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 28 bis 34).

Die Klagepatentschrift gibt an, dass die am Markt befindlichen kontaktbehafteten Chipkarten mit Nachteilen behaftet sind, weil die Kontakte verschleißen können und es zu Kontaktwiderständen sowie zur statischen Aufladung kommen kann. Zudem besteht eine direkte Verbindung zur Elektronik und aufgrund der Kontaktlage ist die werbliche Gestaltung der Karte eingeengt. Infolge dieser Nachteile treten die kontaktbehafteten Karten der Klagepatentschrift zufolge zunehmend in Konkurrenz mit kontaktlosen Chipkarten (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 35 bis 41).

Vor diesem Hintergrund hat es sich das Klagepatent zur Aufgabe gemacht, eine Chipkarte zu schaffen, die sowohl kontaktbehaftet wie auch kontaktlos funktioniert, so dass die Karte ohne Dazutun des Kartenbenutzers in Verbindung mit Kontaktkartenlesern bzw. kontaktlos arbeitenden Lesern eingesetzt werden kann und selbsttätig ihre Funktionsweise (kontaktlos oder kontaktbehaftet) bestimmt (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 42 bis 49). Es soll mit anderen Worten eine Chipkarte bereitgestellt werden, die sowohl kontaktbehaftet als auch kontaktlos betrieben werden kann, die also ohne besonderes Zutun des Benutzers sowohl mit für kontaktbehaftete Chipkarten geeigneten Lesegeräten als auch mit für kontaktlose Chipkarten geeigneten Lesegeräten funktioniert (vgl. a. Gutachten Prof. P, Seite 1; Gutachten Dipl.-Ing. O, Seite 17 [Bl. 470 GA]).

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt das Klagepatent in seinem einzigen Anspruch eine Chipkarte mit den folgenden Merkmalen vor:

1) Chipkarte, bei der

a) die Energieversorgung und

b) der bidirektionale Datenaustausch

über Kontakte bewirkt werden.

2) Neben einem Kontaktfeld (Teil 3) sind Spulen (Teil 4, Teil 5) zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen.

3) Ein Dioden-Kondensator-Netzwerk (Teil 2.1.1.) ist zur Gleichrichtung und Glättung einer in den Spulen induzierten Wechselspannung an die Spulen angeschlossen.

4) Die so erzeugte Gleichspannung (U1)

a) dient zur Spannungsversorgung des Chips (Teil 2) und

b) ist an einen ersten Eingang (E1) einer Schaltung (Teil 2.1.2.) geführt.

5) Eine über das Kontaktfeld gelieferte Gleichspannung (U2)

a) dient zur Spannungsversorgung des Chips (Teil 2) und

b) ist an einen zweiten Eingang (E2) der Schaltung (Teil 2.1.2.) geführt.

6) Die Schaltung (Teil 2.1.2.) gibt an ihrem Ausgang ein Signal (E3) ab, das

a) abhängig vom Vorliegen der Spannungen (U1 und U2) zwei verschiedenelogische Pegel aufweist und

b) eine weitere Schaltung (Teil 2.1.3.) steuert.

7) Der Schaltung (Teil 2.1.3.)

a) werden über eine Leitungsreihe (I1 bis IN) Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vom Kontaktfeld her zugeführt und

b) über eine Schaltung (Teil 2.1.4.) und eine andere Leitungsreihe (K1 bis KN) Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch von den Spulen her zugeführt.

8) Die Schaltung (Teil 2.1.3.) ist an ihrem Ausgang über eine Leitungsreihe (A1 bis AN) an den Chip (Teil 2) angeschlossen.

9) Bei Vorliegen der Spannung (U1) werden die Signale von den Spulen und bei Vorliegen der Spannung (U2) die Signale vom Kontaktfeld an den Chip (Teil 2) durchgeschaltet.

Die Klagepatentschrift enthält keinen allgemeinen Beschreibungstext, sondern erläutert die erfindungsgemäße Lehre allein anhand des in den Bildern 1 bis 3 der Klagepatentschrift gezeigten Ausführungsbeispiels.

Die in Bild 1 schematisch dargestellte Chipkarte (Teil 1) enthält danach mit dem Teil 2 den elektronischen Chip, in dem die üblichen Teile eines Mikrorechners wie Rechenwerk und Speicherwerk untergebracht sind. Im Teil 3 ist das Kontaktfeld dargestellt, welches gemäß ISO-Norm genau spezifiziert ist. Mit den Teilen 4 und 5 sind (zwei) "Spulen" symbolisiert, welche zur Übertragung von Energie und bidirektionalem Datenfluss dienen. Im Teil 2 ist eine Elektronik vorgesehen, welche das selbsttätige Umschalten von Spulenfunktionen (Teil 4, Teil 5) auf Kontaktfunktion (Teil 3) und umgekehrt ermöglicht (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 54 bis 65).

Das Umschaltelement ist in Bild 2 als Teil 2.1 dargestellt. Der gesamte Chip (Teil 2) besteht somit aus zwei wesentlichen Funktionselementen, dem Teil 2.1, welches die Umschaltung zwischen Kontaktfeld (Teil 3) und "Spulen" (Teil 4, Teil 5) vornimmt, und dem Teil 2.2, in dem sich die übrigen Chipfunktionen wie Rechenwerk und Speicheransprecheinheiten befinden. In diesem Teil 2 (genau: Teil 2.2) laufen jene Vorgänge ab, welche für den Benutzer einer solchen Karte von Bedeutung sind, wie z. B. das Aufladen von Geldbeträgen, das Speichern von Identifizierungsnummern usw. (Anlage K 3, Spalte 1 Zeile 66 bis Spalte 2 Zeile 7).

In Bild 3 ist die weitere Aufgliederung des Teils 2.1 dargestellt. Die "Spulen" (Teil 4, Teil 5) sind sowohl mit dem Teil 2.1.1. als auch mit dem Teil 2.1.4 verbunden. Das Teil 2.1.1 führt eine Strom- und Spannungsgleichrichtung durch, indem über ein Diodenkondensatorennetzwerk Gleichstrom und Gleichspannung dem gesamten Teil 2 zur Verfügung gestellt werden, sofern genügend Energie über die "Spulen" (Teil 4, Teil 5) nach einem Transformatorenprinzip geliefert wird. Diese gewonnene Gleichspannung (U1) wird über einen Eingang (E1) an ein spannungsvergleichendes Element (z.B. Komparator, Operationsverstärker) in Gestalt des Teils 2.1.2 geführt. Der andere Ausgang wird über eine Diode D1 an dasselbe Teil 2.1.2 als Spannungsversorgung geführt. Das Teil 2.1.2 liefert einen Ausgang, der über E3 an ein Multiplexglied (Teil 2.1.3) zugeführt wird (vgl. Anlage K 3, Spalte 2, Zeilen 8 bis 24). Der Ausgang des spannungsvergleichenden Elements bzw. Vergleichgliedes (Teil 2.1.2) hat einen Spannungspegel, der eindeutig von dem Spannungspegel der Eingänge E1, E2 des Teiles 2.1.2 abhängt (Anlage K 3, Spalte 2, Zeilen 8 bis 27). Liegt etwa U1 über E1 an, zeigt E3 z. B. einen Spannungswert an. In allen anderen Fällen, wenn z.B. E2 den Spannungswert U1 des Teiles 3 anliegen hat und falls E1 und E2 hoch sind, hat Teil 2.1.2 am Ausgang E3 jeweils den Spannungswert 0. Damit hängt dieser Ausgang E3 vom Teil 2.1.2 ab und der zur Verfügung gestellten Spannung U1 oder U2 (vgl. Anlage K 1, Spalte 2 Zeilen 27 bis 34). Diese Spannungen werden jeweils über die Dioden D1 oder D2 über den Eingang E4 dem Teil 2.1 als Versorgungsspannung zur Verfügung gestellt. Damit erhält das Teil 2.1.3, welches als Multiplexer ausgeführt ist, eine eindeutige Information über die Herkunft der Spannungsversorgung (Anlage K 3, Spalte 2, Zeilen 34 bis 39).

Teil 2.1.3 kann mit dieser Information entweder die Leistungen des Teils 3 (l1, l2, l3, l4, l5,...) oder die Leistungen des Teils 2.1.4 (K1, K2, K3, K4, K5, ...) auf die Ausgänge (A1, A2, A3, A4, A5, ...) umschalten. Diese Leitungen (A1 bis A5 und weitere) dienen im Teil 2.2 als Ein- und Ausgangsleitungen zum Verarbeiten der Informationen im Rechenwerk des Teils 2. Das Teil 2.1.4 dient zur Umwandlung der über "die Spulen" (Teil 4, Teil 5) bidirektional übertragenen Informationen auf Leitungen K1, K2, K3, K4 und K5 in einer solchen Weise, dass diese mit den Informationen l1, l2, l3, l4 und l5 des Teils 3 voll kompatibel sind. Durch die Umschaltung des Teils 2.1.3 ist es für das Rechenwerk, welches im Teil 2 enthalten ist, unbedeutend, ob es sich um Informationen handelt, welche über das Kontaktfeld (Teil 3) übertragen werden, oder um Informationen, welche über "Spulen" (Teil 4, Teil 5) eingekoppelt werden (vgl. Anlage K 3, Spalte 2, Zeilen 39 bis 56).

Die Klagepatentschrift hebt hervor, dass damit ein Siliziumchip aufgebaut werden kann, welcher, auf einer Chipkarte untergebracht, selbsttätig die Umschaltung zwischen Kontaktfeld als Ankopplung einer Chipkarte an die Umwelt oder auf "Spulen" zur kontaktlosen Energie- und Signalübertragung als Ankopplung an die Umwelt ermöglicht (Anlage K 3, Spalte 2, Zeilen 57 bis 63).

B.

Von der technischen Lehre des Klagepatents macht die mit dem Chip"F" ausgestattete Chipkarte der Beklagten zu 1. (angegriffene Ausführungsform) keinen Gebrauch. Denn sie verwirklicht bereits das Merkmal 2 der vorstehenden Merkmalsgliederung weder wortsinngemäß noch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.

1.Soweit die Klägerin in zweiter Instanz eine wortsinngemäße Verletzung geltend macht, ist sie hieran nach dem Prozessrecht nicht gehindert.

Zwar hat die Klägerin in erster Instanz zuletzt nur noch eine äquivalente Verwirklichung des Merkmals 2 geltend gemacht (vgl. Bl. 503 f.; 601, 689 GA; IMS-Gutachten vom 19.12.2008, Anlage K 50, Seite 6). Dies hindert sie aber schon deshalb nicht daran, nunmehr (wiederum) eine wortsinngemäße Benutzung geltend zu machen, weil hierin keine Klageänderung zu sehen ist. Eine äquivalente Patentverletzung stellt nämlich keinen anderen Streitgegenstand als eine wortsinngemäße Patentverletzung dar (Senat, Urteil vom 20.12.2012 - I- 2 U 89/07). Der Streitgegenstand einer Patentverletzungsklage wird - wie unten noch näher ausgeführt wird - im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob die vorzunehmende Subsumtion nach Meinung des Verletzungsklägers eine wortsinngemäße oder eine unter dem Gesichtspunkt der gleichwertigen (äquivalenten) Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale der geschützten Erfindung in den Schutzbereich des Klagepatents fallende Benutzung der geschützten Erfindung ergibt (BGH, GRUR 2012, 485, 487 - Rohrreinigungsdüse II). Stützt der Kläger seine Patentverletzungsklage auf eine bestimmte angegriffene Ausführungsform, so handelt es sich daher unabhängig davon, ob er diese Ausführungsform als wortsinngemäße oder äquivalente Patentverletzung beanstandet, um einen Streitgegenstand (Senat, Urteil vom 20.12.2012 - I- 2 U 89/07; Zigann in: Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, § 11 Rdnr. 63).

Der Geltendmachung einer wortsinngemäßen Patentverletzung steht - entgegen den von den Beklagten zu 3. und 4. geäußerten Bedenken - auch nicht entgegen, dass die Klägerin - was das Merkmal 2 anbelangt - einen auf die angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Urteilstenor formuliert hat (zum Klageantrag bei Äquivalenz: BGH, GRUR 2010, 314, 318 - Kettenradanordnung II; GRUR 2011, 313, 317 - Crimpwerkzeug IV). Denn der Verletzungskläger muss im Falle der Geltendmachung einer wortsinngemäßen Verletzung nicht einen den Wortlaut des Patentanspruchs wiedergebenden Klageantrag formulieren, sondern kann durchaus auch einen auf die angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag stellen (Senat, Urteil vom 20.12.2012 - I- 2 U 89/07). Der Bundesgerichtshof hält es sogar für geboten, dass der Klageantrag (und die Urteilsformel) bei einer streitigen wortsinngemäßen Patentverletzung über den Anspruchswortlaut hinaus an die zur Entscheidung gestellte Verletzungsform anzupassen ist, indem konkret diejenigen konstruktiven oder räumlichkörperlichen Mittel bezeichnet werden, mit denen bei der angegriffenen Ausführungsform das bzw. die streitige(n) Anspruchsmerkmal(e) verwirklicht werden (BGHZ 162, 365 = GRUR 2005, 569 - Blasfolienherstellung; BGH, GRUR 2012, 485 - Rohrreinigungsdüse II).

2.

Eine wortsinngemäße Patentbenutzung ist hier jedoch zu verneinen, weshalb eine solche von der Klägerin im ersten Rechtszug zuletzt zu Recht auch nicht mehr geltend gemacht worden ist.

a)Merkmal (2) besagt, dass auf der Chipkarte neben einem Kontaktfeld (Teil 3)"Spulen (Teil 4, Teil 5)" zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen sind.

Unter einer "Spule" versteht der Fachmann - als solcher kann hier ein an einer Fachhochschule oder Universität ausgebildeter Elektroingenieur angesehen werden, der gute Kenntnisse im Bereich der analogen und digitalen Schaltungs- und Systemtechnik hat und über eine mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Schaltungsentwicklung verfügt - einen Leiterdraht, der zu einer oder mehreren Windungen geformt ist (Gutachten Dipl.-Ing. O, Seite 16 [Bl. 469 GA]). Der Patentanspruch weist - wie der vom Senat beauftragte Sachverständige bestätigt hat (vgl. Gutachten Prof. Dr. P, Seiten 3 f., 9, 11 f. und 22 f.; Ergänzungsgutachten, Seiten 2 [Bl. 1372 GA] und 14 [Bl. 1384 GA]) - den Fachmann an, mindestens zwei solcher Spulen vorzusehen.

aa)

Der Patentanspruch spricht nicht davon, dass neben dem Kontaktfeld "mindestens eine Spule" vorgesehen ist, womit bereits die Verwendung einer (einzigen) Spule ausreichen würde. Er sagt auch nicht, dass neben dem Kontaktfeld "eine Spule" vorgesehen ist, womit sowohl die Verwendung einer als auch - da der Fachmann das Wort "eine" im Zweifel nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmten Artikel verstehen würde - die Verwendung mehrerer Spulen unter den Anspruchswortlaut fiele. Der erteilte Patentanspruch spricht vielmehr ausdrücklich von "Spulen" und gebraucht damit den Plural des Wortes "Spule", was bei unbefangener Lektüre des Patentanspruchs dafür spricht, dass mindestens zwei Spulen vorgesehen sein sollen (vgl. Gutachten Prof. Dr. P, Seiten 3 f., 9, 11 bis 12; Ergänzungsgutachten, Seite 2 [Bl. 1372 GA]; vgl. a. Dipl.-Ing. O, Anhörungsprotokoll, Seiten 3 und 4 [Bl. 630 und 631 GA]). Den Begriff "Spulen" verwendet der Patentanspruch auch in den Merkmal 3, 7 b und 9. Dort heißt es, dass ein Dioden-Kondensator-Netzwerk (Teil 2.1.1.) zur Gleichrichtung und Glättung einer in "den Spulen" induzierten Wechselspannung an "die Spulen" angeschlossen ist (Merkmal 3), dass der Schaltung (Teil 2.1.3.) über eine Schaltung (Teil 2.1.4.) und eine andere Leitungsreihe (K1 bis KN) Signale zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch von "Spulen" her zugeführt sind (Merkmal 7) und dass bei Vorliegen der Spannung (U1) die Signale von "den Spulen" und bei Vorliegen der Spannung (U2) die Signale vom Kontaktfeld an den Chip (Teil 2) durchgeschaltet sind (Merkmal 9). Unter Berücksichtigung der dem Begriff "Spulen" im Patentanspruch hinzugefügten Klammer, in welcher mit dem "Teil 4" und dem "Teil 5" zwei Spulen angegeben werden, kann dies nur wörtlich in dem Sinne verstanden werden, dass anspruchsgemäß mindestens zwei Spulen zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch vorgesehen sein sollen (Gutachten Prof. Dr. P, Seiten 3 f., 9, 11 bis 12; Ergänzungsgutachten, Seite 2 [Bl. 1372 GA]; vgl. a. Dipl.-Ing. O, Anhörungsprotokoll, Seiten 3 und 4 [Bl. 630 und 631 GA]).

bb)

In dem ihm durch den Anspruchswortlaut vermittelten Verständnis, dass der Begriff "Spulen" als Handlungsanweisung dahingehend zu verstehen ist, mindestens zwei Spulen zu verwenden, und dieser Begriff nicht als ein bloßer Gattungsbegriff zu sehen ist, der dem Leser der Patentschrift nur deutlich macht, welche Art von Bauteil die erfindungsgemäße Chipkarte - außer dem Kontaktfeld - noch aufweisen soll, sieht sich der Fachmann durch die Bilder der Klagepatentschrift und die zugehörige Patentbeschreibung bestätigt. Diese erläutern und veranschaulichen die technische Lehre des Patentanspruchs und sind daher nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs (§ 14 PatG), sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen (vgl. BGH, GRUR 2012, 1125, 1126 - Polymerschaum). Da die Klagepatentschrift eine allgemeine Patentbeschreibung nicht enthält, kann der Fachmann hier nur auf das in den Figuren ("Bildern") gezeigte und in der Patentbeschreibung erläuterte einzige Ausführungsbeispiel zurückgreifen, anhand dessen die Erfindung beispielhaft erläutert wird. Den Figuren der Klagepatentschrift entnimmt er, dass die Chipkarte mit den Teilen 4 und 5 zwei Spulen aufweist (vgl. a. Gutachten Dipl.-Ing. O, Seite 19 [Bl. 472 GA] sowie LG-Anhörungsprotokoll, Seite 30 f. [= Bl. 483 f. GA]). In der das Ausführungsbeispiel betreffenden Patentbeschreibung (Spalte 1, Zeile 60; Spalte 2, Zeilen 9, 15/16, 47 und 61) ist dementsprechend durchgängig von "Spulen" (Plural) die Rede (vgl. a. Gutachten Prof. Dr. P, Seiten 11 und 12; Dipl.-Ing. O, LG-Anhörungsprotokoll, Seite 4 [Bl. 631 GA]). Dem Fachmann erschließt sich auch hieraus, dass der Patentanspruch mit der Angabe "Spulen" mindestens zwei Spulen meint.

cc)

Gegenteilige Anhaltspunkte sind der den Gegenstand der Erfindung betreffenden Patentbeschreibung nicht zu entnehmen. Die Klagepatentschrift enthält weder ein weiteres Ausführungsbeispiel mit nur einer Spule, noch ist in der das Ausführungsbeispiel betreffenden Patentbeschreibung, an der sich der Fachmann mangels einer die Lehre des Klagepatents erläuternden allgemeinen Patentbeschreibung allein orientieren kann, von einer "Spule" die Rede (vgl. a. Gutachten Dipl.-Ing. O, Seite 19 f. [Bl. 472 GA]). Soweit es in der von der Klägerin im Verhandlungstermin in Bezug genommenen Beschreibungsstelle in Spalte 1, Zeilen 62 bis 65, heißt, dass im Teil 2 eine Elektronik vorgesehen ist, welche das selbsttätige Umschalten von "Spulenfunktion (Teil 4, Teil 5)" auf Kontaktfunktion (Teil 3) und umgekehrt ermöglicht, entnimmt der Fachmann dem keinen Hinweis darauf, dass patentgemäß auch nur eine Spule verwandt werden kann. Soweit in dieser Textstelle von "Spulenfunktion" die Rede ist, ist damit vielmehr allein die Funktion der im Satz zuvor angesprochenen, mit den Teilen 4 und 5 symbolisierten (beiden) "Spulen" (Spalte 1, Zeilen 59 bis 62) angesprochen. Demgemäߠ ist dem in Bezug genommenen Begriff "Spulenfunktion" auch eine Klammer hinzugefügt, in welcher mit dem "Teil 4" und dem "Teil 5" wiederum zwei Spulen angegeben sind.

Richtig ist zwar, dass die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung in Bezug auf die aus der DE 37 21 XZX (Anlage L 3) bekannte Chipkarte ausführt, dass bei diesem Stand der Technik für die Übertragung eine "Antennenspule" vorgesehen ist, die konzentrisch um die aktive Fläche des Halbleiterkörpers der integrierten Schaltung angeordnet ist (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 15 bis 18). Wie sich aus der oben bereits wiedergegebene Figur 2 der DE 37 21 XZX ergibt, weist die in dieser Druckschrift beschriebene Chipkarte tatsächlich nur eine (einzige) Antennenspule (4) auf, die mit der integrierten Schaltung verbunden ist. In der DE 37 21 XZX heißt es hierzu, dass eine Antennenspule (4) vorgesehen ist, um der Schaltung Signale und gegebenenfalls elektrische Energie zuzuführen, wobei die Spule mit in den Halbleiterkörper integriert ist. Dies könne dadurch geschehen, dass gleichzeitig mit dem Bilden der obersten Leiterbahnenebene der integrierten Schaltung auch die Windungen der Antennenspule durch Strukturieren der zu diesem Zweck aufgebrachten Aluminiumschicht gebildet werden könne. Die Antennenspule sei dann unmittelbar mit der eigentlichen Schaltung (5) verbunden, so dass keine zusätzlichen aufwändigen Arbeitsschritte zum Verbinden der Antennenspule mit der integrierten Schaltung erforderlich seien. Bei den üblichen Abmessungen einer integrierten Schaltung von etwa 4 x 6 bis 6 x 8 mm2 lasse sich ohne Schwierigkeiten eine Spule von 20 Windungen mit einer Windungsbreite von etwa 20 µm aufbringen. Eine solche Spule sei bei einer Frequenz im MHz-Bereich ohne weiteres in der Lage, die erforderlichen Signale und Energie durch induktive Kopplung aufzunehmen, wenn die Chipkarte mit einer stationären Schaltungsanordnung zusammengebracht werden, die ein hinreichend starkes elektromagnetisches Feld entwickele (vgl. Anlage L 3, Spalte 2, Zeilen 6 bis 22). Die Erwähnung dieses Standes der Technik in der Klagepatentschrift vermag jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin eine anderweitige Auslegung des Begriffs "Spulen" nicht zu rechtfertigen. Die Beschreibungsstelle in Spalte 2, Zeilen 15 bis 18 der Klagepatentbeschreibung bezieht sich - was die Klägerin bei ihrer Argumentation ausblendet - allein auf den Stand der Technik gemäß der DE 37 21 XZX (vgl. a. Gutachten Dipl.-Ing. O, Seite 20 [Bl. 473 GA] und LG-Anhörungsprotokoll, Seite 4 [Bl. 631 GA]). Hinsichtlich des Gegenstandes der Erfindung wird in der Klagepatentbeschreibung - wie ausgeführt - sowohl im Patentanspruch als auch in der Beschreibung durchgängig nur von "Spulen" gesprochen. Das Klagepatent kritisiert zwar an der aus der DE 37 21 XZX bekannten Chipkarte nicht, dass diese nur eine Spule aufweist. Es verlangt in seinem Patentanspruch aber gleichwohl nicht nur eine Spule, sondern "Spulen". Diesen Begriff verwendet es hierbei nicht im Oberbegriff, sondern erst im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs, weshalb sich dem Patentanspruch nicht entnehmen lässt, dass das Klagepatent mit dem Begriff "Spulen" an die in der Klagepatentschrift zitierte DE 37 21 XZX anknüpfen und bereits die Verwendung einer Spule ausreichen lassen will. Daraus, dass im Patentanspruch des Klagepatents nicht von "mindestens einer" Spule und auch nicht - wie im Anspruch der DE 37 21 XZX - von "einer" Spule die Rede ist, sondern ausdrücklich "Spulen" verlangt werden, folgert der Fachmann im Gegenteil, dass sich das Klagepatent insoweit von dem behandelten Stand der Technik abgrenzt (in diesem Sinne auch Gutachten Prof. Dr. P, Seite 11).

dd)Richtig ist zwar auch, dass die "Spulen" erfindungsgemäß zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch dienen. Diese Funktion ergibt sich unmittelbar aus dem Anspruch selbst ("Spulen ... zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch"). Außerdem wird der Fachmann in der Klagepatentbeschreibung darüber belehrt, dass die Spulen in Gestalt der Teile 4 und 5 zur Übertragung von Energie und zum bidirektionalen Datenfluss dienen (Anlage K 3, Spalte 1, Zeilen 60 bis 62). Wie bereits erwähnt, machen sich kontaktlose Chipkarten elektromagnetische Wellen zu nutze. Zum Betrieb der Karten erzeugt das Lesegerät zunächst an seiner Spule ein elektromagnetisches Schwingungsfeld, wodurch die in der Chipkarte vorhandene(n) Antennenspule(n) zum Mitschwingen angeregt wird/werden. Hierdurch entsteht nach dem Prinzip der induktiven Kopplung eine elektrische Wechselspannung. Diese Wechselspannung dient zum einen der Spannungsversorgung des Chips, weshalb eine Umwandlung in Gleichspannung erforderlich ist, und der Übertragung einer aus der Wechselspannung abgeleiteten Taktfrequenz, die der Mikroprozessor als Systemtakt benutzt. Daneben dient die Wechselspannung der Übertragung der Datensignale. Zur Energieversorgung und zum Datenaustauch kann auch nur eine (einzige) Spule verwandt werden (vgl. Gutachten Prof. Dr. P, Seiten 3, 11, 23 und 24; Gutachten Dipl.-Ing. O, Seite 20 [Bl. 473 GA]; IMS-Gutachten vom 13.03.2007, Anlage K 23, Seite 8; IMS-Gutachten vom 19.12.2008, Anlage K 50, Seite 5; IMS-Gutachten vom 24.04.2012, Anlage K 23, Seite 5). Zutreffend ist in diesem Zusammenhang auch, dass neben den vorgenannten Spulenfunktionen eine weitere Funktion der "Spulen" in der Klagepatentschrift nicht erwähnt wird. Auch befasst sich das Klagepatent nicht mit den Vorteilen einer "Mehr-Spulen-Lösung" gegenüber einer "Ein-Spulen-Lösung". Insbesondere wird in der Klagepatentschrift die in dem von den Beklagten vorgelegtem Privatgutachten (Anlage L 24, Seiten 10 ff) behandelte Möglichkeit des Einsatzes einer Phasenmodulation nicht angesprochen. Dass die in der Klagepatentschrift allein erwähnten Spulenfunktionen (Spannungsversorgung und Datenaustausch) auch von nur einer Spule erfüllt werden können, ändert jedoch nichts daran, dass der erteilte Patentanspruch gleichwohl "Spulen" und damit mindestens zwei Spulen verlangt.

Ebenso wenig wie es für eine wortsinngemäßen Patentbenutzung ausreicht, dass ein im Patentanspruch benanntes Bauteil fehlt, die diesem Bauteil zugedachte technische Funktion aber durch ein anderes Mittel erfüllt wird, reicht es für eine wortsinngemäße Merkmalsverwirklichung aus, wenn im Falle der Angabe einer Mehrzahl eines Bauteils im Patentanspruch (hier: Spulen) nur eine Einzahl dieses Bauteils (hier: eine Spule) vorgesehen ist, welche die der Mehrzahl zugedachte Funktion erfüllt. Zwar ist grundsätzlich eine funktionsorientierte Auslegung angebracht (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdnr. 33). Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs sind regelmäßig so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH, GRUR 2009, 655 - Trägerplatte; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 33). Die gebotene funktionale Betrachtung darf - was die Klägerin verkennt - bei räumlichkörperlich definierten Merkmalen jedoch nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlichkörperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (Meier-Beck, GRUR 2003, 905, 907; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 34). Anderenfalls würde die Grenze zwischen wortsinngemäßer und äquivalenter (d.h. gleichwirkender) Benutzung aufgelöst, die indessen schon wegen der Zulässigkeit des Formstein-Einwandes nur bei einer äquivalenten Benutzung beachtlich ist. Verlangt also z.B. das Klagepatent die Verbindung zweier Bauteile mittels einer "Schraube", so darf dieses Merkmal nicht ausschließlich von seiner Funktion her ausgelegt und im Sinne einer lösbaren Verbindung verstanden werden, selbst wenn es für die Zwecke der Erfindung nur auf die Lösbarkeit der Verbindung ankommt (Meier-Beck, GRUR 2003, 905, 907; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 34). Nichts anderes gilt, wenn das Klagepatent - wie hier - die Verwendung einer Mehrzahl eines Bauteils verlangt, zur Erfüllung der der Mehrzahl zugedachten Funktion aber schon eine Einzahl ausreicht.

ee)

Auch die Verwendung einer einzelnen Spule mit mehreren Windungen genügt für eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmale 2 nicht (vgl. a. Gutachten Prof. Dr. P, Seite 23). Der Patentanspruch weist den Fachmann an, neben dem Kontaktfeld "Spulen" zu verwenden. Unter einer "Spule" versteht der Fachmann - wie ausgeführt - einen Leiterdraht, der zu einer oder mehreren Windungen geformt ist. Auch ein Leiterdraht mit mehreren Windungen ist daher aus Sicht des Fachmanns (nur) eine Spule. Dementsprechend spricht auch die in der Klagepatentschrift zitierte DE 37 21 XZX von "einer Antenennspule", obgleich die in dieser älteren Druckschrift offenbarte Spule eine Mehrzahl von Drahtwindungen aufweist. Dass die Klagepatentschrift von einem anderen Verständnis des Begriffs "Spule" ausgeht und mit "Spulen" bloß eine Mehrzahl von Drahtwindungen meint, ist der Klagepatentschrift nicht zu entnehmen. Damit, wieviele Windungen die Spulen aufweisen sollen, befasst sich das Klagepatent überhaupt nicht.

ff)Die Überlegung, dass Fachleute grundsätzlich bestrebt sind, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen (BGH, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II; GRUR 2009, 653, 654 - Straßenbaumaschine; GRUR 2011, 701, 703 - Okklusionsvorrichtung), vermag eine anderweitige Auslegung des Begriffs "Spulen" ebenfalls nicht zu rechtfertigen.

Zwar kann der Fachmann der Klagepatentschrift nicht entnehmen, warum er zur Spannungsversorgung und zum Datenaustausch unbedingt mehr als eine Spule verwenden soll (vgl. Gutachten Prof. Dr. P, Seiten 3, 9 und 23 f; Dipl.-Ing. O, Anhörungsprotokoll, Seite 4 [Bl. 631 GA]). Ein Grund hierfür ist in der Klagepatentschrift nicht angegeben. Im Stand der Technik sind allerdings auch Chipkarten mit mehr als einer Spule bekannt (vgl. Dipl.-Ing. O, LG-Anhörungsprotokoll, Seite 2 [Bl. 629 GA]; Gutachten Prof. Dr. P, Seite 9; Gutachten Prof. Dr.-Ing. Q, Anlage L 24, Seiten 10 ff.; Gutachten Prof. Dr. R, Anlage K 48; Sickert/Weinerth, Elektronik 25/8.12.1989, Seiten 75 und 77). Wie sich insbesondere aus dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten von Prof. Dr. R (Anlage K 48) ergibt, kannte der Fachmann am Anmeldetag des Klagepatents sowohl "Ein-Spulen-Lösungen" als auch "Zwei-Spulen-Lösungen". Der erstinstanzliche Sachverständige hat in diesem Zusammenhang bestätigt, dass der Einsatz von mehr als einer Spule durchaus sinnvoll sein und Vorteile bieten kann (Dipl.-Ing. O, LG-Anhörungsprotokoll, Seite 3 [Bl. 630 GA]). So wird durch den Einsatz von zwei Spulen z. B. die Möglichkeit eröffnet, zur Verbesserung der Sicherheit des kontaktlosen Datenaustausches eine Phasenmodulation vorzunehmen, wodurch es zwischen den in beiden Spulen induzierten Spannungen zu einer Phasendifferenz kommt (vgl. Dipl.-Ing. O, LG-Anhörungsprotokoll, Seite 3 [Bl. 630 GA]; Gutachten Prof. Dr.-Ing. Q, Anlage L 24, Seiten 11 ff; Lemme, Elektronik 26/1993, Anlage L 24/4). Die Chipkarte funktioniert in diesem Fall nur, wenn diese Phasendifferenz besteht, was wiederum nur der Fall ist, wenn zwischen Karte und Lesegerät ein geringer Abstand besteht. Bei größeren Abständen geht hingegen der Effekt der Phasendifferenz verloren und ein Zugriff auf die Karte aus größerer Distanz ist damit ausgeschlossen. Der vom Senat beauftragte Sachverständige hat in seinem Gutachten ferner darauf hingewiesen, dass die Verwendung von zwei Spulen in den 80iger Jahren den Schaltungsaufwand für die Rückgewinnung des Taktes aus der kontaktlosen Schnittstelle erheblich eingeschränkt hat (Gutachten Prof. Dr. P, Seite 11). Die Verwendung von mehr als einer Spule kann daher durchaus technisch sinnvoll sein.

Unabhängig hiervon wird der vorerwähnte Grundsatz durch den Vorrang des Patentanspruchs eingegrenzt (BGH, GRUR 2011, 701, 703 - Okklusionsvorrichtung; vgl. zum Vorrang des Patentanspruchs auch Senat, Urteil vom 21.02.2013 - I-2 U 58/11). Kann der Wortlaut des Patentanspruchs mit einer bestimmten Auslegung, mag sie technisch auch noch so sinnvoll erscP, nicht in Einklang gebracht werden, vermag der erwähnte Grundsatz eine "Korrektur” des Patentanspruchs nicht zu rechtfertigen.

gg)Soweit die Klägerin zuletzt schließlich noch geltend gemacht hat, der Fachmann müsse bei Verwendung mehrerer Spulen angewiesen werden, wie diese Spulen anzuordnen seien, weil hintereinander geschaltete Spulen eine andere Funktion erfüllten als parallel angeordnete Spulen, das Klagepatent jedoch eine besondere Schaltungsanordnung der Spulen nicht nenne, weshalb in den Merkmalen nur "eine Spule" beschrieben sei, vermag auch diese Erwägung eine anderweitige Auslegung des Patentanspruchs nicht zu rechtfertigen. Dies gilt schon deshalb, weil nach der Argumentation der Klägerin nur eine Chipkarte mit einer (einzigen) Spule unter das Klagepatent fallen würde. Das Ausführungsbeispiel des Klagepatents weist aber zwei Spulen (Teil 4 und Teil 5) auf. Dass das einzige Ausführungsbeispiel nicht unter den Patentanspruch fällt, kann nicht angenommen werden und dies wird die Klägerin auch kaum ernsthaft geltend machen wollen. Hiervon ist auch keiner der in diese Sache tätigen Gutachter ausgegangen.

hh)

Der Senat geht deshalb in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. P davon aus, dass der Fachmann den Begriff "Spulen" als Handlungsanweisung dahingehend versteht, mindestens zwei Spulen zu verwenden, und er in diesem Begriff - entgegen der Auffassung der Privatgutachterin der Klägerin (IMS-Gutachten vom 24.04.2012, Anlage K 23, Seite 5; IMS-Gutachten vom 18.12.2012, Seite 5 f.) - keinen bloßen Gattungsbegriff sieht, der dem Leser der Patentschrift nur deutlich macht, welche Art von Bauteil die erfindungsgemäße Chipkarte - außer dem Kontaktfeld - noch aufweisen soll.

Die Entscheidung "Okklusionsvorrichtung" des Bundesgerichtshofs (GRUR 2011, 701) steht, worauf vorsorglich hinzuweisen ist, diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Soweit der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung auch ausgeführt hat, dass der im dortigen Patentanspruch verwandte Begriff "Klemmen” für sich genommen nicht etwas darüber aussagt, wieviele von ihnen vorhanden sein müssen, und grundsätzlich auch eine Auslegung dahin denkbar ist, dass es sich um einen Gattungsbegriff handelt, darf diese Entscheidung nicht dahin missverstanden werden, dass es generell gerechtfertigt wäre, die Bezeichnung eines Bauteils im Plural ("Klemmen", "Spulen") als bloße Gattungsbezeichnung zu interpretieren, die es dem Belieben des Fachmanns überlässt, in welcher Anzahl das Bauteil in dem erfindungsgemäßen Gegenstand vorhanden ist. Hätte es in dem vom Bundesgerichtshof letztinstanzlich entschiedenen Fall das einen Occluder mit einer einzigen Klemme zeigende Ausführungsbeispiel nicht gegeben, wäre der Patentinhaber von vornherein daran festzuhalten gewesen, dass er mit seiner Forderung nach "Klemmen" mindestens zwei klemmenartig ausgebildete Bauteile zur Voraussetzung für eine Erfindungsbenutzung gemacht hat, womit eine wortsinngemäße Verletzung ebenso hätte ausscheiden müssen wie eine äquivalente. Allein dass eine Mehrzahl des Bauteils für die Umsetzung des erfindungsgemäßen Gedankens - objektiv betrachtet - nicht erforderlich ist und der Durchschnittsfachmann sich auch darüber im Klaren ist, dass die Erfindung genauso gut mit ihrer Einzahl verwirklicht werden kann, rechtfertigt es noch nicht, das fragliche Merkmal als Gattungsbezeichnung abzutun. Jede andere Betrachtung liefe darauf hinaus, aus der Tatsache, dass die gewählte Anspruchsfassung "ungeschickt" ist, weil sie den technischen Erfindungsgedanken nicht restlos ausschöpft, auf einen Patentschutz jenseits des nun einmal gegebenen Anspruchswortlauts zu erkennen. Um in Fällen der fraglichen Art mit einer Gattungsbezeichnung argumentieren zu können, bedarf es also positiver Anhaltspunkte im Beschreibungstext dafür, dass auch ein Gegenstand mit einer Einzahl des Bauteils erfindungsgemäß sein soll. Daran fehlt es im Streitfall jedoch.

b)

Hiervon ausgehend verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 2 nicht wortsinngemäß. Denn sie besitzt unstreitig nur eine einzige Spule, die mehrfach um den Umfang der Chipkarte gewunden ist. Da es mithin an "Spulen", d.h. mehr als einer Spule fehlt, ist eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 2 und damit auch der "Spulen" voraussetzenden Merkmale 3, 7 b und 9 zu verneinen. Die abweichende Betrachtung der Klägerin führt - nicht anders als in der Occluder-Entscheidung des Bundesgerichtshofs - zur Einbeziehung einer Unterkombination in den Patentschutz. Dies ist, wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, nicht statthaft (BGH GRUR 2007, 1059 - Zerfallszeitmessgerät; GRUR 2009, 653 - Straßenbaumaschine; GRUR 2011, 701, 704 - Okklusionsvorrichtung).

3.Die aus den vorstehenden Gründen nicht wortsinngemäß erfüllten Merkmale werden von der angegriffenen Ausführungsform auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln verwirklicht.

a)Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine im Prioritätszeitpunkt gegebenen Fachkenntnisse den Fachmann befähigt haben, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch (Gleichwertigkeit) erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. des BGH; vgl. BGHZ 150, 161 ff. = GRUR 2002, 511 ff. - Kunststoffhohlprofil; BGHZ 150, 149 ff. = GRUR 2002, 515, 518 - Schneidmesser I; BGH, GRUR 2002, 519, 521 - Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 f. - Custodiol II; GRUR 2007, 410, 415 f. - Kettenradanordnung; GRUR 2007, 959, 961 - Pumpeinrichtung, GRUR 2007, 1059, 1063 - Zerfallzeitmessgerät; GRUR 2011, 313, 317 - Crimpwerkzeug IV). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, GRUR 2011, 313, 317 - Crimpwerkzeug IV).

b)Die vorgenannten Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz liegen hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.

Für die Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten Patentverletzung mit äquivalenten Mittel kann zu Gunsten der Klägerin sowohl unterstellt werden, dass die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform, bei der nur eine einzige Spule vorgesehen ist, mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln dasselbe Problem löst wie der im Patentanspruch des Klagepatents unter Schutz gestellte Gegenstand, als auch, dass der Fachmann durch seine Fachkenntnisse dazu befähigt ist, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden, weil ihm am Anmeldetag des Klagepatents neben "Zwei-Spulen-Lösungen" auch "Ein-Spulen-Lösungen" bekannt waren.

Zu verneinen ist dagegen, dass die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, am Sinngehalt der im Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind. Die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln ist daher aus fachmännischer Sicht nicht als gleichwertig in Betracht zu ziehen.

aa)Erforderlich nach dem Gleichwertigkeitserfordernis ist, dass diejenigen Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Es ist mithin nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen sich seine Überlegungen am Patentanspruch orientieren. Die notwendige Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGHZ 106, 84, 90 f. = GRUR 1989, 205 - Schwermetalloxidationskatalysator; BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515 - Schneidmesser I; BGH, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I; GRUR 2002, 519, 521 - Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 - Custodiol II; GRUR 2007, 1059, 1062 - Zerfallszeitmessgerät; BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung).

Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung im Einklang stehen (BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung). Offenbart z. B. die Beschreibung mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln (BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung; vgl. a. BGH, GRUR 2012, 45, 47 Rdnr. 44 - Diglycidverbindung). Eine Ausführungsform ist danach aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte (BGH, GRUR 2011, 701, 705 - Okklusionsvorrichtung; GRUR 2012, 45, 47 - Diglycidverbindung).

bb)So liegen die Dinge auch hier, weil der Patentanspruch - wie ausgeführt - die Verwendung von mindestens zwei Spulen verlangt, obgleich das Klagepatent in seiner Beschreibung selbst darauf hinweist, dass es auch kontaktlose Chipkarten mit nur einer Spule gibt. Der Fachmann wird vor diesem Hintergrund annehmen, dass sich das Klagepatent von einer Chipkarte mit mindestens zwei Spulen bestimmte, in der Klagepatentschrift nicht erwähnte Vorteile verspricht oder - wie es der gerichtliche Sachverständige ausgedrückt hat (Gutachten Prof. Dr. P, Seite 3) - hiermit einen in der Klagepatentschrift nicht mitgeteilten Zweck verfolgt und deshalb eine "Mehr-Spulen-Lösung" gegenüber einer "Ein-Spulen-Lösung" bevorzugt. Auch wenn der Fachmann den Grund für die Verwendung von mehr als einer Spule aus der Klagepatentschrift nicht entnehmen kann, verbindet er mit der Anweisung, mehr als eine Spule zu verwenden, insoweit zwangläufig einen technischen Sinn. Denn allein die Aufnahme in den Patentanspruch zeigt, dass die Verwendung mindestens einer zweiten Spule aus Sicht des Klagepatents von wesentlicher Bedeutung ist. Allein darauf abzustellen, dass bereits mit einer (einzigen) Spule ein Bauteil vorhanden ist, welches die Spannungsversorgung des Chips und den Datenaustausch bewirken kann, wird dem nicht gerecht. Die vom Patentanspruch gelehrte Verwendung einer Mehrzahl von Spulen wäre in diesem Fall ohne Bedeutung. Eine solche Bedeutung ist dem Merkmal aber auch dann zuzuweisen, wenn der Fachmann der Patentschrift einen konkreten Vorteil in Bezug auf die Anweisung, mindestens zwei Spulen zu verwenden, nicht entnehmen kann. In einem derartigen Fall wird er sich mangels abweichender Erkenntnisse eng an die Vorgabe des Patentanspruchs halten und eine Chipkarte mit lediglich einer Spule einer Chipkarte mit mindestens zwei Spulen nicht als gleichwertig in Betracht ziehen.

cc)

Nur dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Gebot der Rechtssicherheit, das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung steht. Daraus leitet der Bundesgerichtshof - wie bereits erwähnt - in ständiger Rechtsprechung ab, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGH, a.a.O.). Mit dem Gebot der Rechtssicherheit soll erreicht werden, dass der Schutzbereich eines Patentes für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist; sie sollen sich darauf verlassen können, dass die im Patent unter Schutz gestellte Maschine mit den Merkmalen des Patentanspruches vollständig umschrieben ist (BGH, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 1992, 305, 307 - Heliumeinspeisung; Benkard/Scharen, PatG/GebrMG, 10. Aufl., § 14 PatG Rdnr. 100). Der Anmelder hat dafür zu sorgen, dass in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (BGH, GRUR 1987, 626, 628 - Rundfunkübertragungssystem; GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 2002, 511, 512 - Kunststoffrohrteil; GRUR 2002, 519, 522 - Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 f. - Custodiol II). Die Leser der Patentschrift müssen sich darauf verlassen können, dass das, was im Patent unter Schutz gestellt ist, im Patentanspruch hinreichend deutlich bezeichnet ist (BGH, GRUR 1987, 626, 628 - Rundfunkübertragungssystem). Unterlässt es der Anmelder, in den Patentansprüchen alles niederzulegen, wofür er Schutz begehrt, muss er sich mit einem entsprechend engeren Schutzbereich zufrieden geben. Er ist an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (Senat, Urteil vom 12.03.2009 - I-2 U 76/06; Urteil vom 05.05.2011 - I- 2 U 9/10). Der Bundesgerichtshof spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass, wenn das Patent bei objektiver Betrachtung hinter dem weitergehenden technischen Gehalt der Erfindung zurückbleibt, der Schutz auf das zu beschränken ist, was noch mit dem Sinngehalt seiner Patentansprüche in Beziehung zu setzen ist (BGH, GRUR 2002, 519, 523 - Schneidmesser II; GRUR 2012, 45, 47 - Diglycidverbindung). So verhält es sich auch hier. Ist der Begriff "Spulen" im Patentanspruch als Handlungsanweisung dahingehend zu verstehen, mindestens zwei Spulen zu verwenden, so ist dies für den Fachmann eine eindeutige und nicht relativierbare Festlegung auf die Verwendung von mehr als einer Spule, auf deren unbedingte Geltung im Rahmen der schutzbeanspruchten Lehre sich Außenstehende verlassen können müssen. Aus dieser Erfindung für eine Chipkarte in Anspruch genommen zu werden, die anstelle von mehreren Spulen nur eine einzige Spule aufweist, wäre für sie nicht vorhersehbar. Begehrt der Anmelder nur Schutz für eine Chipkarte mit mindestens zwei Spulen, kann er dementsprechend nicht erwarten, dass unter das Patent auch Chipkarten fallen, die - wie die angegriffene Ausführungsform - nur eine Spule aufweisen.

Eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz scheidet damit ebenfalls aus.

4..Macht die angegriffene Chipkarte bereits aus den vorstehenden Gründen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, kann dahinstehen, ob sie auch die Merkmale 4 b, 5 b, 6, 7, 8 und 9 nicht verwirklicht. Hierauf kommt es nicht an.

C.

Die Beklagte zu 3. bzw. deren Rechtsvorgängerin hat das Klagepatent durch das Anbieten und/oder die Lieferung des Chips "F" auch nicht mittelbar verletzt (§ 10 PatG).

Soweit die Beklagte zu 3. den Chip "F" ohne Spule an die Beklagte zu 1. geliefert haben sollte, folgt dies zwar nicht bereits daraus, dass die Beklagte zu 1. das Klagepatent mit ihrer Chipkarte nicht unmittelbar verletzt hat, sofern der angegriffene Chip baulich auch für den Betrieb mit mindestens zwei Spulen geeignet ist, was die Beklagten zu 3. und 4. in erster Instanz in Abrede gestellt haben (Bl. 186 GA). Auch dann, wenn der angegriffene Chip entsprechend dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Klägerin (Bl. 338 GA und IMS-Gutachten vom 23.08.2007, Anlage K 42, Seite 5) grundsätzlich mit zwei Spulen betrieben werden könnte und man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass der Chip auch den Vorgaben der zwischen den Parteien ferner streitigen Merkmale entspricht und er damit ein Mittel ist, das objektiv geeignet ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, ist eine mittelbare Patentverletzung nicht feststellbar.

1.Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG setzt danach auch voraus, dass das Mittel "bestimmt” ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Die Bestimmung des Mittels zur unmittelbaren Patentverletzung kann nicht nach objektiven Maßstäben bemessen werden, sondern hängt von der subjektiven Willensrichtung des Angebotsempfängers oder Belieferten ab: Plant dieser den Einsatz des Mittels für die Benutzung der Erfindung, dann liegt die Bestimmung vor; plant der Angebotsempfänger dies nicht, fehlt es an der Bestimmung des Mittels zur unmittelbaren Patentverletzung. Das Tatbestandsmerkmal des "Bestimmtseins” der Mittel zur Benutzung der Erfindung ist daher ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das nicht in der Person des als mittelbarer Patentverletzer in Anspruch genommenen Anbieters oder Lieferanten des Mittels vorliegen muss, sondern in der Person des Angebotsempfängers oder Abnehmers. Dieser besitzt die alleinige Verfügungsmacht über den gelieferten Gegenstand, nur er kann daher die Entscheidung treffen, das ihm angebotene oder gelieferte Mittel unter Benutzung der Erfindung zu verwenden (BGH, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug; GRUR 2006, 839, 841 - Deckenheizung).

Die Bestimmung zur Benutzung der Erfindung setzt daher einen entsprechenden Handlungswillen des Angebotsempfängers oder Belieferten im Zeitpunkt der Vornahme einer mittelbaren Patentverletzung durch den Anbietenden oder Lieferanten voraus. Der erkennbare Handlungswille des Angebotsempfängers oder Belieferten ist entscheidend dafür, ob der angebotene oder gelieferte Gegenstand bestimmt ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Deshalb kann allein aus dem Umstand, dass der als mittelbarer Patentverletzer in Anspruch Genommene die objektive Eignung des von ihm angebotenen oder vertriebenen Mittels zur unmittelbaren Patentverletzung kennt, nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, das Mittel sei zur Begehung unmittelbarer Patentverletzungen auch bestimmt (BGH, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug). Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung enthält kein absolutes Verbot der Lieferung von Mitteln, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, sondern greift nur dann ein, wenn die Mittel nicht nur zur Benutzung der Erfindung in objektiver Hinsicht geeignet, sondern durch die Angebotsempfänger und/oder Abnehmer der Mittel hierzu auch bestimmt sind (BGHZ 159, 76 = GRUR 2004, 758 - Flügelradzähler; BGH, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug). Erkennt der Angebotsempfänger oder Belieferte aus den Umständen, unter denen er das Angebot oder die Lieferung des Mittels erhält, die Eignung des Mittels, patentverletzend verwendet zu werden, und bildet er den Willen, das Mittel auf diese Weise zu benutzen, ist das Tatbestandsmerkmal des Bestimmtseins des Mittels, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, erfüllt. Von einer oder mehreren mittelbar patentverletzenden Handlungen kann daher erst dann ausgegangen werden, wenn sich das Bestimmtsein der Mittel zu einer unmittelbaren Patentverletzung seitens der Angebotsempfänger und Belieferten für jedes in Betracht kommende einzelne Angebot und für jede einzelne Lieferung feststellen lässt, sofern dies nach den Umständen nicht offensichtlich ist (BGH, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug).

Für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des Bestimmtseins der Mittel, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, ist der Patentinhaber darlegungs- und beweispflichtig, der den Dritten wegen mittelbarer Patentverletzung in Anspruch nimmt (BGH, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug). Da dieses Tatbestandsmerkmal schwer darzulegen und zu beweisen ist, sieht § 10 Abs. 1 PatG vor, dass es zum Nachweis des Handlungswillens des Abnehmers und der Kenntnis und des Wollens des Anbietenden oder Lieferanten genügt, dass das Bestimmtsein der Mittel zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung auf Grund der Umstände offensichtlich ist, so dass zur Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals auf Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgegriffen werden kann (BGH, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug; GRUR 2006, 839, 841 - Deckenheizung; GRUR 2007, 679, 683 f. - Haubenstretchautomat). So kann die Erfahrung dafür sprechen, dass ein Mittel zur Benutzung der Erfindung durch die Abnehmer bestimmt wird, wenn der Anbieter oder Lieferant eine klagepatentgemäße Verwendung des Mittels empfiehlt (BGH, GRUR 2001, 228 - Luftheizgerät; GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug; GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug; GRUR 2007, 679, 684 - Haubenstretchautomat). Gleiches kann gelten, wenn ein Mittel infolge seiner technischen Eigenart und Zweckbestimmung auf eine zu einem Patenteingriff führende Benutzung zugeschnitten und zu einem entsprechenden Gebrauch angeboten wird (BGH, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug). Offensichtlichkeit verlangt allerdings ein hohes Maß an Voraussehbarkeit der Bestimmung der Mittel zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung seitens der Angebotsempfänger oder Abnehmer der Mittel (BGH, GRUR 2001, 228 - Luftheizgerät; GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug).

2.

Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze lässt sich im Streitfall eine entsprechende Verwendungsbestimmung der Abnehmer der Beklagten zu 3. nicht feststellen.

Die Klägerin begründet ihre gegen die Beklagten zu 3. und 4. erhobene Patentverletzungsklage allein damit, dass die Beklagte zu 3. bzw. deren Rechtsvorgängerin den angegriffenen Chip zur Herstellung der "C"-Karten an die Beklagte zu 1. geliefert hat. Die Beklagte zu 1. hat aber - wie ausgeführt - mit dieser Karte mangels Verwendung von mehr als einer einzigen Spule in ihren Karten von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch gemacht. Dass die Beklagte zu 1. zu irgendeinem Zeitpunkt beabsichtigt hat, mehr als eine Spule in ihren Chipkarten zu verwenden, ist weder dargetan noch ersichtlich. Es ist auch weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte zu 3. den in Rede stehenden Chip anderen Abnehmer angeboten oder geliefert hat, welche diesen in einer Dual-Interface-Karte mit mehr als einer Spule verwendet haben oder verwenden wollten. Ebenso fehlt jeglicher Sachvortrag dazu, dass eine derartige Verwendung des Chips - trotz der abweichenden Handhabung der Beklagten zu 1. - "offensichtlich" ist. Gegen einen solchen Einsatz spricht im Gegenteil vielmehr, dass die den Chip "F" betreffenden Produktunterlagen, wie z. B. die Produktinformation gemäß Anlage K 43, aus der die nachfolgend eingeblendete Abbildung stammt, allein eine Verwendung des Chips mit nur einer Spule zeigen.

Hinzu kommt, dass heute in kontaktlosen Chipkarten gewöhnlich nur eine Spule zur Signal- und Energieübertragung verwendet wird (Gutachten Prof. Dr. P, Seite 10). Dass es auch Dual-Interface-Karten mit mehr als einer Spule am Markt gibt, trägt die Klägerin nicht vor. Mangels entsprechendes Sachvortrages lässt sich eine relevante Verwendungsbestimmung daher nicht feststellen.

3.Damit scheidet jedenfalls aus diesem Grunde eine mittelbare Patentverletzung aus. Darauf, ob der angegriffene Chip den Vorgaben der Merkmale 4 b, 5 b, 6, 7, 8 und 9 entspricht, kommt es deshalb ebenfalls nicht an.

D.

Keinen Bestand haben kann das angefochtene Urteil allerdings, soweit das Landgericht auch eine Entscheidung über den Chip "B" getroffen hat. Denn es hat insoweit eine Entscheidung getroffen, die die Klägerin nicht beantragt hat (§ 308 Abs. 1 ZPO). Zu Unrecht hat das Landgericht die verfolgten Klageansprüche in zwei Streitgegenstände aufgegliedert. Die Klägerin hat nur einen Klageantrag gestellt und auch nur einen Lebenssachverhalt geltend gemacht.

1.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Streitgegenstand eines Rechtsstreits nicht ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird (vgl. BGHZ 157, 47, 50 = NJW 2000, 1252; BGHZ 117, 1, 5 = NJW 1992, 1172; BGH, GRUR 2001, 755, 756 f. - Telefonkarte; GRUR 2003, 716 f. - Reinigungsarbeiten; NJW 2003, 585, 586; NJW 2003, 828, 829; NJW-RR 2006, 1502, 1503). Zum Klagegrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGHZ 117, 1, 5 f. = NJW 1992, 1172; BGH, NJW 2007, 2560, 2561; NJW 2009, 56).

Über welchen Lebenssachverhalt das Gericht nach dem Klagebegehren zu entscheiden hat, kann nicht ohne Berücksichtigung der rechtlichen Grundlage entschieden werden, auf die der Kläger seine Klageanträge stützt. Denn diese rechtliche Grundlage bestimmt, welche Einzelheiten eines (behaupteten) tatsächlichen Geschehens in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht für das gerichtliche Erkenntnis (zumindest potenziell) von Bedeutung sind. Bei einer Patentverletzungsklage sind demgemäß für die Eingrenzung des Streitgegenstands, der der gerichtlichen Entscheidungsfindung unterworfen wird, vornehmlich diejenigen tatsächlichen Elemente von Bedeutung, aus denen sich Handlungen des Beklagten ergeben sollen, die einen der Tatbestände der §§ 9, 10 PatG ausfüllen. Zur sachlichen Eingrenzung dieser vom Klagebegehren umfassten Handlungen kommt es wiederum typischerweise in erster Linie darauf an, aus welcher tatsächlichen Ausgestaltung eines angegriffenen Erzeugnisses oder Verfahrens sich nach dem Klagevortrag ergeben soll, dass das Erzeugnis oder Verfahren unter den mit der Klage geltend gemachten Patentanspruch subsumiert werden kann. Der Streitgegenstand der Patentverletzungsklage wird demgemäß - wie bereits erwähnt - regelmäßig im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt (BGH, GRUR 2012, 485, 486 - Rohrreinigungsdüse II). Die Identität des Klagegrunds wird (erst) aufgehoben, wenn dieser Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts durch neue Tatsachen verändert wird (vgl. BGH, GRUR 2007, 172 - Lesezirkel II; BGHZ 154, 342, 348 f. = GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten; GRUR 2012, 485, 486 - Rohrreinigungsdüse II).

Klagegrund ist demnach nur der wesentliche Kern der Verletzungshandlungen nicht diese selbst im Ganzen, so dass dementsprechend materiell kerngleiche technische Varianten mangels relevanter Abweichung zu diesem Klagegrund zählen und somit regelmäßig als implizit mitgeprüft gelten (Zigann in: Haedicke/Timmann, a.a.O., § 6 Rdnr. 64). Hiervon ausgehend entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sich die Wiederholungsgefahr und damit der Unterlassungsanspruch inhaltlich nicht nur auf ein Verhalten der ganz konkret beanstandeten Art, d. h. nicht nur auf die genau identische Verletzungsform, erstreckt, sondern auch auf alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (vgl. BGH, GRUR 2011, 433, 425 - Verbotsantrag bei Telefonwerbung; GRUR 2000, 337, 338 - Preisknaller; GRUR 1996, 290, 291 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I; GRUR 1993, 579, 581 - Römer GmbH; GRUR 1989, 445, 446 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung I). Das Verbot eines Unterlassungstitels umfasst über die genau identische Verletzungsform hinaus demgemäß auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH, Urteil vom 19.07.2012 - I ZR 199/10, BeckRS 2013, 01441 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung; BGH, GRUR 2010, 855, 856 - Folienrollos; GRUR 2010, 253 - Fischdosendeckel, m.w.N.). Hat der Beklagte die angegriffene Ausführungsform nach der Verurteilung abgewandelt, kann der Kläger demgemäß im Wege des Ordnungsmittelverfahrens vorgehen, wenn die Abwandlung in den Kernbereich des bestehenden Titels fällt. Patentrechtlich gesprochen sind nicht die Bezeichnung mit Seriennummer oder eine bestimmte äußere Ansicht für den Verbotsausspruch tragend, sondern bestimmte technische Eigenschaften der angegriffenen Ausführungsform. Das bedeutet, dass im Patentverletzungsrechtsstreit die im Patentanspruch unter Schutz gestellte abstrakte technische Lehre der in der angegriffenen Ausführungsform verkörperten und dadurch konkretisierten technischen Lehre gegenübersteht. Technisch kerngleiche Ausführungsformen begründen hiernach keinen anderen Streitgegenstand, wobei eine Kerngleichheit in den Kategorien der technischen Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs gemeint ist (Zigann in: Haedicke/Timmann, a.a.O., § 6 Rdnr. 64).

2.Unter Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze richtete sich die Klage hier nur gegen die bei dem Chip "F" verwirklichte technische Ausgestaltung.

Die Klägerin hatte eine Chipkarte analysieren lassen, in der ein Chip des Typs "F" eingebaut war (vgl. Anlage K 20, Seite 7). Gestützt auf eben diese Untersuchungsergebnisse hat sie die Beklagten mit ihrer Klage wegen unmittelbarer bzw. mittelbarer Patentverletzung in Anspruch genommen. Der untersuchte Chip "F" weist eine Schaltungsanordnung auf, wie sie sich aus der von den Beklagten zu 3. und 4. als Anlage L 5 vorgelegten - im Tatbestand wiedergegebenen - Zeichnung ergibt. Gegen diese Ausgestaltung richtete sich damit die Klage.

Richtig ist zwar, dass die Klägerin in ihrer Klageschrift vom 11. Juli 2006 (Seiten 9, 21 und 23) auch den Chip "B" erwähnt und auch ein diesen Chip betreffendes Datenblatt (Anlage K 21) in Bezug genommen hat. Den Chip "B" hat sie jedoch bloß als weiteres Beispiel für die bei dem von ihr untersuchten Chip "F" verwirklichte Technik benannt. Denn sie hat den Chip "B" in ihrer Klageschrift (Seite 21) ausdrücklich als "kapazitätsmäßige Weiterentwicklung" des Chips "F" bezeichnet. Die Klägerin ist damit - irrtümlich - davon ausgegangen, dass der Chip "F" in allen für die patentrechtliche Beurteilung relevanten Merkmalen mit dem Chip "F" übereinstimmt, mithin dieselbe Schaltungsanordnung wie dieser aufweist, und lediglich eine - für die patentrechtliche Beurteilung irrelevante - größere Speicherkapazität besitzt als der von ihr untersuchte Chip "F". Angegriffen werden sollte damit allein die bei dem "F" verwirklichte technische Ausgestaltung. Den Chip "B" hat die Klägerin lediglich als weiteres Beispiel für eben diese Technik angeführt. Dies hätte sie genauso gut unterlassen können. Hätte der "B" tatsächlich eine identische Architektur wie der "F" aufgewiesen, hätte sich die Klage und ein etwaiger Urteilsausspruch von vornherein auch auf ihn bezogen, auch wenn dieser Chip in der Klageschrift nicht namentlich neben dem "F" erwähnt worden wäre. Nach dem maßgeblichen Klagevortrag betrafen beide Ausführungsformen damit denselben Streitgegenstand.

Wie sich aus einem Vergleich der im Tatbestand wiedergegebenen Schaltskizze des Chips "F" gemäß Anlage L 6 mit der als Anlage L 8 vorgelegten Schaltskizze des "B" ergibt, unterscheidet sich die bei dem Chip "B" verwirklichte Schaltungsanordnung allerdings tatsächlich von der des Chips "F". Danach verfügt der "B" z. B. über einen "S" zur Erzeugung eines Taktsignals und weist dieser Chip keinen "T" auf. Die Richtigkeit der Darstellung gemäß Anlage L 8 hat die Klägerin in erster Instanz nicht bestritten. Nachdem die Beklagten die Klägerin in ihren Klageerwiderungen auf die unterschiedliche Architektur der beiden Chips hingewiesen haben, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. März 2007 (Seite 32 [Bl. 176 GA]) klargestellt, dass der Chip "B" nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahren ist, d. h. die bei diesem Chip verwirklichte Ausgestaltung im vorliegenden Rechtsstreit von ihr in diesem Rechtsstreit nicht angegriffen wird. Gegenstand der Klage ist damit nur eine technische Ausgestaltung gewesen, nämlich die des Chips "F".

3.Durch die den Chip "B" betreffende Entscheidung des Landgerichts ist die Klägerin beschwert. Würde die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig, stünde der Zulässigkeit einer von der Klägerin gegen die Beklagten erhobenen Patentverletzungsklage wegen der Ausführungsform "B" nämlich die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils entgegen (§ 322 ZPO). Die Klägerin hat daher ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der Abänderung des landgerichtlichen Urteils, soweit dieses den von ihr nicht zur Entscheidung gestellten Chip "B" betrifft.

4.

Der Verstoß gegen § 308 ZPO führt dazu, dass die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts entsprechend zu beschränken ist. Der Senat hat deshalb ausgesprochen, dass die Klageabweisung die nicht angegriffene Ausführungsform "B" nicht betrifft. Der angekündigte Hilfsantrag der Klägerin auf Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht aus der Berufungsbegründung vom 24. August 2009 (Bl. 798 GA) ist infolgedessen gegenstandslos; diesen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nach dem Hinweis des Senat, dass der Chip "B" nicht als weiterer Streitgegenstand zu betrachten sein dürfte (Bl. 1653 GA), im Übrigen auch nicht gestellt.

5.

Die Klägerin hat ihre Klage in der Berufungsinstanz auch nicht auf die Chipkarte mit dem Chip "B" bzw. auf den Chip "B" erweitert. Sie hat im Laufe des zweiten Rechtszuges zwar geltend gemacht, dass auch der "B" von der Lehre des Klagepatents Gebrauch mache. Die diesbezüglichen Ausführungen hat sie aber nur vorsorglich für den Fall gemacht, dass der Senat davon ausgeht, dass diese Ausführungsform in erster Instanz Streitgegenstand geworden ist (vgl. Schriftsatz vom 24.04.2010, Seiten 8 und 24 [Bl. 928 und 944 GA]). Die von der Klägerin mit der Berufung weiterverfolgten Klageanträge beziehen sich damit nicht auf die Ausführungsform "B", so dass über diesen Chip und die mit diesem Chip ausgerüstete Karte im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und aus §§ 92 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz im Verhandlungstermin am 21. Februar 2013 hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsansprüche sowie der gegenüber den Beklagten zu 1. und 2. geltend gemachten Vernichtungsansprüche in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die diesbezüglichen Kosten, soweit es um die allein streitgegenständliche Ausführungsform "F" geht, gemäß § 91a Abs. 1 der Klägerin aufzuerlegen, weil die Beklagten zu 1. und 2. das Klagepatent mit der mit diesem Chip ausgerüsteten Chipkarte aus den vorstehenden Gründen nicht unmittelbar und die Beklagten zu 3. und 4. das Klagepatent mit diesem Chip nicht mittelbar verletzt haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens berücksichtigt, dass die Beklagten die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts betreffend die nicht streitgegenständliche Ausführungsform "F" ohne Erfolg verteidigt haben. Da die zweitinstanzliche Beweisaufnahme allein die Ausführungsform "F" betraf, die das Klagepatent nicht verletzt, waren die diesbezüglichen Kosten allein der Klägerin aufzuerlegen.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Die in Abänderung der landgerichtliche Wertfestsetzung (§ 63 Abs. 3 S. 1 GKG) ergehende Streitwertfestsetzung für die erste Instanz trägt dem Umstand Rechnung, dass im ersten Rechtszug tatsächlich allein die Ausführungsform "F" Streitgegenstand war. Der Streitwert für die Berufungsinstanz war höher als der erstinstanzliche Streitwert zu bemessen, weil im Berufungsverfahren auch darüber zu entscheiden war, ob das Landgericht über die Ausführungsform "B" entscheiden durfte. Wäre die von den Beklagten verteidigte Entscheidung des Landgerichts insoweit rechtskräftig geworden, hätte festgestanden, dass der Klägerin auch hinsichtlich dieser Ausführungsform keine Ansprüche gegen die Beklagten zustehen. Entsprechend den übereinstimmenden Angaben der Parteien im Verhandlungstermin (Bl. 1652 f. GA) ist der Senat bei der Streitwertbemessung davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Ausführungsformen "B" und "F" wirtschaftlich im Verhältnis 4 : 1 zu bewerten sind und dass der auf die beiden Ausführungsformen entfallende Streitwert gleichmäßig auf die Beklagten zu 1. und 2. einerseits und auf die Beklagten zu 3. und 4. andererseits aufzuteilen ist.

X Y Z






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 21.03.2013
Az: I-2 U 73/09


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