Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juli 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 362/03

(BPatG: Beschluss v. 26.07.2005, Az.: 14 W (pat) 362/03)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 44 30 172 mit der Bezeichnung

"Einrichtung zur Herstellung von Brezeln"

ist am 31. Juli 2003 veröffentlicht worden. Das Patent umfasst 25 Patentansprüche, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:

Einrichtung zur Herstellung von Brezeln mit einer eine Steuereinrichtung aufweisenden Schlingmaschine, in welcher mit Hilfe einzelner Baugruppen aus einem Teigstrang durch ein Schlingen der beiden Endabschnitte des Teigstranges eine Brezel geformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinrichtung (32) die Arbeitsgeschwindigkeit aller Baugruppen der Brezelschlingmaschine (4) aufgrund des Taktes festlegt, mit dem die Teigstränge (5) der Brezelschlingmaschine (4) zugeführt werden.

Zum Wortlaut der Ansprüche 2 bis 25, die besondere Ausgestaltungen der Einrichtung zur Herstellung von Brezeln nach dem Hauptanspruch betreffen, wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Gegen dieses Patent ist mit dem am 31. Oktober 2003 eingegangenen Schriftsatz Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende bestreitet die Patentfähigkeit des Patentgegenstands gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen

(1) US 5 079 014

(2) US 5 266 341

(3) US 5 118 274

(4) DE 33 90 437 C2

(5) DE 42 25 116 C1

(6) DE 38 41 395 C1

(7) DE 1 288 532 B

(8) DE 40 32 466 A1

(9) DE 32 08 105 A1

(10) DE 27 31 997 A1 belegten Stand der Technik. Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 offenbare nichts anderes als die Selbstverständlichkeit, dass die Geschwindigkeit mit der die Schlingmaschine aus den Teigsträngen eine Brezel forme, der Zuführgeschwindigkeit dieser Teigstränge angepasst sei. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber (6), die eine Vorrichtung zur Herstellung von Brezeln betreffe, nicht neu. Daraus sei nämlich bekannt, dass eine Steuereinrichtung für Saugnäpfe zur Aufnahme der Teigstränge nach dem Anfangssignal einer Lichtschranke den Verarbeitungsprozess der Teigstränge steuere. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch durch die Kombination von (5) mit einer der Druckschriften (1) bis (4) nahegelegt und beruhe deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Bei der Schlingmaschine für Brezeln gemäß (5) würden die Zu- und Abführbänder nach dem Arbeitstakt der Greiforgane und der Schwenkorgane synchronisiert. Um Störungen zu vermeiden, würde der Fachmann die Anregung aus einer der Teigverarbeitungsmaschinen betreffenden Druckschriften (1) bis (4) aufgreifen und die Arbeitsgeschwindigkeit der Teigverarbeitungsmaschine der Zuführgeschwindigkeit anpassen. Die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 25 seien ebenfalls nicht schutzfähig, da sie durch die Entgegenhaltungen (6) bis (10) nahegelegt seien bzw dem Fachmann geläufige Maßnahmen beträfen.

Darüber hinaus macht die Einsprechende geltend, dass nach § 21 Abs 1 Nr 2 PatG das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Im Rahmen des Patents würden nämlich lediglich die einzelnen Elemente der Einrichtung sowie deren Funktionsweise beschrieben, nicht jedoch die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung hat sie mitgeteilt, dass sie an dieser nicht teilnehmen werde.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei von (6) nicht neuheitsschädlich getroffen und auch nicht nahegelegt, da (6) eine Steuervorrichtung offenbare, welche die Arbeitsgeschwindigkeit der Brezelmaschine fest vorgebe, ein Variieren dieser Geschwindigkeit, wie beim Gegenstand des Anspruchs 1, dagegen nicht offenbare und auch nicht nahelege. Bei der aus (5) bekannten Brezelschlingmaschine seien die Baugruppen untereinander durch einen vorgegebenen Arbeitstakt synchronisiert, d.h. die Arbeitsgeschwindigkeit der Baugruppen sei innerhalb einer einmal vorgenommenen Programmierung der Einrichtung konstant. Auch die Druckschriften (1) bis (4), die Teigverarbeitungsmaschinen aber keine Brezelmaschinen beträfen, führten den Fachmann nicht zu der erfinderischen Lösung. Denn auch diese Entgegenhaltungen lehrten den Fachmann, die eigentliche Teigverarbeitung mit einer fest vorgegebenen und unveränderlichen Arbeitsgeschwindigkeit zu betreiben, und die Zuführ- und die Abführbänder für den Teig daran anzupassen. Allein aufgrund des unterschiedlichen Merkmals im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 daher auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Patentfähigkeit der abhängigen Ansprüche 2 bis 25 werde vom Hauptanspruch getragen. Das Patent offenbare auch in nahezu lehrbuchhafter Weise seinen Gegenstand, wie die Gesamtanordnung der Fig 1 sowie die weiteren Figuren mit Beschreibung zeigten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Der Einspruch ist somit zulässig. Er kann aber nicht zum Erfolg führen.

2. Die Patentansprüche 1 bis 25 sind zulässig. Der erteilte Anspruch 1 geht aus dem ursprünglichen Anspruch 1 sowie S 9 Abs 1 der Erstunterlagen hervor. Der Anspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 2, Anspruch 3 ist aus S 9 Abs 1 der Erstunterlagen ableitbar und die Ansprüche 4 bis 25 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 24. Die Anspruchsfassung ist nicht zu beanstanden.

3. Das Streitpatent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Dabei müssen die Angaben, die der Fachmann hierzu benötigt, nicht im Patentanspruch enthalten sein; es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben (BGH GRUR 2003, 223 - "Kupplungsvorrichtung II" mwN). Dies ist vorliegend der Fall. Die Funktionsweise der Einrichtung und das Zusammenwirken der einzelnen Bauteile ist ausreichend im Streitpatent anhand eines Ausführungsbeispiels mit 18 Figuren nebst ausführlichen Erläuterungen beschrieben. In Sp 3 Abs [0032] bis Sp 5 Abs [0040] iVm den Fig. 1 und 2 des Streitpatents wird eingehend ausgeführt, wie die Steuereinrichtung der Einrichtung zur Herstellung von Brezeln gemäß Anspruch 1 verwirklicht werden kann. Die Gesamtanordnung der einzelnen Bauteile der Einrichtung zur Herstellung von Brezeln ergibt sich im Detail für den Fachmann aus der Zusammenschau der Figuren mit der zugehörigen Beschreibung. Dazu ist keine Darstellung der gesamten Einrichtung in einer einzigen Figur erforderlich. Anhand der Beschreibung Sp 5 Abs [0042] wird dem Fachmann auch eine Anleitung gegeben, wo er den in Figur 7 skizzierten Greifer (17) anordnen soll, nämlich in definiertem Abstand oberhalb der Lichtschranke. Das gleiche gilt für die Teigschneidevorrichtung, die nach Abs [0042] vorzugsweise neben dem zweiten Querförderband (8) anzubringen ist. Die diesbezüglichen Einwände der Einsprechenden können daher nicht durchgreifen.

4. Die Einrichtung zur Herstellung von Brezeln nach Anspruch 1 ist neu.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 betrifft eine Einrichtung zur Herstellung von Brezeln mit einer eine Steuereinrichtung aufweisenden Schlingmaschine, wobeidie Steuereinrichtung (32) die Arbeitsgeschwindigkeit aller Baugruppen der Brezelschlingmaschine (4) aufgrund des Taktes festlegt, mit dem die Teigstränge (5) der Brezelschlingmaschine (4) zugeführt werden.

Aus den bereits im Prüfungsverfahren genannten und in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (Sp 1 Abs [0002, 0003]) erläuterten Druckschriften (5) und (6) sind gattungsgemäße Brezelschlingmaschinen bekannt, die Steuereinrichtungen aufweisen. Bei (6) wird vor dem Ergreifen der Teigstrangenden eines vorgeformten Teigstrangs die Länge des Teigstrangs mit einer Lichtschranke (3) gemessen, die Messwerte einer Steueranordnung zugeführt, die die Lage von Saugnäpfen, die die Teigstrangenden ergreifen, vor und während des Schlingvorganges steuert (Anspruch 1, Sp 2 Z 25 bis 30). Diese Steuerung dient dazu, sich auf ankommende Teigstränge unterschiedlicher Länge einstellen zu können, indem die Teigstränge jeweils an der richtigen Stelle ergriffen werden können, sodass eine große Anzahl von Brezeln pro Zeiteinheit hergestellt werden kann (Sp 2 Z 1 bis 11). Nachdem die Saugnäpfe abgenommen werden, wird dann das die Saugnäpfe tragende Gestell wieder in die ursprüngliche Position verschoben, sodass ein neuer Strang ergriffen werden kann (Sp 3 Z 15 bis 18). Durch diese Steuerung wird nicht entsprechend Anspruch 1 die Arbeitsgeschwindigkeit der Brezelschlingmaschine aufgrund des Taktes festgelegt, mit dem die Teigstränge der Brezelschlingmaschine zugeführt werden, sondern die Arbeitsgeschwindigkeit der Schlingmaschine bleibt konstant.

Bei (5) werden die Zuführ- und Abführbänder zur Brezelschlingmaschine zueinander nach einem bestimmten gesteuerten Arbeitstakt mittels einer frei programmierbaren Steuerung synchronisiert, nach dem auch die Greiforgane und Schwenkorgane der Maschine betätigt werden (Sp 8 Z 33 bis 37). Daraus ergibt sich, dass auch das Zuführorgan und damit die Fördergeschwindigkeit des Zuführbandes von der programmierbaren Steuerung bestimmt wird. Die Baugruppen von (5) arbeiten dabei einen Arbeitszyklus ab (Sp 9 Z 67 bis Sp 10 Z 6). Die Steuerung dient bei (5) dazu, die Linearantriebseinheiten und Drehantriebseinheiten so zu steuern, dass ihr Daten je nach gewünschter Brezelform zu Ansteuerung im Sinne bestimmter Verstellwege und -zeiten für die Bewegungsführungen eingegeben werden können (Sp 4 Z 21 bis 28, Sp 7 Z 14 bis 24). Auch bei (5) wird daher nicht die Arbeitgeschwindigkeit der Brezelschlingmaschine in Abhängigkeit vom Takt der Zufuhr der Teigstränge variiert.

Die Entgegenhaltungen (1) bis (4) betreffen keine Brezelschlingmaschinen und können daher die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 nicht in Frage stellen.

Die weiteren Entgegenhaltrungen (7) bis (10) betreffen zwar Brezelschlingmaschinen. Steuereinrichtungen für diese Maschinen sind dort aber nicht beschrieben, was von der Einsprechenden auch nicht dargelegt wurde. Aus diesen Druckschriften sind lediglich einzelne Merkmale der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche bekannt.

5. Die Einrichtung zur Herstellung von Brezeln nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, eine zumindest nahezu störungsfrei laufende Einrichtung der Art gemäß den aus (5) bis (8) bekannten Brezelschlingmaschinen zu schaffen. Gelöst wird diese Aufgabe durch die Einrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1, bei der durch eine Steuereinrichtung die Arbeitsgeschwindigkeit der Brezelschlingmaschine an den Takt, mit dem die Teigstränge der Brezelmaschine zugeführt werden, angepasst wird (vgl Sp 1 Abs [0006, 0007]). Diese Einrichtung wird vom Stand der Technik nicht nahegelegt. Die aus (5) und (6) bekannten Brezelmaschinen enthalten keinen Hinweis auf diese Art der Steuerung. Hier wird, wie die Patentinhaberin zutreffend vorgetragen hat, dem Fachmann, einem Ingenieur der Lebensmitteltechnik, der über langjährige Erfahrung in der Konstruktion von Teigverarbeitungsmaschinen verfügt, die Lehre vermittelt, die eigentliche Brezelschlingmaschine mit einer fest vorgegebenen und unveränderlichen Arbeitsgeschwindigkeit zu betreiben, und die Zuführbänder für die Teigstränge bzw die Brezeln daran anzupassen. Es wird jedoch nicht in Betracht gezogen, die Arbeitsgeschwindigkeit der eigentlichen Schlingmaschine in Abhängigkeit vom Takt der Zufuhr der Teigstränge zu variieren.

Auch die aus (1) bis (4) bekannten Einrichtungen zur Teigverarbeitung regen den Fachmann in Kombination mit (5) oder (6) nicht zur patentgemäßen Lösung an. Bei den Teigstreckmaschinen gemäß (1) und (3), die auf die gleiche Priorität zurückgehen, wird im Gegensatz zum Streitpatent die Geschwindigkeit des Förderbandes - dh der Takt - für die Teigzufuhr dahingehend verändert, dass die transportierte Teigmenge auf dem Förderband für den zu verarbeitenden Teig gleichmäßig bleibt ((1) Sp 1 Z 56 bis 61 iVm Anspruch1, (3) Anspruch 3). Bei der aus (2) bekannten Maschine für die Zufuhr eines gleichmäßigen Streifens eines Brotteiges werden Portionen des Brotteiges entsprechend ihrem Gewicht auf einem Förderband abgelegt, wobei, wie die Patentinhaberin zutreffend vorträgt, bestenfalls das Förderband 21 (Fig 1, 2) als Teigverarbeitungseinrichtung anzusehen ist, da hier eine Vergleichmäßigung der Teigportionen erfolgt. Dieses Förderband läuft aber mit gleichbleibender Geschwindigkeit (Sp 4 Z 20 bis 31). Die Teigteilmaschine gemäß (4) weist zwar einen Variator auf, der die Geschwindigkeit eines von einem Elektromotor angetriebenen Zylinders steuern kann, und dem Umsetzer gemäß Anspruch 2 des Streitpatents entspricht. Er dient aber bei (4) lediglich dazu, in einem Zeitabschnitt für eine reduzierte Drehgeschwindigkeit des Zylinders bei Beschicken einer Messkammer mit Teig und zu anderen Zeiten für eine schnellere Drehung zu sorgen, um einen möglichst geringen Zeitverlust zwischen den Ladungen der Messkammer zu sichern (vgl Sp 2 Z 60 bis Sp 3 Z 3). Aus keiner dieser Druckschriften ist somit ableitbar, mittels einer Steuereinrichtung die Arbeitsgeschwindigkeit der Teigverarbeitungsmaschine aufgrund des Taktes, mit dem der Teig zugeführt wird, festzulegen. Keine der Druckschriften (1) bis (4) kann daher in Kombination mit (5) oder (6) den Gegenstand des Anspruchs nahelegen.

Die Berücksichtigung der weiteren genannten Druckschriften führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.

6. Die Einrichtung zur Herstellung von Brezeln nach Anspruch 1 des Streitpatents erfüllt somit alle Kriterien der Patentfähigkeit. Dieser Anspruch ist daher rechtsbeständig; mit ihm haben die besondere Ausführungsformen der Einrichtung nach dem Hauptanspruch betreffenden Unteransprüche 2 bis 25 Bestand.

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BPatG:
Beschluss v. 26.07.2005
Az: 14 W (pat) 362/03


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