Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 15. Juni 2004
Aktenzeichen: 11 U 5/04

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 15.06.2004, Az.: 11 U 5/04)

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil desLandgerichts Frankfurt am Main vom 27.11.2003 - Az. 2/3 O 373/03 -wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte trägt 70%, der Verfügungskläger 30 % derKosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Streitwert: Bis zur Rücknahme der Anschlussberufung 10.000 Euro,danach 5.000 Euro.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Verfügungsbeklagte (i. f.: Beklagte) durch Veröffentlichung von Fotografien im Internet, die auch den Verfügungskläger (i.f.: Kläger) zeigen, sowie durch den Vertrieb von Papierabzügen dieser Bilder das Recht des Klägers am eigenen Bild verletzt hat.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das einen Online-Fotoservice betreibt. Zu ihren Dienstleistungen gehört es auch, dass sie ihren Kunden auf ihrem Server kostenlos Speicherplatz zur Verfügung stellt, den die Kunden dazu nutzen können, digital, hergestellte Bilddateien heraufzuladen und so €elektronische Fotoalben€ herzustellen, die dann über das Internet betrachtet werden können. Die Kunden der Beklagten haben grundsätzlich die Möglichkeit, den Zugang zu diesen Fotoalben von der Eingabe eines Passwortes abhängig zu machen. Ferner besteht die Möglichkeit, bei der Beklagten Papierabzüge der in den Alben enthaltenen digitalen Fotografien gegen Entgelt zu bestellen. Die Beklagte weiß, duldet und begrüßt es, wenn Dritte, die einen Bezug zu den Bildern, etwa zu den darauf abgelichteten Veranstaltungen, haben, auf ihren WebSites Links setzen, die den Betrachter dann beim Anklicken zu den jeweiligen Bilddateien führen. Durch das Anklicken solcher Links ist der Zugang zu den Fotoalben auch ohne Eingabe eines Passwortes möglich. Auch Betrachter, die über solche Links zu den Bilddateien gelangen, können dann bei der Beklagten Papierabzüge der dort gezeigten Bilder gegen Entgelt bestellen.

Der jetzt sechsjährige Kläger besucht die € Vorschule in € . Nach einem Umzug der Schule fand dort im November 2002 eine Neueröffnungsfeier statt, an der auch der Kläger in Begleitung seiner Mutter teilnahm. Dabei wurden von einer nicht bekannten Person digitale Fotografien gefertigt, die eine Gruppe von anwesenden Kindern zeigen, darunter auch den Kläger. Die Bilddateien, wurden später in ein elektronisches Album eingestellt, das sich auf dem Server der Beklagten befindet. Auf der Web-Site der € Schule ist ein Link installiert, der ohne weiteres, insbesondere ohne Registrierung durch ein Passwort, zu diesem elektronischen Album führt. Beim Betrachten dieser Web-Site am 8.9.2003 wurde der Vater des Klägers auf dieses Album und damit auch auf die Bilder, die den Kläger zeigten, aufmerksam. Daraufhin bestellte die Mutter des Klägers bei der Beklagten Papierabzüge der streitbefangenen Fotografien, die ihr gegen ein Entgelt von 17,25 Euro ausgeliefert wurden.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte verletze durch das Zugänglichmachen der Fotografien im Internet und durch das Versenden von Abzügen an beliebige Dritte das Recht des Klägers am eigenen Bild. Er hat am 24.9.2003 im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt,

es der Beklagten unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, 1) das Bildnis des Antragstellers - wie aus Anlage 5 a und 5 b der Antragsschrift ersichtlich - im Internet zu veröffentlichen 2) das Bildnis des Antragstellers - wie aus Anlage 5 a und 5 b der Antragsschrift ersichtlich - zu verbreiten, insbesondere entgeltlich oder unentgeltlich Dritten zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Durch Urteil vom 13.11.2003 hat das Landgericht es der Beklagten unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel untersagt, das Bildnis des Antragstellers - wie aus Anlage 5 a und 5 b der Antragsschrift ersichtlich - zu verbreiten, insbesondere entgeltlich Dritten zur Verfügung zu stellen; im Übrigen, also hinsichtlich der unentgeltlichen Verbreitung sowie hinsichtlich der Veröffentlichung im Internet, hat es den Antrag zurückgewiesen. Der stattgebende Teil der Entscheidung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte durch das Übersenden der Papierabzüge an beliebige Dritte ohne Zustimmung der Eltern des Klägers gegen dessen Verbreitungsrecht nach § 22 KUG verstoße und darum nach den §§ 823, 1004 BGB zur Unterlassung verpflichtet sei. Die Ausnahmetatbestände des § 23 KUG seien nicht gegeben. Die fotografierte Gruppe von Kindern sei das Motiv des Bildes und darum nicht nur €Beiwerk" i.S.v. § 23 I Nr.2 KUG. Ob es sich bei der Kindergruppe um eine €Versammlung" oder einen €ähnlichen Vorgang" i.S.v. § 23 I Nr.3 KUG handele, könne dahin stehen, da jedenfalls die Verbreitung zu kommerziellen Zwecken nach mehr als einem Jahr die berechtigten Interessen des Klägers verletze und darum nach § 23 II KUG unzulässig sei. Hinsichtlich des Verbreitens der Papierabzüge greife eine Privilegierung der Beklagten als sog. Host-Provider nach den §§ 8 ff TDG nicht. Hinsichtlich des vom Kläger erstrebten Verbots der unentgeltlichen Verbreitung hat das Landgericht den Antrag mangels Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr zurückgewiesen; Anhaltspunkte für einen unentgeltlichen Vertrieb durch die Beklagte bestünden nicht. Hinsichtlich des beantragten Verbots der Veröffentlichung im Internet hat es die Beklagte mit Blick auf die §§ 8 ff TDG als nicht verantwortlich angesehen.

Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Berufung trägt die Beklagte vor: Sie sei für das Verbreiten der Papierabzüge nach den §§ 8 ff TDG nicht verantwortlich. Eine Differenzierung zwischen der Online-Veröffentlichung der Bilder und dem Versenden der Papierabzüge sei sachfremd. Ihre Leistungen entsprächen denen eines herkömmlichen Fotolabors. Danach komme ihr nur die Rolle eines technischen Vermittlers zu. Die übermittelte Information bleibe für sie €fremd" i.S.d. §§ 8 ff TDG. Zudem griffen zu ihren Gunsten die Privilegierungstatbestände des § 23 I Nr.2 und Nr.3 KUG ein. Schließlich sei die Einwilligung der Mutter des Klägers zu unterstellen, da es naheliegend sei, dass bei einer Eröffnungsfeier, bei der auch die Presse anwesend sei, digitale Fotografien gefertigt würden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgericht abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insgesamt zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er stellt eine Einwilligung der Mutter des Klägers jedenfalls zu den hier streitgegenständlichen Aktivitäten der Beklagten in Abrede. § 23 I Nr.3 KUG sei nicht einschlägig, da es sich bei der Gruppe von Kindern nicht um eine Versammlung im Sinn dieser Bestimmung handele und jedenfalls das Bild der Kindergruppe für die Eröffnungsfeier nicht repräsentativ sei. Soweit die Beklagte die Papierabzüge ausgeliefert habe, habe sie nicht als Teledienst i.S.v. § 2 II Nr.5 TDG gehandelt und sei darum nicht nach den §§ 8 ff TDG privilegiert. Jedenfalls habe sich die Beklagte die in den Bildern enthalte- nen Informationen durch die Vermarktung auf eigene Rechnung zu eigen gemacht, sie seien darum als eigene Informationen i.S.v. § 8 I TDG anzusehen, für die die Beklagte in vollem Umfang verantwortlich sei.

Ferner hat der Kläger zunächst Anschlussberufung erhoben, mit der er sich gegen die Zurückweisung seines Verfügungsantrags hinsichtlich der Veröffentlichung im Internet gewendet hat. Er hat aber hierzu in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt.

II.

Der Senat hat nur noch über die Berufung der Beklagten zu entscheiden, da der Kläger, indem er in der mündlichen Verhandlung zu seiner Anschlussberufung keinen Antrag gestellt hat, diese konkludent zurückgenommen hat. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben und begründet, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte dem Kläger nach den §§ 823, 1004 BGB, 22, 23 KUG zur Unterlassung des entgeltlichen Versands von Papierabzügen der streitgegenständlichen Bilder verpflichtet ist. Der Kläger ist auf diesen Bildern, eindeutig erkennbar. Die Beklagte hat diese Bilder, indem sie sie an beliebige Dritte auf Bestellung hin versendet, im Sinn von § 22 KUG verbreitet. Diese Bestimmung verbietet jede Verbreitung eines Werkstücks in körperlicher Form; auch Abzüge von digitalen Fotografien fallen hierunter (Dreier/Schulze, UrhG, 2004, § 22 KUG, Rz.9). Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, sie treffe als bloße Hilfsperson keine Verantwortlichkeit, da sie einem Fotolabor vergleichbar sei. Dieser Vergleich ist nicht stichhaltig. Ein Fotolabor stellt auf Bestellung des Fotografen oder eines in dessen Auftrag handelnden Dritten Papierabzüge der (auch digitalen) Bilder her und händigt diese dem Auftraggeber aus. Hiervon unterscheidet sich die streitbefangene Tätigkeit der Beklagten grundlegend.

Sie stellt (auch) im Auftrag beliebiger Dritter, die die jeweiligen Bilder via Internet betrachtet haben, entgeltlich Papierabzüge her und überlässt diese ihrem Auftraggeber, vermarktet also die fremden Fotografien auf eigenen Namen und eigene Rechnung. Damit verhält sie sich - um im Bild der Beklagten zu bleiben - wie ein Fotolabor, das Abzüge der ihm überlassenen Filme im Schaufenster ausstellt und an beliebige Passanten veräußert, oder wie ein Verleger, der (ohne Zustimmung des Autors) Nachdrucke eines bestimmten Sprachwerks herstellt. Ein derartiges Verhalten ist seit jeher als urheberrechtliche Verletzungshandlung angesehen worden (vgl. BGHZ 14, 163,175; Lütje, in: Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2000, § 97, Rz.32). Der Senat schließt sich dem an.

Die Verbreitung der streitbefangenen Fotos war auch nicht durch eine Einwilligung der Mutter des Klägers gedeckt. Zweifelhaft ist schon, ob die Mutter des Klägers eine solche Einwilligung ohne Mitwirkung des Vaters wirksam erteilen konnte (§§ 104, 105, 1629 I 2 BGB) und ob die Mutter des Klägers bemerkt hat, dass bei der Veranstaltung im November 2002 Bilder von der Kindergruppe gefertigt wurden, in der sich der Kläger befand. Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, erstreckte sich eine im Dulden dieses Fotografierens zu sehende konkludente Einwilligung allein auf zeitnahe Veröffentlichungen in der lokalen Presse, deren Vertreter bei der Veranstaltung anwesend waren, nicht aber auf eine Vermarktung der Bilder durch die Beklagte mit fast einjähriger Verzögerung.

Die Verbreitung der Bilder war auch nicht nach § 23 KUG ausnahmsweise zulässig. Die Kindergruppe und damit der Kläger als Bestandteil dieser Gruppe sind das Hauptmotiv der Bilder und damit nicht etwa nur €Beiwerk" i.S.v. § 23 I Nr.2 KUG. Eine €Versammlung" oder ein €ähnlicher Vorgang" darf nach § 23 I Nr.3 KUG nur dann ohne Einwilligung gezeigt werden, wenn die Versammlung insgesamt oder zumindest ein repräsentativer Ausschnitt hiervon als Vorgang gezeigt wird, nicht dagegen, wenn einzelne oder mehrere Individuen abgebildet sind (OLG München NJW 1988, 915, Dreier/Schulze, UrhG, 2004, § 23 KUG, Rz.19). So aber verhält es sich hier. Die streitbefangenen Bilder zeigen lediglich eine Gruppe von Kindern; dass diese Fotografie gerade bei der Eröffnung der € - Vorschule entstanden ist, wird dem Betrachter nicht erkennbar. Die Bilder enthalten damit keinen repräsentativen Ausschnitt aus der Veranstaltung. Im Übrigen ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass jedenfalls die nach § 23 II KUG vorzunehmende Interessenabwägung eindeutig zugunsten des Klägers ausfallen müsste. Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass sein Bild nicht ohne Einwilligung seiner Eltern zu fremdem ökonomischem Nutzen vermarktet wird.

Schließlich ist die Beklagte, soweit sie entgeltlich die Papierabzüge vertreibt, nicht nach den §§ 8 ff TDG privilegiert. Das scheitert schon daran, dass die Bestimmungen des TDG nach § 2 I TDG nur für solche Dienste gelten, denen €eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt"; hier hat die Beklagte aber Papierabzüge im Wege des Versands übermittelt. Zu Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass ausweislich des Erwägungsgrundes 18 der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie), auf der § 2 TDG beruht, Tätigkeiten wie die körperliche Auslieferung von Waren von der Richtlinie nicht erfasst werden sollten. Soweit es um die Verbreitung der bestellten Papierabzüge via Offline geht, kommen die Privilegien des TDG somit der Beklagten nicht zugute. Im Übrigen hätte sich die Beklagte diese Bilder, indem sie sie auf eigene Rechnung vermarktet, zu eigen gemacht und wäre damit nach § 8 I TDG für diese €eigene Information" nach den allgemeinen Gesetzen, also unbeschränkt, verantwortlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
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