Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. September 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 269/03

(BPatG: Beschluss v. 08.09.2004, Az.: 26 W (pat) 269/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der für die Waren

"Kaffee, Tee, Kakao, Süßwaren, Konfekte, Schokoladenwaren, Pralinen gefüllt mit Spirituosen oder Wein, Eiskonfekt, Speiseeis, Bonbons, Müsli-Riegel, Cerealien; Biere; alkoholfreie Getränke, Mineralwässer, Tafelwässer, Quellwässer, Fruchtsäfte, Präparate zur Herstellung von alkoholfreien Getränken; alkoholische Getränke (außer Bier), Spirituosen, Liköre, Wein, Sekt"

bestimmten Wortmarke 399 37 889 Canarinhaist Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 2 081 864 canariodie für die Waren

"alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ua ausgeführt: Selbst wenn von einer teilweisen Identität der beiderseitigen Waren und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werde, weshalb an die Unterscheidbarkeit der Marken strenge Anforderungen zu stellen seien, halte die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke in jeder Hinsicht ein. Zu unmittelbaren schriftbildlichen Verwechslungen gäben die sich gegenüberstehenden Markenwörter keinen Anlaß, denn durch die Wiedergabe mit Bindestrich weise die Widerspruchsmarke bereits ein völlig anderes Umrißbild als die angegriffene Marke auf, die sich wiederum durch die zusätzliche Buchstabenfolge "nh" im Schriftbild deutlich von der Widerspruchsmarke abhebe. Aber auch in klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Markenwörter hinreichend. Es könne dahingestellt bleiben, inwieweit der den Marken gemeinsame Bestandteil "Cana" als spanischer Begriff für einen aus Zuckerrohr gewonnenen Branntwein oder zumindest als das portugiesische Wort für "Zuckerrohr" den angesprochenen Verkehrskreisen geläufig sei. Auch bei Außerachtlassen eines beschreibenden Begriffsanklangs dieses Bestandteils reichten die Abweichungen in den jeweils zweiten Worthälften "-rio" und "-rinha" aus, um den klanglichen Gesamteindruck der Vergleichswörter in deutlich unterschiedliche Richtungen zu lenken. Unabhängig davon, ob man mit "rio" die brasilianische Stadt "Rio de Janeiro" oder die spanische Bezeichnung für "Fluß" verbinde oder nur eine Wortendung ohne jeden Begriffsinhalt darin sehe, klinge diese Lautfolge durch die unmittelbare Aufeinanderfolge der Vokale "i" und "o" wesentlich kürzer als die entsprechende Lautfolge in der angegriffenen Marke "Canarinha". Werde diese entsprechend dem bekannten brasilianischen Cocktail "Caipirinha" ausgesprochen, würden die beiden letzten Silben dieser Marke wie "rinnja" klingen. Ebenso wenig bestehe die Gefahr, daß die beiden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Schon wegen seines beschreibenden Begriffsgehalts "Zuckerrohr" sei der übereinstimmende Bestandteil "Cana" auf dem hier in Rede stehenden Warengebiet der alkoholischen Getränke nicht als Stammbestandteil von Serienzeichen geeignet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ausgehend von einer möglichen Identität der beiderseitigen Waren und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält sie die sich gegenüberstehenden Zeichen für klanglich verwechselbar. Entgegen der Ansicht der Markenstelle verfüge der inländische Verkehr nicht über hinreichende Kenntnisse der spanischen Sprache, um den Sinngehalt des Begriffs "cana" zu kennen. Er werde deshalb "cana", insbesondere in der ungewöhnlichen Kombination "canario", als exotisch klingendes Wort einordnen. Ebenso sei der Wortbestandteil "rio" kein geographischer Herkunftshinweis für das unter der Widerspruchsmarke vertriebene Produkt. Neben der Assoziation "Rio de Janeiro" sei den Konsumenten die Übersetzung "Fluß" für den Begriff "rio" geläufig, so daß es bereits an einer für die Schwächung der Kennzeichnungskraft erforderlichen eindeutigen Zuordnung fehle. Damit trete die Widerspruchsmarke dem Verkehr als einprägsames Phantasiewort entgegen, mit dem die angegriffene Marke im Rechtssinne klanglich übereinstimme. Beide Kennzeichnungen seien viersilbig und wiesen eine nahezu identische Vokalfolge auf ("A-A-I-A" gegenüber "A-A-I-O"). Darüber hinaus stimmten sie in drei von vier Silben überein, und bei beiden Zeichen liege die Betonung auf der dritten Silbe. Demgegenüber würden die unterschiedlichen Endvokale kaum wahrgenommen zumal man Wortanfänge ohnehin besonders beachte und beide Marken jeweils von dem exotisch anmutenden und am Wortanfang stehenden Bestandteil "Cana" geprägt seien. Die Schwierigkeit, die ein großer Teil des inländischen Verkehrs bei der Aussprache des zweiten Wortteils der angegriffenen Wortmarke "rinha" haben werde, führe zusätzlich zu einer verstärkten Wahrnehmung des ersten, einprägsamen Wortteils "Cana"", wobei ohnehin eine deutsche Aussprache der Zeichen zugrunde zu legen sei.

Demgemäß beantragt die Widersprechende, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Ihrer Ansicht nach verfügt die Widerspruchsmarke "canario" nur über eine geringe Kennzeichnungskraft, denn in Verbindung mit den geschützten Waren "alkoholische Getränke" sei der Begriff "cana" jedenfalls insoweit beschreibend, als er auf "alkoholische Getränke aus Zuckerrohr" hinweise. Durch ihre Reisen in spanisch- und portugiesischsprachige Länder würden die angesprochenen Verkehrskreise den Sinngehalt des Wortes "cana" auch kennen. Aus der Sicht der Verbraucher sei der Begriff "cana" zudem deshalb nicht herkunftshinweisend, weil er auch in zahlreichen anderen Marken alkoholischer Getränke verwendet werde. Auch der zweite Markenbestandteil "rio" verfüge als Hinweis auf die brasilianische Stadt Rio de Janeiro nur über eine schwache Kennzeichnungskraft. Angesichts der schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke müsse die angegriffene Marke ihr gegenüber nur einen geringen Abstand einhalten. Dies sei in jeder Hinsicht der Fall, was die Markeninhaberin im einzelnen näher begründet.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke "Canarinha" und der Widerspruchsmarke "canario" keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Satz 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 922 - Canon).

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von Warenidentität auszugehen, denn die angegriffene Marke und die ältere Kennzeichnung sind ua für "alkoholische Getränke" bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "canario" wird in ihrer Gesamtheit als durchschnittlich angenommen, denn ein nicht unwesentlicher Teil der inländischen Käufer der betreffenden Spirituosen wird der aus zwei fremdsprachigen Begriffen (Spanisch bzw Portugiesisch) gebildeten Bezeichnung keinen Sinngehalt entnehmen. Die danach an den Abstand der Marken zu stellenden strengen Anforderungen werden von der angegriffenen Marke jedoch gewahrt.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND mwNachw). Klangliche Verwechslungen der zu beurteilenden Kennzeichnungen sind im rechtserheblichen Umfang nicht zu befürchten: Bei einer Aussprache der beiden Kennzeichnungen nach Regeln der deutschen Sprache stehen sich "canarinha" einerseits und "canario" gegenüber, wobei davon auszugehen ist, daß der Buchstabe "h" am Anfang einer Silbe (wie bei deutschen Wörtern) nicht stumm bleibt, sondern im Gegenteil innerhalb der eher ungewöhnlichen Lautfolge "rinha" sogar deutlich in Erscheinung tritt. Bei dieser Aussprache stimmen die Vergleichswörter zwar in der Silbenzahl und in den ersten drei Vokalen (aai) überein, ihre zweiten Worthälften "rio" und "rinha" weichen jedoch klanglich so erheblich voneinander ab, daß sich die Vergleichswörter im klanglichen Gesamteindruck hinreichend deutlich unterscheiden, wozu insbesondere die Lautfolge "rio" und die unterschiedlichen Endvokale "a" gegenüber "o" beitragen. Schließlich wirkt auch der recht bekannte Sinngehalt von "rio" (spanisch = Fluß) oder "Rio" (als gebräuchlicher Abkürzung von "Rio de Janeiro") zusätzlich einem Verhören entgegen. Entsprechendes gilt, soweit die angegriffene Marke "Canarinha" am Ende wie der brasilianische Cocktail "Caipirinha" oder der bekannte Raubfisch "Piranha", nämlich wie "rinnja", ausgesprochen wird.

Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß beide Marken von dem übereinstimmenden Bestandteil "Cana" geprägt werden. Zwar kann eine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG auch dann bestehen, wenn einzelne Bestandteile der Marken Ähnlichkeiten aufweisen und diese ähnlichen Bestandteile den Gesamteindruck der Marke prägen. So kann eine das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft einem einzelnen Markenbestandteil dann ausnahmsweise zugemessen werden, wenn ihm in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Feststellung der Prägung des Gesamteindrucks eines mehrteiligen Zeichens durch einen Bestandteil setzt aber voraus, daß die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl BGH GRUR 2000, 233 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Hiervon ausgehend kann insbesondere nicht von einer Prägung der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "Cana" ausgegangen werden. Gegen eine selbständig kennzeichnende Stellung dieses Bestandteils spricht bereits der Umstand, daß die jüngere Marke als geschlossene Gesamtbezeichnung wirkt und er mit seiner Bedeutung "Zuckerrohr" für Spirituosen zumindest einen beschreibenden Anklang aufweist.

Etwaige schriftbildliche Verwechslungen sind aufgrund der zusätzlichen Buchstabenfolge "nh" und dem in der Widerspruchsmarke enthaltenen Bindestrich ebenfalls hinreichend ausgeschlossen.

Für eine etwaige gedankliche Verbindung der Vergleichszeichen aufgrund des übereinstimmenden Bestandteils "Cana" besteht - abgesehen von seiner oben beschriebenen Kennzeichnungsschwäche - bereits deshalb kein Anlaß, weil die Widersprechende nicht über eine entsprechend gebildete Zeichenserie verfügt.

Der Beschwerde war deshalb der Erfolg zu versagen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand kein Anlaß.

Albert Eder Kraftbr/Ko






BPatG:
Beschluss v. 08.09.2004
Az: 26 W (pat) 269/03


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