Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 24/03

(BPatG: Beschluss v. 17.02.2005, Az.: 25 W (pat) 24/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. September 2001 und 11. Oktober 2002 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 398 63 655 für die Waren und Dienstleistungen

"Chemische und biochemische Erzeugnisse für Analysen, Diagnostik und Gentechnologie; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; wissenschaftliche und industrielle Forschung"

angeordnet worden ist.

2. Der Widerspruch aus der Marke 1 067 844 wird zurückgewiesen, soweit er sich gegen die genannten Waren richtet.

3. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Wortzeichen NOVOMAX ist am 1. März 1999 unter der Nummer 398 63 655 für die Waren und Dienstleistungen "Chemische und biochemische Erzeugnisse für Analysen, Diagnostik und Gentechnologie; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, ausgenommen Impfstoffe und Adjuvanzien für Impfstoffe für die Humanmedizin; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; wissenschaftliche und industrielle Forschung" in das Markenregister eingetragen worden.

Die Inhaberin der für die Waren "Arzneimittel" geschützten und seit 4. September 1984 eingetragenen Marke Nr 1 067 844 Novanoxhat gegen die Eintragung Widerspruch eingelegt und im Widerspruchsformular erklärt, dass sich der Widerspruch gegen "alle gleichen und gleichartigen Waren" richtet. Im Beschwerdeverfahren wurde die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 26. September 2001 und 11. Oktober 2002, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Eintragung der Marke Nr 398 63 655 wegen des Widerspruchs aus der Marke Nr 1 067 844 gelöscht.

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen seien, sei von der Registerlage auszugehen. Die Vergleichsmarken könnten zur Kennzeichnung zum Teil identischer und sehr ähnlicher, im übrigen unbedenklich ähnlicher Waren Verwendung finden. Ferner sei von einer Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen "wissenschaftliche und industrielle Forschung" und "Arzneimitteln" auszugehen. Mangels Rezeptpflicht seien die Endverbraucher uneingeschränkt zu berücksichtigen. Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke müssten an den Abstand der Marken im Bereich identischer Waren noch strenge, mit abnehmendem Grad der Warenähnlichkeit entsprechend geringere Anforderungen gestellt werden, die jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht erfüllt seien, selbst wenn man die Anfangsbestandteile nur als schwach kennzeichnend ansähe. Die dreisilbigen Vergleichswörter wiesen sehr weitgehende klangliche Übereinstimmungen auf. Der Umstand, dass den Endbestandteilen "MAX" und "NOX" abweichende Bedeutungsanklänge innewohnten, trage zur Unterscheidbarkeit nicht in entscheidungserheblichem Umfang bei, weil die klangliche Ähnlichkeit bereits einen solchen Grad erreiche, dass die Vergleichsmarken füreinander gehört werden könnten.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat dagegen Beschwerde eingelegt und beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Marke 1 067 844 zurückzuweisen.

Von den jeweils drei Silben der Markenbegriffe bestehe eine völlige Übereinstimmung lediglich bei der ersten Silbe. Die verbleibenden Silben wiesen zum Teil beträchtliche Unterschiede auf. Besonders bei den Endsilben seien die Unterschiede erheblich und nicht zu überhören, wobei durch den unterschiedlichen begrifflichen Gehalt der Endsilben, der den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sei, (max = Abkürzung für maximal; noxe = (lat) Schädlichkeit; krankheitserregende Ursache) die klanglichen Unterschiede verstärkt würden. Hinzu komme, dass sowohl der Fachverkehr als auch Laien den Wortanfängen lediglich einen beschreibenden Hinweis auf neue Produkte entnähmen, und der Verkehr deshalb den übrigen Bestandteilen eine größere Aufmerksamkeit zuwende. Beachtlich sei weiterhin, dass der Verkehr auf dem Gebiet der Arzneimittel Marken mit erhöhter Aufmerksamkeit wahrnähme. Aus den Benutzungsunterlagen der Widersprechenden sei außerdem nicht ersichtlich, wie die Marke in den Jahren 1994 bis 1999 benutzt worden sei.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Marken seien hochgradig ähnlich, da der Gesamteindruck nahezu identisch sei. Anfangs- und Endsilben stimmten überein, "m" und "n" seinen kaum auseinander zu halten, und der Vokaltausch trage nicht zur Unterscheidung, sondern zur Verwirrung bei. Es bestehe sowohl bei einer hohen als auch bei einer zumindest vorliegenden mittleren Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr. Diese liege auch hinsichtlich der Dienstleistungen vor.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2005 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.) Hinsichtlich der angeordneten Löschung der Marke Nr 398 63 655 für die Dienstleistungen "wissenschaftliche und industrielle Forschung" sind die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des DPMA vom 26. September 2001 und 11. Oktober 2002 bereits deshalb aufzuheben, weil der aus der Marke 1 067 844 erhobene Widerspruch nur gegen alle gleichen und gleichartigen Waren gerichtet ist, die Dienstleistungen im Verzeichnis der angegriffenen Marke also nicht umfasst. Die Formulierung im Widerspruchsformular lässt keine andere Auslegung zu, da nicht die Angabe "alle Waren/Dienstleistungen", sondern "folgende Waren/Dienstleistungen der angegriffenen Marke" angekreuzt ist und dabei nur "alle gleichen und gleichartigen Waren" genannt werden.

2.) Hinsichtlich der Waren "Chemische und biochemische Erzeugnisse für Analysen, Diagnostik und Gentechnologie; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide" der angegriffenen Marke hat die Beschwerde ebenfalls Erfolg, da insoweit keine Verwechslungsgefahr besteht, und der Widerspruch insoweit zurückzuweisen ist (§ 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

Nachdem der Inhaber der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zulässig nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG bestritten hat, können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf Seiten der Widerspruchsmarke lediglich die Waren berücksichtigt werden, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht ist.

Die Widersprechende hat eine rechtserhaltende Benutzung für "Hypnotika/Sedativa" sowohl für den nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG erheblichen Zeitraum (1. April 1994 bis 1. April 1999) als auch für den nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG erheblichen Zeitraum (17. Februar 2000 bis 17. Februar 2005) glaubhaft gemacht. Die eidesstattlichen Versicherungen vom Juli 2004 und 25. August 2004 weisen für die Jahre 1994 bis 2003 für ein unter der Marke vertriebenes Schlafmittel Um- sätze zwischen ... und ... € aus. Die rechtserhaltende Art der Be- nutzung wurde durch Vorlage von Verpackungen, welche die Widerspruchsmarke an hervorgehobener Stelle auf der Vorderseite zeigen, hinreichend glaubhaft gemacht. Da die eidesstattliche Versicherung vom Juli 2004 den Zeitraum von 1998 bis 2003 betrifft, ist ohne gegenteilige Anhaltspunkte davon auszugehen, dass auch die mit ihr eingereichten Verpackungsbeispiele denselben Zeitraum abdekken, hier also nicht nur einen erheblichen Teil des nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG, sondern auch des nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG relevanten Zeitraums. Es ist lediglich eine Glaubhaftmachung und kein Beweis der rechtserhaltenden Benutzung erforderlich. Nach den Gesamtumständen ist glaubhaft gemacht, dass die Marke in beiden relevanten Zeiträumen so benutzt wurde, wie die Verpakkungsbeispiele zeigen, denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Verpackung in den genannten Jahren geändert hat. Auch wenn der Inhaber der angegriffenen Marke dies für den nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG maßgeblichen Zeitraum bestreitet, so hat er keine Tatsachen vorgebracht, die Zweifel an der Art der Anbringung des Zeichens auf den Verpackungen begründen könnten. Darüber hinaus hat der Vertreter der Widersprechenden anwaltlich versichert, dass der Geschäftsführer ihm während einer Verhandlungsunterbrechung telefonisch erklärt habe, dass in der Zeit 1995 bis 1999 die Widerspruchsmarke in derselben Weise verwendet worden sei, wie sie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergäbe. Das von der Widersprechenden mit ihrer Marke gekennzeichnete Arzneimittel fällt in die Hauptgruppe "Hypnotika/Sedativa" der Roten Liste, so dass eine rechtserhaltende Benutzung für diese Hauptgruppe glaubhaft gemacht ist. Die Widersprechende kann dabei nicht auf eine Rezeptpflicht festgelegt werden, da in diese Hauptgruppe ebenso nicht rezeptpflichtige und nicht apothekenpflichtige Mittel fallen, selbst wenn das mit der Marke der Widersprechenden gekennzeichnete Schlafmittel ausweislich der eingereichten Verpackungen verschreibungspflichtig ist (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 26 Rdn 212). Für darüber hinausgehende Arzneimittel wurden keine Benutzungsunterlagen eingereicht, so dass die Nichtbenutzungseinrede mit Ausnahme der Waren "Hypnotika/Sedativa" durchgreift.

Zwischen den zu berücksichtigenden Waren "Hypnotika/Sedativa" der Widerspruchsmarke und den Waren "Chemische und biochemische Erzeugnisse für Analysen, Diagnostik und Gentechnologie; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide" der angegriffenen Marke besteht ein erheblicher Warenabstand, auch wenn diese Waren noch ähnlich sind und sich teilweise in ihrer Wirkung ergänzen können, soweit es sich um "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost" handelt. Auch wenn deshalb nicht generell für alle diese Waren von einer Warenferne ausgegangen werden kann, so kann man aber allenfalls einen mittleren Ähnlichkeitsbereich zwischen diesen Waren und den "Hypnotika/Sedativa" annehmen. Insoweit reichen die Unterschiede in den Marken aus, eine Verwechslungsgefahr zu verhindern, auch wenn man der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zubilligt.

Bei den sich gegenüber stehenden Marken handelt es sich um dreisilbige Wörter, die in den Lauten "novx" übereinstimmen, und deren Anfangskonsonanten der letzten Silbe eine deutliche klangliche Ähnlichkeit aufweisen. Jedoch ist deren Vokalfolge unterschiedlich, und die Wörter und deren Unterschiede lassen sich wegen des Begriffsanklangs der einzelnen Bestandteile leichter erkennen, einprägen und behalten. Die Zeichen weisen eine klare Gliederung auf, indem die Anfangsbestandteile ("NOVO" und "Nova") auf eine Neuheit hinweisen. Wegen dieses beschreibenden Gehalts der Anfangsbestandteile wird der Verkehr verstärkt auch auf die weiteren Bestandteile der Marken achten und die Unterschiede zwischen "MAX" und "nox" leichter bemerken, zumal insbesondere der Bestandteil "MAX" einen auch Laien geläufigen Begriffsinhalt hat. Der Bestandteil "nox" bedeutet "Nacht" und ist bei Schlafmitteln ein gängiger Markenbestandteil, was eine Verwechslungsgefahr ebenfalls mindert. Dabei muss zudem berücksichtigt werden, dass im Bereich der Arzneimittel, zu denen die Waren der Widerspruchsmarke gehören, der Verkehr aufmerksam ist, da die Gesundheit betroffen ist, was einer Verwechslungsgefahr zusätzlich entgegen wirkt. Bei einer entfernten oder allenfalls mittleren Ähnlichkeit der Waren ist deshalb mit klanglichen Verwechslungen nicht mehr zu rechnen. Bei den Waren "chemische und biochemische Erzeugnisse für Analysen, Diagnostik und Gentechnologie" kommt noch hinzu, dass sich diese vorwiegend an den Fachverkehr wenden, der mit Marken noch vertrauter ist und ihnen aufmerksamer begegnet als Laien. Die Unterschiede werden insoweit noch leichter erkannt.

Schriftbildlich stehen sich die Zeichen noch ferner als in klanglicher Hinsicht, da sie lediglich in den Buchstaben "novx" übereinstimmen und die Unterschiede in den weiteren Buchstaben "oma" bzw "ano" sich zu einem erheblich anderen Schriftbild summieren. Außerdem ist bei der insoweit maßgeblichen visuellen Wahrnehmung zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 207) und daher die Unterschiede noch leichter bemerkt werden.

3.) Hinsichtlich der Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, ausgenommen Impfstoffe und Adjuvanzien für Impfstoffe für die Humanmedizin" der angegriffenen Marke hat die Beschwerde dagegen Erfolg, da insoweit eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke besteht (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) und die Markenstelle insoweit zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat. Diese Waren können mit den bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden "Hypnotika/Sedativa" identisch sein oder können in einem engen Warenbezug stehen. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit ist insoweit ein deutlicher Zeichenabstand erforderlich, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern, der jedoch in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten wird. Bei Warenidentität und -nähe reichen die Unterschiede in der Vokalfolge und dem Anfangskonsonanten der zweiten Silbe trotz klarer Gliederung der Zeichen und einer erhöhten Aufmerksamkeit der beteiligten Verkehrskreise nicht aus, um Verwechslungen aus dem Erinnerungsbild hinreichend auszuschließen, da die vertauschten Vokale "o" und "a" in der Klangfärbung benachbart und "m" und "n" als Nasenlaute klangverwandt sind. Zudem führt die Vokalumstellung bei nahestehenden Produkten nicht zu einem klaren Abstand, sondern kann dann auch verwirrend wirken.

Die Beschwerde konnte somit insgesamt nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg haben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Kliems Sredl Bayer Pü






BPatG:
Beschluss v. 17.02.2005
Az: 25 W (pat) 24/03


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