Bundesgerichtshof:
Urteil vom 21. Januar 2010
Aktenzeichen: I ZR 47/09

(BGH: Urteil v. 21.01.2010, Az.: I ZR 47/09)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 11. März 2009 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln. Er mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 31. Juli 2007 wegen einer wettbewerbswidrigen Werbung für Kräutertee ab, ohne dass hierauf eine Reaktion erfolgte. Auch eine zweite, nunmehr von den Rechtsanwälten des Klägers ausgesprochene Abmahnung blieb ohne Reaktion. Daraufhin nahm der Kläger die Beklagte gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch. Zugleich verlangte er für die eigene Abmahnung einen Pauschalbetrag von 181,13 € sowie die Erstattung der durch die zweite Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 899,14 €. Nachdem die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Kostenpauschale für die erste Abmahnung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamburg WRP 2009, 1569).

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsantrag in Höhe von 899,14 € weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die zweite, von seinen Anwälten ausgesprochene Abmahnung zugebilligt. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG sei lediglich die erste Abmahnung. Zwar habe auch der zweiten Abmahnung ein Unterlassungsanspruch des Klägers zugrunde gelegen, so dass es sich um eine begründete Abmahnung gehandelt habe. Berechtigt sei eine Abmahnung aber nur, wenn sie erforderlich sei, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Ob Aufwendungen erforderlich seien, richte sich nach den Verhältnissen des Gläubigers. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigte Wettbewerbsvereine wie der Kläger müssten in der Lage sein, durchschnittlich schwierige Abmahnungen selbst auszusprechen. Neben der Erstattung der Kosten dieser Abmahnung, die dem Kläger vom Landgericht zugesprochen worden seien, sei für die Erstattung der Kosten einer weiteren, nunmehr anwaltlichen Abmahnung kein Raum. Der Umstand, dass sich die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten des Klägers infolge der hälftigen Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr verringert hätten, ändere daran nichts.

Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der anwaltlichen Abmahnung ergebe sich auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Es entspreche nicht dem Interesse und mutmaßlichen Willen des Schuldners, zweimal auf denselben Rechtsverstoß hingewiesen zu werden.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten der zweiten, anwaltlichen Abmahnung verneint.

1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass es Sinn der vorgerichtlichen Abmahnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG ist, dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung beizulegen (BGH, Urt. v. 7.10.2009 - I ZR 216/07 Tz. 9 - Schubladenverfügung). Die Abmahnung soll dem Schuldner den Weg weisen, wie er den Gläubiger klaglos stellen kann, ohne dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen (vgl. BGHZ 149, 371, 374 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Nur wenn die Abmahnung diese Funktion erfüllt, handelt es sich um eine berechtigte Abmahnung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rdn. 1.80 f.). Denn der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch rechtfertigt sich daraus, dass die Abmahnung auch im Interesse des Schuldners liegt. Hat der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, kann eine zweite Abmahnung diese Aufgabe nicht mehr erfüllen.

Allerdings hat der Senat in der Entscheidung "Fotowettbewerb" eine zweite (anwaltliche) Abmahnung als notwendige Folge einer ohne Reaktion gebliebenen ersten Abmahnung eines Wettbewerbsverbandes angesehen und dem dort klagenden Verband einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag zugebilligt (BGHZ 52, 393, 400; so auch OLG Köln, Urt. v. 30.3.2007 - 6 U 207/06, juris Tz. 11; OLG Brandenburg WM 2008, 418; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2008 - 29 U 3592/08; OLG München, Urt. v. 16.12.2008 - 20 U 36/08; a.A. OLG Hamm, Urt. v. 17.1.2008 - 4 U 159/07, juris Tz. 24; vgl. ferner MünchKomm.UWG/Ottofülling, § 12 Rdn. 164; Hess in Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 Rdn. 39). Mit Recht hat das Berufungsgericht aber darauf hingewiesen, dass diese aus dem Jahre 1969 stammende Entscheidung, mit der erstmals ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag begründet worden ist, am Anfang einer umfangreichen Rechtsprechung steht, bei der es nicht zuletzt darum geht, eine missbräuchliche Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs sowie eine unbillige Belastung des Schuldners mit Kosten zu vermeiden, die zur Erreichung des Ziels einer Streitbeilegung ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht erforderlich sind (vgl. nur BGHZ 149, 371, 374 f. - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). So hat der Senat - ebenfalls noch zum Kostenerstattungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag - darauf hingewiesen, dass ein Kostenerstattungsanspruch im Allgemeinen nur hinsichtlich der ersten Abmahnung in Betracht kommt, weil nur die erste Abmahnung dem Interesse und mutmaßlichen Willen des Schuldners entspricht (BGHZ 149, 371, 375 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Auch der Grundsatz, dass ein Verband nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG grundsätzlich in der Lage sein muss, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße auch ohne anwaltlichen Rat zu erkennen und abzumahnen (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 126, 145, 147 - Verbandsausstattung II), dient dazu, den Anreiz einer durch Kosteninteressen begründeten Abmahntätigkeit eines mit einem Verband zusammenarbeitenden Rechtsanwalts von vornherein zu unterbinden. Dabei spielt es keine Rolle, dass im Streitfall nichts dafür spricht, dass mit der zweiten (anwaltlichen) Abmahnung derartige Kosteninteressen verfolgt worden wären.

2. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der zweiten Abmahnung ergibt sich auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 Satz 1, §§ 677, 670 BGB). Wie bereits dargelegt, entsprach die zweite Abmahnung nicht dem Interesse und mutmaßlichen Willen der Beklagten, die bereits durch die erste Abmahnung auf den Wettbewerbsverstoß und auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hingewiesen worden war.

III. Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Bornkamm Büscher Schaffert Kirchhoff Koch Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 31.01.2008 - 315 O 767/07 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 11.03.2009 - 5 U 35/08 -






BGH:
Urteil v. 21.01.2010
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