Landgericht Hamburg:
Urteil vom 15. Dezember 2006
Aktenzeichen: 406 O 285/06

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung vom 19. Oktober 2006 wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufgehoben.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, die Antragsgegnerinnen leisten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Antragstellerin vertreibt Lebensmittelfarben, die Antragsgegnerinnen befassen sich mit dem Vertrieb von färbenden Lebensmitteln. Letztere werden aus Extrakten von Obst und Gemüse hergestellt. Die Antragsgegnerinnen verwenden dabei verschiedene Arten von Zucker, um während der Herstellung der färbenden Lebensmittel eine thermische Schädigung der verwendeten Früchte, Gemüse bzw. essbaren Pflanzen und ein Anbacken der Produkte während der Konzentration im Eindampfer zu verhindern. Der Zucker dient ferner dazu, die Fließfähigkeit der Konzentrate sicher zu stellen, deren mikrobiologische Stabilität herbeizuführen, eine optimale Farbstabilität zu erreichen und eine bestimmte Farbintensität einzustellen. Die Antragsgegnerinnen empfehlen ihren Kunden, die färbenden Lebensmittel in den von den Kunden herzustellenden Endprodukten als Konzentrate aus den für die Herstellung der färbenden Lebensmittel verwendeten Früchten und Gemüsen zu bezeichnen. Die den Kunden von den Antragsgegnerinnen empfohlene Kennzeichnung enthält keinen Hinweis auf den Zucker, der den färbenden Lebensmitteln während des Herstellungsprozesses zugefügt wird und in ihnen verbleibt.

Die Antragstellerin hält die in den Kennzeichnungsempfehlungen der Antragsgegnerinnen fehlenden Hinweise auf den färbenden Lebensmitteln zugesetzten Zucker für irreführend im Sinne des § 11 Abs. 1 LFGB. Mit ihrer Deklarationsempfehlung für die angebotenen färbenden Lebensmittel täuschen die Antragsgegnerinnen nach Auffassung der Antragstellerin die angesprochenen Verkehrskreise, denn die empfohlene Deklaration entspreche nicht den einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften für die Zutatenkennzeichnung. Danach müssten gemäß § 5 LMKV grundsätzlich alle Zutaten gekennzeichnet werden. Die in § 5 Abs. 2 LMKV enthaltenen Ausnahmen seien vorliegend nicht einschlägig. Insbesondere sei § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur für Bestandteile gelte, die im Endprodukt lediglich als unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände oder Abbau- oder Reaktionsprodukte von Rückständen in gesundheitlich unbedenklichen Anteilen vorhanden seien, wie aus der Verweisung in dieser Norm auf § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB folge.

Die Antragstellerin erwirkte am 19. Oktober 2006 einen Beschluss, mit welchen den Antragsgegnerinnen im Wege einer einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken färbende Lebensmittel, die unter Verwendung von Invertzucker, Fruktose, Saccharose oder anderen Trägerstoffen hergestellt werden, mit der Empfehlung zu bewerben, sie als "Konzentrate aus Früchte und Gemüse (verwendete Rohwaren)" ohne Angabe der Trägerstoffe zu deklarieren, insbesondere, wenn dies wie im Beschluss vom 19. Oktober 2006 näher dargestellt geschieht.

Hiergegen wenden sich die Antragsgegnerinnen mit ihrem Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend machen, der ihren färbenden Lebensmitteln beigefügte Zucker bedürfe nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV keiner Deklaration im Endprodukt. Verarbeitungshilfsstoffe, die keine Zusatzstoffe seien, gelten nach Auffassung der Antragsgegnerinnen nach dieser Vorschrift auch dann nicht als Zutat, wenn sie im Enderzeugnis nicht lediglich in der Form von Rückständen vorhanden sind.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

wie erkannt.

Die Antragstellerin beantragt

Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Der zulässige Widerspruch ist begründet. Die einstweilige Verfügung erweist sich unter Berücksichtigung des Parteivorbringens im Widerspruchsverfahren als zu Unrecht ergangen.

Die von Antragsgegnerseite den färbenden Lebensmitteln hinzugesetzten Zuckerarten gelten nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV nicht als Zutaten und bedürfen daher keiner Aufnahme in das Verzeichnis der Zutaten nach §§ 6 Abs. 1, 3 LMKV. Die entsprechende Deklarationsempfehlung der Antragsgegnerinnen veranlasst deren Kunden daher nicht zu einem Verstoß gegen die LMKV. Die Kennzeichnungsempfehlung enthält damit auch keine rechtlich relevante Irreführung im Sinne der §§ 5 UWG, 11 LFGB zu Lasten der Kunden der Antragsgegnerinnen oder (mittelbar) der Abnehmer der Endprodukte.

Die Antragstellerseite hält § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV vorliegend deshalb nicht für einschlägig, weil diese Vorschrift voraussetze, dass der in Rede stehende Stoff im Endprodukt nur noch in Form von Rückständen vorhanden sei, wie dies näher in § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB beschrieben werde. Diese Rechtsauffassung teilt die Kammer nicht. § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV enthält zwar einen Verweis auf § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass unter § 5 Abs. 2 Nr. 6 LFGB nur Stoffe fallen könnten, die im Endprodukt nur noch in Form von unvermeidlichen Rückständen vorhanden sind. Die in § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV enthaltene Verweisung auf § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB beschränkt sich darauf, dass die Stoffe auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck wie Stoffe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB verwendet werden müssen. Der Verwendungszweck wird in § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB mit den Worten "aus technologischen Gründen" umschrieben. Die Verwendungsweise wird in der Norm mit den Worten "während der Be- oder Verarbeitung von Lebensmitteln" gekennzeichnet. Auch die hier in Rede stehenden Zuckerzusätze erfolgen während der Be- oder Verarbeitung der färbenden Lebensmittel aus den im Tatbestand genannten technologischen Gründen. Dass die Verwendung der von § 5 Abs. 2 Nr. 6 erfassten technologischen Hilfsstoffe auf dieselbe Weise wie die Verwendung der Verarbeitungshilfsstoffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB erfolgen muss, impliziert nach Auffassung der Kammer bereits nicht notwendig, dass die Hilfsstoffe im Endprodukt nur noch in Form unvermeidbarer Rückstände vorhanden sein dürften. Jedenfalls enthält § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV insoweit eine Sonderregelung, als die Norm jedenfalls auch für technologische Hilfsstoffe gilt, die im Enderzeugnis vorhanden bleiben.

Der Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV steht es entgegen der von Antragstellerseite geäußerten Auffassung auch nicht entgegen, dass die hier in Rede stehenden Zuckerzusätze jedenfalls hinsichtlich eines Teiles ihrer Funktion auch als Lösungsmittel oder Trägerstoffe eingeordnet werden können. § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV findet auch auf Lösungsmittel und Trägerstoffe Anwendung. Eine Ausnahme für diese Stoffe ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV noch aus dem systematischen Zusammenhang mit der Regelung mit § 5 Abs. 2 Nr. 4 LMKV. Nach letzterer Regelung gelten Lösungsmittel und Trägerstoffe für bestimmte Zusatzstoffe nicht als Zutaten, sofern sie in nicht mehr als technologisch erforderlichen Mengen verwendet werden. Die Antragstellerin hat diesbezüglich argumentiert, diese Regelung sei überflüssig, wenn man unter § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV auch Verarbeitungshilfsstoffe fasse, die im Enderzeugnis nicht lediglich in Form von Rückständen vorhanden seien. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Regelungen des Lebensmittelrechtes nicht immer in der Weise vollständig aufeinander abgestimmt sind, wie dies die Argumentation der Antragstellerin in diesem Punkt voraussetzen würde. Darüber hinaus kann § 5 Abs. 2 Nr. 4 LMKV auch nach der hier vertretenen Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV selbständige Bedeutung gegenüber letzterer Regelung (und gegenüber der Nr. 3) für solche Trägerstoffe oder Lösungsmittel erlangen, die Zusatzstoffe sind (und damit nicht unter Nr. 6 fallen) sowie im Erzeugnis verbleiben (und damit nicht unter 3 fallen). Auch die Antragstellerin geht auf S. 4 ihres Schriftsatzes vom 13. Dezember 2006 davon aus, dass auch Trägerstoffe unter die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 6 LMKV fallen können, wenngleich mit der nach Auffassung der Kammer nicht zutreffenden Einschränkung, dass dies nur für Stoffe gelte, die im Enderzeugnis lediglich noch als Rückstände vorhanden seien.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 15.12.2006
Az: 406 O 285/06


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