Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 1. Juni 2006
Aktenzeichen: 4a_O_234_05

(LG Düsseldorf: Urteil v. 01.06.2006, Az.: 4a_O_234_05)

Tenor

I. Die Beklagten zu 1) bis 5), 7) und 8) werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis insgesamt zu zwei Jahren, zu unterlassen,

medizinische Instrumente zur Behandlung von biologischem Gewebe, mit einer Einrichtung zum Erzeugen von extrakorporalen Druckwellen und mit einem Übertragungselement zum Einkoppeln der Druckwellen in den Körper von Lebewesen,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen das Übertragungselement aus einer metallischen Sonde besteht, die eine stumpfe, auf der Körperoberfläche angeordnete Sondenspitze mit einer flachen Austrittsgrenzfläche aufweist, die eine unfokussierte, mechanisch erzeugte Druckwelle in das biologische Gewebe einkoppelt, die von einem auf eine Endgeschwindigkeit von 5 m/s bis 20 m/s beschleunigten und auf das Übertragungselement auftreffenden, hin- und herbewegbaren Schlagteil erzeugt wird, wobei das Übertragungselement aus einer metallischen Sonde besteht und die Einrichtung zum Erzeugen von Druckwellen aus einem in einem Gehäuse geführten, mit Hilfe eines Antriebsmittels hin- und herbewegbaren Schlagteil besteht, das auf das Übertragungselement einen oder mehrere Kraftstöße ausübt, wobei das Schlagteil infolge des Kraftstoßes eine Druckwelle in das Übertragungselement induziert, die sich bis zu der Austrittsgrenzfläche der stumpfen Sondenspitze des Übertragungselements fortpflanzt und die Schlagfrequenz des Schlagteils ca. 1 bis 30 Hz, vorzugsweise 6 bis 20 Hz beträgt, und das Durchmesserverhältnis der Austrittsgrenzfläche zur Eintrittsgrenzfläche (= Auftreffbereich des Schlagteils) ca. 2 bis 3 beträgt („Applikator ESWT“ und „Applikator TrST“);

2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten zu 1) bis 5), 7) und 8) die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12. Mai 2000 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten oder bei Fremdbezug: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 01. Januar 2005 zu machen sind.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 12. Mai 2000 bis zum 31. Dezember 2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2. dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 01. Januar 2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 6) trägt die Klägerin.

Im Übrigen werden die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu einem Drittel, zu zwei Dritteln den Beklagten zu 1) bis 5), 7) und 8) auferlegt.

V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 390.000,- € vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz gestützt auf den deutschen Teil des europäischen Patents X (nachfolgend: Klagepatent) geltend. Die Anmeldung des Klagepatents ist hervorgegangen aus der PCT-Anmeldung X (Anlage L1), welche am 03. Juni 1998 unter Inanspruchnahme einer Priorität der X vom 17. Juni 1997 eingereicht wurde. Die Veröffentlichung der Patentanmeldung erfolgte am 12. April 2000. Die Patenterteilung wurde am 01. Dezember 2004 veröffentlicht. Eingetragene Inhaberin des Klagepatents sowie des X ist die X. Das Klagepatent steht in Kraft. In dem gegen das Klagepatent angestrengten Einspruchsverfahren der Beklagten zu 1) sowie einer weiteren Einsprechenden steht am 31. Oktober 2006 die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung des EPA an.

Das deutsche Patent X ist Gegenstand des Parallelverfahrens Landgericht Düsseldorf, Az. 4a O 462/04, in dem die Verhandlung mit Beschluss vom 21. April 2005 ausgesetzt wurde, nachdem das Klagepatent mit Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Dezember 2004 gestützt auf eine unzulässige Erweiterung gegenüber der Anmeldung widerrufen worden war. Das aus dem Klagepatent abgezweigte deutsche Gebrauchsmuster X ist Gegenstand des Parallelverfahrens Landgericht Düsseldorf, 4a O 372/04 bzw. 4a O 162/06. Mit Entscheidung vom 24. April 2006 hat die Gebrauchsmusterabteilung das Gebrauchsmuster X nur in eingeschränkter Fassung aufrecht erhalten. Insoweit wird auf die Verfahrensakte 4a O 162/06 Bezug genommen.

Sämtliche genannten Schutzrechte betreffen ein medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe.

Anspruch 1 des Klagepatents (Patentschrift: Anlage K8) hat folgenden Wortlaut:

Medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe, mit einer Einrichtung zum extrakorporalen Erzeugen von Druckwellen und mit einem Übertragungselement (2) zum Einkoppeln der Druckwellen in den Körper von Lebewesen, wobei

das Übertragungselement (2) eine stumpfe Sondenspitze (22) mit einer flachen oder gekrümmten Austrittsgrenzfläche (24) aufweist, die eine unfokussierte, mechanisch erzeugte Druckwelle in das biologische Gewebe einkoppelt, die von einem auf eine Endgeschwindigkeit von 5 m/s bis 20 m/s beschleunigten und auf das Übertragungselement (2) auftreffenden hin und her bewegbaren Schlagteil (10) erzeugt wird.

Zur Verdeutlichung werden nachfolgend die Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift wiedergegeben. Figur 1 zeigt ein Ausführungsbeispiel des medizinischen Instruments im Querschnitt, Figuren 2 und 3 alternative Ausführungsformen des Übertragungselements (2):

Mit Rücksicht auf die Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung vom 24. April 2006 betreffend das parallele Gebrauchsmuster X verteidigt die Inhaberin des Klagepatents auch dieses im Einspruchsverfahren vorsorglich mit einem Hilfsantrag, der der eingeschränkten Fassung des Gebrauchsmusters Rechnung trägt. Dementsprechend macht die Klägerin im vorliegenden Verfahren in der Hauptsache eine Kombination des Hauptanspruchs 1 mit den eingetragenen Unteransprüchen 2, 4, 6 und 12 geltend.

Unteranspruch 2 lautet:

Medizinisches Instrument nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Übertragungselement (2) aus einer metallischen Sonde besteht.

Nach Unteranspruch 4 ist das medizinische Instrument nach einem der Ansprüche 1 bis 3

dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtung zum Erzeugen von Druckwellen aus einem in einem Gehäuse (4) geführten, mit Hilfe eines Antriebsmittels (14) hin und her bewegbaren Schlagteil (10) besteht, das auf das Übertragungselement (2) einen oder mehrere Kraftstöße ausübt, wobei das Schlagteil (10) infolge des Kraftstoßes eine Druckwelle in das Übertragungselement (2) induziert, die sich bis zu der Austrittsgrenzfläche (24) der stumpfen Sondenspitze (22) des Übertragungselementes (2) fortpflanzt.

Unteranspruch 6 lautet:

Medizinisches Instrument nach Anspruch 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Schlagfrequenz des Schlagteils (10) ca. 1 bis 30 Hz, vorzugsweise 6 bis 20 Hz, beträgt.

Unteranspruch 12 schützt ein medizinisches Instrument nach Anspruch 11 [wonach das Übertragungselement (2) an der Austrittsgrenzfläche (24) einen größeren Durchmesser aufweist als an der Eintrittsgrenzfläche (26)],

dadurch gekennzeichnet, dass das Durchmesserverhältnis der Austrittsgrenzfläche (24) zu der Eintrittsgrenzfläche (26) ca. 2 bis 3 beträgt.

Die Beklagten zu 1), 3) und 8) bieten an und vertreiben das Gerät X, ein medizinisches Gerät zur Behandlung von biologischem Gewebe. Das Anbieten des baugleichen Geräts durch die Beklagte zu 8) erfolgte in der Vergangenheit unter der Bezeichnung X. Die Klägerin hat die die angegriffene Ausführungsform betreffende Gebrauchsanweisung als Anlage K5a im Verfahren 4a O 372/04 (4a O 162/06), die Anwenderbroschüre als Anlage K6 zu den Akten gereicht. Der Lieferumfang des X umfasst drei Applikatoren mit vorderen, also dem Gerät abgewandten Durchmessern von 15 mm (ESWT-Applikator), 10 mm (TrST-Applikator) und 6 mm (AkuST-Applikator). Diese drei Applikatoren sind gleichfalls in einem Revisionskit für die angegriffene Ausführungsform enthalten und in den fotografischen Abbildungen des demontierten angegriffenen Gerätes (Anlage K14 zum Verfahren 4a O 372/04 bzw. 4a O 162/06, nachfolgend: Parallelverfahren) erkennbar.

Über das Vermögen der Beklagten zu 6) wurde mit Beschluss vom 19. April 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Zustellung der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Klageerweiterung an ihre Prozessbevollmächtigten erfolgte am 26. April 2005. Gegen die Beklagte zu 6) hat die Klägerin keine Anträge mehr gestellt.

Die Klägerin behauptet, die eingetragene Inhaberin des Klagepatents habe ihr mit Wirkung seit dessen Anmeldung eine ausschließliche Lizenz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt.

Sie behauptet weiter, neben den Beklagten zu 1), 3) und 8) hätten auch die Beklagten zu 2) und zu 4), 5) und 7) das streitgegenständliche Gerät X angeboten. Die Beklagte zu 2) habe ein solches Gerät mit Angebotsschreiben vom 04. März 2004 (Anlage K8 des Parallelverfahrens) gegenüber einem Herrn Dr. Baumann angeboten. Das Anbieten durch die Beklagte zu 4) erfolge im Internet ausweislich der Ausdrucke ihres Internet-Auftritts in Anlage K9 des Parallelverfahrens. Die Beklagte zu 5) habe Prospektmaterial über das Gerät X auf dem "First International Medicine Congress" am 10. Juni 2004 in München verteilt (vgl. Anlage K10 des Parallelverfahrens). Für die Beklagte zu 7) ergebe sich aus ihrem in der Anlage K12 des Parallelverfahrens dokumentierten Internet-Auftritt, dass auch sie das Gerät X der Beklagten zu 1) vertreibe.

Nach Auffassung der Klägerin macht das Gerät X von sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents sowie der eingetragenen Unteransprüche 2, 4, 6 und 12 wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt,

mit dem Hauptantrag wie erkannt, allerdings ohne die Klage hinsichtlich des Applikators AkuST zurückzunehmen,

hilfsweise für den von dem Antrag in Ziffer II. 2. erfassten Zeitraum bis zum 03. Mai 2006 festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 5), 7) und 8) verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der für die Zeit bis zum 03. Mai 2006 anstatt ihr der X, durch die zu Ziffer I. 1. seit dem 01. Januar 2005 begangenen Handlungen entstanden ist.

Die Beklagten zu 1) bis 5), 7) und 8) beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch auszusetzen.

Die Beklagten sind der Auffassung, insbesondere das Merkmal aus Unteranspruch 12 werde durch die angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht. Die Austrittsgrenzfläche keines der drei vertriebenen Applikatoren weise zur jeweils maßgeblichen Eintrittsgrenzfläche ein Durchmesserverhältnis von ca. 2 bis 3 auf. Zudem stellen die Beklagten die Schutzfähigkeit des Klagepatents in Abrede.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hinsichtlich der Verwendung der angegriffenen Ausführungsform mit dem ESWT-Applikator (15 mm) und dem TrST-Applikator (10 mm) begründet. Soweit sich die Klageanträge auch auf die Verwendung des X mit dem AkuST-Applikator (6 mm) erstrecken, war die Klage als unbegründet abzuweisen. Denn insoweit macht die angegriffene Ausführungsform von dem eingeschränkten Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch. Dem Aussetzungsantrag der Beklagten war nicht zu folgen.

I. Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Klageansprüche aktivlegitimiert. Nachdem die Beklagten die nach dem Vortrag der Klägerin auf der Erteilung einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent beruhende Aktivlegitimation der Klägerin bestritten hatten, hat die Klägerin zwar entgegen ihrer schriftsätzlichen Ankündigung vom 06. März 2006 keine teilweise geschwärzte Kopie des behaupteten zwischen der eingetragenen Inhaberin des Klagepatents und ihr abgeschlossenen ausschließlichen Lizenzvertrags vorgelegt, jedoch eine "Vereinbarung und Erklärung" vom 28. April / 03. Mai 2006 (Anlage K7a im Parallelverfahren). In ihr wird bestätigt, dass die Klägerin ausschließliche Lizenznehmerin u.a. des Klagepatents im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seit dem Anmeldetag gewesen sei. Dem sind die Beklagten, die die Übereinstimmung der Kopie in Anlage K7a des Parallelverfahrens mit dem Original im Termin unstreitig gestellt haben, auch in der Sache nicht mehr entgegengetreten. Diesem Verhalten kann entnommen werden, dass die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent seitens der Beklagten nicht mehr bestritten werden soll. Denn es konnte erwartet werden, dass sich die Beklagten andernfalls sachlich zur Richtigkeit der Bestätigung der ausschließlichen Lizenzerteilung seit dem Anmeldetag in § 1 der "Vereinbarung und Erklärung" gemäß Anlage K7a des Parallelverfahrens eingelassen hätten.

II. Das Klagepatent betrifft ein medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe, wobei eine Einrichtung zum Erzeugen von extrakorporalen Druckwellen und ein Übertragungselement zum Einkoppeln der Druckwellen in den Körper von Lebewesen vorgesehen sind.

Derartige Instrumente dienen dazu, mittels Druck- oder Stoßwellen den Heilungsprozess bei Knochenbrüchen, Enthesiopathien (krankhaften Veränderungen bzw. Schmerzen am Übergang der Sehnen auf den Knochen), Tendopathien (Reizzuständen und Schmerzen am Sehnenansatzpunkt gelenknah an einem Knochen) oder auch bei Parodontose zu beschleunigen. Ferner können sie in der Schmerztherapie im knochennahen Weichteilbereich des Haltungs- und Bewegungsapparates eingesetzt werden. Nach der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters wird bei den vorbekannten extrakorporalen Druckwellengeneratoren im Brennpunkt eines akustischen Reflektors, z.B. mittels einer Funkenentladung, eine Druck- oder Stoßwelle erzeugt, die durch den Reflektor auf das zu beschallende Objekt fokussiert wird. Es wird vermutet, dass mit Hilfe der Druckwellen Mikroschädigungen im biologischen Gewebe erzeugt werden, die den Körper zu Regenerationsmaßnahmen veranlassen. Die vorbekannten Druckimpulsquellen verwenden fokussierte Stoßwellen, die nur in dem eng begrenzten Fokusbereich ihre Wirkung entfalten können. Da für ein befriedigendes Behandlungsergebnis der gesamte (etwa Knochenbruch-) Bereich gleichmäßig beschallt werden muss, war nach dem Stand der Technik ein aufwendiger Bewegungsmechanismus für die Druckimpulsquelle erforderlich, was die Behandlung durch das wiederholte Aufsuchen der Behandlungspositionen sehr zeitintensiv gestaltete. In der Schmerztherapie kam das weitere Problem hinzu, dass die während der Behandlung eingesetzten Ortungssysteme zur Lokalisierung des Behandlungsortes (Ultraschall und Röntgen) die Schmerzquelle nicht konkret anzeigen können. Der behandelnde Arzt beschallte daher mit einer großen Anzahl von Einzelimpulsen den vermuteten Schmerzherd.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik liegt der Erfindung nach dem Klagepatent das Problem (die Aufgabe) zugrunde, einen Druckwellengenerator so auszubilden, dass er auf eine einfache und kostengünstige Weise eine gleichmäßige Energieverteilung der Druckwellen auf einen großflächigen Wirkungsbereich ermöglicht (Anlage K8, Beschreibung, Absatz 0008).

Zur Lösung schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 und den geltend gemachten Unteransprüchen 2, 4, 6 und 12 und unter Hinzufügung des weiteren Merkmals 7 die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe

mit einer Einrichtung zum Erzeugen von extrakorporalen Druckwellen und einem Übertragungselement (2) zum Einkoppeln der Druckwellen in den Körper von Lebewesen;

das Übertragungselement (2) besteht aus einer metallischen Sonde, die Sonde weist eine stumpfe Sondenspitze (22) mit einer flachen oder gekrümmten Austrittsgrenzfläche (24) auf, die eine unfokussierte, mechanisch erzeugte Druckwelle in das biologische Gewebe einkoppelt; die Druckwelle wird von einem auf eine Endgeschwindigkeit von 5 m/s bis 20 m/s beschleunigten und auf das Übertragungselement (2) auftreffenden Schlagteil (10) erzeugt; die Schlagfrequenz des Schlagteils beträgt ca. 1 bis 30 Hz, vorzugsweise 6 bis 20 Hz; die stumpfe Sondenspitze wird auf der Körperoberfläche angeordnet; die Einrichtung zum Erzeugen von Druckwellen besteht aus einem in einem Gehäuse (4) geführten, mit Hilfe eines Antriebsmittels (14) hin- und herbewegbaren Schlagteil (10), das auf das Übertragungselement (2) einen oder mehrere Kraftstöße ausübt; das Schlagteil (10) induziert infolge des Kraftstoßes eine Druckwelle in das Übertragungselement (2), die sich bis zu der Austrittsgrenzfläche (24) der stumpfen Sondenspitze (22) des Übertragungselements (2) fortpflanzt; das Schlagteil wird auf eine Endgeschwindigkeit von 5 m/s bis 20 m/s beschleunigt; das Durchmesserverhältnis der Austrittsgrenzfläche (24) zu der Eintrittsgrenzfläche (26) beträgt ca. 2 bis 3.

Zwischen den Parteien ist die Verwirklichung der Merkmale 1, 2, 4, 6 und 10 zu Recht nicht umstritten. Hinsichtlich der Merkmale 3, 7 und 9 stellen die Beklagten das Vorhandensein einer stumpfen Sondenspitze, hinsichtlich der Merkmale 5 und 8 das Auftreffen des Schlagteils auf das Übertragungselement in Abrede. Insbesondere bestreiten sie, dass das Durchmesserverhältnis der Auftrittsgrenzfläche zur Eintrittsgrenzfläche ca. 2 bis 3 beträgt (Merkmal 11 der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung), so dass es insoweit der Auslegung bedarf.

Merkmale 3, 7 und 9 (stumpfe Sondenspitze):

Gemäß Merkmal 3 weist die "Sonde" (nach dem Sprachgebrauch des Klagepatents das Übertragungselement (2), vgl. Unteranspruch 2 und Merkmal 2) eine stumpfe Sondenspitze (22) mit einer flachen oder gekrümmten Austrittsgrenzfläche (24) auf. Darauf nehmen die Merkmale 7 und 9, die ebenfalls von einer stumpfen Sondenspitze sprechen, Bezug. Die Beklagten stellen für alle drei mit der angegriffenen Ausführungsform vertriebenen Applikatoren (Durchmesser der Austrittsgrenzflächen von 15, 10 und 6 Millimetern) die Verwirklichung des Merkmals 3 in Abrede, weil der ESWT-Applikator (15 mm) im vorderen Randbereich abgerundet sei, mithin keine flache Austrittsgrenzfläche aufweise. Die Applikatoren mit einem Durchmesser von 10 mm und 6 mm seien für den punktuellen Einsatz gedacht, könnten daher nicht als stumpf in Sinne des Schutzrechts bezeichnet werden, sondern seien im Verhältnis zu ihrer Länge und zur Länge des Gesamtgeräts sowie in Bezug auf den Einsatz am Menschen spitz ausgestaltet.

Ansprüche und Beschreibung des Klagepatents lassen auch unter Heranziehung der Zeichnungen besonderer Ausführungsformen nicht den Schluss zu, dass es sich nur bei einer vollständig ebenen (planen) Austrittsgrenzfläche um eine "flache" nach dem Verständnis des Schutzanspruchs 1 handeln könnte, also bereits eine leichte Wölbung der Verwirklichung des Merkmals 3 entgegenstehen würde. Insbesondere sieht Anspruch 1 des Klagepatents (anders als das Gebrauchsmuster X alternativ zu einer flachen auch eine gekrümmte Austrittsgrenzfläche vor. Nach der Beschreibung (Anlage K8, Absatz 0020) dient die stumpfe Sondenspitze mit einer flachen Austrittsfläche dazu, die Druckwelle in Abkehr von der nach vorbekannten Vorrichtungen fokussierten Einkopplung der Druckwelle in das biologische Gewebe großflächig in das Gewebe einzukoppeln und es so zu ermöglichen, dass sich die Druckwelle bis zu ihrem Applikationsort ausbreiten kann, ohne dass das Übertragungselement in direktem Kontakt mit dem gewünschten Behandlungsort steht. Gerade auf diese großflächige Einkopplung der Druckwelle in das biologische Gewebe zielt die Erfindung ab (Anlage K8, Absatz 0010, Spalte 2, Zeile 19-22). Die Abrundung der Kanten der stumpfen Sondenspitze mit flacher Austrittsgrenzfläche soll dazu beitragen, Verletzungen der Hautoberfläche zu vermeiden, auf die der Applikator aufgesetzt wird. In für den Fachmann erkennbarer Weise ist es ausreichend, die Spitze des Übertragungselements so stumpf auszugestalten, dass es einerseits nicht zu Verletzungen der Haut kommt und andererseits die Druckwelle mit hohem Wirkungsgrad in das Gewebe eingekoppelt werden kann.

Merkmale 5 und 8 (Auftreffen des Schlagteils auf das Übertragungselement):

Das Schlagteil, das infolge des Kraftstoßes eine Druckwelle in das Übertragungselement induziert, muss auf dieses auftreffen. Übertragungselement ist dabei diejenige Vorrichtung, die die erzeugten Druckwellen in den Körper von Lebewesen einkoppelt (vgl. Merkmal 1.2). Der Einkopplung steht es nicht entgegen, wenn zwischen der Sondenspitze (22) des Übertragungselements (2) und der Einkoppelstelle auf dem biologischen Gewebe ein Impedanzanpassungsmedium angeordnet ist, das die Einkopplung der Druckwelle in das biologische Gewebe verbessert. Die Beschreibung des Klagepatents (Anlage K8, Absatz 0023) sieht dies ebenso ausdrücklich vor wie einen Aufbau des Übertragungselements zur Impedanzanpassung aus unterschiedlichen Materialien (Absatz 0024).

Merkmal 11:

Das dem Unteranspruch 12 entnommene Merkmal 11 verlangt, dass das Durchmesserverhältnis der Austrittsgrenzfläche (24) zu der Eintrittsgrenzfläche (26) ca. 2 bis 3 beträgt. Insoweit streiten die Parteien darüber, ob unter der Eintrittsgrenzfläche die gesamte dem Schlagteil zugewandte, geräteseitige Stirnfläche des Übertragungselements (ohne Rücksicht auf den Durchmesser des Schlagteils) zu verstehen ist, wie die Beklagten meinen, oder ob es mit dem Verständnis der Klägerin lediglich auf die "effektive Eintrittsgrenzfläche" im Sinne der Auftrefffläche des Schlagteils auf das Übertragungselement ankommt. Sollte grundsätzlich dem Verständnis der Klägerin zu folgen sein, stellt sich die weitere Frage, ob die tatsächliche Auftrefffläche bei einem einzelnen Stoß maßgeblich ist, die nach der Behauptung der Beklagten jeweils wesentlich kleiner sein soll als die gesamte Stirnfläche des Projektils.

Im Ergebnis ist unter der Eintrittsgrenzfläche im Sinne des Klagepatents lediglich der Bereich der geräteseitigen Stirnfläche des Übertragungselements (2) zu verstehen, der von dem Schlagteil (10) während der Behandlungsdauer beaufschlagt wird. In diesem Sinne versteht der Fachmann den Begriff der Eintrittsgrenzfläche. Irrelevant ist demgegenüber sowohl ein etwaiger ringförmiger Randbereich des Übertragungselements, der wegen eines kleineren Durchmessers des Schlagteils von diesem effektiv nicht beaufschlagt wird, als auch die Betrachtung der tatsächlichen Berührungsfläche bei einem einzelnen Auftreffen des Schlagteils auf das Übertragungselement. Der Klagepatentschrift lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit der Eintrittsgrenzfläche etwas anderes gemeint sein könnte als diejenige Fläche, auf die das Schlagteil auftrifft.

Die Beschreibung des Klagepatents selbst enthält keine eindeutigen Hinweise zur Beantwortung der Frage, welche Fläche bei einer etwaigen Abweichung des Stirnseitendurchmessers des Schlagteils (10) einerseits von dem Durchmesser der dem Schlagteil zugewandten Stirnseite des Übertragungselements andererseits als Eintrittsgrenzfläche im Sinne des Unteranspruchs 12 bezeichnet werden soll. Denn das Klagepatent geht unausgesprochen davon aus, dass der Durchmesser der schlagteilseitigen Stirnfläche des Übertragungselements in etwa mit der auftreffenden Stirnseite des Schlagteils übereinstimmt, wie schon die zeichnerische Darstellung eines Ausführungsbeispiels der Erfindung in der oben wiedergegebenen Figur 1 zeigt. Dort wird zwar wie auch in den Figuren 2 und 3 die gesamte Stirnfläche mit der Bezugsziffer (26), die dem Begriff der Eintrittsgrenzfläche zugeordnet ist, belegt. Etwaige Schlüsse für die hier zu entscheidende Frage lassen sich daraus aber nicht ableiten, weil die aufschlagende Stirnseite des Schlagteils (10) in der Figur 1 in etwa denselben Durchmesser aufweist, so dass sich "tote" Randbereiche gar nicht ergeben. In Absatz 0014 spricht die Beschreibung des Klagepatents davon, dass es durch die vorzugsweise koaxiale Anordnung des Schlagteils zum Übertragungselement "zu einem direkten Impulsaustausch zwischen dem Schlagteil und dem Übertragungselement beim Aufschlagen des Schlagteils auf die Eintrittsgrenzfläche des Übertragungselementes" komme. Die Eintrittsgrenzfläche wird damit zwar dem Übertragungselement zugeordnet. Dass es ausschließlich auf eine isolierte Betrachtung der Stirnseite des Übertragungselements ankommt, ohne den davon etwa abweichenden Durchmesser des Schlagteils mit zu berücksichtigen, kann der Beschreibungsstelle aber nicht entnommen werden. Die Eintrittsgrenzfläche ist weder mit dem Begriff der "dem Schlagteil zugewandten Stirnfläche des Übertragungselements" belegt noch als "Stirnfläche des Schlagteils" bezeichnet worden. Für beide (in dem einen oder anderen Sinne aussagekräftigen) Bezeichnungen sah der Verfasser der Klagepatentschrift offenbar keine Veranlassung, weil er die Möglichkeit einer Durchmesserabweichung zwischen beiden Stirnflächen nicht in Rechnung gestellt hat. Rückschlüsse auf den Bedeutungsgehalt der gewählten Bezeichnung "Eintrittsgrenzfläche" aus Sicht des Fachmanns lassen sich daher weder aus dem Verzicht auf die eine noch auf die andere denkbare Alternativbezeichnung ableiten.

Auch die weitere Beschreibungsstelle (Absatz 0032, Spalte 6), in der Übertragungselement (2) und Schlagteil (10) gemeinsam genannt werden, lässt keine hinreichend sicheren Schlüsse auf die Auslegung des Begriffs der Eintrittsgrenzfläche zu. Bei isolierter Betrachtung scheint der erste Satz

"Die proximale Eintrittsgrenzfläche 26 des Übertragungselementes 2 weist in etwa den gleichen Durchmesser wie das Schlagteil 10 auf."

darauf hinzudeuten, dass die Eintrittsgrenzfläche unabhängig vom Durchmesser des Schlagteils zu bemessen sein soll. Denn andernfalls (wenn sich die Eintrittsgrenzfläche also begriffsnotwendig auf die auftreffende Stirnseite des Schlagteils beschränken würde) wäre der Satzbestandteil "in etwa" ohne Bedeutung. Diese Auslegung ist jedoch nicht zwingend. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, der Zusatz "in etwa" lasse sich auch dadurch erklären, dass der Durchmesser des gesamten Schlagteils in seinem mittleren Bereich nicht mit dem Durchmesser an seiner Stirnseite übereinstimmen muss, etwa dann, wenn wie bei der angegriffenen Ausführungsform zur besseren Führung des Schlagteils im Gehäuse Rillen angebracht sind oder wenn die Stirnseite des Schlagteils gegenüber seiner umlaufenden Seitenfläche mit einer Phase versehen ist, wie es im Ausführungsbeispiel in Figur 1 dargestellt wird. Ob der angesprochene Fachmann der zitierten Beschreibungsstelle und dem Zusatz "in etwa" positiv entnehmen kann, dass es auch für die Größe der Eintrittsgrenzfläche auf die Stirnseite des Schlagteils ankomme (wie die Klägerin meint), erscheint hingegen zweifelhaft, weil die Beschreibung über die Figur 1 hinaus keine Hinweise darauf enthält, dass das Schlagteil nicht vollständig zylindrisch gestaltet werden könne. Dass das Schlagteil zur besseren Führung im Gehäuse mit seitlichen Rillen versehen werden kann, die zu einer Abweichung des Durchmessers des Schlagteils von demjenigen seiner Stirnfläche führen, lässt sich dem Klagepatent ebenso wenig entnehmen. Zumindest enthält Absatz 0032 aber keinen Hinweis darauf, es müsse sich nach dem Verständnis des Klagepatents zwingend bei der Eintrittsgrenzfläche des Übertragungselements um etwas anderes handeln als die Stirnfläche des Schlagteils, weil auch eine andere Interpretation möglich ist.

Demgegenüber legt aber schon der Begriff der "Eintrittsgrenzfläche" dem Wortlaut nach nahe, dass es sich um solche Bereiche des Übertragungselements handeln soll, über welche die Druckwellen in das Übertragungselement "eintreten" sollen. Verfügt die dem Schlagteil zugewandte Stirnseite hingegen über Randbereiche, auf die das Schlagelement wegen seines geringeren Durchmessers nicht auftrifft, tritt über diese Bereiche auch nichts ein. Dies entspricht dem Verständnis des parallelen Begriffs der Austrittsgrenzfläche (die sich gleichsam am anderen Ende des Übertragungselements befindet), über welche die Druckwellen aus dem Übertragungselement austreten und in das biologische Gewebe eingekoppelt werden. Von einem Austreten kann auch nur in dem Maße gesprochen werden, in dem die Austrittsgrenzfläche mit der Körperoberfläche in Verbindung steht. Nur dort "treten die Druckwellen aus". Dass die Beschreibung in Absatz 0029 im letzten Satz (Spalte 5, Zeile 19-23) nur für die Austrittsgrenzfläche davon spricht, dass die induzierte Druckwelle "dort" (also an der Austrittsgrenzfläche) in das biologische Gewebe eingekoppelt werde, eine vergleichbare Darlegung für die Eintrittsgrenzfläche hingegen nicht bereit hält, ist unerheblich. Für den Fachmann versteht es sich auch ohne ausdrückliche textliche Erwähnung, dass die "von dem Schlagteil 10 induzierte Druckwelle" über die Eintrittsgrenzfläche in das Übertragungselement eintritt, um sodann an die Austrittsgrenzfläche weitergeleitet zu werden. Bei beiden Schnittstellen des Übertragungselements (d.h. der Eintrittsgrenzfläche, über die das Schlagteil seine Impulse an das Übertragungselement weitergibt, und bei der Austrittsgrenzfläche, über welche die Impulse in den Körper eingekoppelt werden), ist insoweit eine konsequente Interpretation geboten, die dafür spricht, nur die Überdeckungsfläche zwischen Schlagteil und Stirnseite des Übertragungselements als Eintrittsfläche anzusehen.

Neben dem Wortlaut stützt aber auch der technische Sinn des Merkmals 11 (entsprechend dem Unteranspruch 12) die hier vertretene Auslegung der Eintrittsgrenzfläche. In Absatz 0022 (Spalte 4) der Klagepatentschrift befasst sich die Beschreibung mit dem Durchmesserverhältnis zwischen Austritts- und Eintrittsgrenzfläche. Sie führt in diesem Zusammenhang aus, dass eine Austrittsgrenzfläche mit einem erheblich größeren Durchmesser als die Eintrittsgrenzfläche eine große Übertragungsfläche für die Einkopplung der Druckwelle gewährleiste, so dass die eingekoppelte spezifische Druckwellenenergie zur Schonung der Hautoberfläche reduziert ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass - wie dies auch durch abgerundete Kanten gefördert werden kann - Verletzungen der Hautoberfläche vermieden werden, wenn die Austrittsgrenzfläche vergrößert und damit die eingekoppelte spezifische Druckwellenenergie verringert wird. Bei der Frage der Verteilung der von dem auf das Übertragungselement auftreffenden Schlagteil erzeugten Druckimpulse auf eine größere Austrittsgrenzfläche geht es darum, einerseits den erwähnten hautschonenden Effekt durch Vergrößerung der Austrittsgrenzfläche zu erzielen, andererseits aber noch die wirksame Einkopplung der Druckwellen in das biologische Gewebe zu ermöglichen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Austrittsgrenzfläche im Verhältnis zur Eintrittsgrenzfläche nicht beliebig vergrößert werden darf, ohne bei gleich bleibenden Schlagparametern die wirksame Einkopplung der Impulse zu gefährden. Zwischen dem erstrebten Ziel der Hautschonung durch eine vergrößerte Austrittsgrenzfläche einerseits und dem Bestreben, andererseits die wirksame Einkopplung der Druckwellen nicht durch eine zu große Austrittsgrenzfläche zu gefährden, schlägt Merkmal 11 vor, ein Durchmesserverhältnis zu wählen, das ca. 2 bis 3 zugunsten der Austrittsgrenzfläche beträgt. Merkmal 11 kommt entsprechend Unteranspruch 12 damit die Aufgabe zu, den Unteranspruch 11, der schlicht einen größeren Durchmesser der Austrittsgrenzfläche gegenüber der Eintrittsgrenzfläche beansprucht, in einer sinnvollen, die technische Brauchbarkeit der Vorrichtung gewährleistenden Weise zu präzisieren. Ob und in welchem Maße um den effektiven Auftreffbereich des Schlagteils auf das Übertragungselement herum eine "tote Ringfläche" verbleibt, ist für die Erreichung des Zwecks, eine sinnvolle Relation zwischen der (Eintrittsgrenz-) Fläche, über die der Impuls in das Übertragungselement induziert wird, und der (Austrittsgrenz-) Fläche, über die er in das Gewebe eingekoppelt wird, anzugeben, nicht von Relevanz.

Schließlich können sich die Beklagten auch nicht auf die von dem Klagepatent erstrebte Verkleinerung des medizinischen Geräts zur Behandlung von biologischem Gewebe berufen, um zu begründen, dass allein die Stirnseite des Übertragungselements für die Größe der Eintrittsgrenzfläche maßgeblich sei, weil sie das Mindestmaß des Gehäuseäußeren bestimme. Neben der ausdrücklichen Aufgabenstellung (Absatz 0008, Spalte 2) erwähnt es die Klagepatentschrift als wesentlichen Vorteil der Erfindung, dass das medizinische Instrument als kleines transportables Gerät ausgebildet sein könne, das leichter applizierbar sei und ohne Behinderungen auf die zu behandelnde Körperstelle aufgesetzt werden könne (Absatz 0013, Spalte 2). Es ist aber nicht erkennbar, dass dieses Ziel auch durch eine Verkleinerung der schlagteilseitigen Stirnfläche des Übertragungselements erreicht werden soll. Wesentliche Maßnahme für die kleinbauende Gestaltung des Geräts ist vielmehr die Abkehr von der Einkopplung fokussierter Druckwellen, die für die mit dem erfindungsgemäßen Gerät verfolgten Behandlungszwecke entweder aufwendige Bewegungsmechanismen für die Druckimpulswellen oder Ortungssysteme erforderlich machen und die Geräte dadurch unnötig vergrößern. Neben dieser grundlegenden Maßnahme, in Abweichung vom Stand der Technik, unfokussierte Druckwellen in das biologische Gewebe einzukoppeln, fällt eine etwaige weitere Größenersparnis durch den Verzicht auf eine dem Schlagteil zugewandte Stirnseite des Übertragungselements, die (unnötigerweise) größer ist als das auftreffende Schlagteil, nicht ins Gewicht. Der angesprochene Fachmann wird sich daher durch weitergehende Erwägungen, wie das erfindungsgemäße Gerät möglichst kleinbauend gestaltet werden kann, nicht davon abhalten lassen, bei einer im Verhältnis zum Schlagteil größeren inneren Stirnfläche des Übertragungselements unter der Eintrittsgrenzfläche nur denjenigen Bereich zu verstehen, auf den das Schlagteil auftrifft. Er wird vielmehr bei diesem Verständnis bleiben, weil allein dieses dem Begriff der "Eintrittsgrenzfläche" unter Berücksichtigung des technischen Sinns des Merkmals 11 entspricht, eine taugliche Relation anzugeben, die einerseits Hautläsionen vermeidet, andererseits noch eine effektive Einkopplung gewährleistet.

Die Beklagten haben hilfsweise für den Fall, dass es nach Auffassung des Gerichts auf die effektive Eintrittsgrenzfläche im Sinne der Auftrefffläche des Schlagteils ankommt, vorgetragen, das Projektil bei der angegriffenen Ausführungsform treffe jeweils nur mit einer Teilfläche seiner Stirnseite auf, weil es sich mit einem Außendurchmesser von 5,95 mm im Bereich der Vorsprünge (vgl. die Abbildungen in Anlage K14 des Parallelverfahrens) in dem Kanal, in dem es beschleunigt wird und der einen Innendurchmesser von 6,0 mm aufweise, regelmäßig verkante und daher im gekippten Zustand jeweils nur mit einer sichelförmigen Teilfläche auf das Übertragungselement auftreffen könne. Zur Erläuterung, wie sich das Projektil aus der Längsachse des Beschleunigungskanals herausbewegen und wie es auftreffen soll, wird auf die im Termin überreichte zeichnerische Darstellung der Beklagtenvertreter verwiesen. Zugleich haben die Beklagten aber nicht in Abrede gestellt, dass es im Laufe des Gebrauchs zu ringförmigen Abdrücken des Projektils im Bereich der Aufschlagstelle auf dem Übertragungselement komme, wie sie in der mündlichen Verhandlung anhand der Original-Applikatoren der angegriffenen Ausführungsform nachvollzogen werden konnten. Zurückzuführen sei dies darauf, dass das Projektil jeweils in einer anderen Richtung "kippe" und daher in jeweils unvorhersehbar wechselnder Ausrichtung auf das Übertragungselement auftreffe.

Mit diesem - bestrittenen - Vorbringen haben die Beklagten die Verwirklichung des Merkmals 11 nicht erheblich in Abrede gestellt. Es kann mit den Beklagten als zutreffend unterstellt werden, dass die Größenabweichung von 5/100 Millimetern bei der gegebenen Projektillänge dazu führt, dass sich das Schlagteil gegenüber dem Kanal regelmäßig leicht verkantet und daher bei jedem einzelnen Schlag nur mit einem Teil seiner Stirnfläche auf die Rückseite des Applikators auftrifft. Denn auch dies stellt eine Eintrittsgrenzfläche dar, die in der Summe aller Einzelaufschläge während der Behandlungsdauer der gesamten Stirnfläche des Projektils entspricht. Maßgeblich ist für die Größe der konkreten Eintrittsgrenzfläche nicht die Betrachtung eines einzelnen Schlages, sondern die Situation während einer mehrere Schläge umfassenden Behandlungsdauer. Denn mit dem erfindungsgemäßen Gerät sollen nicht einzelne Schläge durchgeführt werden, sondern eine Vielzahl von Schlägen mit einer Frequenz von 1 bis 30 Hz (vorzugsweise 6 bis 20 Hz). Nicht der einzelne Aufprallvorgang ist daher zur Schonung der Hautoberfläche bei gleichzeitig effektiver Einkopplung der Druckwellen von Bedeutung, sondern die Summe mehrerer Auftreffvorgänge des Projektils während eines üblichen Behandlungszeitraums. Auch nach dem Verbringen der Beklagten kommt es aber durch die von Schlag zu Schlag wechselnde seitliche Ausrichtung des Projektils zur Ausbildung ringförmiger Aufprallspuren auf dem Übertragungselement, die zusammengenommen eine effektive Aufprallfläche mit einem Durchmesser von 5,5 mm (so die Beklagten) oder 5,43 mm (so die Klägerin) darstellen.

III. Legt man die unter II. dargestellte Auslegung der Anspruchsmerkmale zugrunde, macht die angegriffene Ausführungsform mit den Applikatoren ESWT (15 mm) und TrST (10 mm) von sämtlichen Merkmalen der in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1, 2, 4, 6 und 12 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Für sämtliche Beklagten haben diese entsprechende Benutzungshandlungen nicht mehr in Abrede gestellt. Im Einzelnen:

1. Merkmalsverwirklichung

a) Merkmale 3, 7 und 9 (stumpfe Sondenspitze)

Stumpf sind auch die Sondenspitzen mit 10 und 6 mm Durchmesser (TrST- und AkuST-Applikator), denn auch sie ermöglichen eine verhältnismäßig großflächige Einkopplung der Druckwellen in das biologische Gewebe. Davon geht offenbar auch die Beklagte zu 1) in ihrer Anwenderbroschüre und der Produktbroschüre aus, in denen sie selbst von einer "großflächigen" Einleitung der Impulse in den Körper spricht (vgl. die Anwenderbroschüre Anlage K6, Seite 6; die Produktbroschüre Anlage K13 des Parallelverfahrens, Seite 2). Verfehlt erscheint es insoweit, die Größe der Applikatorspitze in Relation zur Größe des Applikators, des ganzen Geräts oder gar zum Behandlungsobjekt Mensch zu setzen und daraus abzuleiten, sie sei "spitz". Das Klagegebrauchsmuster hatte offensichtlich "spitze" Sonden im Sinne der Entgegenhaltung in Anlage X für die invasive Applikation (Figur 1 der Anlage DL 4) im Sinn, von denen sie sich abgrenzen wollte. Entscheidend ist allein, dass eine großflächige, nicht nur punktuelle Einleitung der Druckwellen in das Gewebe möglich ist. Dass die drei für die angegriffene Ausführungsform vorgesehenen Applikatoren dies nicht gewährleisten würden, haben die Beklagten nicht behauptet. Merkmal 3 (und somit auch die Merkmale 7 und 9, die eine stumpfe Sondenspitze voraussetzen) ist daher durch alle drei Applikatoren verwirklicht.

b) Merkmale 5 und 8 (Auftreffen des Schlagteils auf das Übertragungselement):

Das Schlagteil der angegriffenen Ausführungsform trifft auf das Übertragungselement auf. Mit ihrem Argument, schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin treffe das Schlagteil bei dem Gerät X nicht auf ein Übertragungselement auf, sondern lediglich auf einen "Stoßwellen-Transmitter", Übertragungselement sei aber lediglich das "Applikator" genannte Bauteil der angegriffenen Ausführungsform, haben die Beklagten die Verwirklichung des Merkmals 5 nicht substantiiert in Abrede gestellt. Sowohl aus dem Vorbringen der Klägerin in der Replik des Parallelverfahrens, dem die Beklagten nicht mehr entgegengetreten sind, als auch aus der von der Beklagten zu 1) erstellten Produktbroschüre (Anlage K13 des Parallelverfahrens, Seite 2, rechte Spalte, zweiter und dritter Absatz) ergibt sich, dass der Stoßwellen-Transmitter mit dem Applikator bauteil- und funktionsidentisch ist und die Begriffe Stoßwellen-Transmitter und Applikator bereits dort synonym verwendet werden. Auch aus der Anwenderbroschüre (Anlage K6, Seite 6, rechte Spalte, erster Absatz) lässt sich entnehmen, dass das Projektil "auf eine unbewegliche Fläche (Applikator)" stößt und dort die Bewegungsenergie in akustische Energie umgewandelt wird, deren Schallimpuls in das zu behandelnde Gewebe eingekoppelt wird. Schließlich behaupten die Beklagten nicht, dass es sich in der Sache bei Applikator und Stoßwellen-Transmitter um unterschiedliche Bauteile mit unterschiedlichen Funktionen handele. Dementsprechend zeigt die Figur 1-4 auf Seite 11 der Gebrauchsanweisung für die angegriffene Ausführungsform (Anlage K5a des Parallelverfahrens) den "Applikator mit Dichtungsringen"; weitere Bauteile sind ebenfalls der fotografischen Darstellung (Anlage K14 des Parallelverfahrens) nicht zu entnehmen. Es kann damit als unstreitig zugrunde gelegt werden, dass das Projektil der angegriffenen Ausführungsform unmittelbar auf den Applikator aufschlägt, wie im Rahmen der Erörterung des Merkmals 11 in der mündlichen Verhandlung von den Beklagten auch nicht mehr in Frage gestellt wurde.

c) Merkmal 11:

Der die Austrittsgrenzfläche bildende Applikatorkopf des ESWT-Applikators (für die extrakorporale Stoßwellentherapie) weist einen Durchmesser von 15 mm auf, der TrST-Applikator (für die Triggerpunkt-Stoßwellentherapie) verfügt über einen Applikatorkopf mit einem Durchmesser von 10 mm, der AkuST-Applikator (für den therapeutischen Einsatz in der Akupunktur) über einen Durchmesser von 6 mm. Als Eintrittsgrenzfläche ist nach den Ausführungen unter II. bei allen Applikatoren die effektive Auftrefffläche des Projektils zugrunde zu legen, die 5,5 mm (so die Beklagten) bzw. 5,43 mm (so die Klägerin) betragen soll. Inwieweit die geringere Angabe der Klägerin möglicherweise darauf beruht, dass sie nicht die Stirnfläche des Projektils der angegriffenen Ausführungsform vermessen hat, sondern den Durchmesser des demgegenüber gegebenenfalls geringfügig kleineren Abdrucks auf dem Übertragungselement (was für die Richtigkeit einer leichten Schrägstellung des Projektils sprechen könnte, die zu einem gegenüber der Projektil-Stirnfläche geringfügig kleineren Abdruck führt), kann für die zu treffende Entscheidung offen bleiben. Denn mit beiden Eintrittsgrenzflächen ergeben sich für den ESWT- und den TrST-Applikator Durchmesserverhältnisse, die das Merkmal 11 verwirklichen, für den AkuST-Applikator hingegen Durchmesserverhältnisse, die dem Merkmal 11 nicht entsprechen:

Applikator: Mit Eintrittsgrenzfläche 5,5 mm: Mit Eintrittsgrenzfläche 5,43 mm:

ESWT 15 mm : 5,5 mm = 2,73 15 mm : 5,43 mm = 2,76

TrST 10 mm : 5,5 mm = 1,82 10 mm : 5,43 mm = 1,84

AkuST 6 mm : 5,5 mm = 1,09 6 mm : 5,43 mm = 1,10

Selbst wenn unberücksichtigt bliebe, dass die dem Schlagteil zugewandte Eintrittsgrenzfläche des AkuST-Applikators nach dem Vortrag der Beklagten in der Duplik des Parallelverfahrens (zugleich Anlage X nur 5,5 mm betragen und leicht gewölbt sein soll, wäre Merkmal 11 für diesen Applikator nicht erfüllt. Insoweit war die Klage daher abzuweisen.

Für die Applikatoren ESWT mit einem Durchmesserverhältnis von 2,73 bzw. 2,76 sowie TrST mit einem Durchmesserverhältnis von 1,82 bzw. 1,84 ist Merkmal 11 hingegen erfüllt. Dass das Durchmesserverhältnis bei dem TrST-Applikator geringfügig unterhalb eines Wertes von 2 liegt, ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Zahlen- und Maßangaben (BGH, GRUR 2002, 519 - Schneidmesser II; BGH, GRUR 2002, 527 - Custodiol II) unschädlich. Denn schon der Schutzanspruch in seiner eingeschränkt aufrecht erhaltenen Fassung enthält ausdrücklich eine ca.-Angabe, bei der eine geringfügige Unter- oder Überschreitung nicht ohne weiteres aus der Lehre des Schutzrechts herausführt. Ob und in welchem Umfang Abweichungen von Zahlen- und Maßangaben noch von der Lehre des Schutzrechts erfasst werden, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei eine Rolle spielt, in welchem Umfang sich auch bei Abweichungen der durch die Zahlenangabe eingegrenzte erfindungsgemäße Erfolg (noch) erreichen lässt. Hier enthält die Klagepatentschrift keine Hinweise darauf, dass die Angabe eines Zahlenbereiches von "ca. 2 bis 3" den erfindungsgemäßen Gegenstand abschließend bestimmen und begrenzen sollte, so dass eine geringfügige Unterschreitung des unteren Wertes den erfindungsgemäßen Erfolg, einerseits Hautverletzungen zu vermeiden, andererseits aber noch eine effektive Einkopplung der Impulse zu gewährleisten, nicht in Frage stellt.

2. Benutzungshandlungen

Während die Beklagten unstreitig gestellt haben, dass die Beklagten zu 1), 3) und 8) das angegriffene Medizingerät X vertreiben, haben sie hinsichtlich der übrigen Beklagten zunächst fehlende Substantiierung gerügt. Dem daraufhin substantiierten Vortrag der Klägerin auf den Seiten 3 und 4 der noch vor Abtrennung des Verfahrens eingereichten Replikschrift vom 29. August 2005 (Bl. 105f. der Akte des Parallelverfahrens), die unter Vorlage von Belegen konkrete Angebotshandlungen durch die Beklagten zu 2), 4), 5) und 7) dargelegt hat, sind die Beklagten nicht mehr entgegengetreten. Die im Tatbestand wiedergegebenen Angebotshandlungen auch dieser Beklagten können daher als nunmehr unstreitig zugrunde gelegt werden.

IV. Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

Da die Beklagten widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch gemacht haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG.

Die Beklagten haben der Klägerin außerdem Schadensersatz zu leisten, § 139 Abs. 2 Satz 1 PatG. Denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin lediglich noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grund nach hier anzuerkennen, § 256 Abs. 1 ZPO.

Für den Offenlegungszeitraum schulden die Beklagten der Klägerin außerdem eine angemessene Entschädigung (Art. II § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 IntPatÜG). Soweit die Beklagten die angegriffenen Geräte in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben, also den Gegenstand der Anmeldung des Klagepatents in der Zeit nach der am 12. April 2000 erfolgten Veröffentlichung der Patentanmeldung benutzt haben, kann die Klägerin für Benutzungshandlungen, die von dem Klagepatent Gebrauch gemacht haben und die in der Zeit vom 12. Mai 2000 bis einen Monat nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents, also bis zum 31. Dezember 2004, vorgenommen worden sind, eine angemessene Entschädigung verlangen (Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG).

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 140b PatG; §§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagten haben schließlich über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 140b PatG. Die danach geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. 2. mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.

V. Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen das Klagepatent besteht keine hinreichende Veranlassung.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 - Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 - Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 - Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 3 PatG, wonach der Patentschutz mit Veröffentlichung der Patenterteilung eintritt). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht hier keine Veranlassung zur Aussetzung des Rechtsstreits.

Soweit sich die Beklagten auf die als Anlagen DL 1, DL 1a, DL 2, DL 3, DL 4 und DL 5 vorgelegten Entgegenhaltungen im Einspruchsverfahren berufen, kann auf die vorläufige Einschätzung der Einspruchsabteilung vom 30. März 2006 (Anlage LE 8) Bezug genommen werden, die sich mit den genannten Entgegenhaltungen auseinandersetzt und mit nachvollziehbarer Begründung verneint, dass die Schutzfähigkeit des Klagepatents durch sie in Frage gestellt werde. Sowohl hinsichtlich des Einwands unzulässiger Änderung (Art. 100 Buchstabe c) in Verbindung mit Art. 123 Abs. 2 EPÜ) als auch der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (Art. 100 Buchstabe a) in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 und Art. 56 EPÜ) wird auf die überzeugenden Ausführungen der Einspruchsabteilung vom 30. März 2006 (Anlage LE 8, unter 4. und 5.3) verwiesen, die keine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründen, dass das Klagepatent gestützt auf sie widerrufen werden wird.

Entgegen der vorläufigen Einschätzung der Einspruchsabteilung (Anlage LE 8, unter 5.2) zur Schutzfähigkeit des Klagepatents in seiner eingetragenen Fassung angesichts der Entgegenhaltung X (hier Anlage LE 9; D9 des Einspruchsverfahrens) begründet aber auch diese Entgegenhaltung keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Klagepatent mit der Kombination der eingetragenen Ansprüche 1, 2, 4, 6 und 12 keinen Bestand haben wird. Mit Schriftsatz vom 04. Mai 2006 (Anlage K14) hat die eingetragene Patentinhaberin das Klagepatent im Wege eines Hilfsantrags verteidigt, der in Anspruch 1 sämtliche zur Grundlage des hiesigen Klageantrags gemachten Merkmale umfasst. Jedenfalls gestützt hierauf ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent nicht zumindest in einem solchen Umfang Bestand haben wird.

Es kann daher unterstellt werden, dass die Entgegenhaltung gemäß Anlage X betreffend Gerät und Verfahren zur Schmerztherapie und/oder zur Beeinflussung des vegetativen Nervensystems) mit ihrer Figur 4 und der diesbezüglichen Beschreibung die Merkmale 1 bis 4 und 6 des Klagepatents neuheitsschädlich vorwegnimmt und eine Endgeschwindigkeit von 5 bis 20 m/s (Bestandteil des Merkmals 5) aus der in der Entgegenhaltung genannten Endgeschwindigkeit von mindestens 3 m/s ohne erfinderische Tätigkeit abgeleitet werden kann. Denn in der X wird jedenfalls kein Verhältnis zwischen Austritts- und Eintrittsgrenzfläche von ca. 2 bis 3 offenbart. Die Entgegenhaltung gibt dem Fachmann damit keinerlei Anhaltspunkte dafür an die Hand, das geeignete Durchmesserverhältnis zwischen Eintritts- und Austrittsgrenzfläche zu bestimmen. Auch Figur 4 der Entgegenhaltung (Anlage LE 9) offenbart lediglich einen Koppelkörper als Übertragungselement (Spalte 18, Zeile 21-31), bei dem es sich beispielsweise (Spalte 18, Zeile 27-29) um eine Scheibe aus einem Hydrogel handeln kann, geht auf die Durchmesserverhältnisse jedoch nicht ein.

Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei Merkmal 11 auch nicht um ein belangloses Merkmal, das mit den übrigen Merkmalen des Klagepatents in keinerlei Zusammenhang steht, oder um eine technisch triviale Lösung, die sich für den Fachmann durch einfachste konstruktive Überlegungen ergibt. Die Entscheidung der fachkundig besetzten Gebrauchsmusterabteilung, die das parallele Gebrauchsmuster 298 24 944 gestützt allein auf das Merkmal 11 aufrecht erhalten hat, ist - was im vorliegenden Zusammenhang genügt - aus Sicht des Verletzungsgerichts jedenfalls vertretbar und begründet damit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch die Einspruchsabteilung in vergleichbarer Weise entscheiden wird.

Der im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren mit Schriftsatz der eingetragenen Inhaberin vom 03. April 2006 (Anlage LG 8 des Parallelverfahrens) eingereichte Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Hilfsantrag 3 lediglich durch das Merkmal 11. Während nach Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung Hilfsantrag 3 nicht schutzfähig ist, wurde die Schutzfähigkeit der Fassung des Schutzanspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 4 bejaht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die fachkundig besetzte Gebrauchsmusterabteilung diesen Aspekt übersehen hat. Soweit die Beklagten zur Begründung auf den Offenbarungsgehalt der zeichnerischen Darstellung eines mechanischen Herzstimulators in der Druckschrift "Extrakorporale Stimulation des Herzens durch Druckimpulse" der X (Anlage DL 1a) verweisen, überzeugt dies nicht. Denn die dortige Darstellung lässt kein bestimmtes Größenverhältnis zwischen dem Durchmesser des Stempelkopfes (als Eintrittsgrenzfläche) und der auf den Brustkorb aufgesetzten Prallplatte (als Austrittsgrenzfläche) erkennen.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1; 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Dem Umstand, dass die Klägerin bereits im frühen ersten Termin keinen Antrag gegen die Beklagte zu 6) gestellt hat, ist zu entnehmen, dass die Klage gegen die Beklagte zu 6) zurückgenommen werden sollte.

In der Fassung des mit Schriftsatz vom 04. Mai 2006 angekündigten und im Termin vom 09. Mai 2006 gestellten Unterlassungsantrags (Bl. 158f. GA), der an seinem Ende im Zusammenhang mit dem Merkmal 11 die Applikatoren ESTW und TrST ausdrücklich nennt, liegt indessen keine konkludente Teil-Klagerücknahme hinsichtlich des nicht ausdrücklich genannten AkuST-Applikators. Nachdem die Klägerin in ihren Darlegungen zur Verwirklichung der geltend gemachten Ansprüche nicht zwischen den verschiedenen Applikatoren unterschieden hat, wäre hier eine ausdrückliche Klagerücknahme zu erwarten gewesen, mit der die Klägerin hätte deutlich machen können, dass sie keine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung betreffend den AkuST-Applikator wünscht. Die Feststellung, dass der AkuST-Applikator die geltend gemachte Anspruchskombination nicht verwirklicht, hat die Klägerin an keiner Stelle ihrer Darlegungen getroffen.

VII. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 375.000,- € festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 01.06.2006
Az: 4a_O_234_05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/275af1a9ad77/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_1-Juni-2006_Az_4aO23405




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