Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 19. Dezember 2001
Aktenzeichen: 12 W 20/01

(OLG Hamm: Beschluss v. 19.12.2001, Az.: 12 W 20/01)

Tenor

Der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 15.06.2001 wird abgeändert.

Der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren wird auf 48.727,60 DM festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller ist gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 GKG zulässig. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller sind gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 BRAGO beschwerdeberechtigt.

Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf 48.727,60 DM festzusetzen ist und das Landgericht den Streitwert mit 20.000,00 DM zu niedrig bemessen hat.

Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem gemäß §§ 12 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO zu schätzenden objektiven Interesse der Antragsteller bei Einleitung des Verfahrens, wobei es vorrangig darauf ankommt, wegen welcher Ansprüche das Verfahren durchgeführt werden soll. Demzufolge ist der Gegenstandswert des selbständigen Beweisverfahrens als vorgezogener Hauptsachebeweis regelmäßig mit dem vollen Wert der Hauptsache zu bemessen (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 613; OLGR 1997, 176; OLG Köln NJW-RR 2000, 802; ZfBR 2000, 123, jeweils m.w.N.; Zöller/Herget ZPO, 22. Aufl., § 3 Rdn. 16 unter "selbständiges Beweisverfahren").

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Angabe des Gegenstandswertes von 20.000,00 DM durch die Antragsteller in ihrer das Beweisverfahren einleitenden Antragsschrift vom 27.12.1999 nicht maßgeblich.

Bei der Bemessung des Streitwertes sind zwar die Wertangaben des Antragstellers in der Antragsschrift zu berücksichtigen. Der von ihm bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert (§ 23 GKG) ist jedoch in aller Regel mangels anderer objektiver Anhaltspunkte nicht bindend. Wenn das selbständige Beweisverfahren, wie im vorliegenden Fall, der späteren Verfolgung von Ansprüchen auf Mängelbeseitigung oder auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in einem Hauptsacheverfahren dient, wird der Antragsteller regelmäßig keine auch nur annähernd genauen Angaben zum Schadensbeseitigungsaufwand und damit zu dem von ihm mit dem Beweisverfahren zu verfolgenden Interesse machen können. Der voraussichtliche Mängelbeseitigungsaufwand soll gerade erst durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen ermittelt werden. Für die objektive Bewertung der von dem Antragsteller mitgeteilten Tatsachen ist in solchen Fällen nach der vom Senat geteilten herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur von den Feststellungen des Sachverständigen über die zu erwartenden Kosten der Mängelbeseitigung auszugehen und entsprechen diese daher in voller Höhe dem festzusetzenden Streitwert, ohne daß hiervon ein Abschlag vorzunehmen ist (vgl. dazu Zöller a.a.O. m.w.N.). Der Senat hat seine abweichende frühere Auffassung im Hinblick auf diese inzwischen gefestigte Rechtsprechung und Literaturmeinung aufgegeben. Lediglich für den Fall, daß behauptete Mängel nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht vorliegen, ist das Interesse der Antragsteller weiterhin nach sonstigen objektiven Gesichtspunkten zu schätzen.

Für die Richtigkeit der genannten herrschenden Meinung und die Maßgeblichkeit der Kostenermittlung des Gutachters für den Streitwert spricht insbesondere der Umstand, daß das Gericht gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen hat, wenn der Streitwert eines Verfahrens nicht aufgrund der Angaben des Antragstellers bestimmt werden kann (§ 26 GKG).

Eine Abschätzung durch einen Sachverständigen ist danach beispielsweise erforderlich, wenn der Antragsteller die nach § 23 GKG erforderliche Wertangabe trotz Aufforderung unterlassen hat oder erkennbar wird, daß er offensichtlich einen unrealistischen, zu hohen oder zu niedrigen Wert angegeben hat (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl. 2002, § 26 GKG Anm. 4). Dementsprechend bestehen keine Bedenken, auch für die Bemessung des Streitwertes im selbständigen Beweisverfahren ein darin eingeholtes Sachverständigengutachten heranzuziehen.

Im vorliegenden Falle hat sich aufgrund der Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. N vom 12.02.2001 und vom 30.04.2001 herausgestellt, daß der von den Antragstellern bei Verfahrenseinleitung angegebene Streitwert von 20.000,00 DM zu niedrig ist. Ihr objektives Interesse an der Feststellung, was die Ursache für die streitigen Deckenputz- und Außenputzschäden, die erhöhte Feuchtigkeit an den Wänden verschiedener Wohnungen, die Schäden der Balkonplattierungen sowie der Dachentwässerung des Hauses L-Straße in C ist und wie hoch die Mängelbeseitigungskosten sind, ist wesentlich höher zu bemessen. Der reale Wert des gemäß § 3 ZPO zu schätzenden objektiven Interesses der Antragsteller entspricht vielmehr hier dem Betrag von 48.727,60 DM, den der Sachverständige nachvollziehbar zur Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten für erforderlich hält. Danach bemißt sich deshalb auch der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens, der mit diesem Betrage in voller Höhe und ohne Abschlag in Ansatz zu bringen ist.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gemäß § 25 Abs. 4 GKG gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.






OLG Hamm:
Beschluss v. 19.12.2001
Az: 12 W 20/01


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