Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. März 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 100/02

(BPatG: Beschluss v. 23.03.2006, Az.: 25 W (pat) 100/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. März 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung "Lafiora" ist am 26. Juli 2001 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden (Az. 301 44 874.2), ua in der Klasse 42 für die Dienstleistung

"Groß- und Einzelhandel mit Artikeln für Garten und Zoo"

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2001 hat die Anmelderin die Teilung der Anmeldung erklärt. Für den obengenannten Bereich ist sie unter dem Az. 301 64 90.5 fortgeführt worden. Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den vorliegenden abgetrennten Teil der Anmeldung mit Beschluss vom 4. März 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie insbesondere ausgeführt, die von der Anmelderin angegebene Dienstleistung "Groß- und Einzelhandel mit Artikeln für Garten und Zoo" sei zum einen nicht klassifizierbar und zum anderen auch viel zu unbestimmt, um als Angabe in einem Waren und Dienstleistungsverzeichnis zulässig zu sein. Unter einer in dieser Weise bezeichneten Dienstleistung ließen sich beliebige, vorab nicht eingrenzbare Einzeldienstleistungen subsumieren. Es sei daher an der Anmelderin, die jeweils von ihr tatsächlich konkret angebotenen, unter den weiten Oberbegriff fallenden Einzeldienstleistungen als solche aufzulisten und ein dementsprechend gefasstes Dienstleistungsverzeichnis einzureichen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. März 2002 aufzuheben.

Zur Begründung hat sie unter Hinweis auf die GIACOMELLI SPORT - Entscheidung des HABM vom 7. Dezember 1999 geltend gemacht, dass die zurückgewiesene Dienstleistung hinreichend bestimmt und verständlich bezeichnet worden sei. Eine weitergehende Differenzierung der einzelnen Tätigkeiten, die hiervon umfasst würden, sei nicht erforderlich. Es handele sich nicht um eine bloße "unselbständige Hilfsdienstleistung zu den jeweiligen Waren" sondern über die reine Verkaufshandlung hinausgehende Tätigkeiten wie z. B. eine bestimmte, auf den gewünschten Kundenstamm bezogenen Präsentation des Verkaufsraums, die Art der Warendarbietung und die Form der Bedienung, mithin ebenfalls Tätigkeiten im Rahmen der Präsentation der Ware, mit denen sich der Händler um seine Kundschaft bemühe und sich von der Konkurrenz absetzen möchte.

Der Senat hat mit Einverständnis der Anmelderin das Verfahren bis zur Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen des 24. Senats gemäß Art. 234 Abs. 2 EG an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in dem Verfahren 24 W (pat) 214/01 (GRUR 2003, 152 - Einzelhandelsdienstleistungen) ausgesetzt.

Der EuGH hat mit Urteil vom 7. Juli 2005 - C-418/02 (GRUR 2005, 764 - Praktiker) die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:

"1. Der Begriff "Dienstleistungen" im Sinne der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, insbesondere ihres Artikel 2, erfasst Dienstleistungen, die im Rahmen des Einzelhandels mit Waren erbracht werden.

2. Für die Zwecke der Eintragung einer Marke für solche Dienstleistungen ist es nicht notwendig, die in Rede stehenden Dienstleistungen konkret zu bezeichnen. Dagegen sind nähere Angaben in Bezug auf die Waren oder Arten von Waren notwendig, auf die sich die Dienstleistungen beziehen."

Im Anschluss an diese Entscheidung und nach einem Zwischenbescheid des Senats vom 20. Januar 2006 hat die Anmelderin die von der Zurückweisung der Anmeldung betroffene Angabe im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen unter Einordnung in Klasse 35 wie folgt formuliert:

"Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Artikel für Garten und Zoo"

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet, weil das von der Markenstelle angenommene Eintragungshindernis einer nicht hinreichend bestimmten und nicht klassifizierbaren Angabe im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen gemäß §§ 32 Abs. 3, 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 14 MarkenV a. F. (jetzt § 20 MarkenV) nicht (mehr) besteht.

1. Der EuGH hat im ersten Ausspruch des Urteils vom 7. Juli 2005 (GRUR 2005, 764 - Praktiker) festgestellt, dass der Begriff "Dienstleistungen" im Sinne der Richtlinie, insbesondere deren Art. 2, Dienstleistungen erfasst, die im Rahmen des Einzelhandels mit Waren erbracht werden. Dazu hat der EuGH in Tz. 34 seines Urteils ausgeführt, dass es sich hierbei um Tätigkeiten handelt, die "neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags" erbracht werden. Nach Ansicht des EuGH bestehen diese Tätigkeiten "insbesondere in der Auswahl eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und im Angebot verschiedener Dienstleistungen, die den Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber abzuschließen".

Aufgrund dieser verbindlichen Feststellungen des EuGH steht nunmehr fest, dass nicht der Vertrieb von Waren und der Handel als solcher - wie er noch im Verzeichnis der Anmeldung mit der Formulierung "Groß- und Einzelhandel mit Artikeln für Garten und Zoo" enthalten ist -, sondern nur in diesem Zusammenhang zur Verkaufsförderung erbrachte Dienstleistungen dem Schutz durch eine Dienstleistungsmarke zugänglich sind. Dies gilt nach Auffassung des Senats nicht nur für entsprechende Dienstleistungen des Einzelhandels, sondern auch für solche des Großhandels. Denn auch bei diesem können derartige über die reine Verkaufshandlung hinausreichenden Tätigkeiten wie z. B. die Auswahl und Zusammenstellung der Waren, deren Präsentation, der vom Personal erbrachte Service usw. eigenständige Dienstleistungen darstellen und daher Gegenstand einer entsprechenden Dienstleistungsmarke sein. Dies entspricht zwischenzeitlich auch der Praxis des Deutschen Patentund Markenamts.

Diese der Klasse 35 der Klasseneinteilung zuzuordnenden Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen umfassen dabei die spezifischen Tätigkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vertrieb von Waren aus fremder Produktion erbracht werden, und mit denen sich der Händler in direkten Wettbewerb zu anderen Händlern begibt. Nicht unter diesen Dienstleistungsbegriff fallen dagegen lediglich anlässlich des Warenvertriebs erfolgende oder sonstige Aktivitäten, die nicht nur Händlern vorbehalten sind, sondern in erster Linie zum Tätigkeitsbereich anderer Wirtschaftsbereiche gehören, und für die in anderen Klassen der Klasseneinteilung jeweils ein eigenständiger Markenschutz vorgesehen ist (vgl. BPatG vom 27.9.2005 - 24 W (pat) 214/01, MarkenR 2005, 527 - Einzelhandelsdienstleistungen II).

Mit der im Beschwerdeverfahren nach Zwischenbescheid des Senats erfolgten Umformulierung der beanstandeten Angabe "Groß- und Einzelhandel" in "Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen" hat die Anmelderin nunmehr hinreichend klargestellt, dass sie Schutz für der Klasse 35 zuzuordnende Dienstleistungen im oben genannten Sinne, nicht für den Vertrieb von Waren an sich beansprucht.

2. Der EuGH hat ferner mit dem zweiten Ausspruch des Urteils vom 7. Juli 2005 festgestellt, dass es für die Zwecke der Eintragung einer Marke für solche Dienstleistungen nicht notwendig ist, diese Dienstleistungen konkret zu bezeichnen. Notwendig sind lediglich nähere Angaben in Bezug auf die Waren oder Arten von Waren, auf die sich die Dienstleistungen beziehen. Diesen Anforderungen an die warenmäßige Konkretisierung genügt die Anmeldung mit der Angabe "Artikel für Garten und Zoo" (vgl. dazu auch BPatG vom 27.9.2005 - 24 W (pat) 214/01, MarkenR 2005, 527 - Einzelhandelsdienstleistungen II). "Garten und Zoo" ist im Handelsverkehr eine allgemein gebräuchliche und bekannte Sammelbezeichnung für ein Fachsortiment, welches neben Artikeln für den Gartenbedarf auch Kleintiere, Kleintierbedarf und -zubehör umfasst, so dass die Anmeldung auch insoweit hinreichend bestimmt ist.

3. Nachdem demnach das von der Markenstelle angenommene Eintragungshindernis nicht (mehr) besteht, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.






BPatG:
Beschluss v. 23.03.2006
Az: 25 W (pat) 100/02


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