Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juni 2006
Aktenzeichen: 30 W (pat) 1/04

(BPatG: Beschluss v. 26.06.2006, Az.: 30 W (pat) 1/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. November 2003 aufgehoben.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister als dreidimensionale Marke ist die nachstehend abgebildete Darstellung angemeldet worden:

Grafik der Marke Die Beschreibung lautet: "Die Marke ist durch Folgendes charakterisiert: Der Querschnitt des Schlüsselschaftes ist als Profil in den Buchstaben "FC" und einem um 90¡ gedrehten "V" gestaltet".

Das Warenverzeichnis lautete zunächst:

"Nicht elektronische Schlösser, Schlüssel, Schlüsselrohlinge, Schließzylinder aus Metall und/oder Kunststoff; aus vorstehend genannten Waren gebildete Schließanlagen;

elektronische Schlösser, Schlüssel, Schlüsselrohlinge, Schließzylinder; aus vorstehend genannten Waren gebildete Schließanlagen; Teile vorgenannter Waren".

Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung auf der Grundlage dieses Warenverzeichnisses wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil sie lediglich als Darstellung bzw. Abbildung eines Schlüssels angesehen werde. Besondere herkunftshinweisende Gestaltungsmerkmale seien nicht erkennbar; die Interpretation als Buchstaben ("F", "C" und "V") erscheine gewillkürt.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und das Warenverzeichnis wie folgt eingeschränkt:

"Nicht elektronische Schlösser, Schlüssel, Schließzylinder aus Metall und/oder Kunststoff, sämtliche vorstehend genannten Waren ausschließlich für Hauptschlüsselanlagen; aus vorstehend genannten Waren gebildete Schließanlagen, nämlich Hauptschlüsselanlagen aus Metall und nicht elektrisch;

elektronische Schlösser, Schlüssel, Schließzylinder, sämtliche vorstehend genannten Waren ausschließlich für Hauptschlüsselanlagen; aus vorstehend genannten Waren gebildete Schließanlagen, nämlich Hauptschlüsselanlagen; Teile vorgenannter Waren".

Mit umfangreichen Ausführungen hält sie die angemeldete Marke wegen der allein angesprochenen Fachverkehrskreise, die gezwungen seien, auf minimale Unterschiede zu achten, und der Besonderheiten bei Hauptschlüsselanlagen für schutzfähig; sie bezieht sich ferner darauf, dass die Anmeldung die Buchstabenfolge "FCV" an der Spitze des Schlüssels zeige. Sie verweist zudem auf die Entscheidungen des Bundespatentgerichts 30 W (pat) 34/03, 30 W (pat) 37/03, 30 W (pat) 38/03, 30 W (pat) 78/03 und 30 W (pat) 89/03.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. November 2003 aufzuheben.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache begründet. Ein der Eintragung entgegenstehendes Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wie auch fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG lassen sich auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses nicht feststellen.

Eine Marke hat Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn sie es ermöglicht, die Waren oder Dienstleistungen, für die ihre Eintragung beantragt worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer Herkunft zu unterscheiden. Bei der Beurteilung dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, sind keine strengeren Kriterien anzuwenden als gegenüber anderen Markenkategorien (vgl. EuGH MarkenR 2004, 461, 465, 463 Nr. 29ff. - Mag Lite; vgl. auch BGH GRUR 2004, 505 - Rado-Uhr II m. w. Nachw.).

Der Europäische Gerichtshof hat aber auch mehrfach darauf hingewiesen, dass eine dreidimensionale Marke, die in der Form der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist (vgl. EuGH a. a. O. - Mag Lite S. 465 Nr. 30; auch EuGH GRUR 2003, 514, 517 Nr. 48 i. V. m. Nr. 32-35 - Linde, Winward u. Rado; GRUR 2004, 428, 431 Nr. 52 - Henkel; MarkenR 2004, 224, 229 Nr. 38 - Waschmitteltabs; MarkenR 2004, 231, 236 Nr. 36 - Quadratische Waschmitteltabs).

Auch der Bundesgerichtshof betont, dass der Verkehr in der Form oder Abbildung einer Ware regelmäßig nur einen Hinweis auf die ästhetische oder funktionelle Gestaltung der Ware, nicht aber auf ihre betriebliche Herkunft sieht (BGH GRUR 2003, 332, 334 - Abschlussstück; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; WRP 2004, 749, 751 - Transformatorengehäuse; MarkenR 2004, 492, 494 - Käse in Blütenform).

Je mehr sich die angemeldete Gestaltung der Form annähert, in der die betreffende Ware am Wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, um so eher ist zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft fehlt. Nur einer Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, besitzt Unterscheidungskraft; der bloße Umstand, dass diese Form eine Variante der üblichen Formen dieser Warengattung ist, reicht für die Annahme des Bestehens der Unterscheidungskraft nicht aus (vgl. EuGH a. a. O. - Mag Lite S. 465; auch Henkel, Waschmitteltabs und Quadratische Waschmitteltabs a. a. O.).

Unter diesen Umständen kann dem Zeichen nicht die Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

Ein Schließzylinder ist eine Schließvorrichtung, die in ein Zylinderschloss eingebaut wird; die Mechanik im Schloss wird durch Einstecken des zugehörigen Schlüssels betätigt, dessen Körper-Kante mit einer Zahnung versehen ist, die im Kern des Zylinders befindliche Stifte in die richtige Stellung zur Entsperrung bringt (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, 19. Band S. 371f.). Schließanlagen sind Kombinationen verschiedener Schlösser und verschiedener Schlüssel. Hauptschlüsselanlagen sind Schließanlagen mit einer übergeordneten Ebene, das heißt, es gibt neben den Einzelschlüsseln, die jeweils ein Schloss oder auch eine Reihe gleichschließender Schlösser schließen, einen Hauptschlüssel, der alle Schlösser der Schließanlage schließen kann (vgl. http://www.lexikondefinition.de/Hauptschlüsselanlage.html; Pickshaus, Grundlagentechnik Schloß und Beschlag S. 85f., Anl. 7). Anwendungsgebiete sind vor allem Büro- und Fabrikbauten. Nach DIN 18 254 Ziffer 6.3.6 und 6.3.7 dürfen Hersteller von ihren Hauptschlüsselanlagen keine Schlüsselrohlinge in Umlauf bringen. Nachzubestellende Profilzylinder für Schließanlagen und/oder Schlüssel für Hauptschlüsselanlagen dürfen vom Hersteller der Hauptschlüsselanlage nur nach Vorlage eines Legitimationsausweises ausgeliefert werden.

Diese Besonderheit im Bereich von Hauptschlüsselanlagen bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die beteiligten Verkehrskreise in erster Linie enge Fachverkehrskreise sind, insbesondere Hersteller, Fachhandel und Fachbetriebe, Architekten oder auch Bauunternehmen. Für dieses durch besondere Sachkunde gekennzeichnete Publikum lässt sich nicht feststellen, dass es dem vorliegenden Zeichen jegliche Unterscheidungskraft abspricht.

Die Anmeldung zeigt in Teilansicht einen Rohling eines Zylinder-Schloss-Schlüssels, dem das für das Funktionieren in einem Schließzylinder typische Merkmal der Zahnung der Schlüsselkörper-Kante fehlt. Das Zeichen stellt damit erkennbar weder Schlösser und Schlüssel, noch Schließzylinder oder Schließanlagen, nämlich Hauptschlüsselanlagen dar. Ihm kann nichts für die Art und Beschaffenheit solcher mit ihr etwa gekennzeichneten Produkte entnommen werden. Zwar ist der Bezug zu diesen Waren vorhanden; jedoch bedarf das dargestellte, vorgefertigte Werkstück der weiteren Bearbeitung, um als funktionsfähiger Schlüssel mit der Bestimmung für passende Schlösser und für Hauptschlüsselanlagen eingesetzt werden zu können. Das angemeldete Zeichen weist insofern über die technische Gestaltung der Ware hinausgehende Elemente auf, als ihm typische Merkmale eines Schlüssels mit zugehörigem beidseitigem Schlüsselprofil und Kantenzahnung fehlen: vor allem die Darstellung nur eines Schlüsselrohlings ohne Zahnung führt von der Erkennbarkeit technischbedingter Gestaltungsmerkmale weg (vgl. zu ausschließlich technisch bedingten Gestaltungsmerkmalen auch BGH I ZB 12/04 vom 17. November 2005 - Rasierer mit drei Scherköpfen). Anhand der vorliegenden Darstellung lässt sich ein funktionsfähiger Schließzylinder mit Schlüssel nicht ohne weiteres herstellen. Nichts anderes gilt für die weiter beanspruchten Anlagen und Teile.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Autofelge" (GRUR 1997, 525) ausgeführt, dass Abweichungen in den Gestaltungsmerkmalen, die sich auf wenig einprägsame Nuancen, denen darüber hinaus ein hohes Maß von Beliebigkeit anhaftet und die sich der Verkehr regelmäßig nicht merken könne, wenn er sie überhaupt wahrnehme, keine herkunftshinweisende Funktion beigemessen werden könne. Jedoch handelte es sich damals um Gestaltungselemente, die auf die Ausgestaltung von Autofelgen bezogen waren, einem Massenprodukt, das vom Verkehr nicht immer in seinen Einzelheiten wahrgenommen wird. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein Ausgestaltungselement, das gerade von der Funktion eines Schlüssels für Schließzylinder wegführt, wobei sich die fehlende Funktionsfähigkeit dem angesprochenen Fachverkehr geradezu aufdrängt. In der Entscheidung "Zahnpastastrang" (GRUR 2001, 239) hat der Bundesgerichtshof selbst minimale Abweichungen von einem "natürlichen" Zahnpastastrang ausreichen lassen, um festzustellen, das Zeichen erschöpfe sich nicht in der Abbildung der Ware als solcher. Nach diesen Grundsätzen erschöpft sich auch das angemeldete Zeichen nicht in der Darstellung der Ware als solcher, wie oben bereits ausgeführt. Insgesamt kann ihr als deutlich erkennbarer Darstellung eines unvollständigen Schlüssels, nämlich eines Schlüsselrohlings eine gewisse charakteristische Erscheinung nicht abgesprochen werden. Sie liegt allerdings nicht in der Form der Spitze, die von oben nach unten gelesen an die Buchstaben "F", "C" und ein um 90¡ gedrehtes "V" erinnern könnte. Denn die Mitbewerber der Anmelderin dürfen markenrechtlich in der Gestaltung von Schlüsseln nicht eingeengt werden. Die Möglichkeiten zur Ausformung von Schlüsseln sind zwar auf den ersten Blick recht mannigfaltig, jedoch bezüglich der Grundrissgestaltung doch eher eingeschränkt, da hier nur die Anordnung der für die Führung des Schlüssels maßgebenden Merkmale und nicht die für den eigentlichen Schließvorgang maßgebenden Einkerbungen oder Aussparungen maßgebend sind. Hinreichend eigenwillig erscheint das in Längsrichtung verlaufende Profil der sichtbaren Schlüsselkörper-Seite ohne Zahnung von Ober- und Unterkante mit Vertiefungen und Erhebungen unterschiedlicher Breite. Inwieweit unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten das spezielle Schlüsselprofil schutzwürdig ist, ist hier nicht zu entscheiden.

Da nach den obigen Ausführungen eine bildliche Warenbeschreibung nicht vorliegt, kann auch das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

Der Schutzbereich der Marke bezieht sich selbstverständlich nur auf die eingetragene Form. Die Anmelderin wird durch die Eintragung der vorliegenden 3-D-Marke nicht in die Lage versetzt, Mitbewerber in der freien Verwendung einer naturgetreuen Wiedergabe eines Schlüssels für Schließzylinder und mit zugehörigemSchlüsselprofil zu behindern. Das dem Zeichen zukommende Verbietungsrecht wird sich somit im Wesentlichen nur auf die konkrete Form und diesem nach dem Gesamteindruck in den gestalterischen Besonderheiten deutlich nahekommende Formen beziehen.






BPatG:
Beschluss v. 26.06.2006
Az: 30 W (pat) 1/04


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