Oberlandesgericht München:
Urteil vom 17. Juni 2010
Aktenzeichen: 29 U 3867/09

(OLG München: Urteil v. 17.06.2010, Az.: 29 U 3867/09)

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Juni 2009 abgeändert wie folgt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt in die Entziehung des Schutzes der unter der Nummer ... 83 eingetragenen IR-Marke "WENiCE" für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Waren "footwear" in Klasse 25 einzuwilligen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

A .

Die Klägerin, die zwischenzeitlich drei der vier streitgegenständlichen Klagemarken auf die Nebenintervenientin übertragen hat, macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Einwilligung in die Schutzentziehung aufgrund prioritätsälterer Markenrechte gegen deren international registrierte Marke geltend.

Im Zeitpunkt der Klageerhebung waren für die Klägerin folgende Marken eingetragen (vgl. Anlage K 1):

Am 4. September 1990 ist die Wortbildmarke DE ...99 für die Waren "Schuhwaren" in Klasse 25 eingetragen worden.

Am 16. Juni 1994 hat die Eintragung der Wortbildmarke DE ...42 ebenfalls in Klasse 25 für die Waren "Oberbekleidung für Damen, Herren und Kinder" stattgefunden.

Am 1. Dezember 1998 ist schließlich die € am 14. April 1997 angemeldete € Gemeinschaftswortbildmarke GM ...22 für "Schuhwaren" eingetragen worden.

Inhaberin dieser drei Wort-/Bildmarken ist nunmehr die Nebenintervenientin. Zwischen den Parteien ist im Berufungsverfahren streitig, wann die Übertragung im Einzelnen stattgefunden hat.

Aus der zwischenzeitlich gelöschten Wort-/Bildmarke DE ...45 machen weder die Klägerin noch die Nebenintervenientin in der Berufungsinstanz Rechte geltend.

Für die Beklagte, Inhaberin der Basismarke in der Türkei seit 4. Juli 2000, ist die € am 26. Juni 2001 eingetragene € international registrierte Wort-/Bildmarke IR ...83, eingetragen in Klasse 25 für die Waren "Clothing, t-shirts, jeans, footwear, headgear" (vgl. Anlage K 2), am 16. August 2001 veröffentlicht worden.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Vergleichsmarken seien verwechselbar ähnlich.

Sie hat in erster Instanz daher beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt , in die Entziehung des Schutzes der unter der Nummer ...83 eingetragenen IR-Marke "WENiCE" für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für die Waren der Klasse 25 gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen .

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen .

Sie hat die rechtserhaltende Benutzung der Klagemarken bestritten. Auch eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Dem Löschungsanspruch der Klägerin stehe ferner entgegen, dass die Klagemarken schutzunfähig seien, da es sich um geografische Herkunftsbezeichnungen handle.

Mit Urteil des Landgerichts München I vom 16. Juni 2009, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, wurde die Beklagte gemäß dem Klageantrag zur Einwilligung in die Schutzentziehung verurteilt. Drei der vier rechtserhaltend benutzten Klagemarken verfügten über eine bessere Priorität als das jüngere Zeichen. Absolute Schutzhindernisse gegen die älteren Klagemarken lägen nicht vor. Die behauptete Verwechslungsgefahr bestehe, da neben hochgradiger Warenähnlichkeit und normaler Kennzeichnungskraft eine deutliche Zeichenähnlichkeit bestehe.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie vertritt die Auffassung, die Klägerin sei nicht mehr aktivlegitimiert, da sie die streitgegenständlichen Marken an die Nebenintervenientin übertragen haben. Ferner sei das Landgericht zu Unrecht von einer rechtserhaltenden Benutzung der Marken € ausgegangen. Selbst unterstellt diese liege vor, könne sich die Klägerin darauf nicht berufen, da die älteren Marken aufgrund absoluter Schutzhindernisse wegen Nichtigkeit hätten gelöscht werden müssen. Jedenfalls bestehe auch keine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken.

Sie beantragt,

unter Abänderung des am 16 . Juni 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts München I Aktenzeichen 33 O 10230/07 die Klage abzuweisen .

Sie hat im Übrigen ausdrücklich erklärt, einem Parteiwechsel auf die Nebenintervenientin nicht zuzustimmen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen .

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und nimmt im Übrigen Bezug auf die Ausführungen der Nebenintervenientin.

Die Nebenintervenientin beantragt:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen .

Sie ist der Ansicht, dass das Landgericht die Beklagte jedenfalls zu Recht aus der Gemeinschaftsmarke zur Einwilligung in die Schutzentziehung verurteilt habe.

Die Klägerin sei aktivlegitimiert, da die Markenübertragung erst im Laufe des Verfahrens vor dem Landgericht stattgefunden habe. Sie habe ferner die rechtserhaltende Benutzung für "Schuhwaren" nachgewiesen. Der Gemeinschaftsmarke € fehle es nicht an der erforderlichen Schutzfähigkeit. In ihrer konkreten Ausgestaltung sei die Bildmarke jedenfalls unterscheidungskräftig, selbst wenn es sich beim Wortbestandteil um die englische Bezeichnung für die Stadt Venedig handle. Die Verwechslungsgefahr der beiden Zeichen € und € ergebe sich unschwer aufgrund der klanglichen und visuellen Ähnlichkeiten.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 25. März 2010 Bezug genommen.

B .

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte lediglich einen Anspruch auf Einwilligung in die Schutzentziehung der streitgegenständlichen international registrierten Marke IR ... 83 für Deutschland in Bezug auf die Waren "footwear" in Klasse 25, nicht dagegen für die übrigen eingetragenen Waren. Insoweit war das Urteil des Landgerichts abzuändern.

I. Die Klägerin ist trotz der Übertragung der Klagemarken an die Nebenintervenientin aktivlegitimiert.

30Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Februar 2008 die Klägerin im Register als Inhaberin der Marken eingetragen war. Nach § 28 Abs. 1 MarkenG entfaltet die formelle Legitimation des im Register eingetragenen Markeninhabers auch eine Vermutung für die materielle Rechtsinhaberschaft (BGH GRUR 1998, 699, 701 - SAM; Ströbele/ Hacker/ Kirschneck, MarkenG, 9. Auflage 2009, § 28 Rn. 2). Entsprechendes gilt für die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht widerlegt. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob noch vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht - so die Beklagte - oder erst nach Verkündung des Urteils - so die Klägerin - eine Übertragung stattgefunden hat. Ändert sich die materielle Berechtigung erst im Laufe des Prozesses, hat dies auf denselben keinen Einfluss gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO. Er wird zwischen den Parteien unverändert fortgeführt. Der Rechtsvorgänger, hier die Klägerin, macht insoweit lediglich eigene Rechte in fremdem Namen geltend. Das Urteil wirkt gem. § 325 ZPO für und gegen den Rechtsnachfolger, der dem Verfahren beitreten kann. Dies ist hier erfolgt. Die neue Inhaberin der Klagemarken ist als Nebenintervenientin beigetreten.

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Einwilligung in die Schutzentziehung hinsichtlich der Waren "footwear" jedenfalls aus der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke GM ...22 € eingetragen für "Schuhwaren" - gem. §§ 125 b Ziffer 5, 124, 115 Abs. 1, 51 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. Art. 16 Abs. 1, Art. 102 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (im folgenden: GMV).

1. Der erforderliche Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung ist lediglich für "Schuhwaren" aus der Gemeinschaftsmarke GM ...22 geführt.

a) Soweit die Klägerin Rechte aus der Marke DE ...42, eingetragen für "Oberbekleidung für Damen, Herren und Kinder" geltend macht, hat sie die erforderliche rechtserhaltende Benutzung nicht nachgewiesen.

Die Inhaberin der jüngeren IR-Marke hat die Einrede mangelnder Benutzung erhoben, weshalb die Klägerin als frühere Inhaberin der vorgenannten nationalen Wort-/ Bildmarke gem. § 55 Abs. 3 MarkenG i. S. v. § 26 MarkenG nachzuweisen hat, dass die Marke rechtserhaltend benutzt ist. Bei der Entscheidung dürfen nämlich nur die Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden, für welche die Inhaberin der prioritätsälteren Marke die Benutzung nachgewiesen hat. Maßgeblich für die Frage der Benutzung in zeitlicher Hinsicht sind vorliegend sowohl der Fünfjahreszeitraum vor Erhebung der Klage (§ 55 Abs. 3 S. 1 MarkenG) und der weitere Fünfjahreszeitraum vor Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke (§ 55 Abs. 3 S. 3 MarkenG).

Die Marke DE ...42 wurde am 16. Juni 1994 in das Markenregister eingetragen. Die Zustellung der Klage erfolgte am 20. Februar 2008 in der Türkei (vgl. Anhang zu Bl. 30 d. A.), weshalb einmal die Benutzung gem. § 55 Abs. 3 S. 1 MarkenG für die Zeit vom 20. Februar 2003 bis 20. Februar 2008 nachzuweisen ist. Da die Marke der Beklagten am 16. August 2001 veröffentlicht wurde (Anlage BF 1) beinhaltet der zweite Benutzungszeitraum gem. § 55 Abs. 3 S. 3 MarkenG die Zeitspanne vom 16. August 1996 bis 16. August 2001.

Ein Nachweis für den zuletzt genannten Zeitraum ist nicht geführt, da die Bekleidungslinie der ursprünglich nur auf Schuhe spezialisierten Markeninhaberin frühestens ab 2002 (Anlage K 9), ggf. auch noch später, und zwar ab Herbst 2003 (Anlage K 7 Schuhkurier vom 30. April 2004 "Venice in Zahlen"), jedenfalls nicht bereits im Jahr 2001 und früher verkauft wurde. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die Klagemarke durch die im Katalog auf den Waren der Oberbekleidung abgebildete Marke "pure €" überhaupt rechtserhaltend im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR 2008, 343 ff. - Tz. 86 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM) benutzt worden ist.

b) Die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der bereits am 4. September 1990 im Markenregister lediglich für "Schuhwaren" eingetragenen deutschen Marke DE ...99, für die die unter Ziffer II. 1 a) genannten Zeiträume gelten, kann dahingestellt bleiben, da der Benutzungsnachweis nämlich für die € ebenfalls nur für "Schuhwaren" eingetragene € Gemeinschaftsmarke GM ...22 gem. §§ 125 b Ziffer 5 b, 124, 115 Abs. 1, 51, 55 Abs. 3 MarkenG i. V. m. Art. 15 GMV geführt ist.

aa) Nicht ausreichend substantiiert ist der Vortrag der Beklagten, bei der Gemeinschaftsmarke der Klägerin handle es sich um eine bloße Defensivmarke.

39Der Zweck einer Defensivmarke ist es, eine eingetragene und benutzte Hauptmarke vor Marken anderer Unternehmen zu schützen. Defensivmarken sind Instrumente der Verteidigung einer anderen Marke des Markeninhabers und dienen nicht als Unterscheidungszeichen (Fezer, Markenrecht, 4. Auflage 2009, § 3 Rn. 37). Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die Gemeinschaftsmarke nicht benutzt wird. Der Beklagtenvertreter hat € im Gegenteil € vorgetragen, dass es bei den Vergleichsverhandlungen der Parteien auch um die Koexistenz der Zeichen in anderen € auch Nicht-EU € Staaten gegangen sei.

40bb) Erhebt im Verfahren wegen Schutzentziehung ein Beklagter die Einrede der Nichtbenutzung, muss der Kläger als Inhaber einer prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke gem. §§ 125 b Ziffer 5 b, 124, 115 Abs. 1, 51 MarkenG die rechterhaltende Benutzung gem. § 55 Abs. 3 MarkenG nachweisen, mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke mit älterem Zeitrang gem. § 26 MarkenG die Vorschrift des Art. 15 GMV tritt, soweit es um das Benutzungsgebiet geht. Danach ist eine ernsthafte Benutzung "in der Gemeinschaft" erforderlich. Für die Berechnung der Frist verbleibt es bei § 55 Abs. 3 MarkenG.

41Danach ist im vorliegenden Fall der entscheidende Benutzungszeitraum die Zeitspanne vom 20. Februar 2003 bis 20. Februar 2008, nämlich gem. § 55 Abs. 3 S. 1 MarkenG fünf Jahre vor Klageerhebung. § 55 Abs. 3 S. 3 MarkenG ist für die Gemeinschaftsmarke € anders als für die nationalen Marken € nicht einschlägig, da sie erst drei Jahre vor der Veröffentlichung der jüngeren IR-Marke eingetragen wurde.

cc) Aufgrund der vorgelegten Unterlagen ist von einer rechtserhaltenden Benutzung für die Ware "Schuhwaren" im vorgenannten Zeitraum auszugehen.

aaa) Die Benutzung der für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn die Verwendung der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (EuGH, Rs. C-259/02, Slg. 2004, I-1159 Rn. 19 = BeckRS 2004, 75764 € Laboratoire de la mer). Hierzu ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (BGH GRUR 2009, 60 € Tz. 22 € LOTTOCARD m. w. N.; GRUR 2008, 616 € Tz. 10 € Akzenta). Bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Benutzung hat das Gericht sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird. Ausgeschlossen werden sollen dagegen symbolische Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen. Zu den ernsthaften geschäftlichen Verwendungen gehören dagegen solche, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren und Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 ff. - Rn. 72 - Bainbridge; GRUR 2006, 582 - Rn. 70 - VI-TAFRUIT; BGH GRUR 2006, 152, 154 - Tz. 21 - GALLUP). Der angesprochene Verkehr muss die Benutzung des Kennzeichens ferner zumindest auch als Unterscheidungszeichen für die Ware oder Dienstleistung ansehen (BGH GRUR 2009, 60 € Tz. 22 € LOTTOCARD m. w. N.) Das ist dann der Fall, wenn das Zeichen als Herkunftshinweis für das beworbene Produkt verstanden wird (BGH GRUR 2005, 1047- Tz.18 € OTTO). Relevant sind daher Unterlagen, aus denen sich eine funktionsgemäße Benutzung der Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen im maßgeblichen Zeitraum in hinreichender Dauer ergibt, um eine Scheinbenutzung auszuschließen.

bbb) Diesen Vorgaben ist die Klägerin nachgekommen.

Selbst wenn mit der Beklagten davon auszugehen ist, dass die Vorlage der Rechnungen gemäß Anlage K 6 keine markenmäßige Benutzung zeigt, da sich aus den einzelnen Rechnungen nicht ergibt, ob diese tatsächlich für Schuhe, die mit der Marke € gekennzeichnet sind, erstellt wurden, ist aus den Unterlagen K 7 und NI 2 eine markenmäßige Verwendung in ausreichendem Umfang zu erkennen. Der gesamte Benutzungszeitraum muss € da nur die Scheinbenutzung auszuschließen ist € nicht lückenlos abgedeckt werden (BGH GRUR 2008, 616 - Tz. 23 € Akzenta).

46Eine rechtserhaltende Benutzung ist auch nicht € wie die Beklagte meint € schon deshalb zu verneinen, weil der Begriff "Venice" für die fraglichen Waren generell beschreibend, deshalb nach § 8 Absatz 2 Nr. 2 MarkenG nicht eintragungsfähig und eine erfolgte Markeneintragung nach § 50 MarkenG zu löschen sei (BGH GRUR 2009, 60 € Tz. 24 € LOTTOCARD). Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass das Zeichen € auf der Ware selbst aufgebracht ist und der Verkehr es deshalb als Herkunftshinweis, nicht dagegen als geografischen Hinweis auf die Herkunft aus der Stadt Venedig verstehen wird. Derart gekennzeichnete Modelle sind z. B. im S... kurier vom 5. März 2004 oder auf der Homepage www. ...int.de in der Veröffentlichung Nr. 6 für Herbst/Winter 2004/2005 (Anlage NI 2) oder im Journal für die F... vom 17. März 2004 (Anlage K 7) zu sehen. Ebenso ergibt sich dies aus der Vorlage eines Paars Originalschuhe, die auf der Lasche des linken Schuhs die Klagemarke in roter Farbe aufgestickt haben. Ferner sind die Sohlen beider Schuhe ebenso wie die Einlegesohlen mit der Klagemarke versehen.

47Aus einem mit "Wir wollen mal der H&M für Schuhe werden" betitelten Artikel in den S... News vom 12. September 2003 ergibt sich weiter, dass im Jahr 2003 ca. zwei Millionen Paar mit der Marke Venice gekennzeichnete Schuhe vertrieben wurden (Anlage NI 2). Dieselbe Mitteilung enthielt der Schuhkurier vom 20. Februar 2004 (Anlage NI 2). Den j'n'c' - News vom 3. Juni 2004 ist zu entnehmen, dass ein erster Mono-Label-Store von € in Köln eröffnet wurde, wohingegen der Schuhkurier vom 13. September 2004 über die neue Venice-Kollektion für das Jahr 2005 berichtet (jeweils Anlage K 7).

Eine Gesamtschau der vorgelegten Unterlagen, einschließlich der im Original vorgelegten Schuhe, ergibt eine funktionsgemäße Benutzung der Marke € für Schuhe im festgestellten Benutzungszeitraum, die jedenfalls deutlich über eine bloße Scheinbenutzung hinausgeht.

2. Die Vergleichszeichen € und € sind verwechselbar gem. §§ 125 b Ziffer 5, 124, 115 Abs. 1, 51 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Verwechslungsgefahr besteht, wenn von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren bzw. Dienstleistungen andererseits auszugehen ist. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke (st. Rsp.; EuGH Urteil vom 3. September 2009, Rs. C-498/07 P € Tz. 38 € La Española; GRUR 2006, 413 ff. - Rn. 17 - ZIRH/SIR; GRUR 1998, 387 € Rn. 23 € Sabèl/Puma; BGH GRUR 2009, 484 ff. - Tz. 23 - Metrobus; GRUR 2008, 719 ff. - Rn. 18 - idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2008, 258 - Tz. 20 - INTERCONNECT/ T-InterConnect; GRUR 2007, 321 ff. - Rn. 18 - COHIBA; GRUR 2006, 60 ff. - Rn. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859 ff. - Rn. 16 - Malteserkreuz).

a) Waren und Dienstleistungen sind dann als ähnlich anzusehen, wenn unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, so enge Berührungspunkte bestehen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, die Waren bzw. Dienstleistungen stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (st. Rsp.; vgl. EuGH GRUR 2006, 582 ff. - Rn. 85 - VITAFRUIT; GRUR 1998, 922 - Rn. 23 - Canon; BGH GRUR 2006, 941 ff. - Rn. 13 - TOSCA BLU; 2004, 241, 243 - GeDIOS). Stehen sich Waren gegenüber, ist in die Beurteilung mit einzubeziehen, ob die Waren regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden (vgl. BGH GRUR 2006, 941, 941 - TOSCA BLU).

Vorliegend besteht - soweit die Waren "Schuhwaren" bzw. "footwear" betroffen sind - Identität zwischen den Vergleichswaren.

53Zwischen den Produkten der Kategorie "Schuhwaren" der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke und den Waren "Clothing, t-shirts, jeans, headgear", mithin Bekleidungsstücken, der prioritätsjüngeren IR-Marke besteht allerdings nur entfernte Ähnlichkeit. Sie unterliegen zwar einem vergleichbaren Verwendungszweck, nämlich der Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds einer Person in praktischer und ästhetischer Hinsicht. Allerdings stehen sie, da sie nicht austauschbar sind, zueinander nicht in einem Konkurrenzverhältnis, was gegen die Annahme einer Warenähnlichkeit spricht. Die Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Verwendungszwecken und die Tatsache, dass den Durchschnittsverbrauchern dieselben Marken in erheblicher Zahl sowohl auf Bekleidungsstücken als auch auf Schuhen begegnen, sind jedoch zumindest geeignet, eine entfernte Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Waren zu begründen (vgl. EuG GRUR Int 2005, 583 - Tz. 50 - JELLO SCHUHPARK).

b) Die prioritätsältere Klagemarke ... ist für "Schuhwaren" kennzeichnungsschwach.

55Grundsätzlich ist die Kennzeichnungskraft eines Zeichens stets produkt- bzw. dienstleistungs- bezogen festzustellen, da sie je nach Ware oder Dienstleistung für die das Zeichen eingetragen ist, unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Ortsbezeichnungen, die beim Verkehr eine positiv besetzte Vorstellung zwischen diesem Ort und bestimmten Waren oder Dienstleistungen verknüpfen können als geografische Herkunftsangaben schutzunfähig sein (EuGH GRUR 1999, 723 - Tz. 29-31 - CHIEMSEE; BGH GRUR 2003, 882, 883 - Lichtenstein). Da es sich um ein eingetragenes Zeichen handelt, hat der Senat allerdings bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft von der Schutzfähigkeit des Zeichens auszugehen und ist an die Eintragung der Klagemarke gebunden (BGH GRUR 2007, 780 - Tz. 19 - Pralinenform m. w. N.). Die Gemeinschaftsmarke ... steht im Übrigen ungeachtet des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt für die Klägerin gem. Art. 99 Abs. 1 GMV in Kraft und gewährt ihr aktuell Zeichenschutz im gesamten Gebiet der europäischen Union (vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 6 - Gazoz; Rohnke, GRUR 2001, 696 f.). Der Antrag auf Nichtigerklärung ist erst im Laufe des Verfahrens erhoben worden, eine Widerklage im Sinn von Art. 99 Abs. 1 GMV ist nicht erfolgt, so dass eine Aussetzung des Verfahrens auch gem. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GMV nicht in Betracht kommt. Die Ausführungen der Beklagten zur Schutzunfähigkeit von "Venice" können insoweit dahingestellt bleiben.

Die Kennzeichnungsschwäche der klägerischen Gemeinschaftsmarke ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

57Insbesondere bekannte Ortsbezeichnungen begründen regelmäßig die Schutzunfähigkeit eines Zeichens (s. o.). Fremdsprachige Angaben werden in Deutschland jedoch meist nur in den Sprachen des Herkunfts- bzw. Abnehmerlandes, nicht jedoch in Drittsprachen zur Beschreibung der geografischen Herkunft von Waren verwendet (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 287; Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 8 Rn. 269 jew. m. w. N.). Dies gilt zwar nur mit Einschränkung für bekanntere Orte innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes, zu denen Venedig mit Sicherheit gehört, da insoweit auch Übersetzungen in andere Handelssprachen vorkommen können. Vorliegend ist jedoch zusätzlich von der eingetragenen Marke auszugehen; ... ist nicht als Wortmarke, sondern als Wort-/Bildmarke eingetragen worden. Jedenfalls auch der Bildbestandteil hat zur Schutzfähigkeit beigetragen. Die Darstellung in einer sog. Digitalschrift kommt häufiger vor, gibt der Darstellung aber durchaus ein eigenständiges Gepräge und erreicht eine gewisse Gestaltungshöhe. Die grafischen Elemente weisen daher ihrerseits charakteristische Merkmale auf, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht. Unterstellt man zugunsten der Beklagten, dass die norditalienische Stadt Venedig bekannt für die Herstellung von hochwertigen Schuhen ist, führt dies in der Gesamtbetrachtung allerdings nur zu einer schwach kennzeichnungskräftigen Klagemarke. Zwar mag zutreffen, dass das kennzeichnungsstärkste Element regelmäßig die Kennzeichnungskraft bestimmen dürfte; die Addition zweier kennzeichnungsschwacher Elemente führt aber nicht zwangsläufig zu einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft.

58c) Zutreffend hat das Landgericht die Ähnlichkeit der Vergleichszeichen bejaht und darauf abgestellt, dass die Klagemarke und die Beklagtenmarke schriftbildlich in derselben grafischen Aufmachung gehalten sind und sich - auch klanglich - lediglich im Anfangsbuchstaben unterscheiden, wobei insbesondere der klangliche Unterschied zwischen "v" und "w" minimal ist. Grundsätzlich ist die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen dabei nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt anhand ihres Gesamteindrucks zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder auf normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher der betroffenen Waren wirkt (EuGH GRUR 2006, 411ff. - Tz. 24 - Matratzen Concord/Hukla), die eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnehmen und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achten (BGH GRUR 2009, 1055 ff. - Tz. 26 - airdsl; GRUR 2009, 484 ff. - Tz. 23 - Metrobus; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX / NEURO-FIBRAFLEX). Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr in bildlicher Hinsicht ist außerdem davon auszugehen, dass bei einem Wort-/ Bildzeichen neben dem Wortbestandteil auch die Bildbestandteile dessen Gesamteindruck mitprägen, sofern es sich nicht um eine nichtssagende Graphik handelt (BGH GRUR 2009, 1055 ff. - Tz. 27 - airdsl; GRUR 2005, 419, 423 - Räucherkate).

59Nichtssagend ist insoweit der gestreifte Hintergrund der Beklagtenmarke, die ansonsten schriftbildlich - mit Ausnahme des Anfangsbuchstabens - geradezu eine Kopie der Klagemarke darstellt. Auch klanglich sind die Zeichen nahezu identisch. Wie bereits festgestellt unterscheiden sich die Buchstaben "v" und "w" in der Aussprache kaum. Dies umso weniger als der Verkehr die Zeichen regelmäßig nicht nebeneinander wahrnimmt, sondern in zeitlichen Abständen.

60d) Unter Abwägung der einzelnen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr begründenden Faktoren ergibt sich daher, dass, soweit bzgl. der "Schuhwaren" Warenidentität zwischen den Vergleichsmarken besteht, trotz der geringen Kennzeichnungskraft der Klagemarke aufgrund des geringen Zeichenabstands eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

61Anders zu beurteilen ist dies bei einer Gesamtbetrachtung aller für eine Verwechslungsgefahr wesentlichen Faktoren in Bezug auf die Waren "Clothing, t-shirts, jeans, headgear" der jüngeren Marke. Aufgrund einer lediglich entfernten Warenähnlichkeit zu den rechtserhaltend benutzten "Schuhwaren" der Klägerin und der Kennzeichnungsschwäche des klägerischen Zeichens ergibt sich bereits ein deutlicher Abstand, so dass der - an sich geringe - Zeichenabstand für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht ausreicht.

3. § 55 Abs. 1 i. V. m. § 51 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG i. V. m. 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen.

63Zutreffend hat das Landgericht insoweit festgestellt, dass ein Rückgriff auf § 51 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG wegen Art. 95 GMV a. F. (nunmehr Art. 99 GMV) nicht möglich ist. Die Beklagte hat die Nichtigkeit der Klagemarke nicht im Wege der Widerklage geltend gemacht. Eine rechtskräftige Entscheidung im Amtsverfahren ist noch nicht ergangen. Art. 100 Abs. 2 GMV a. F. (nunmehr Art. 104 Abs. 2 GMV) sieht eine Aussetzung im Übrigen nur vor, wenn vor dem Antrag auf Nichtigerklärung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eine Widerklage beim Gemeinschaftsmarkengericht erhoben worden ist (Eisenführ/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung, 2. Auflage 2007, Art. 100 Rn. 14).

64III. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kommt nicht in Betracht, da die nationalen Marken für die Entscheidung nicht erheblich sind.

C .

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

ZPO liegen nicht vor (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.). Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.






OLG München:
Urteil v. 17.06.2010
Az: 29 U 3867/09


Link zum Urteil:
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