Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Mai 2011
Aktenzeichen: 11 W (pat) 310/05

(BPatG: Beschluss v. 12.05.2011, Az.: 11 W (pat) 310/05)

Tenor

BPatG 154 Das Patent DE 43 13 814 wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 27. April 1993 beim Deutschen Patentamt (jetzt Deutsches Patentund Markenamt) eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 43 13 814 mit der Bezeichnung

"Automatisch gesteuerte Haushaltmaschine zum Waschen und Spülen von Wäsche" erteilt und die Erteilung am 30. September 2004 veröffentlicht worden. Gegen das Patent ist von der ...& Cie. KG, ...Straße ... in G..., am 20. Dezember 2004 Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende ist der Auffassung gewesen, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig, insbesondere nicht neu und nicht erfinderisch.

Am 5. Mai 2011 wurde der Einspruch zurückgenommen. Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den Patentansprüchen 1 und 2 vom 12. Mai 2011 sowie der Beschreibung gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Automatisch gesteuerte Haushaltmaschine zum Waschen und Spülen von Wäsche in einer Lauge mittels einer drehbaren Wäschetrommel mit einer Einrichtung zur Anpassung der Drehantriebsdauer der Wäschetrommel an wählbare Waschprogramme, dadurch gekennzeichnet, dass die Drehantriebsdauer des Waschund/oder Spülprozesses zusätzlich durch eine automatisch ermittelte Information über die Menge der in die Trommel eingebrachten Wäsche variierbar ist und dass die Varianz der Drehantriebsdauer durch veränderliche Drehimpuls/-Pausen-Verhältnisse bestimmt ist."

Der geltende Patentanspruch 2 lautet:

"Haushaltmaschine nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, dass die Varianz der Drehantriebsdauer durch veränderliche, dem jeweiligen Programm zugeordnete Waschund/oder Spülzeiten bestimmt ist."

Im Verfahren befinden sich u. a. die Druckschriften DE 2920492A1 und SIWAMAT 270, Service Katalog 84/85 der Fa. Siemens, S. 9 bis 12.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Nach der Rücknahme des Einspruchs ist das Verfahren von Amts wegen ohne die Einsprechende fortzusetzen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).

Der Einspruch war zulässig.

Die Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1 wird hier unterstellt, jedenfalls ist dessen Gegenstand nicht patentfähig.

A. Das angegriffene Patent betrifft laut Patentschrift eine automatisch gesteuerte Haushaltmaschine zum Waschen und Spülen von Wäsche in einer Lauge mittels einer drehbaren Wäschetrommel mit einer Einrichtung zum Anpassen der Drehantriebsdauer an wählbare Waschprogramme (vgl. Abs. [0001]).

Zum Stand der Technik wird ausgeführt, bei bekannten Haushalt-Waschmaschinen werde die Drehantriebsdauer für die Wäschetrommel im Programmabschnitt "Klarwäsche" und/oder "Spülen" an jeweils wählbare Waschprogramme angepasst. Die Anpassung werde jedoch immer nur auf die jeweils maximale Belademenge eingestellt. Bei Minderoder Überbeladung liefen die Waschund/oder Spülprozesse nicht optimal ab (vgl. Abs. [0002]).

Dem Gegenstand des angegriffenen Patents liegt die Aufgabe zugrunde, Waschund/oder Spülprozesse auch bei veränderten Beladungsmengen zu optimieren (vgl. Abs. [0003]).

Die Lösung ist ein Verfahren mit den im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen.

Den Kern der patentgemäßen Lehre sieht die Patentinhaberin darin, dass mit der patentgemäßen Haushalt-Waschmaschine die Drehantriebsdauer zusätzlich zur Berücksichtigung der Wäscheart durch eine automatisch ermittelte Information über die Menge der in die Trommel eingebrachten Wäsche variierbar ist und dass die Varianz der Drehantriebsdauer durch veränderliche Drehimpuls/-Pausen-Verhältnisse bestimmt ist.

B. Der Gegenstand des angegriffenen Patents beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der mit der Lösung der gestellten Aufgabe betraute Fachmann ist ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau, der über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Steuerungsund Regelungstechnik von Waschmaschinenantrieben verfügt.

1. Die Druckschrift DE 29 20 492 A1 betrifft ein Verfahren und eine Einrichtung zur Steuerung des Waschprozesses in Haushaltwaschgeräten. Sie befasst sich mit automatischen Haushaltmaschinen, in denen durch elektromechanische oder elektronische Steuergeräte eine bestimmte Anzahl von Waschprogrammen realisiert wird (vgl. S. 1, Z. 9 bis 11). Das Waschen und Spülen erfolgt dort in einem Laugenbehälter 15, folglich ebenfalls in einer Lauge (vgl. S. 7, Z. 13 bis 15), und mittels einer offensichtlich um eine horizontale Achse drehbaren Trommel 16 (vgl. die einzige Figur).

Zu dem bekannten Gerät wird ausgeführt, dass die für die jeweilige Wäschefüllung zutreffende Gewebeart und die Maximaltemperatur durch Bedienung der Taste 7 zur Eingabe der Gewebeart und des Tastenfeldes 12 für Temperaturund Waschbeginnvorwahl und bei Bedarf die entsprechenden Zusatzfunktionen durch die Bedienung der Taste 8 für Zusatzbleiche, der Taste 9 für stark verschmutzte Berufswäsche, der Taste 10 für Spülmittel und des Tastenfeldes 12 des Steuerund Bedienteils 11 gewählt werden (vgl. S. 7, Z. 4 bis 11 i. V. m. der Figur). Mit dem Steuerund Bedienteil 11 besteht somit die Möglichkeit, Waschprogramme zu wählen. Je nach eingegebener Gewebeart und eingegebener Maximaltemperatur wird ein Mindestmaß an mechanischer Bewegung gegebenenfalls in Form des Waschweges festgelegt (vgl. S. 5, Z. 16 bis 19). Dieses Mindestmaß wird aus den Bewegungsabläufen des Motors 18 bzw. der Trommel 16 ermittelt (vgl. S. 8, Z. 6 bis 7). Da an die Bewegungsabläufe zwangsläufig die Drehantriebsdauer gekoppelt ist, weist das bekannte Waschgerät folglich auch eine Einrichtung zur Anpassung der Drehantriebsdauer der Wäschetrommel auf.

Die Druckschrift DE 29 20 492 A1 offenbart somit eine Haushaltmaschine gemäß dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, das kennzeichnende Merkmal, wonach die Drehantriebsdauer des Waschund/oder Spülprozesses zusätzlich durch eine automatisch ermittelte Information über die Menge der in die Trommel eingebrachten Wäsche variierbar ist, gehe aus dieser Entgegenhaltung nicht hervor.

Dort werde zwar eine Information über die Menge der in die Trommel eingebrachten Wäsche ermittelt, jedoch erfolge das nicht automatisch.

Der Senat kommt zu einem anderen Ergebnis.

Gemäß Druckschrift DE 29 20 492 A1 soll nach dem Start des gewählten Waschprogramms die Steuerung des Prozesses -ausdrücklich -selbstständig erfolgen (vgl. S. 7, Z. 12), wobei zunächst die Masse der Wäschefüllung in der Trommel 16 über Messfühler 17, die in der Trommel 16 eingebaut sind, ermittelt bzw. festgestellt wird (vgl. S. 7, Z. 13 und 14 und S. 3, Z. 33 bis S. 4, Z. 2). Das Wiegen ist demnach bereits der erste Schritt in einem programmierten Verfahrensablauf, der ohne weitere Veranlassung durch eine Bedienperson und somit automatisch initiiert wird.

Die Auffassung der Patentinhaberin, die Information über die Wäschemenge diene bei der bekannten Maschine lediglich der Optimierung der Wassermenge und der Flottenqualität, die Drehantriebsdauer sei dort durch die Wäschemengenermittlung nicht variierbar, trifft ebenfalls nicht zu.

Gemäß Druckschrift DE 29 20 492 A1 werden alle unterhalb der Nennfüllmasse liegenden Befüllungen der Wäschetrommel erfasst und im weiteren Prozessablauf berücksichtigt (vgl. S. 4, Z. 7 bis 8 und Z. 15 bis 17), und zwar, um -neben anderen -die Parameter Zeit und Mechanik als Maß für die Intensität der Einwirkung der Waschbzw. Spülflotte auf das zu waschende Gewebe zu beeinflussen (S. 10, im Erfindungsanspruch 1, Z. 3 bis 9). Die mechanische Einwirkung auf die Wäsche erfolgt dabei auf Grund der Bewegung der horizontal drehbar gelagerten Trommel 16 und folglich unmittelbar über deren programmgesteuerten Drehantrieb. Eine Speichereinheit legt hierzu die Grenzwerte u. A. für die mechanische Einwirkung und für die Dauer der Einwirkung fest, nicht nur nach vorgegebener Gewebeart und Laugentemperatur, sondern zudem in Abhängigkeit von der mittels Messfühlern bestimmten Gewebemasse (vgl. S. 8, Z. 22 bis 25 und 28 bis 30, S. 10, Anspruch 1, Z. 8/9 und 13 bis 15, sowie S. 12, im Erfindungsanspruch 4, Z. 1 bis 11). Somit ist bei dem aus der Druckschrift DE 29 20 492 A1 bekannten Haushaltwaschgerät ebenfalls die Drehantriebsdauer der Wäschetrommel zusätzlich durch eine Information über die Menge der in die Trommel eingebrachten Wäsche variierbar.

Der Patentinhaberin ist zwar insoweit zuzustimmen, dass aus der Entgegenhaltung DE 29 20 492 A1 das verbleibende kennzeichnende Merkmal, wonach die Varianz der Drehantriebsdauer durch veränderliche Drehimpuls/Pausen-Verhältnisse bestimmt sein soll, nicht zu entnehmen ist. Diese Möglichkeit zählt die Patentinhaberin jedoch selbst bereits zum Fachwissen, welches durch die in der in der Patentschrift zitierte weitere Druckschrift SIWAMAT 270 der Fa. Siemens, Service Katalog 84/85 belegt ist. Sie betrifft -ebenso wie die Druckschrift DE 29 20 492 A1 -eine automatisch gesteuerte Haushaltmaschine zum Waschen und Spülen von Wäsche in einer Lauge mittels einer drehbaren Wäschetrommel (vgl. S. 9). Dieser bekannte Waschvollautomat weist eine Einrichtung zur Anpassung der Drehantriebsdauer an wählbare Waschprogramme auf, wobei sich die Drehantriebsdauer durch Veränderung der Drehimpuls/Pausen-Verhältnisse variieren lässt (vgl. S. 12). Ein Fachmann erkennt ohne weiteres, dass sich damit noch eine zusätzliche Optimierungsmöglichkeit des aus der Druckschrift DE 29 20 492 A1 bekannten Waschgerätes eröffnet. In Erwartung weiterer Vorteile, liegt es nahe, diese Maßnahme ebenfalls vorzusehen, zumal einer Übertragung des Merkmals technische Schwierigkeiten nicht entgegenstehen. Zwar mag damit eine Verbesserung der Waschund Spülergebnisse verbunden sein, eine überraschende Wirkung tritt jedoch nicht ein, so dass lediglich eine Aggregation von Maßnahmen gegeben ist, die das Vorliegen einer Erfindung nicht zu begründen vermag.

2. Dem rückbezogenen Anspruch 2 ist nach dem Fortfall des Anspruchs 1 die Grundlage entzogen. Eigenständig ein Patent begründende Merkmale hat er nicht zum Inhalt; dies wurde auch nicht geltend gemacht.

Das Patent ist daher zu widerrufen.

Dr. Fritze v. Zglinitzki Rothe Hubert Bb






BPatG:
Beschluss v. 12.05.2011
Az: 11 W (pat) 310/05


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