Finanzgericht Köln:
Urteil vom 8. Mai 2013
Aktenzeichen: 9 K 1272/10

(FG Köln: Urteil v. 08.05.2013, Az.: 9 K 1272/10)

Tenor

Der Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 11. Dezember 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2010 wird dahingehend abgeändert, dass das darin ausgewiesene Einkommen und die darin ausgewiesenen Einkünfte der Organgesellschaft ohne Berücksichtigung eines weiteren Erlöses in Höhe von 16.105.256 € und weiterer Kosten in Höhe von 1.152.716,23 € aus der mit Wirkung zum 26. Oktober 2006 erfolgten Veräußerung der Anteile der Organgesellschaft an der A Holding GmbH festgestellt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid für 2007 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 11. Dezember 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die im Streitjahr erfolgten Veränderungen des Kaufpreises und der Kosten aus der bereits im Vorjahr erfolgten Veräußerung der Anteile der Organgesellschaft an der AH zu Unrecht bei der Ermittlung des Einkommens und der Einkünfte der Organgesellschaft des Streitjahres berücksichtigt, die im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid als der Klägerin zuzurechnen ausgewiesen sind.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt.

Das zuzurechnende Ergebnis einer Organgesellschaft ist eine unselbstständige Besteuerungsgrundlage gemäß § 157 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), die in das Gesamtergebnis des Organträgers eingeht und dort - sofern der Organträger wie im Streitfall eine Personengesellschaft ist - einheitlich und gesondert festgestellt wird (vgl. Neumann in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 14 Rn 529). Einwendungen gegen die Höhe des dem Organträger von der Organgesellschaft zugerechneten Einkommens können nur im Verfahren des Organträgers vorgebracht werden, denn der Körperschaftsteuerbescheid gegenüber der Organgesellschaft ist kein Grundlagenbescheid im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil vom 28. Januar 2004 I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539; Neumann in Gosch, KStG, § 14 Rn 529; R 61 Abs. 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien).

II. Die Klage ist auch begründet.

Sowohl die Erhöhung des Erlöses aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der AH durch die Organgesellschaft aufgrund des außergerichtlichen Vergleichs vom 5. April 2007 als auch die im Streitjahr nachträglich angefallenen Veräußerungskosten sind richtigerweise dem Jahr der Veräußerung zuzuordnen; korrespondierend sind die einkommens- bzw. einkünfterelevanten Wirkungen des außergerichtlichen Vergleichs vom 5. April 2007 auf den Veräußerungserlös und die Veräußerungskosten in der steuerlichen Gewinnermittlung des Streitjahres entsprechend dem klägerischen Antrag zu korrigieren.

1. Verpflichtet sich eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG), ihren ganzen Gewinn an ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, nach § 14 Abs. 1 KStG dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG erfüllt sind. Nach § 17 KStG gelten die §§ 14 bis 16 KStG für andere Kapitalgesellschaften wie im Streitfall die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechend.

Im Streitfall ist das Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin als Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und der Organgesellschaft nach diesen Vorschriften anzuerkennen. Dies ist unter den Beteiligten nicht umstritten.

Bei Organgesellschaft und Organträger handelt es sich nach der Rechtsprechung des BFH unbeschadet der Abführungsverpflichtung zivil- wie steuerrechtlich um unterschiedliche Rechtsträger, die ihr jeweiliges Einkommen selbständig ermitteln (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie; ständige Rechtsprechung, bspw. BFH-Urteil vom 4. Juni 2003 I R 100/01, BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244, m.w.N. und vom 14. Januar 2009 I R 47/08, BFHE 224, 126, BStBl II 2011, 131). Die jeweilige Einkommensermittlung erfolgt im Grundsatz nach den allgemeinen Regeln, für die Organgesellschaft damit gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes.

Insbesondere ist dabei auch die Regelung des § 8b Abs. 2, 3 KStG anzuwenden, wonach u.a. Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören, außer Ansatz bleiben. Im Rahmen eines körperschaftsteuerlichen Organschaftsverhältnisses gilt dabei allerdings die Sonderregel des § 15 KStG, nach dessen Satz 1 Nr. 2 § 8b Abs. 1 bis 6 KStG nicht bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft, sondern bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden ist (sog. Bruttomethode). Hierdurch findet eine Verlagerung der Anwendung der für diese Einkommensteile einschlägigen Vorschriften auf die Ebene des Organträgers statt. So wird sichergestellt, dass auch im Organschaftsverhältnis nur bei demjenigen § 8b KStG zur Anwendung kommt, der auch in den Anwendungsbereich des § 8b KStG fällt und dennoch auf der Ebene der Organgesellschaft eine Einkommensermittlung ohne Berücksichtigung der steuerlichen Verhältnisse beim Organträger (insbesondere, wenn es sich um eine Personengesellschaft handelt) stattfinden kann (vgl. bspw. Erle/Heurung in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 15 Rn 29).

2. Bei der hiernach vorzunehmenden Ermittlung der Einkünfte und des Einkommens der Organgesellschaft im Streitjahr sind der durch den außergerichtlichen Vergleich im Streitjahr nachträglich erzielte Erlös aus der bereits im Vorjahr erfolgten Veräußerung der Anteile der Organgesellschaft an der AH und die im Streitjahr nachträglich angefallenen Veräußerungskosten nicht zu berücksichtigen.

Nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die buchführungspflichtige Organgesellschaft zur Ermittlung ihres Gewinns im Streitjahr in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2007 das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung (GoB) auszuweisen ist.

a) Zu den GoB gehört als Ausdruck des allgemeinen Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs - HGB) und Maßstab für den zeitgerechten Ausweis von Erträgen und Aufwendungen auch das Realisationsprinzip und aus diesem folgend das Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung (vgl. bspw. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 5 Rn 78). Danach sind zur periodengerechten Zuordnung Aufwendungen und Erträge des Wirtschaftsjahres unabhängig von den entsprechenden Zahlungen nach dem Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung im Jahresabschluss und damit auch in der steuerlichen Gewinnermittlung zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB). Ertrag kann als Teil des Gewinns damit erst dann ausgewiesen werden, wenn er durch Umsatz verwirklicht wird. Im Fall der Veräußerung eines Wirtschaftsguts wird ein Gewinn realisiert, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und der Steuerpflichtige stattdessen Geld oder eine auf Geld gerichtete Forderung erlangt, deren dann zu bilanzierender Nennwert höher ist als der Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts. Zur Frage, in welchem Zeitpunkt die Gewinnrealisierung eingetreten ist, ist auf die "wirtschaftliche Erfüllung" des Vertrags abzustellen, beim Verkauf von Wirtschaftsgütern in der Regel auf die Übergabe der Sache unter Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bzw. den Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 5 Rn 601 ff.).

Geht der Ertrag aus einem Veräußerungsvorgang als laufender Geschäftsvorfall gemäß § 5 Abs. 1 EStG ohne besondere steuerliche Rechtsfolgen in den laufend der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer unterliegenden Gewinn des Steuerpflichtigen ein, so ist eine spätere Änderung des Kaufpreises grundsätzlich nicht rückwirkend im Zeitraum der Veräußerung, sondern erst im Zeitpunkt der Realisierung der aus der Änderung resultierenden Mehr- oder Minderkaufpreises steuerlich zu berücksichtigen. Dies schließt es bei bilanzierenden Steuerpflichtigen, bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und bei der Ermittlung von Überschusseinkünften im Regelfall aus, bei der Behandlung laufender Geschäftsvorfälle nachträgliche Ereignisse, welche zur Unwirksamkeit oder zur Änderung des Geschäftsvorfalls führen, steuerlich rückwirkend zu berücksichtigen. Eine rückwirkende Änderung des laufenden Gewinns findet damit grundsätzlich nicht statt (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 VIII R 58/98, BFHE 197, 411, BStBl II 2002, 420; Hessisches FG, Urteil vom 31. August 2012 4 K 1637/09, EFG 2013, 4; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 11. Aufl., § 175 Rn 57; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 5 Rn 617).

b) Anders verhält es sich im Anwendungsbereich steuerlicher "Einmaltatbestände", also solcher Tatbestände, die an ein einmaliges punktuelles Ereignis oder einmaligen Vorgang anknüpfen (Rüsken in Klein, AO, § 175 Rn 58). So gilt für gemäß §§ 16, 17 EStG i.V.m. § 34 EStG (alte Fassung) steuerpflichtige und zugleich steuerbegünstigte Veräußerungsgewinne nach der Rechtsprechung des BFH der Grundsatz, dass eine spätere Veränderung des Kaufpreises i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Veranlagungszeitraum zurückwirkt, in dem der Veräußerungsvorgang der Besteuerung unterliegt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteile vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428; vom 12. Oktober 2005 VIII R 66/03, BFHE 211, 458, BStBl II 2006, 307; vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648). Grund hierfür ist, dass § 16 EStG (wie auch § 17 EStG) "die unausgesprochene Annahme zu Grunde liegt, dass das Veräußerungsgeschäft ohne Störungen so abgewickelt wird, wie es vertraglich vereinbart ist" (Großer Senat des BFH, Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 a.a.O., zu § 16 EStG) und die Vorschriften demnach eine "Steuerbedingung" enthalten, deren Eintritt eine steuerliche Vergangenheitswirkung entfaltet (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand 01/2012, § 175 AO Rn 31), weil einer Betrachtung auf den Stichtag der Veräußerung in diesen Fällen der Vorzug zu geben ist.

Der I. Senat des BFH hat diese Argumentation des Großen Senats auf den Steuerbefreiungstatbestand des § 8b Abs. 2 KStG in der ab 2002 geltenden Fassung des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) übertragen (BFH-Urteil vom 22. Dezember 2010 I R 58/10, BFHE 232, 185, BFH/NV 2011, 711 unter Nachweis der hierzu bestehenden kontroversen Fachliteratur; a.A. Lammers, DStZ 2011, 483). Zwar rechtfertige sich dieses Regelungsverständnis des § 16 EStG und des § 17 EStG eingeschränkt vor dem Hintergrund, dass nur auf diese Weise eine sachgerechte Besteuerung nach Maßgabe dieser Vorschriften sichergestellt werden könne, während bei laufend veranlagten Steuern spätere Änderungen regelmäßig ohne weiteres in jenem Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum steuerwirksam werden könnten, in dem sie eintreten. Dem Gesetzgeber sei es aber auch in anderen Fällen unbenommen, aus steuerrechtlichen Gründen abweichend von der handelsbilanziellen Lage eine stichtagsbezogene Wertermittlung zu bestimmen. Eine solche Rechtslage sei insbesondere bei allen Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen. Das sei bei § 8b Abs. 2 KStG der Fall: Das Gesetz gehe typisierend von der Vorstellung aus, bei dem Veräußerungsgewinn handele es sich um thesaurierte Gewinne. Unter dieser Annahme ziele die in § 8b Abs. 2 KStG eingeräumte Steuerfreistellung darauf ab, die vorangegangene (körperschaft-)steuerliche Vorbelastung beim Anteilseigner zu neutralisieren. Das aber gelinge nur, wenn man den Veräußerungsvorgang ebenfalls als isolierten, einmaligen Vorgang begreife und von der laufenden Besteuerung des Anteilseigners abgrenze. Es gehe auch hier darum, im Rahmen der Gewinnermittlung nur das tatsächlich vom Veräußerer Vereinnahmte von der Besteuerung auszunehmen. Dem Veräußerungsvorgang nachfolgende Wertveränderungen der noch ausstehenden Gegenleistung wirkten deswegen auf den Veräußerungszeitpunkt, in dem der Veräußerungsgewinn zu ermitteln ist, zurück. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermögliche es, diese Rückwirkung für die Steuerfestsetzung des Veräußerungsjahres verfahrensrechtlich umzusetzen, falls sich dies als erforderlich herausstelle.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des BFH - insoweit im Konsens mit beiden Beteiligten - an.

c) In Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze handelt es sich bei dem außergerichtlichen Vergleich vom 5. April 2007 in Höhe von 16.105.256 € nach zutreffender und auch insoweit übereinstimmender Beurteilung beider Beteiligter um eine nachträgliche Änderung des Veräußerungsgewinns, die materiellrechtlich auf das Jahr der Veräußerung zurückwirkt.

Veräußerungsgewinn im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG ist nach Satz 2 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert). Es entspricht gängigem Verständnis, als Veräußerungspreis dabei die Gegenleistung anzusehen, die der Veräußerer vom Erwerber für die Anteilsübertragung erhält. Das ist regelmäßig der vereinbarte Kaufpreis mit seinem Nennwert; dieser Betrag ist gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerlich außer Ansatz zu lassen.

Wann ein Sachverhalt in o.g. Sinne steuerlich zurückwirkt, entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (vgl. BFH-Urteil vom 19. August 2009 I R 3/09, BFHE 226, 486, BStBl II 2010, 249). Vor diesem Hintergrund kann eine nachträgliche Änderung des Veräußerungspreises grundsätzlich auch dann auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken, wenn das Ereignis erst nach dem Zeitpunkt der Veräußerung eingetreten ist (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; vom 28. Oktober 2009 IX R 17/09, BFHE 227, 349, BStBl II 2010, 539). Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die nachträglichen vertraglichen Änderungen des Veräußerungspreises maßgebend waren. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob über den Veräußerungspreis im Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums keine abschließende Einigung erzielt wurde - dann erhöht ein später festgesetzter Mehrbetrag rückwirkend, d.h. für das Jahr der Veräußerung, den Veräußerungsgewinn - oder ob ein zunächst feststehender Veräußerungspreis nachträglich geändert wird - dann ist ein Mehrbetrag erst in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem die Erhöhung vereinbart wurde - (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83, BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563, zu § 16 EStG). Ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt bei nachträglichen vertraglichen Änderungen mithin nur dann vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt ist (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juni 2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15; vom 23. Mai 2012 IX R 32/11, BFHE 237, 234, BStBl II 2012, 675).

Hiernach stellt sich die im außergerichtlichen Vergleich vom 5. April 2007 vereinbarte nachträgliche Kaufpreiszahlung bei gleichzeitigem Wegfall der Gewährleistungsverpflichtung der Klägerin als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten hat die Erhöhung des Ertrags im Streitjahr ihren Rechtsgrund allein im ursprünglichen Vertrag über die Veräußerung der Anteile an der AH aus dem Jahr 2006. Im Zeitpunkt der Veräußerung war der Veräußerungspreis noch in dem Sinne unklar, als er von diversen, die weitere Zusammenarbeit zwischen der Organgesellschaft und der Käuferseite betreffenden Gesichtspunkten abhing. Diese Unklarheit in der Bemessung des Veräußerungspreises wurde durch den außergerichtlichen Vergleich beseitigt und der Veräußerungspreis damit endgültig für die Vergangenheit festgesetzt. Da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt haben, diese Auslegung des ursprünglichen Vertrags und des außergerichtlichen Vergleichs zu teilen, sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab.

c) Die Rückwirkung der nachträglichen Änderung des Kaufpreises für die Übertragung einer Kapitalbeteiligung durch eine Kapitalgesellschaft in das Jahr der Veräußerung gilt allerdings entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur für die Einkommenskorrektur nach § 8b Abs. 2, 3 KStG, sondern auch für die Erfassung des hierin liegenden steuerbilanziellen Erlöses.

Der Senat teilt nicht die vom Beklagten in Anwendung des BMF-Schreibens vom 13. März 2008 vertretene Rechtsauffassung (zustimmend Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 8b Rn 43c), wonach ausschließlich für die Korrektur nach § 8b KStG davon auszugehen sei, dass eine nachträgliche Kaufpreisänderung im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eingetreten sei. Vielmehr ergibt sich aus Sicht des Senats aus dem Urteil des I. Senats des BFH vom 22. Dezember 2010 I R 58/10 (a.a.O.), dass die Rückwirkung der nachträglichen Änderung des Veräußerungspreises auch die steuerbilanziellen Auswirkungen umfasst (so auch Dötsch/Pung in Dötsch/Pung /Möhlenbrock, Körperschaftsteuergesetz, Stand 9/2012, § 8b Rn 62; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8b Rn 195, der sogar für eine handelsbilanzielle Nachvollziehung eintritt; Hahne, DStR 2011, 955, 958; i.E. wohl auch Geißer in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, § 8b Rn 171).

Entscheidend ist insoweit, dass der BFH (I R 58/10) in der dem § 8b Abs. 2 KStG unterfallenden Veräußerung einen isolierten, einmaligen Vorgang sieht, der von der laufenden Besteuerung abzugrenzen und dessen Besteuerung eigenen, besonderen Regelungen unterworfen ist ("Gewinnermittlung aufgrund eines eigenen, in sich geschlossenen Regimes"). Mit dieser Annahme eines isolierten Vorgangs, der von der laufenden Besteuerung abzugrenzen und für sich gesondert steuerlich zu behandeln ist, ist es nach Auffassung des erkennenden Senates nicht zu vereinbaren, diese steuerliche Behandlung nur auf die Einkommenskorrektur nach § 8b Abs. 2 KStG zu reduzieren und hinsichtlich der steuerbilanziellen Auswirkungen die allgemeinen Regeln der laufenden Besteuerung weitergelten zu lassen. So erscheint es nicht systemgerecht, wenn - wie im Streitfall - im Jahr der Veräußerung ein Veräußerungsgewinn in einer solchen Höhe steuerfrei gestellt wird, der steuerbilanziell zumindest teilweise erst im Folgejahr entsteht, somit der Steuerfreistellung in einem Veranlagungszeitraum kein Ertrag gegenüber steht. Neben dieser Systemwidrigkeit kann es - hierauf weist die Klägerin im Hinblick auf die Regelungen zur Mindestbesteuerung zutreffend hin - auch zu tatsächlichen Steuerbelastungen kommen, die sich mit der Annahme einer isolierten steuerlichen Behandlung des Veräußerungsvorgangs nicht in Einklang bringen lassen. Schließlich kann es bei dem nach der Verwaltungsauffassung möglichen Auseinanderfallen von Ertrag und Steuerfreistellung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen zu unnötigen Verwerfungen kommen, beispielsweise bei Änderung des Steuersatzes oder wenn ein bei der Körperschaft vorhandener Verlust z.B. wegen § 8c KStG zwischenzeitlich untergegangen ist (so Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, a.a.O., Hahne, a.a.O.).

Der Senat sieht sich mit seiner Auffassung in Übereinstimmung mit dem Urteil des BFH vom 22. Dezember 2010 I R 58/10 (a.a.O.) zum nachträglichen Ausfall einer Kaufpreisforderung, in dem der BFH entschieden hat, dass der Ausfall der Kaufpreisforderungen auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Veräußerungsjahr "durchschlägt und in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Forderungsausfall feststeht, korrespondierend kein abzugsfähiger Aufwand erfasst" wird. Die vom BFH angenommene Korrespondenz besteht gerade zwischen der Rückwirkung auf die Steuerfreistellung und der Rückwirkung auf den steuerbilanziellen Ertrag.

Aus dieser Betrachtung ergibt sich weiterhin, dass nicht nur die nachträgliche Erhöhung des Veräußerungserlöses, sondern auch die nachträglich im Streitjahr angefallenen Veräußerungskosten in das Jahr der Veräußerung zurückwirken und damit im Streitjahr zu korrigieren sind (Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, a.a.O. m.w.N., Hahne, a.a.O.; Geißler, a.a.O. Rn 176).

d) Diese Korrektur hat nach der Überzeugung des Senats außerbilanziell auf der Ebene der Organgesellschaft zu erfolgen (so auch Hahne, a.a.O.; a.A. Dötsch/Pung a.a.O. unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 13. September 2000 X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641 zu § 6b EStG).

Für eine steuerbilanzielle Korrektur besteht im Streitfall weder eine Möglichkeit noch ein Bedürfnis. Es reicht vielmehr aus, eine Einkünfte- bzw. Einkommenskorrektur im Streitjahr vorzunehmen. Denn die materiellrechtliche Rückwirkung der nachträglichen Erhöhung des Kaufpreises und damit des Veräußerungsgewinns soll ausschließlich die systemgerechte Steuerfreistellung des gesamten Veräußerungsgewinns nach § 8 b Abs. 2 KStG und damit eine Korrektur des Einkommens auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe ermöglichen. Die erste Gewinnermittlungsstufe kann aus diesem Grund unberührt bleiben. Hierin liegt der Unterschied zum BFH-Urteil vom 13. September 2000 X R 148/97. In diesem Fall ging es um die rückwirkende Erhöhung einer Rücklage gemäß § 6b EStG aufgrund einer im folgenden Veranlagungszeitraum erfolgten Erhöhung eines Veräußerungsgewinns. Die erforderliche rückwirkende Korrektur konnte daher nur innerbilanziell erfolgen, was aufgrund des Vorrangs der Bestimmung des § 6b EStG als "spezialgesetzliche Regelung" vor den GoB (so BFH, a.a.O.) auch möglich war. Insoweit bestimmt die materiellrechtliche Vorschrift, welche die Rückwirkung eines Vorgangs gebietet, ob die damit verbundenen Korrekturen inner- oder außerbilanziell zu erfolgen haben.

Da es sich um eine Korrektur bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft handelt, ist diese Korrektur auch auf der Ebene der Organgesellschaft vorzunehmen. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG steht dem nicht entgegen. Denn diese Korrektur beruht nicht auf einer - unmittelbaren - Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG. Es erscheint daher systemgerecht, durch außerbilanzielle Korrektur des Einkommens der Organgesellschaft den gesamten Veräußerungsgewinn im Jahr der Veräußerung zu erfassen und in diesem Jahr gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG die Regelung des § 8b Abs. 2 KStG auf der Ebene des Organträgers anzuwenden.

3. Der Hinweis des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31. Januar 2013 GrS 1/10 zur Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs geht ins Leere; die insoweit geänderte Rechtsprechung des BFH hat für die vorliegende Rechtsproblematik keine Bedeutung.

Die Korrektur der Einkünfte und des Einkommens der Organgesellschaft beruht im Streitfall nicht auf einer nachträglich erkannten - objektiven oder subjektiven - Fehlerhaftigkeit der Bilanz des Streitjahres oder des Vorjahres, sondern allein auf der materiellrechtlichen Rückwirkung der im Streitjahr nachträglich vorgenommenen Kaufpreisanpassung auf die Gewinnermittlung des Vorjahres. Beide Bilanzen waren weder subjektiv noch objektiv fehlerhaft, vielmehr ist im Streitjahr ein Geschäftsvorfall eingetreten, der in engem Zusammenhang mit der im Vorjahr verwirklichten, dem § 8b Abs. 2 KStG unterfallenden Veräußerung der Kapitalbeteiligung steht, so dass die Erhöhung des Kaufpreises den Veräußerungsgewinns des Vorjahres erhöht und nicht im Streitjahr zu erfassen ist und der Bescheid des Vorjahres ggfs. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern wäre. Die vorgenannte Rechtsprechung des Großen Senats des BFH befasst sich mit der Frage der materiellrechtlichen Rückwirkung einer nachträglichen Änderung des Kaufpreises im Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 KStG nicht. Auch zu der Frage, ob aufgrund dieser Rückwirkung eine inner- oder außerbilanzielle Korrektur zu erfolgen habe, ist diese Entscheidung nicht ergiebig.

III. Dem Beklagten wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO aufgegeben, die festzustellenden Beträge nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, der Klägerin das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen und den Feststellungsbescheid nach Rechtskraft der Entscheidung mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen. Die Frage der zeitlichen Zuordnung einer nachträglichen Kaufpreisänderung im Anwendungsbereich des § 8 b Abs. 2 KStG ist auch nach dem Urteil des BFH vom 22. Dezember 2010 (I R 58/10, BFH/NV 2011, 711) in der Fachliteratur umstritten. Zudem steht das Urteil des BFH nicht im Einklang mit dem BMF-Schreiben vom 13. März 2008.






FG Köln:
Urteil v. 08.05.2013
Az: 9 K 1272/10


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LG Hamburg, Urteil vom 29. Juli 2008, Az.: 312 O 228/08BPatG, Beschluss vom 27. Juni 2000, Az.: 17 W (pat) 9/99OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. September 2003, Az.: 20 W 125/03FG Nürnberg, Urteil vom 1. April 2014, Az.: 2 K 1042/12BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, Az.: I ZR 8/09BPatG, Beschluss vom 1. März 2005, Az.: 8 W (pat) 330/02OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2005, Az.: 2 (s) Sdb. VIII 267.268 u. 269/04OLG Köln, Beschluss vom 4. September 2006, Az.: 2 VA (Not) 13/05BPatG, Beschluss vom 26. Juni 2007, Az.: 17 W (pat) 316/04LG Düsseldorf, Urteil vom 14. Juli 2010, Az.: 2a O 12/10