Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Oktober 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 376/03

(BPatG: Beschluss v. 06.10.2005, Az.: 27 W (pat) 376/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 6. Oktober 2005 entschieden, dass der Kostenantrag der Markeninhaberin abgelehnt wird. Gegen die Eintragung der Marke "ColorScout" für verschiedene Waren und Dienstleistungen wurde von der Widersprechenden Widerspruch eingelegt. Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen, da keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bestehe. Die Kennzeichnungskraft beider Marken sei unterdurchschnittlich. Der Begriff "Scout" werde in der Werbung und Alltagssprache häufig verwendet und habe die Bedeutung von "Kundschafter, Späher". Auch gebe es keine mittelbare Verwechslungsgefahr, da das Wort "Scout" von vielen Unternehmen als Wortstamm ihrer Zeichen genutzt wird. Nachdem die Widersprechende den Widerspruch zurückgenommen hat, sind die Beteiligten nun uneinig darüber, ob die Widersprechende die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen soll. Das Gericht hat festgestellt, dass der Kostenantrag der Markeninhaberin unzulässig ist, da nach Beendigung des Verfahrens im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung die Kostentragungspflicht im Sinne der gesetzlichen Regelung eingreift. Gemäß § 71 Abs. 4 MarkenG trägt jeder Beteiligte im Markenbeschwerdeverfahren grundsätzlich die Kosten selbst. Eine Kostenüberbürdung ist nur dann möglich, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Abweichung von der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers gegen eine Kostenerstattung ermöglichen. Im vorliegenden Fall hat das Gericht keine Veranlassung gesehen, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen und die Kosten der Widersprechenden aufzuerlegen. Das Gericht hat außerdem festgestellt, dass die Beschwerde der Widersprechenden nicht ohne weiteres erkennbar aussichtslos war. Obwohl die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken fern liegt, besteht aufgrund der begrifflichen Nähe von "Scout" und "ColorScout" sowie der teilweisen Warenidentität ein gewisses Risiko. Das erfolglose Widerspruchsverfahren gegen eine ähnliche Marke rechtfertigt keine generelle Kostenauferlegung auf die Widersprechende. Daher ist der Kostenantrag der Markeninhaberin unbegründet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 06.10.2005, Az: 27 W (pat) 376/03


Tenor

Der Kostenantrag der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Marke 399 59 287 ColorScoutfür "Maschinen für die Druckindustrie; Maschinen für die Druckvorstufe; Maschinen für die chemische Industrie; Maschinen für die Umwelttechnologie; Textilmaschinen; Lackiermaschinen; wissenschaftliche Vermessungs-, elektrische, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll- und Unterrichtsapparate und -instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten; Geräte und Anlagen zur Messung und Verarbeitung von farbmetrischen Werten und Spektralverteilungen; Messgeräte für die Qualitätskontrolle von Papier und Folien, für die Papier- und Folienherstellung, für die Papier- und Folienbearbeitung, für die Papier- und Folienverarbeitung; Messgeräte für die Drucktechnik und die Druckvorstufe; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsanlagen und Computer; auf Datenträgern gespeicherte Computerprogramme und Dateien; vorgenannte Waren, soweit in Klasse 9 enthalten; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Dienstleistungen eines Chemikers; Dienstleistungen eines Physikers; wissenschaftliche und technische Recherchen; technische Beratungsleistungen im Software- und Hardwarebereich; Forschung, Qualitäts- und Produktionskontrolle auf dem Gebiet der Folien- und Papierherstellung, der Folien- und Papierbearbeitung und der Folien- und Papierverarbeitung; Werkstoffprüfung; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank; Vermittlung/Vermietung von Zugriffszeiten auf Datenbanken; Vermittlung von Verkäufen und deren Abrechnung (Online-Shopping) in Computernetzwerken"

ist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 399 54 689 Scout24 eingetragen für eine Vielzahl von Waren der Klassen 1 - 34, sowie aus der Marke 399 30 169 Scout 24 eingetragen für eine Vielzahl von Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 37, 38 und 42.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche durch Beschluss vom 14. August 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, die die Löschung der jüngeren Marke rechtfertigen könnte, sei nicht gegeben. Die angegriffene Marke halte selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe einen ausreichenden Abstand zu der älteren Marke ein. Die Kennzeichnungskraft beider Widerspruchsmarken sei unterdurchschnittlich, da sie einen klar beschreibenden Anklang aufwiesen. Das Wort "SCOUT" sei angesichts der belegten Vielzahl von Nennungen des Wortes in der Werbung und der Alltagssprache als in die deutsche Sprache übernommen anzusehen. Es werde ohne Übersetzung von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden und habe die Bedeutung von "Kundschafter, Späher". Selbst bei Zugrundelegung der teilweise identischen Waren und Dienstleistungen sowie unter Berücksichtigung des gebotenen großen Abstandes bestehe weder in schriftbildlicher noch in klanglicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken. Insbesondere in klanglicher Hinsicht komme eine Verkürzung der angegriffenen Marke nur auf das Wort "Scout" wegen der Kennzeichnungsschwäche von "Scout" nicht in Betracht. Im Zusammenhang mit den Dienstleistungen eines Internetproviders und Internetdienstleistungen sei der Begriff "Scout" zur Bezeichnung von Suchmaschinen, -programmen, Informationsplattformen völlig gebräuchlich. Die Markenwörter der Widerspruchsmarken hätten jeweils einen klar beschreibenden Anklang, der zur Schwäche der Marken führe. Das Markenwort "SCOUT" sei daher nicht geeignet, die angegriffene Marke "ColorScout" zu prägen. In der angegriffenen Marke sei "Scout" nicht als selbständig kennzeichnend anzusehen. Die unterschiedlichen Bestandteile "Color" in der angegriffenen Marke einerseits und "24" in beiden Widerspruchsmarken andererseits sorgten für den notwendigen Abstand.

Auch bestehe keine mittelbare Verwechslungsgefahr. "Scout" sei für eine Vielzahl von Unternehmen als Wortstamm ihrer Zeichen gebräuchlich. "Scout" sei daher nicht geeignet, als Stammzeichen eines bestimmten Unternehmens zu wirken.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Widersprechenden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31. August 2005, in der alle Beteiligten anwaltlich vertreten gewesen sind, hat die Widersprechende den Widerspruch aus beiden Widerspruchsmarken zurückgenommen.

Am 31. August 2005 hat die Markeninhaberin "im Nachgang" und "im Hinblick auf die gemäß § 71 Abs 4 iVm Abs 1 MarkenG anstehende Kostengrundentscheidung" darauf hingewiesen, dass es der Billigkeit entspreche, der Beschwerdeführerin die Kosten aufzuerlegen. Die Beteiligten streiten nunmehr noch um die Frage, ob der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen sind, und stellen insoweit widerstreitende Anträge. Die Widersprechende ist der Ansicht, der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte Kostenantrag sei unzulässig. Er sei aber auch unbegründet, weil die Beschwerde nicht ohne weiteres erkennbar aussichtslos gewesen sei.

Die Markeninhaberin hält dagegen die Kostenüberbürdung auf die Widersprechende unter Billigkeitsgesichtspunkten für gerechtfertigt und trägt dazu vor, die Widersprechende sei bereits zuvor erfolglos gegen eine "Scout"-Marke vorgegangen, und zwar gegen die Marke "SpectroScout". Dieser Widerspruch sei durch zwei Beschlüsse des Deutsche Patent- und Markenamts, die ausführlich begründet worden seien, zurückgewiesen worden. Die Widersprechende habe auch vorliegend keine neuen Argumente vorgetragen und habe daher mit einer erneuten Erfolglosigkeit ihres Widerspruchs rechnen müssen.

II.

Der Antrag der Markeninhaberin, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Widersprechenden aufzuerlegen, ist unzulässig, weil jedenfalls im vorliegenden Fall nach Beendigung des Verfahrens im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung mangels anderweitiger ausdrücklicher Entscheidung des Gerichts die Kostentragungspflicht im Sinne der gesetzlichen Regelung eingreift.

Gemäß § 71 Abs 4 MarkenG ist die Regelung des § 71 Abs 1 - 3 MarkenG anwendbar, wenn das Beschwerdeverfahren ua - wie hier - wegen Rücknahme des Widerspruchs ohne Entscheidung über die Beschwerde geendet hat. Gemäß § 71 Abs 1 S 2 MarkenG trägt jeder Beteiligte die ihm im Markenbeschwerdeverfahren erwachsenen Kosten grundsätzlich selbst. Diese Regelung ist nicht nur als Auffangregelung für den Fall unterlassener Kostenentscheidungen anzusehen, sondern als gesetzlich normierter Regelfall (ebenso Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl, § 71 Rn 8). Das Gericht kann gemäß § 71 Abs 1 S 1 MarkenG eine Kostentragungspflicht zulasten einer der Beteiligen (nur) dann aussprechen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Damit ist das Regel-/Ausnahmeverhältnis der Kostentragungspflicht gesetzlich festgelegt. Im Fall einer gemäß § 69 MarkenG anberaumten mündlichen Verhandlung, auf die kein ausdrücklicher Kostenbeschluss ergeht, greift mithin der Regelfall des § 71 Abs 1 S 1 MarkenG als gesetzliche Folge ein. Aus einer solchen unterbliebenen Kostenauferlegung, über die von Amts wegen zu entscheiden ist, folgt ohne weiteres, dass das Gericht zum damaligen - maßgeblichen - Zeitpunkt keine Veranlassung gesehen hat, aus Billigkeitserwägungen eine vom Regelfall abweichende ausdrückliche Kostentragungsregelung zu treffen.

So liegt der Fall auch hier. Das Gericht hat nach Rücknahme des Widerspruchs in der mündlichen Verhandlung keinen Anlass gesehen, von der Ausnahmeregelung des § 71 Abs 1 S 1 MarkenG Gebrauch zu machen. Auch der in der mündlichen Verhandlung anwesende Verfahrensbevollmächtigte der Markeninhaberin hat zu dieser Frage keine Tatsachen vorgetragen, die im damaligen Zeitpunkt eine aus Billigkeitsgründen gebotene Kostenauferlegung gerechtfertigt hätte. Damit ist der gesetzliche Regelfall eingetreten, wonach jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs 1 S 2 MarkenG).

Die Entscheidung über die Kosten ist in der mündlichen Verhandlung nicht etwa versäumt worden. Vielmehr ist dem Grundsatz der gesetzlichen Regelung Geltung verschafft worden, dass mangels ausdrücklicher anderweitiger Kostenentscheidung des Gerichts jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat. Insoweit besteht im Falle einer nicht beschlossenen Überbürdung der Kosten des Verfahrens auf einen der Beteiligten keine Möglichkeit mehr, nachträglich einen Kostenantrag zu stellen (vgl Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 71 Rn 20).

Soweit jedoch der dennoch gestellte Kostenantrag der Markeninhaberin als Gegenvorstellung gegenüber der gerichtlichen Annahme des Vorliegens eines gesetzlichen Regelfalls angesehen werden könnte - was ohnehin schon zweifelhaft ist, weil die regelmäßige Kostentragungspflicht gesetzlich normiert ist und als solche keiner entsprechend positiven Willenbildung der beteiligten Richter bedarf -, vermag auch dies dem Begehren der Markeninhaberin jedenfalls nicht zum Erfolg verhelfen, weil eine Überbürdung der gesamten Kosten des Verfahrens auf die Widersprechende nicht als der Billigkeit entsprechend erscheint.

Voraussetzung für eine Kostenüberbürdung gemäß § 71 Abs 1 S 1 MarkenG ist, dass besondere Umstände eine Abweichung von der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers gegen eine auf den Verfahrensausgang abstellende generelle Kostenerstattung billig erscheinen lassen (vgl BGH GRUR 1972, 600, 601 - Lewapur; Ingerl/Rohnke, aaO, § 71 Rn 13; Ströbele/Hacker, aaO, § 71 Rn 25). Eine solche Bestimmung zulasten des Beschwerdeführers kommt insbesondere dann in Betracht, wenn er eine ohne weiteres erkennbar aussichtslose Beschwerde eingelegt hat. So liegt der Fall aber bei rückblickender Beurteilung der Erfolgsaussichten hier nicht. Zwar ist die Annahme der Verwechslungsgefahr zwischen den beiden zu vergleichenden Marken auch nach Auffassung des Senats äußerst fern liegend. Jedoch kann angesichts einer gewissen begrifflichen Nähe des Begriffes "Scout" einerseits und "ColorScout" andererseits sowie der teilweisen Warenidentität nicht davon ausgegangen werden, dass die Widersprechende mit ihrer Beschwerde in einer von vornherein aussichtslosen Situation ihr Interesse durchzusetzen versucht hat. Anderes gilt auch nicht angesichts des von der Markeninhaberin angeführten von der Widersprechenden erfolglos geführten Widerspruchsverfahrens gegen die Inhaberin der Marke "SpectroScout". Wenn auch diese Drittmarke eine ähnliche Markenbildung aufweist wie die vorliegend angegriffene Marke, kann dieser Einzelfall entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nicht dazu führen, dass die Widersprechende Marken mit dem Bestandteil "Scout", von denen sie eine Gefahr für den Schutzbereich ihrer Marke befürchtet, nur noch mit dem Risiko der Kostentragungslast für sämtliche entstehenden Kosten angreifen kann. Vielmehr gehört es nicht nur zu den Rechten der Widersprechenden, sondern im Hinblick auf eine durch im Register eingetragene und geduldete Drittmarken drohende Schwächung ihrer eigenen Marke auch zu ihrer Obliegenheit, ihre Marke angemessen zu verteidigen. Weshalb sie im Hinblick auf die Drittmarke "SpectroScout" von einer Weiterverfolgung ihrer Rechte im Wege der Überprüfung der Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts durch das Bundespatentgericht abgesehen hat und ihr anzuerkennendes Interesse an einer gerichtlichen Klärung im vorliegenden Verfahren versucht hat durchzusetzen, ist vorliegend nicht zu prüfen. Jedenfalls erscheint dies nicht als aussichtsloses Bemühen, das eine Kostenauferlegung nach sich ziehen könnte.

Dr. Albrecht Schwarz Prietzel-Funk WA






BPatG:
Beschluss v. 06.10.2005
Az: 27 W (pat) 376/03


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