Landgericht Hamburg:
Urteil vom 2. Dezember 1993
Aktenzeichen: 405 O 162/93

(LG Hamburg: Urteil v. 02.12.1993, Az.: 405 O 162/93)

Tenor

Die Beschlu€sse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 20 . August 1993

a) zur Erhöhung des Grundkapitals (TOP 2)

und

b) zur Satzungsänderung (TOP 3)

werden fu€r nichtig erklärt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreitszu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von DM 6.200,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die 1978 gegru€ndete Beklagte ist ein Familienunternehmen, das gemäß § 2 seiner Satzung die Durchfu€hrung von Bauvorhaben und Grundstu€cksgeschäfte aller Art zum Gegegenstand hat. Der Kläger ist Schwiegersohn des Vorstandes der Beklagten und besitzt Aktien mit einem Nennbetrag von insgesamt DM 60.000,00. Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der am 20. August 1993 in außerordentlicher Hauptversammlung beschlossenen Kapitalerhöhung mit Satzungsänderung.

Nachdem am 04 . Juni 1993 die ordentliche Hauptversammlung fu€r das Geschäftsjahr 1992 stattgefunden hatte, lud die Beklagte nach Veröffentlichung der Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung im Bundesanzeiger Nr. 131 am 17. Juli 1993 (BAnz S. 6532) mit Schreiben vom 21. Juli 1993 auch den Kläger zu der Hauptversammlung vom 20. August 1993 ein (Anlage K 1) . Dieser folgte der Einladung, handelnd zugleich in Vollmacht seiner Ehefrau und seiner Kinder, die 135 Aktien im Wert von DM 135. 000, 00 halten. 32, 5 % des Grundkapitals der Beklagten waren vorher bei elnem Notar hinterlegt worden (Anlage K 2) .

Gegen die vom Kläger vertretenen Stimmen beschloß die Hauptversammlung zu

TOP 2:

Das Grundkapital der Gesellschaft gegen Bareinlagen von gegenwärtig DM 600.000,00 um bis zu DM 5.400.00,00 auf bis zu DM 6.000.000,00 durch Ausgabe von bis zu 5.400 neuen, auf den Inhaber lautenden Aktien zum Nennwert von je DM 1.000,00 zu erhöhen.

Die neuen Aktien werden den Aktionären im Verhältnis 1:9 zum Preis von DM 1.000,00 je Aktie zum Bezug angeboten.

Die neuen Aktien sind ab 0 1 . Januar 1994 gewinnberechtigt.

Der Vorstand ist ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates weitere Einzelheiten der Kapitalerhöhung und deren Durchfu€hrung festzusetzen.

Dazu gehört auch die Festlegung der Bedingungen, zu denen nach Ablauf der fu€r alle Aktionäre geltenden Bezugsfrist Aktionäre u€ber ihr Bezugsrecht hinaus und Dritte die nicht gezeichneten neuen Aktien ihrerseits zeichnen und beziehen können.

Zu TOP 3:

Der Aufsichtsrat wird ermächtigt, die Fassung des § 5 der Satzung (Grundkapital) entsprechend der Durchfu€hrung der Kapitalerhöhung zu ändern.

Gegen diese Beschlu€sse erklärte der Kläger noch während der Hauptversammlung Widerspruch zu Protokoll des Notars (Anlage K 3, Seite 5).

Er beanstandet, daß die Beschlu€sse der Hauptversammlung mit den Bestimmungen der §§ 182 ff. AktG unvereinbar seien. Dem Vorstand werde ein vollständig freies Ermessen eingeräumt, ob, wie, wann und in welcher Höhe eine Kapitalerhöhung durchgefu€hrt werden solle.

Der Kläger beantragt,

die Beschlu€sse der außerordentlichen Hauptversammlung vom 20. August 1993 zu TOP 2 und 3 fu€r nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie forderte den Kläger ebenso wie ihre anderen Aktionäre unter dem 06.Oktober 1993 auf, sein Bezugsrecht bis zum 15. November 1993 auszuu€ben und 25 % des Nennbetrages gezeichneter Aktien bis zum 30. November 1993 einzuzahlen.

Sie erwidert:

Daß dem Vorstand kein Ermessen eingeräumt werde, dies vielmehr ausschließlich bei den Aktionären liege, ergebe sich schon aus dem Umstand, daß die neuen Aktien bereits ab Januar 1994 gewinnberechtigt sein sollen . Dies impliziere, daß die Leistung der Einlagen bis zum 31. Dezember 1993 erfolgt sein mu€sse. Auch die schlechte Kapitalstruktur und ein zu erwartender Eigenkapitalbedarf durch den Erwerb zweier großer Berliner Grundstu€cke dränge den Vorstand zu schnellem Handeln.

Wegen der Einzelheiten des P arteivorbringens wird ergänzend auf die Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage (§§ 243 ff. AktG) ist begru€ndet. Die zu Ziffer 2 und 3 der Tagesordnung angeku€ndigten, mit einfacher Stimmenmehrheit (vgl. § 20 der Satzung der Beklagten in Verbindung mit § 182 Abs. 1 Satz 2 AktG) gefaßten Beschlu€sse der außerordentlichen Hauptversammlung vom 20. August 1993 verletzen § 182 Abs. 1 Satz 1 AktG.

Nach dieser Vorschrift kann eine reguläre Kapitalerhöhung nur durch die Hauptversammlung beschlossen werden. Anders als bei einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital gemäß §§ 202 ff. AktG, die eine Mehrheit von mindestens 3/4 des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erfordert (§ 202 Abs. 2 AktG), ist eine Delegation der Entscheidungsbefugnis auf andere Organe nicht möglich. Die Mitwirkung des Vorstandes und des Aufsichtsrats ist darauf beschränkt, den Beschluß u€ber die Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 184 AktG) und den Beschluß durchzufu€hren. Den wesentlichen Inhalt der Kapitalerhöhung muß die Hauptversammlung im Erhöhungsbeschluß festlegen (vgl. Krieger in Mu€nchHdb. AG, § 56 Rn. 19).

Der Hauptversammlungsbeschluß der Beklagten brauchte zwar den Erhöhungsbetrag ziffernmäßig noch nicht genau zu bestimmen. Im aktienrechtlichen Schrifttum wird einhellig die Auffassung vertreten, daß sog. "um-bis-zu" - Kapitalerhöhungen erlaubt sind, vor allem dann, wenn den Aktionären, wie hier, das unmittelbare Bezugsrecht ohne Einschaltung eines Bankenkonsortiums gewährt werden soll. Sonst besteht die Gefahr, daß die Durchfu€hrung der Kapitalerhöhung insgesamt scheitert, weil der von der Hauptversammlung gewu€nschte Erhöhungsbetrag tatsächlich nicht gezeichnet wird (vgl. RGZ 85, 205, 207). Der Beschluß vom 20. August 1993 konnte sich daher darauf beschränken, einen Höchstbetrag fu€r die Kapitalerhöhung zu nennen (zuletzt: Hu€ffer, AktG, § 182 Rn. 12).

Er hätte aber dem Vorstand eine eindeutige, zeitlich nicht zu weit ausgedehnte Ausfu€hrungsfrist setzen mu€ssen (vgl. KGJ 14, 26; Hefermehl-Bungeroth in Geßler-Hefermehl,AktG, § 182 Rn . 55). Nur so ist sichergestellt, daß der Erfolg einer Kapitalerhöhung allein von den Aktionären abhängt und nicht der Vorstand - unter Umständen aus spekulativen Gru€nden - Zeit und Umfang der Geldbeschaffung bestimmt (vgl. Netter, JW 1930, 3695) . Das hat der Kläger zu Recht mit seinem Klagebegehren innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG geru€gt.

Der Termin, ab dem die neuen Aktien gewinnberechtigt sein sollen, ersetzt die Durchfu€hrungsfrist nicht. Die Dividendenberechtigung der neuen Aktien ab 01. Januar 1994 impliziert keineswegs, daß die Leistung bis zum 31. Dezember 1993 erfolgt sein mu€sse. Im Schrifttum wird sogar angenommen, daß junge Aktien aus einer Kapitalerhöhung mit einer Dividendenberechtigung fu€r ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr ausgestattet werden können (vgl. Hefermehl-Bungeroth, aaO, § 60 Rn. 27). Außer Zweifel kann ihnen ein Gewinnbeteiligungsrecht fu€r das volle Geschäftsjahr gegeben werden, in denen die Kapitalerhöhung wirksam wird, ohne daß es auf den Zeitpunkt der Leistung der Einlage ankommt. Allerdings hat das Reichsgericht (RGZ 144, 138, 142) fu€r unschädlich gehalten, daß der Kapitalerhöhungsbeschluß keine Durchfu€hrungsfrist enthielt, und aus dem Zeitpunkt, ab dem die jungen Aktien dividendenberechtigt sein sollten, die Anordnung sofortiger Durchfu€hrung der Kapitalerhöhung gefolgert. In jenem Fall lagen auch nur 9 Tage zwischen der Beschlußfassung und dem Termin der Gewinnberechtigung, im vorliegendem dagegen mehr als 4 Monate. Der Vorstand der Beklagten hat auch nicht sofort zum Bezug der jungen Aktien aufgefordert, sondern erst nach mehr als 6 Wochen seit der Beschlußfassung. Die Reichsgerichtsentscheidung ist aber auch deshalb nicht auf den vorliegenden Fall u€bertragbar, weil damals eine dem Betrag nach festliegende Kapitalerhöhung unter Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre erfolgte. Somit bestand dort keine Gefahr, daß die Verwaltung auf den Umfang einer geplanten Kapitalerhöhung hätte Einfluß nehmen können, wenn der Beschluß nichts daru€ber aussagte, bis wann diese durchzufu€hren sei. Fu€r eine "um-bis-zu" - Kapitalerhöhung, zumal in dem hier beschlossenen ungewöhnlichen Ausmaß 1:9, wu€rde sie der Verwaltung einen zu weiten Spielraum lassen.

Vergeblich verweist die Beklagte auf die inzwischen erfolgte Aufforderung zur Ausu€bung des Bezugsrechts. Nachträgliehe Heilung eines anfechtbaren Beschlusses erfolgt lediglich durch Bestätigung mittels eines Hauptversammlungsbeschlusses (vgl. § 244 AktG).

Auch der Hinweis der Beklagten auf ihre wirtschaftliche Situation kann die Entscheidung nicht beeinflussen. Er u€berzeugt schon deshalb nicht, weil weder die ungu€nstige Eigenkapitalausstattung der Beklagten noch der zu erwartende Kapitalbedarf im Hinblick auf die Beteiligung an einer Berliner Immobilieninvestition Vorstand und Aktionäre daran gehindert haben, den Gewinn 1992 von DM 60.321,00 fast vollständig auszuschu€tten. Warum der Vorstand von daher gehalten sein sollte, die geplante Kapitalerhöhung so schnell wie möglich und damit ohne eigenes Ermessen durchzufu€hren, u€berzeugt nicht.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 02.12.1993
Az: 405 O 162/93


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