Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 27. November 2008
Aktenzeichen: 4b O 284/07

(LG Düsseldorf: Urteil v. 27.11.2008, Az.: 4b O 284/07)

Tenor

I. die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,

zu unterlassen

einen strömungsmittelbetätigten Drehantrieb zum Gestatten einer Drehbewegung zwischen ersten und zweiten äußeren Teilen, mit einem Gehäuse mit einer Längsachse sowie ersten und zweiten Enden, wobei das Gehäuse einen inneren Seitenwandbereich mit einem genuteten, nach innen weisenden Umfangsbereich aufweist, wobei das Gehäuse für eine Kopplung mit dem ersten äußeren Teile ausgebildet ist; einem Antriebsteil, das sich im Wesentlichen koaxial mit dem Gehäuse erstreckt und dort für eine Relativbewegung gelagert ist, wobei das Antriebsteil für eine Kopplung an einem zweiten äußeren Teil ausgebildet ist, um für die Drehbewegung zwischen den ersten und zweiten äußeren Teilen zu sorgen, wobei das Antriebsteil einen Endflansch, der in Richtung auf das erste Gehäuseende angeordnet ist, und eine Welle aufweist, die fest mit ihm verbunden ist, wobei die Welle einen genuteten, nach außen weisenden Umfangsseitenwandbereich, der innerhalb des Gehäuses angeordnet ist, und einen glatten, nach außen weisenden Umfangsseitenwandbereich aufweist, der innerhalb des Gehäuses angeordnet ist, wobei der Endflansch sich seitlich nach außen über den glatten Seitenwandbereich der Welle erstreckt, wobei das Antriebsteil und das Gehäuse einen dazwischen liegenden Ringraum definieren, wobei der genutete Seitenwandbereich der Welle als einstückiger Teil der Welle ausgebildet ist; einem Kolben, der im Wesentlichen koaxial mit dem Gehäuse in dem Ringraum angeordnet und für eine hin- und hergehende axiale Bewegung im Gehäuse entsprechend eines ausgewählten Anlegens von unter Druck stehendem Strömungsmittel montiert ist, wobei der Kolben in gleitendem, abgedichteten Eingriff mit dem glatten Seitenwandbereich der Welle und dem inneren Seitenwandbereich des Gehäuses steht, um Strömungsmittelabteile an jeder seiner Seiten zu definieren, für ein selektives Aufbringen von unter Druck stehendem Strömungsmittel, um dadurch den Kolben gegen das erste Ge-häuseende zu bewegen, oder den Kolben gegen das zweite Gehäu-seende zu bewegen; einem Drehmoment-Übertragungsteil, das im Wesentlichen koaxial innerhalb des Gehäuses angeordnet und für eine hin- und hergehende Bewegung innerhalb des Gehäuses montiert ist, wobei das Drehmoment-Übertragungsteil mit dem genuteten Seitenwandbereich der Welle und dem genuteten Seitenwandbereich des Gehäuses in Eingriff steht, wenn sich der Kolben innerhalb des Gehäuses hin- und herbewegt, um die axiale Bewegung des Kolbens in Richtung auf das erste Gehäuseende in eine relative Drehbewegung zwischen dem Antriebsteil und dem Gehäuse, entweder im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn zu übertragen, und die Axialbewegung des Kolbens in Richtung auf das zweite Gehäuseende in eine relative Drehbewegung zwischen dem Antriebsteil und dem Gehäuse in eine entgegengesetzte Richtung, d.h. entweder im Gegenuhrzeigersinn oder im Uhrzeigersinn zu übertragen,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wobei

der Endflansch und die Welle eine integrale Einheit bilden, wobei der genutete, nach außen weisende Umfangsseitenwandbereich der Welle innerhalb des Gehäuses in Richtung auf das zweite Gehäuseende angeordnet ist, und wobei der glatte, nach außen weisende Umfangsseitenwandbereich der Welle innerhalb des Gehäuses zwischen dem Endflansch und dem genuteten Seitenwandbereich der Welle angeordnet ist;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29.02.2004 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Ab-nehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsge-biet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

und dabei zu a) und zu b) die zugehörigen Einkaufs- und Verkaufsbe-lege mit der Maßgabe vorzulegen, dass Daten, auf die sich die ge-schuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 29.02.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.100.000,00 EUR.

V. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin des europäischen Patents EP 0 825 350 (Klagepatent, Anlage K 1), das unter dem Aktenzeichen DE 697 21 152 (Anlage K 2) mit Wirkung für Deutschland in Kraft steht. Das Klagepatent wurde am 07.08.1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 20.08.1996 angemeldet, seine Anmeldung am 25.02.1998 und seine Erteilung am 23.04.2003 veröffentlicht. Es betrifft einen Drehantrieb. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.10.2008 (Anlage B 2) Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

"1. Strömungsmittelbetätigter Drehantrieb (10) zum Gestatten einer Drehbewegung zwischen ersten und zweiten äußeren Teilen, mit:

einem Gehäuse (12) mit einer Längsachse (C) sowie ersten und zweiten Enden (16, 18), wobei das Gehäuse (12) einen inneren Seitenwandbereich (80) mit einem genuteten, nach innen weisenden Umfangsbereich (72) aufweist, wobei das Gehäuse (12) für eine Kopplung mit dem ersten äußeren Teile ausgebildet ist;

einem Antriebsteil (20), das sich im Wesentlichen koaxial mit dem Gehäuse (12) erstreckt und dort für eine Relativbewegung gelagert ist, wobei das Antriebsteil (20) für eine Kopplung an einem zweiten äußeren Teil ausgebildet ist, um für die Drehbewegung zwischen den ersten und zweiten äußeren Teilen zu sorgen, wobei das Antriebsteil (20) einen Endflansch (24), der in Richtung auf das erste Gehäuseende (16) angeordnet ist, und eine Welle (22) aufweist, die fest mit ihm verbunden ist, wobei die Welle (22) einen genuteten, nach außen weisenden Umfangsseitenwandbereich (76) der innerhalb des Gehäuses (12) angeordnet ist, und einen glatten, nach außen weisenden Umfangsseitenwandbereich (84) aufweist, der innerhalb des Gehäuses (12) angeordnet ist, wobei der Endflansch (24) sich seitlich nach außen über den glatten Seitenwandbereich (84) der Welle erstreckt, wobei das Antriebsteil (20) und das Gehäuse (12) einen dazwischen liegenden Ringraum (25) definieren, wobei der genutete Seitenwandbereich (76) der Welle als einstückiger Teil der Welle (22) ausgebildet ist;

einem Kolben (66), der im Wesentlichen koaxial mit dem Gehäuse (12) in dem Ringraum (25) angeordnet und für eine hin- und hergehende axiale Bewegung im Gehäuse (12) entsprechend eines ausgewählten Anlegens von unter Druck stehendem Strömungsmittel montiert ist, wobei der Kolben (66) in gleitendem, abgedichteten Eingriff mit dem glatten Seitenwandbereich (84) der Welle und dem inneren Seitenwandbereich (80) des Gehäuses steht, um Strömungsmittelabteile an jeder seiner Seiten zu definieren, für ein selektives Aufbringen von unter Druck stehendem Strömungsmittel, um dadurch den Kolben (66) gegen das erste Gehäuseende (16) zu bewegen, oder den Kolben (66) gegen das zweite Gehäuseende (18) zu bewegen;

einem Drehmoment-Übertragungsteil (68), das im Wesentlichen koaxial innerhalb des Gehäuses (12) angeordnet und für eine hin- und hergehende Bewegung innerhalb des Gehäuses (12) montiert ist, wobei das Drehmoment-Übertragungsteil (68) mit dem genuteten Seitenwandbereich (76) der Welle und dem genuteten Seitenwandbereich (72) des Gehäuses in Eingriff steht, wenn sich der Kolben (66) innerhalb des Gehäuses (12) hin- und herbewegt, um die axiale Bewegung des Kolbens (66) in Richtung auf das erste Gehäuseende (16) in eine relative Drehbewegung zwischen dem Antriebsteil (20) und dem Gehäuse (12), entweder im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn zu übertragen, und die Axialbewegung des Kolbens (66) in Richtung auf das zweite Gehäuseende (18) in eine relative Drehbewegung zwischen dem Antriebsteil (20) und dem Gehäuse (12) in eine entgegengesetzte Richtung, d.h. entweder im Gegenuhrzeigersinn oder im Uhrzeigersinn zu übertragen, dadurch gekennzeichnet, dass der Endflansch (24) und die Welle (22) eine integrale Einheit bilden, wobei der genutete, nach außen weisende Umfangsseitenwandbereich (76) der Welle (22) innerhalb des Gehäuses (12) in Richtung auf das zweite Gehäuseende (18) angeordnet ist, und wobei der glatte, nach außen weisende Umfangsseitenwandbereich (84) der Welle (22) zwischen dem Endflansch (24) und dem genuteten Seitenwandbereich (76) der Welle angeordnet ist."

Nachstehend wiedergegebene Zeichnung ist der Klagepatentschrift entnommen und verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:

folgt eine Zeichnung -

Die Beklagte stellt her und bietet Drehantriebe (im folgenden: angegriffene Ausführungsform) an, die sie mit einem Prospekt (Anlage K 10) bewirbt, aus dem eine Abbildung nachstehend wiedergegeben ist:

folgt eine Zeichnung -

Die Konstruktionsweise der angegriffenen Ausführungsform wird auch durch die nachstehend wiedergegebene technische Zeichnung (Anlage K 12) dargestellt:

folgt eine Zeichnung -

Die Klägerin behauptet, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie meint, das Klagepatent lehre den Fachmann, Welle und Endflansch einstückig auszubilden, weil der Fachmann es bevorzuge, möglichst wenig Teile im System zu verwenden, um so den Aufbau zu vereinfachen und Schwachstellen zu vermeiden. Erst das Klagepatent lehre den Fachmann, den genuteten bzw. verzahnten Bereich nicht in der Nähe des Flansches, sondern auf der anderen Seite der Welle anzubringen, so dass es auf einen Auslaufbereichs des bei der Herstellung der Nuten verwendeten Schneidewerkzeuges nicht ankommt, da beim Schneiden der Flansch nicht stört. Dadurch könne der Fachmann bei der Konstruktion des Drehantriebs die Welle und damit den gesamten Drehantrieb verkürzen.

Die angegriffene Ausführungsform verfügt nach Auffassung der Klägerin über einen integral mit der Welle ausgebildeten Endflansch an dem einen Ende des Gehäuses und über eine Wellenmutter am anderen Gehäuseende. Dies ergebe sich aus der Beschreibung des Klagepatents, gemäß derer (Abschnitt [0029]) die Wellenmutter mittels Gewindestiften auf der Welle gegen Drehung gesichert ist. Selbst wenn man annehmen wollte, die angegriffene Ausführungsform verfüge über zwei Endflansche, wäre dies gleichwohl patentgemäß, weil das Klagepatent keine Angabe zur Anzahl der Endflansche enthalte. Die Angabe "ein Endflansch" sei - wie namentlich auch der englische Wortlaut des Klagepatents zeige - die Verwendung des unbestimmten Artikels, nicht des Zahlworts.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte im erkannten Umfang zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte bestreitet die Verletzung des Klagepatents. Sie meint, das Klagepatent lehre die einstückige Ausführung von Welle und Endflansch nicht. Vielmehr werde, wie der Fachmann bei funktionsorientierter Auslegung erkenne, lediglich eine integrale Einheit zwischen diesen Bauteilen gelehrt, was aber gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei. Ferner meint die Beklagte, eine Vorrichtung nach dem Klagepatent weise nur einen, nicht mehrere Endflansche auf. Aus diesem Grunde mache die angegriffene Ausführungsform keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents: Sie verfüge nämlich über zwei Flansche an jedem Ende der Welle, die auch jeweils mit demselben zweiten äußeren Teil verbunden seien und beide diesen äußeren Teil antrieben. Hinsichtlich der Anzahl der Endflansche enthalte das Klagepatent ein Zahlwort. Der Fachmann erhalte aus dem Klagepatent keinen Hinweis darauf, dass mehr als ein Endflansch der patentgemäßen Lösung entspreche.

Außerdem meint die Beklagte, das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig. Die technische Lehre des Klagepatents werde durch die US 3,313,367 (Anlage K 5) neuheitsschädlich vorweggenommen sowie im Wege der offenkundigen Vorbenutzung dadurch, dass strömungsmittelbetätigte Drehantriebe, deren Aufbau sich aus zur Gerichtsakte gereichten Lichtbildern (Anlage B 2.5) ergebe, durch die Fa. Eckart Hydraulik-Pneumatik hergestellt und vertrieben worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 2 Abs. 2, Art. 64 EPÜ, §§ 139, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Eine Aussetzung des Rechtsstreits ist nicht veranlasst.

I.

Das Klagepatent betrifft einen strömungsmittelbetätigten Drehantrieb. Solche Drehantriebe kommen beispielsweise bei der Konstruktion von Baggern zum Einsatz, um die Beweglichkeit der Baggerschaufel nicht nur in vertikaler Richtung, sondern auch in einer Drehbewegung um die Mittelachse der Schaufel zu gewährleisten. Bei dieser Anwendung dienen die Drehantriebe dazu, mithilfe einer Hydraulikflüssigkeit eine Drehbewegung auszuüben.

Aus dem Stand der Technik sind Drehantriebe bekannt, deren Drehbewegung durch ein Strömungsmittel bewirkt wird. Das EP 0 318 805 (Anlage K 4) lehrt einen Drehantrieb, der eine Hohlwelle in einem zylindrischen Gehäuse mit einem Endflansch aufweist sowie ein Bauteil, das ringförmig ausgestaltet aus einem Kolben und einem Drehmoment-Übertragungsteil besteht. Die Welle weist einen verzahnten Bereich auf, welcher auf der einen Seite des Drehmoment-Übertragungsteils eingreift, während ein verzahnter Bereich auf der Innenseite des Gehäuses auf der anderen Seite des Drehmoment-Übertragungsteils eingreift. Der Kolben, der zusammen mit dem Drehmoment-Übertragungsteil ein Bauteil bildet, gleitet mit einer glatten Fläche außen und innen an entsprechenden glatten Bereichen der Welle einerseits und des Gehäuses andererseits entlang. Die verzahnten Bereiche der Welle und des Gehäuses liegen an demjenigen Ende des Antriebs, an dem sich auch der Flansch der Welle befindet. An dieser Konstruktionsweise wird als nachteilig erkannt, dass die Herstellung eines solchen Drehantriebs schwierig ist und einen hohen Aufwand an Zeit und Kosten erfordert. Es erweist sich als schwierig, Längsnuten in die Welle zu schneiden, wenn die Welle mit einem integrierten Flanschbereich ausgeführt wird. Beim Schneiden der Nut muss ein gewisser Auslaufbereich freigelassen werden, in dem keine Nut geschnitten werden kann; dadurch wird die Welle und damit der Drehantrieb insgesamt länger.

Gegenüber dem aus dem EP 0 318 805 bekannten Drehantrieb verzichten Drehantriebe, wie sie durch die US 431,367 (Anlage K 5) und US 5,054,472 (Anlage K 6) offenbart werden, auf einen Wellenflansch. Dadurch kann zwar die Welle vergleichsweise einfach und schnell mit Längsnuten versehen werden, indem die Längsnuten auf der Welle vor deren Einbau eingeschnitten werden. Wird aber auf den Flansch verzichtet, bedarf es eines weiteren Bauteils um den Innenraum des zylindrischen Gehäuses abzudichten. Dieses Bauteil muss drehfest verbunden sein. Daran wird als nachteilig erkannt, dass ein solches weiteres Bauteil im Vergleich zu einem integrierten Bauteil (wie einem Flansch) eine Schwachstelle im System bildet.

Das US 4,683,767 (Anlage K 7) offenbart einen Drehantrieb, der sich an der Konstruktionsweise des EP 0 318 805 (Anlage K 4) orientiert, abweichend hiervon jedoch einen längsvernuteten, also verzahnten Bereich in der Nähe des Flansches aufweist. Diese räumliche Nähe zwischen Verzahnung und Flansch erlaubt zwar, die Welle und damit den gesamten Drehantrieb kürzer auszuführen. Als nachteilig wird aber auch hieran erkannt, dass es schwierig ist, die Längsvernutung bzw. Verzahnung bis in die Nähe des Flansches zu führen; hierfür muss der Auslaufbereich des für die Vernutung der Welle verwendeten Schneidewerkzeugs verkürzt werden.

Schließlich zeigt das US 5,267,504 (Anlage K 8) einen Drehantrieb, dessen Welle einen Flansch aufweist, und wobei die Welle in besonderer Weise gelagert ist. Die Lagerung der Welle ist entweder durch Lagerböcke oder durch freiliegend angeordnete Lager möglich. Bei der Verwendung von Lagerböcken müssen sie, damit die Länge der Welle gering gehalten wird, axial so positioniert werden, dass sie die beim Fräsen der Längsnuten verbliebene (glatte, nicht genutete) Auslauffläche überlagern. Daran erweist sich als nachteilhaft, dass die Fähigkeit des Antriebs zur Übertragung von Drehmoment geschwächt wird. Dieser Nachteil wird zwar vermieden, wenn freiliegend angeordnete Lager verwendet werden, die starr am Wellenflansch befestigt oder aus einem Stück mit dem Wellenflansch gefertigt werden. Daran ist aber nachteilhaft, dass die freiliegend angeordneten Lager das Schneiden der Längsnuten unmittelbar bis zum Bereich des Wellenflansches zusätzlich erschweren; im Ergebnis wird der Abstand zwischen dem Wellenflansch und dem Beginn des genuteten Bereichs noch vergrößert, wodurch die Welle und wiederum der gesamte Drehantrieb verlängert werden.

Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe (Abschnitt [0011] und [0012]), den anerkanntermaßen seit langem bestehenden großen Bedarf an strömungsmittelbetätigten Drehantrieben zu befriedigen, die in der Herstellung weniger zeit- und kostenaufwendig sind und eine reduzierte Länge aufweisen.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

Strömungsmittelbetätigter Drehantrieb (10) zum Gestatten einer Drehbewegung zwischen ersten und zweiten äußeren Teilen mit folgenden Bauteilen:

1. ein Gehäuse (12)

a) hat eine Längsachse (C) sowie erste und zweite Enden (16, 18).

b) weist einen inneren Seitenwandbereich (80) auf.

(1) Der Seitenwandbereich verfügt über einen genuteten, nach innen weisenden Umfangsbereich (72).

c) ist für eine Kopplung mit dem ersten äußeren Teil ausgebildet.

2. ein Antriebsteil (20)

a) erstreckt sich im Wesentlichen koaxial mit dem Gehäuse (12).

b) ist im Gehäuse für eine Relativbewegung gelagert.

c) ist für eine Kopplung an einem zweiten äußeren Teil ausgebildet, um für die Drehbewegung zwischen den ersten und zweiten äußeren Teilen zu sorgen.

d) weist einen Endflansch (24) auf.

(1) Der Endflansch (24) ist in Richtung auf das erste Gehäuseende (16) angeordnet.

(2) Der Endflansch (24) erstreckt sich seitlich nach außen über den glatten Seitenwandbereich (84) der Welle.

e) weist eine Welle (22) auf.

(1) Die Welle ist fest mit dem Endflansch verbunden.

(2) Die Welle (22) weist einen genuteten, nach außen weisenden Umfangsseitenwandbereich (76) auf, der innerhalb des Gehäuses (12) angeordnet ist.

(3) Die Welle weist einen glatten, nach außen weisenden Umfangsseitenwandbereich (84) auf, der innerhalb des Gehäuses (12) angeordnet ist.

(4) Der genutete Seitenwandbereich (76) der Welle ist als einstückiger Teil der Welle (22) ausgebildet.

3. ein Ringraum (25) liegt zwischen dem Antriebsteil (20) und dem Gehäuse (12) und ist durch diese definiert.

4. ein Kolben (66)

a) ist in dem Ringraum (25) angeordnet.

b) ist im Wesentlichen koaxial mit dem Gehäuse.

c) ist für eine hin- und hergehende axiale Bewegung im Gehäuse (12) montiert.

d) bewegt sich entsprechend eines ausgewählten Anlegens von unter Druck stehendem Strömungsmittel.

e) steht in gleitendem abgedichteten Eingriff

(1) mit dem glatten Seitenwandbereich (84) der Welle und

(2) dem inneren Seitenwandbereich (80) des Gehäuses,

(3) um Strömungsmittelabteile an jeder seiner Seiten zu definieren,

(4) für ein selektives Aufbringen von unter Druck stehendem Strömungsmittel, um dadurch den Kolben (66) gegen das erste Gehäuseende (16) zu bewegen, oder den Kolben (66) gegen das zweite Gehäuseende (18) zu bewegen.

5. ein Drehmoment-Übertragungsteil (68)

a) ist im Wesentlichen koaxial innerhalb des Gehäuses (12) angeordnet.

b) ist für eine hin- und hergehende Bewegung innerhalb des Gehäuses (12) montiert.

c) steht in Eingriff

(1) mit dem genuteten Seitenwandbereich (76) der Welle und

(2) dem genuteten Seitenwandbereich (72) des Gehäuses.

d) überträgt eine axiale Hin- und Herbewegung des Kolbens (66) innerhalb des Gehäuses (12)

(1) in eine relative Drehbewegung zwischen dem Antriebsteil (20) und dem Gehäuse (12), entweder im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn, wenn sich der Kolben (66) axial in Richtung auf das erste Gehäuseende (16) bewegt und

(2) in eine relative Drehbewegung zwischen dem Antriebsteil (20) und dem Gehäuse (12) in eine entgegengesetzte Richtung, d.h. entweder im Gegenuhrzeigersinn oder im Uhrzeigersinn, wenn sich der Kolben (66) axial in Richtung auf das zweite Gehäuseende (18) bewegt.

6. Der Endflansch (24) und die Welle (22) bilden eine integrale Einheit.

7. Der genutete, nach außen weisende Umfangsseitenwandbereich (76) der Welle (22) ist innerhalb des Gehäuses (12) in Richtung auf das zweite Gehäuseende (18) angeordnet.

8. Der glatte, nach außen weisende Umfangsseitenwandbereich (84) der Welle (22) ist innerhalb des Gehäuses (12) zwischen dem Endflansch (24) und dem genuteten Seitenwandbereich (76) der Welle angeordnet.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale der Anspruchs 1 des Klagepatents. Zwischen den Parteien ist nur streitig, ob die Merkmale 2.e) (1), 6., 7. und 8. durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht werden.

1.

Merkmal 2.e) (1) lehrt, dass eine Welle (22) fest mit dem Endflansch (24) verbunden ist.

a)

Für den maßgeblichen Durchschnittsfachmann ergibt sich aus dem Wortlaut des Patentanspruchs insoweit, dass an wenigstens einem Ende der Welle ein Flansch vorgesehen ist, also ein Bauteil, das einerseits eine Abdichtung zwischen dem Inneren des Gehäuses (12) nach außen hin bewirkt und zum anderen gewährleistet, dass eine von der Welle ausgeübte Drehbewegung nach außen hin übertragen wird. Dem Fachmann ist - was zwischen den Parteien unstreitig ist - aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt, dass unter einem Flansch allgemein ein Ansatz an Rohren, Maschinenteilen oder Gehäusen zu verstehen ist, welcher der Positionierung von Bauteilen zueinander sowie regelmäßig auch der Übertragung von Betriebskräften dient. In diesem Verständnis wird der Fachmann durch die Ausführungen in der Patentbeschreibung gestützt (Abschnitt [0014]), gemäß derer der Endflansch nicht nur zum ersten Gehäuseende hin positioniert sein muss, sondern auch für Kuppeln an das zweite äußere Teil zur Bereitstellung von Drehbewegung zwischen dem ersten und dem zweiten äußeren Teil angepasst sein muss.

b)

Das Klagepatent lehrt nur eine solche Vorrichtung als patentgemäß, die über einen einzigen Endflansch verfügt.

Hinsichtlich der vom Klagepatent gelehrten Anzahl der Endflansche enthält das Klagepatent zwar keine Zahlenangabe, wobei maßgeblich insoweit der Wortlaut des Klagepatents in der englischen Verfahrensprache ist (Mes, PatG/GebrMG, 2. Aufl., § 14 Rn. 9; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 14 Rn. 43 und Art. II § 1 Rn. 10; Rogge, GRUR 1993, 284). In Anspruch 1 des englisch gefassten Klagepatents heißt es (Anlage K 1, Spalte 11 Zeile 37 bis 39 sowie Zeile 45 bis 47):

"[...] having an end flange (24) positioned towards said body first end (16) […], said end flange (24) extending laterally outward beyond said shaft smooth sidewall portion […]”

Anhand dieses Wortlauts erkennt der Fachmann zunächst, dass im originalsprachlichen Wortlaut der Begriff Endflansch ("end flange") mit dem unbestimmten Artikel ("an") verwendet wird und nicht mit einem Zahlwort ("one" oder "not more than one"). Darüber hinaus wird der Bezug auf den zuvor bezeichneten Endflansch mit einer semantisch allgemein gefassten Partizipform ("said") hergestellt, und nicht mit dem bestimmten Artikel ("the"). Die deutsche Übersetzung (Anlage K 2, Spalte 15, Zeile 48 bis 51)

"wobei der Endflansch (24) sich seitlich nach außen über den glatten Seitenwandbereich (84) der Welle erstreckt"

ist genauer gefasst als

"wobei der oben bezeichnete Endflansch (24)",

zu verstehen. Dies impliziert aber keine Zahlenangabe, sondern lediglich die Bezugnahme auf einen zuvor im Anspruchswortlaut erwähnten Endflansch, über den auch zuvor keine Zahlenangabe gemacht wurde.

Allerdings ergibt sich aus der durch das Klagepatent gelehrten räumlichen Anordnung und der Funktion des Endflansches, dass patentgemäß allein das Vorsehen eines einzigen Endflansches ist. Bei der Auslegung des Merkmals 2.e) (1) ist der Zusammenhang dieses Merkmals mit den weiteren Merkmalen zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des Schutzbereichs ist der Patentanspruch im Gesamtzusammenhang in den Blick zu nehmen (BGH GRUR 2004, 845, 846 - Drehzahlermittlung). Daraus ergibt sich, dass der Endflansch - wie Patentanspruch 1 mit der gesamten Merkmalsgruppe 2 deutlich macht - neben der Welle Teil des Antriebsteils ist. Das Antriebsteil insgesamt ist gemäß dem Anspruchswortlaut (Merkmal 2. c) für eine Kopplung an einem äußeren Teil ausgebildet, um für die Drehbewegung zwischen dem ersten und zweiten äußeren Teilen zu sorgen. Dem entspricht es, dass gemäß dem Anspruchswortlaut (Merkmal 1.c) das erfindungsgemäße Gehäuse für eine Kopplung mit dem ersten äußeren Teil ausgebildet ist: Die Kopplung zum ersten Teil hin geschieht demnach durch das Gehäuse, die zum zweiten Teil hin durch das Antriebsteil. Die im Inneren des Gehäuses liegende Welle steht mittels ihres Umfangsseitenwandbereichs sowohl mit dem Kolben (66) in Eingriff (nämlich der glatte Seitenwandbereich der Welle, Merkmal 4.e) (1)), als auch mit dem Drehmoment-Übertragungsteil (68) (nämlich der genutete Seitenwandbereich der Welle, Merkmal 5.c) (1)). Auf diese Weise sorgt die Welle für die im Inneren des Gehäuses stattfindende eigentliche Drehbewegungsübertragung der im Anspruch genannten Bauteile. Der Endflansch stellt die Verbindung zum Äußeren des Gehäuses her und dient dazu, die Drehbewegung auf den zweiten äußeren Teil zu übertragen. Deshalb erstreckt er sich gemäß Merkmal 2.d) (2) seitlich nach außen über den glatten Seitenwandbereich der Welle. Durch diese Erstreckung ist das Antriebsteil über den Endflansch angepasst für die Kupplung an das zweite äußere Teil. Dies wird belegt durch die Darstellung der Funktion des Endflansches in der Beschreibung des Klagepatents (etwa Abschnitte [0014] und [0042]).

Der Anspruch lehrt seinem Wortlaut nach aber nicht nur eine Positionierung, die das Ankoppeln an das zweite äußere Teil ermöglicht, er enthält darüber hinaus noch eine weitere Positionsangabe: In Merkmal 2.d) (1) ist ausdrücklich bestimmt, dass der Endflansch in Richtung auf das "erste Gehäuseende" angeordnet ist. Diese räumliche Anordnung ist erforderlich, weil das patentgemäße Gehäuse gemäß Merkmal 1.c) am ersten äußeren Teil ankoppelt, und zwar über das zweite Gehäuseende. Dort ist es fest mit dem ersten äußeren Teil verbunden. Damit im Ergebnis die Drehbewegung zwischen dem ersten und dem zweiten äußeren Teil stattfinden kann, muss der mit der Welle fest verbundene Endflansch (Merkmal 2.e) (1)) sich in Richtung des dem zweiten Gehäuseende gegenüberliegenden Endes erstrecken, also in Richtung des ersten Gehäuseendes. Es wäre technisch nicht möglich, die Drehbewegung zu gewährleisten, wenn sich der Endflansch zum selben Gehäuseende (also dem zweiten Gehäuseende) hin erstrecken würde. Das erste und das zweite äußere Teil müssen an unterschiedlichen Gehäuseenden ankoppeln, um eine Drehbewegung gegeneinander ausführen zu können.

Das Klagepatent lehrt mithin zweierlei: Der Endflansch ist dafür ausgelegt, am zweiten äußeren Teil anzukoppeln und erstreckt sich in Richtung des ersten Gehäuseendes. Diese Lehre der Positionierung und Ausrichtung des Endflansches erachtet das Klagepatent als zwingend. Erstreckt sich ein als Flansch in Betracht kommendes Bauteil nicht in Richtung des ersten Gehäuseendes, sondern gibt es (darüber hinaus) einen Flansch, der in Richtung des zweiten Gehäuseendes angeordnet ist, und der sich seitlich oder radial nach außen über die Gehäuseseitenwand erstreckt, ist dies nach der Lehre des Klagepatents nicht als Endflansch im Sinne des Anspruchs 1 anzusehen, sondern als ein "zweiter" Flansch. Dies ist dann aber in der Terminologie des Klagepatents kein Endflansch. In der Erläuterung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels beschreibt das Klagepatent (Abschnitt [0029]) eingehend, dass ein patentgemäßer Drehantrieb in Richtung des zweiten Gehäuseendes über eine Wellenmutter verfügt, die den Innenraum des Gehäuses abdichtet, und die ihrerseits über einen Flansch, nicht einen Endflansch, verfügt, der sich seitlich oder radial nach außen über die Gehäuseseitenwand erstreckt.

Ein Endflansch im Sinne des Klagepatents ist damit nur derjenige Flansch, der in Richtung des ersten Gehäuseendes angeordnet ist. Es erscheint technisch nicht möglich, zwei Bauteile mit der Funktion des Endflansches an eben dieser Position anzuordnen: Es können nicht zwei Endflansche in dieser Art positioniert sein und zugleich am zweiten äußeren Teil ankoppeln. Würden zwei Endflansche an dieser Position hintereinander auf der Welle angeordnet, widerspräche dies zum ersten der technischen Aufgabe das Klagepatents, die Länge der Welle zu reduzieren (Abschnitt [0011]), zum zweiten könnte ein weiter innen liegender Endflansch nicht nach außen hin ankoppeln.

c)

Dass demnach das Klagepatent von nur einem einzigen Endflansch ausgeht, steht der Annahme eine Patentverletzung allerdings nicht entgegen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform über mehr als einen Endflansch verfügt. Aus der oben wiedergegebenen Abbildung aus dem Prospekt der Beklagten (Anlage K 10), die als Explosionszeichnung die einzelnen Bauteile der angegriffenen Ausführungsform zeigt, ist ersichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform nur einen Endflansch aufweist. Es handelt sich dabei um das auf der Abbildung linke Ende des ganz links abgebildeten Bauteils. Der ganz links abgebildete Abschnitt dieses Bauteils ist - unstreitig - dazu geeignet und bestimmt, das Gehäuse abzudichten und die Drehbewegung der Welle nach außen hin zu übertragen. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass es sich dabei um einen Endflansch auf der Welle handelt.

Demgegenüber stellt das auf der Abbildung ganz rechts abgebildete, in der Abbildung als "tapped and hardened endflange with slide bearing" bezeichnete Bauteil nach der Lehre des Klagepatents keinen Endflansch dar. Dieses Bauteil ist, was zwischen den Parteien unstreitig ist, auf die Welle angeschraubt und über einen Stift auf der Welle gesichert. Der Fachmann erfährt aus der Erläuterung eines klagepatentgemäßen vorzugswürdigen Ausführungsbeispiels (Abschnitt [0029]), dass ein solches Bauteil in einer Position zum zweiten Gehäuseende vorgesehen werden kann. Ein solches Bauteil bezeichnet das Klagepatent als Wellenmutter, einen an der Wellenmutter angebrachten Flansch nicht als Endflansch sondern als (weiteren) Flansch (52). Zwar beschreibt das Klagepatent für dieses vorzugswürdige Ausführungsbeispiel nicht, dass dieser Flansch am zweiten äußeren Teil ankoppelt; das liest der Fachmann aber automatisch mit. Dieser Flansch kann, da er mit der Welle über die Wellenmutter, das Gewinde und die Gewindestifte fest mit der Welle verbunden ist, nicht am ersten äußeren Teil angekoppelt sein. Er bewegt sich vielmehr zusammen mit der Welle und kann daher nur an das zweite äußere Teil ankoppeln.

Dass dieses Bauteil kein Endflansch in der Terminologie des Klagepatents ist, erschließt sich dem Fachmann auch im Hinblick auf Merkmal 6. des Klagepatents, Der Endflansch nach Lehre des Klagepatents bildet, wie Merkmal 6. lehrt, eine integrale Einheit mit der Welle. Dies versteht der Fachmann in der Weise, dass Endflansch und Welle ein einheitliches Bauteil bilden und nicht lediglich zwei miteinander verbundene Bauteile sind. Dies lehrt das Klagepatent den Fachmann, wenn es sich bei Würdigung des Standes der Technik mit der Schwierigkeit auseinandersetzt (Abschnitt [0006]), auf die Welle trotz des Endflansches die Längsnuten zu schneiden. Diese Schwierigkeit würde sich überhaupt nicht stellen, wenn der Endflansch als separates Bauteil lediglich mit der Welle verbunden würde. Dann könnte zunächst auf die Welle die Längsnut geschnitten und dann der Flansch mit der Welle verbunden werden. Auch ergibt sich für den Fachmann aus dem Wortlaut des Patentanspruchs, dass die Ausbildung einer integralen Einheit über die bloße Kombination zweier Bauteile hinausgehen muss. Die Angabe "comprise an integral unit" (Anlage K 1, Spalte 12, Zeile 26) geht über die Angabe einer Verbindung zweier Bauteile hinaus. Zum einen wird nicht nur eine Verbindung beschrieben, zum anderen wird angegeben, dass Welle und Endflansch eine Einheit ("unit") bilden, nicht nur die Kombination zweier Bauteile.

2.

Aus den obigen Ausführungen folgt, dass die angegriffene Ausführungsform einen Endflansch aufweist, welcher gemäß Merkmal 6. eine integrale Einheit mit der Welle bildet. Sowohl die bereits angeführte Abbildung als auch die oben wiedergegebene technische Zeichnung lassen erkennen, dass Endflansch und Welle ein einziges Bauteil ergeben.

Ob nach der Lehre des Klagepatents Endflansch und Welle einstückig ausgebildet sein müssen, kann dahinstehen. Das Klagepatent lehrt eine solche einstückige Ausführung (Abschnitt [0017]) als vorzugswürdiges Ausführungsbeispiel. Dem entnimmt der Fachmann, dass jedenfalls eine einstückige Ausführung der Lehre des Klagepatents genügt und die Ausbildung einer integralen Einheit zwischen Endflansch und Welle gemäß Merkmal 6. darstellt. Die Beklagte ihrerseits stellt nicht in Abrede, dass bei der angegriffenen Ausführungsform Endflansch und Welle einstückig ausgebildet sind, also dem vorzugswürdigen Ausführungsbeispiel des Klagepatents entsprechen und deshalb jedenfalls Merkmal 6. erfüllt ist.

3.

Auch die Merkmale 7. und 8. werden demnach durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. Merkmal 7. lehrt, dass der längsgenutete Bereich der Welle auf das zweite Gehäuseende hin angeordnet ist. Dies versteht der Fachmann im Zusammenhang mit Merkmal 2.d) (1) in der Weise, dass der genutete Bereich der Welle zu dem Gehäuseende hin angeordnet ist, das demjenigen gegenüber liegt, in dessen Richtung der Endflansch angeordnet ist, und das gemäß Merkmal 2.d) (1) als erstes Gehäuseende bezeichnet wird. Der Fachmann entnimmt der Beschreibung des Klagepatents (Abschnitte [0006] und [0014]), dass die aufgabengemäß zu überwindenden Nachteile der vorbekannten Drehantriebe darauf beruhten, dass Endflansch und längsgenuteter Bereich nebeneinander lagen und zum selben Gehäuseende hin orientiert waren. Um die Schwierigkeiten beim Schneiden der Nuten zu überwinden, müssen Endflansch und längsgenuteter Bereich zu jeweils anderen Gehäuseenden hin angeordnet werden.

Die Abbildung der angegriffenen Ausführungsform sowie die technische Zeichnung zeigen, dass der Endflansch zum (auf der Abbildung und der Zeichnung) rechten Ende des Gehäuses angeordnet ist, der längsgenutete Bereich der Welle dagegen zum anderen, links gelegenen Gehäuseende hin.

Merkmal 8. lehrt dementsprechend, dass der glatte Bereich der Welle zwischen dem Endflansch und dem längsgenuteten Bereich liegen, also - wie es der Fachmann auch versteht - die räumliche Trennung von Endflansch und längsgenutetem Bereich der Welle bewirken muss. Aus Abbildung und Zeichnung der angegriffenen Ausführungsform ist erkennbar, dass, von links nach rechts betrachtet, sich an den Endflansch zunächst der nicht genutete, glatte Bereich der Welle anschließt und erst daran der längsgenutete Bereich.

III.

Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht hat die Beklagte außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 - Faltenbalg). Hinsichtlich der Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 - Glasscheiben-Befestiger; Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Aufl., Rn. 437).

IV.

Eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage ist nach Ausübung des dem Gericht eröffneten Ermessens und bei summarischer Prüfung der Rechtsbeständigkeit anhand des vorliegenden Sach- und Streitstandes nicht geboten.

Die Beklagte hat erst mit Schriftsatz vom 08.10.2008 (Anlage B 2), mithin erst 22 Tage vor dem Haupttermin im vorliegenden Verletzungsverfahren die Nichtigkeitsklage erhoben. Der Verletzungsprozess hingegen ist bereits seit dem 17.12.2007 rechtshängig. Wann die Nichtigkeitsklage der Klägerin zugestellt wurde, ist unklar. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.10.2008 unwidersprochen erklärt, ihr liege eine Benachrichtigung des Bundespatentgerichts über die Zustellung der Nichtigkeitsklage vor. Der Vertreter der Klägerin hat hingegen erklärt, ihm sei bis zu diesem Zeitpunkt eine Zustellung an die Beklagte nicht bekannt geworden. Sofern die Beklagte in mündlicher Verhandlung darüber hinaus erklärt hat - wiederum unwidersprochen -, der Entwurf der Nichtigkeitsklage sei der Klägerin seit Juli 2008 bekannt, kommt es hierauf nicht an: Auf einen Entwurf einer Nichtigkeitsklage muss sich die Klägerin nicht einlassen, da sie nicht abschätzen kann, ob die Nichtigkeitsklage überhaupt, und wenn ja unverändert nach Maßgabe des Entwurfs erhoben werden wird.

Dies wirkt sich bei der Ausübung des Aussetzungsermessens zu Lasten der Beklagten aus. Regelmäßig ist eine Aussetzung des erstinstanzlichen Verletzungsverfahrens nicht veranlasst, wenn die Nichtigkeitsklage so kurzfristig vor dem Haupttermin erhoben wird, dass dem Patentinhaber eine angemessene Erwiderung auf das Nichtigkeitsvorbringen nicht mehr möglich ist (LG Düsseldorf, InstGE 3, 54 - Sportschuhsohle; Kühnen/Geschke, a.a.O., Rn. 614).

Zur Begründung ihres Aussetzungsantrages nimmt die Beklagte im Wesentlichen Bezug auf die Nichtigkeitsklage und führt im vorliegenden Rechtsstreit nur kursorisch aus, warum die technische Lehre des Klagepatents durch die US 4,313,367 und durch eine offenkundige Vorbenutzung vorweggenommen sein sollen. Die Klägerin könnte sich damit gegen den Aussetzungsantrag nur verteidigen, indem sie gleichsam schon im Verletzungsprozess vollständig auf die von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage erwidert. Dies ist ihr innerhalb des Verletzungsverfahrens schon in zeitlicher Hinsicht nicht in angemessener Weise möglich.

Im übrigen lässt sich keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür feststellen, dass das Klagepatent neuheitsschädlich vorweggenommen ist. Die US 4,313,367 (Anlage K 5) ist von der Beklagten, obgleich sie konkrete Inhalte dieser Entgegenhaltung anführt, nicht in deutscher Sprache, sondern nur in der fremdsprachigen Originalfassung vorgelegt worden. Dieses Dokument ist im Erteilungsverfahren bereits geprüft und als Stand der Technik ausdrücklich gewürdigt worden, was im Rahmen der gebotenen summarischen Ermessensentscheidung wiederum gegen eine Aussetzung spricht (Kühnen/Geschke, a.a.O., Rn. 613). Auch eine neuheitsschädliche Vorwegnahme des Klagepatents durch offenkundige Vorbenutzung erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich. Insofern kommt eine Aussetzung ohnehin nur in Betracht, wenn der entsprechende Vortrag auf liquide Beweismittel wie insbesondere Urkunden gestützt wird (OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636, 637 - Ventilanbohrvorrichtung; Kühnen/Geschke, a.a.O, Rn. 616). Die Beklagte stützt ihren Vortrag zu einer angeblichen offenkundigen Vorbenutzung auf Lichtbilder (Anlage B 2.5) und die Ablichtung eines Lieferscheins (Anlage B 2.6) und damit nicht auf liquide Beweismittel: Der Lieferschein beweist nicht, dass gerade eine solche Vorrichtung geliefert wurde, wie sie aus den Lichtbildern ersichtlich ist. Auch beweisen die Lichtbilder nicht, dass sie Bauteile einer einzigen Vorrichtung zeigen. Dementsprechend bietet die Beklagte hierfür im Nichtigkeitsverfahren (Anlage B 2, Seite 29ff.) auch Zeugenbeweis an.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 27.11.2008
Az: 4b O 284/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/22347a15f82b/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_27-November-2008_Az_4b-O-284-07




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