Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 14. Januar 2014
Aktenzeichen: 6 U 155/12

(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 14.01.2014, Az.: 6 U 155/12)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in einem Urteil vom 14. Januar 2014 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam zurückgewiesen. Der Kläger hatte die Beklagte auf Erstattung von Zahlungen verklagt, die diese als Geschäftsführerin und später als Liquidatorin im Zeitraum von November 2007 bis Dezember 2008 geleistet hatte. Der Kläger behauptete, dass die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, da der Kläger nicht ausreichend dargelegt hatte, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig war. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin zum maßgeblichen Zeitpunkt zahlungsunfähig war. Die Forderung der Bank war erst später fällig geworden und die Schuldnerin verfügte noch über ausreichende liquide Mittel. Auch die Forderung der D€ GmbH wurde nicht beglichen, weil die Schuldnerin zahlungsunwillig war, nicht zahlungsunfähig. Daher besteht kein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Zahlungen. Auch ein Anspruch auf Rückzahlung der Geschäftsführer- bzw. Liquidatorengelder bestand nicht, da die Beklagte einen Vergütungsanspruch aufgrund eines schlüssigen Verhaltens hatte und ein Anstellungsvertrag nicht formell erforderlich war. Eine Revision wurde nicht zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Brandenburgisches OLG: Urteil v. 14.01.2014, Az: 6 U 155/12


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. September 2012 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam - 52 O 4/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 15.06.2009 - 36 IN 609/09 - zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der K€ GmbH i. L. (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt worden. Die Beklagte war zunächst Geschäftsführerin und später Liquidatorin der Schuldnerin. Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Erstattung von Zahlungen, die die Beklagte in dieser Eigenschaft im Zeitraum vom 08.11.2007 bis zum 31.12.2008 in Höhe von insgesamt 32.086,52 € geleistet hat, mit der Begründung in Anspruch, die Schuldnerin sei spätestens am 5. September 2007 zahlungsunfähig gewesen.

Die Schuldnerin handelte vornehmlich mit Kunstgegenständen. Ihr vormaliger Geschäftsführer W€ S€ war bereits vor seiner Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister am 23. Juli 2007 durch Freitod aus dem Leben geschieden. Vor seinem Tod hatte er sämtliche Geschäftsunterlagen der Schuldnerin vernichtet. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin kam daraufhin zum Erliegen.

Die Beklagte wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin vom 23.10.2007 zur Geschäftsführerin der Schuldnerin bestellt. Ein schriftlicher Geschäftsführeranstellungsvertrag wurde nicht geschlossen. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 28.11.2007 wurde die Auflösung der Schuldnerin beschlossen und die Beklagte zur Liquidatorin bestellt.

Die Beklagte veräußerte im Zeitraum vom 29.11.2007 bis zum 01.03.2008 Gegenstände, die im Eigentum der Schuldnerin standen, und nahm dadurch insgesamt 33.419,99 € an barem Geld ein. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 6 der Klageschrift zu den Akten gereichte Übersicht Bezug genommen (Bl. 20 GA). Die Beklagte zahlte im Zeitraum vom 08.11.2007 bis zum 31.12.2008 insgesamt 32.686,52 € wieder aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 7 zur Klageschrift zu den Gerichtsakten gereichte Übersicht (Bl. 21 GA) Bezug genommen. So entnahm die Beklagte am 31.01.2008 einen Betrag von 7.616,00 € und am 03.03.2008 einen Betrag von 11.424,00 € für sich als Geschäftsführer- bzw. Liquidatorengehalt für die Monate November 2007 bis einschließlich März 2008.

Die Schuldnerin unterhielt bei der € Bank Privat- und Geschäftskunden AG ein Geschäftskonto. Mit einem an die Beklagte adressierten Schreiben vom 19.12.2007 teilte die € Bank AG mit, dass das Konto einen Saldo in Höhe von 8.210,76 € aufweise, und bat diese, sich wegen einer einvernehmlichen Regelung zur Rückführung des Saldo mit der Bank in Verbindung zu setzen. Mit Schreiben vom 15.02.2008 kündigte die € Bank AG das Konto unter Bezugnahme auf eine Zahlungserinnerung vom 05.09.2007 mit Wirkung zum 01.04.2008 und forderte die Schuldnerin zur Zahlung des ausstehenden Schuldbetrages von 8.797,47 € auf. Dieses Schreiben ging der Beklagten am 01.03.2008 zu, zusammen mit dem Schreiben der € Bank AG vom 28.02.2008, mit welchem diese die Kündigungsfrist bis zum 14.04.2008 verlängerte.

Vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer hatte W€ S€ am 24.02.2006 im Namen der Schuldnerin und unter Verwendung deren Firmenstempels einen Leasingvertrag mit der D€ GmbH über einen Pkw Chrysler 300 C Sedan geschlossen. Die D€ GmbH forderte die Schuldnerin nach Kündigung des Leasingvertrages und Verwertung des Pkw mit Schreiben vom 07.11.2007 zur Zahlung von 6.729,15 € bis zum 21.11.2007 auf.

Die Schuldnerin leistete in beiden Fällen keine Zahlungen.

Mit einem am 05.02.2009 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schreiben (Anlage K5) hat die Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte der Kläger in seinen Berichten gegenüber dem Insolvenzgericht vom 31.07.2009 und vom 03.02.2010, dass sich nach Prüfung der vorliegenden Geschäftsunterlagen keine Ansprüche für eine Haftung der Beklagten nach den §§ 71 Abs. 4, 64 GmbHG ergeben hätten.

Bereits vor Klageerhebung hatte der Kläger mit Schreiben vom 18.03.2011 gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe nicht ausreichend dargelegt, dass die Schuldnerin im streitgegenständlichen Zeitraum zahlungsunfähig gewesen sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass die € Bank AG bereits mit Schreiben vom 5. September 2007 ihre Forderungen ernsthaft geltend gemacht habe. Dieses Schreiben sei nicht zu den Akten gereicht worden und sei offensichtlich nicht in den Geschäftsunterlagen der Schuldnerin vorhanden bzw. dort möglicherweise in dem Chaos nach dem Suizid des W€ S€ untergegangen. Im Dezember 2007 habe die Schuldnerin Einnahmen in Höhe von 11.369,99 € gehabt. Zu diesen aktuell verfügbaren Mitteln seien die kurzfristig veräußerbaren Gegenstände hinzuzurechnen. Die Forderung der D€ GmbH sei ebenfalls nicht in die Aufstellung der Verbindlichkeiten der Schuldnerin aufzunehmen, da die Beklagte die Forderungen nachvollziehbar bestritten habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB auf Rückzahlung der Geschäftsführergehälter, da der Alleingesellschafter der Schuldnerin sein konkludentes Einverständnis damit erklärt habe, dass die Beklagte nicht unentgeltlich habe tätig sein sollen.

Gegen das ihm am 25.09.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger mit dem am 09.10.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit dem am 26.11.2012 (Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründung sind jeweils von Rechtsanwalt R€ unterzeichnet, der in dem auf den Schriftsätzen verwandten Briefkopf der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht aufgeführt ist.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter. Er meint, das Landgericht habe die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit verkannt. Die Schuldnerin habe bereits seit August 2007 über keine liquiden Mittel mehr verfügt. Demgegenüber hätten Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 14.759,20 €, bestehend aus den Forderungen der € Bank AG und der D€ GmbH, bestanden. Die € Bank AG habe ihre Forderung bereits im September 2007 fällig gestellt. Der objektive Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit sei damit eingetreten unabhängig von der Kenntnis der Beklagten von besagtem Schreiben der Bank. Die Forderung sei auch ernsthaft von der Gläubigerin eingefordert worden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Forderung der D€ GmbH ernsthaft bestritten worden sei. Die Beklagte habe diese Forderung nicht ernsthaft geprüft, sondern sich auf das bloße Bestreiten beschränkt. Zahlungsunfähigkeit sei damit bereits zu einem Zeitpunkt eingetreten, als die Beklagte noch nicht zur Liquidatorin bestellt worden sei. Etwaige, im Vermögen der Schuldnerin befindliche Gegenstände könnten nicht zu den liquiden Mitteln gerechnet werden, da deren Veräußerung nicht kurzfristig nach Eintritt der Zahlungsfähigkeit erfolgt sei, sondern erst im Februar 2008. In diesem Zusammenhang habe das Landgericht auch die Darlegungs- und Beweislast verkannt.

Fehlerhaft habe das Landgericht einen nachträglichen konkludenten Anstellungsvertrag der Beklagten als Geschäftsführerin angenommen. Hierzu habe es eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedurft, die vorgetragene Genehmigung des Alleingesellschafters sei nicht ausreichend. Schließlich habe sich das Landgericht auch nur unzureichend mit dem Verschulden der Beklagten befasst. Die Beklagte sei ihren Pflichten u. a. zur Erstellung einer Eröffnungsbilanz nicht nachgekommen. Anderenfalls wäre ihr von Anfang an klar gewesen, dass Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bestanden habe.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 32.686,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) ab Rechtshängigkeit (28.02.2012) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil der Schriftsatz betreffend Berufungseinlegung und -begründung nicht die erforderliche rechtswirksame Unterschrift trage. Es sei nicht erkennbar, ob der unterzeichnende Rechtsanwalt in seiner Funktion als Prozessbevollmächtigter des Klägers, als allgemein bestellter Vertreter nach § 53 BRAO oder als unterbevollmächtigter Rechtsanwalt unterzeichnet habe.

Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die von der € Bank AG geltend gemachte Forderung sei erst am 15.04.2008 fällig geworden. Es sei zudem unklar, ob die € Bank AG überhaupt eine Forderung gegen die Schuldnerin habe. Wer mit welcher Berechtigung das Konto für die Schuldnerin eröffnet und wer die Verhandlungen mit der € Bank AG hinsichtlich der Überziehung des Kontos geführt habe, sei ebenfalls unklar. Auch die Einwendungen gegen die Forderung der D€ GmbH seien berechtigt gewesen. Im Übrigen sei der Kläger mit Haftungsansprüchen nach GmbHG bereits deshalb ausgeschlossen, weil er gegenüber dem Insolvenzgericht derartige Ansprüche mehrfach verneint habe. Mit der Klageerhebung setze der Kläger sich in einen nicht nachvollziehbaren Widerspruch zu seinen Berichten an das Insolvenzgericht.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Klägervertreter erklärt, der Kläger habe noch Vermögensgegenstände der Schuldnerin in Besitz.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere formwirksam durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegt und begründet worden.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift als bestimmende Schriftsätze die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen (vgl. BGHZ 92, 251, 254 ff; BGH NJW 2008, 2508). Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Schriftsatz zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. BGH VersR 2006, 387; BGH NJW-RR 2012, 1139, Rn. 7; BGH NJW 2013, 237, Rn. 9). Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Schriftsätze betreffend Berufungseinlegung und -begründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein müssen (vgl. BGH NJW 2003, 2028; BGH NJW 2013, a.a.O.).

Gemessen an diesen Vorgaben genügt die Unterschrift des Rechtsanwalts R€ den Anforderungen an eine wirksame Unterzeichnung. Es besteht kein Zweifel daran, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt R€, der mittlerweile nach den Angaben des Klägers in die Anwaltssozietät, der der Kläger selbst angehört, eingetreten und nunmehr auf deren aktuellen Briefkopf ausdrücklich aufgeführt ist, ein beim Berufungsgericht postulationsfähiger Rechtsanwalt ist und auch die Verantwortung für den Inhalt der jeweiligen Schriftsätze übernommen hat, da die Unterschrift gerade nicht mehr dem Zusatz €i. A.€ versehen worden ist.

Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung und der Berufungsbegründung der unterzeichnende Rechtsanwalt R€ noch nicht im Briefkopf der Sozietät des Klägers aufgeführt war, steht dem nicht entgegen. Anders als in dem der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Kammergerichts (KG MDR 2008, 535) zugrunde liegenden Fall ist vorliegend aus den Umständen erkennbar, dass Rechtsanwalt R€ als Bevollmächtigter des Klägers den Schriftsatz unterschrieben hat, indem in beiden Schriftsätzen ausdrücklich ausgeführt wird, dass der Unterzeichnende €namens und in Vollmacht des Klägers und Berufungsklägers€ die Berufung eingelegt und begründet hat. Soweit die Beklagte die ordnungsgemäße Bevollmächtigung von Rechtsanwalt R€ bestreitet, hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass Rechtsanwalt R€ mittlerweile der Sozietät des Klägers angehört, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger jedenfalls eine etwaige vollmachtlose Vertretung genehmigt hat. Darüber hinaus hat Rechtsanwalt R€ im Termin zur mündlichen Verhandlung eine vom Kläger selbst unterzeichnete Prozessvollmacht vorgelegt.

2.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachten Zahlungsanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Zahlungen in Höhe von 32.686,52 € aus §§ 71 Abs. 4, 64 Abs. 2 GmbHG a. F.

aa)

Da die streitgegenständlichen Zahlungen, deren Rückerstattung der Kläger fordert, bis auf eine Ausnahme vor dem 01.11.2008 geleistet worden sind, findet § 64 GmbHG in der bis zum Inkrafttreten des MoMiG (01.11.2008) geltenden Fassung Anwendung.

bb)

Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten aus § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. ist, dass die Schuldnerin in dem Zeitraum vom 08.11.2007 bis zum 31.12.2008 zahlungsunfähig oder überschuldet war. Der Kläger hat eine in diesem Zeitraum allein in Betracht kommende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin jedoch nicht substantiiert vorgetragen.

(1)

Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO vor, wenn die Schuldnerin nicht in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Kann sie sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung ihrer fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel nicht beschaffen, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Zahlungsunfähigkeit und nicht mehr eine nur rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung vor. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke der Schuldnerin weniger als 10 % ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke der Schuldnerin 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist (vgl. BGHZ 163, 134, 139 ff; BGH ZIP 2006, 222 Rn. 27; BGH ZIP 2007, 1469 Rn. 37; BGH ZIP 2012, 1174 Rn. 10).

Zu berücksichtigen sind bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nur im insolvenzrechtlichen Sinne fällige Verbindlichkeiten. Eine Forderung ist dann zu berücksichtigen, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Hierfür genügen sämtliche fälligkeitsbegründenden Handlungen des Gläubigers, gleich ob die Fälligkeit aus der ursprünglichen Vertragsabrede oder aus einer nach Erbringung der Leistung übersandten Rechnung herrührt. Eine zusätzliche Rechtshandlung im Sinne eines Einforderns ist daneben entbehrlich. Dieses Merkmal dient allein dem Zweck, solche fälligen Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auszuschließen, die rein tatsächlich - also auch ohne rechtlichen Bindungswillen und erkennbare Erklärungen - gestundet sind (vgl. BGH WM 2009, 1202 Rn. 22; BGH GmbHR 2013, 482 Rn. 12 jeweils m.w.N.).

(2)

Ausgehend hiervon kann nach dem Vorbringen des Klägers nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin bei Veranlassung der streitgegenständlichen Zahlungen durch die Beklagte, also bereits im November 2007 zahlungsunfähig war.

Die Forderung der € Bank AG auf Ausgleich des bestehenden Saldos in Höhe von 8.797,47 € ist frühestens mit dem Wirksamwerden der Kündigung des Geschäftskontos zum 14.04.2008 fällig geworden. Dass die Bank diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt fällig gestellt hat, hat der Kläger nicht substantiiert darzulegen vermocht. Eine Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 05.09.2007, das in dem Kündigungsschreiben vom 15.02.2008 erwähnt wird und deren Zugang bei der Schuldnerin die Beklagte bestreitet, hat der Kläger nicht vorgelegt. Ohne Kenntnis des genauen Wortlautes des Schreibens vom 05.09.2007 kann nicht von einer Fälligstellung ausgegangen werden. Die Beklagte hat den Zugang eines Schreibens vom 05.09.2007 auch substantiiert bestritten, denn dem Schreiben der € Bank AG vom 28.02.2008 ist zu entnehmen, dass es durchaus vorgekommen ist, dass an die Schuldnerin adressierte Post diese nicht erreicht hat.

Im Übrigen hat der Kläger zu den Umständen, die zu der Überziehung des der Schuldnerin eingeräumten Kontokorrentkredites und damit zu einem Kündigungsgrund geführt haben sollen, und den in diesem Zusammenhang getroffenen Absprachen nicht hinreichend vorgetragen. Ausweislich des Schreibens der € Bank AG vom 31.03.2008 war der Schuldnerin in 2007 ein Überziehungskredit von 10.000,- € mündlich eingeräumt worden, wofür es mehrere Rückführungsabsprachen gegeben haben soll. Mit weiterem Schreiben vom 02.04.2009 hat die Bank mitgeteilt, besagte Geschäftsbeziehung sei mittlerweile beendet. Der der Schuldnerin eingeräumte Kreditrahmen war zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht überschritten. Der Kläger war im Rahmen der ihm obliegenden Darlegungslast betreffend Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gehalten zum €rechtlichen Schicksal€ dieser Forderung auf das Bestreiten der Beklagten näher vorzutragen. Er hat weder die Anmeldung der Forderung der Gläubigerin zur Insolvenztabelle belegt, noch hat er vorgetragen, die angemeldete Forderung geprüft und anerkannt zu haben.

Hinsichtlich der Forderung der D€ GmbH in Höhe von 6.729,15 € ist zwar davon auszugehen, dass die Forderung dieser Gläubigerin mit Ablauf der in dem Schreiben vom 07.11.2007 gesetzten Zahlungsfrist zum 21.11.2007 fällig und im Übrigen berechtigt war. Der als Anlage K 6 vorgelegten Übersicht über die Einnahmen der Schuldnerin aus Verkäufen von Kunstgegenständen ist jedoch zu entnehmen, dass innerhalb von drei Wochen nach dem 21.11.2007 die Schuldnerin Einnahmen von insgesamt 9.769,99 € generiert hat, denen im gleichen Zeitraum Ausgaben von 1.535,69 € gemäß der vorgelegten Anlage K 7 gegenüberstehen, so dass die Schuldnerin am 12.12.2007 noch über ein Barvermögen in Höhe von 8.198,60 € verfügte, aus dem sie die Forderung der D€ GmbH ohne weiteres hätte begleichen können. Dieses Barvermögen ist durch die weiteren, in der Anlage K 6 aufgeführten Verkaufserlöse in der Folgezeit sogar erheblich angestiegen. Somit beruhte die Nichtbegleichung der Forderung nicht auf Zahlungsunfähigkeit, sondern auf Zahlungsunwilligkeit, wie sich auch aus der von der Beklagten vorgelegten Korrespondenz mit der Gläubigerin ergibt.

Sonstige fällige Zahlungsverbindlichkeiten zulasten der Schuldnerin im November 2007 hat der Kläger nicht konkret vorgetragen. Eine Gegenüberstellung von insgesamt fälligen Verbindlichkeiten mit vorhandenen liquiden Mitteln zu besagtem Zeitpunkt hat der Kläger nicht vorgenommen. Hinsichtlich bestehender Mietrückstände ist unstreitig geblieben, dass der Vermieter im Hinblick auf die von der Schuldnerin vorgenommenen Einbauten von einer Geltendmachung noch ausstehender Mietzahlungen abgesehen hat.

(3)

Dem Vorbringen des Klägers ist auch nicht zu entnehmen, dass die Schuldnerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu einem späteren Zeitpunkt zahlungsunfähig geworden ist.

Unstreitig verfügte die Schuldnerin noch über Vermögen in Form von Kunstgegenständen. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats selbst eingeräumt, dass sich noch Vermögensgegenstände der Schuldnerin im Besitz des Klägers befinden. Der Kläger hat es jedoch versäumt substantiiert vorzutragen, um welche Gegenstände es sich konkret handelt und dass diese nicht kurzfristig innerhalb von drei Wochen hätten veräußert werden können, um liquide Mittel zu erlangen. Hierfür ist der Kläger, der die Zahlungsunfähigkeit geltend macht, darlegungs- und beweisbelastet. Dem Kläger obliegt hier eine verschärfte Darlegungslast aus zwei Gründen. Zum einen zeigt der durchschlagende Veräußerungserfolg der Beklagten laut Anlage K6, dass sich im Vermögen der Schuldnerin Kunstgegenstände befunden haben, die schnell und leicht auf dem Markt abzusetzen waren und zu erheblichem Geldzufluss führten. Dass es sich bei den in seinem Besitz befindlichen Kunstgegenständen um wertlose bzw. schwer absetzbare Gegenstände handelt, hat der Kläger nicht dargetan.

Zum zweiten hat der Kläger nach eingehender Prüfung der Geschäftsunterlagen der Schuldnerin in den Zwischenberichten vom 31.07.2009 und 03.02.2010 gegenüber dem Insolvenzgericht das Bestehen von Haftungsansprüchen gegen die Beklagte ausdrücklich verneint. Die Beklagte hat mehrfach auf das widersprüchliche Verhalten des Klägers hingewiesen. Der Kläger hat diesen Widerspruch nicht aufgeklärt.

(4)

Der Kläger kann sich im Streitfall auch nicht mit Erfolg auf die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO stützen. Danach wird Zahlungsunfähigkeit vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seinen fälligen, eingeforderten Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für die Annahme einer Zahlungseinstellung aus, auch wenn noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Sogar die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen (vgl. BGH, ZIP 2011, 1416 Rn. 12, 15; BGH ZIP 2012, 723 Rn. 13; BGH ZIP 2012, 1174, 1176 Rn. 25; BGH GmbHR 2013, 482 Rn. 6 jeweils m.w.N.).

Im Streitfall lässt sich nicht feststellen, dass die Forderung der D€ GmbH einen erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten der Schuldnerin ausgemacht hat, da der Kläger es verabsäumt hat, eine konkrete Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva der Schuldnerin vorzunehmen, sondern er sich zur Begründung der Zahlungsunfähigkeit allein auf die vermeintlichen, gegenüber der € Bank AG und der D€ GmbH bestehenden Verbindlichkeiten stützt. Unstreitig verfügte die Schuldnerin durch die kurzfristige Veräußerung von Kunstgegenständen im Dezember 2007/Januar 2008 noch über ausreichende Barmittel, wodurch belegt ist, dass die Nichtzahlung der Forderung der D€ GmbH nicht auf Zahlungsunfähigkeit, sondern auf Zahlungsunwilligkeit der Schuldnerin beruhte.

(5)

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Einzelfalls die Beklagte über das Ausmaß und den Umfang bestehender Verbindlichkeiten der Schuldnerin unverschuldet keine Kenntnis hatte, so dass selbst bei bestehender objektiver Zahlungsunfähigkeit der Beklagten kein Verschuldensvorwurf gemacht werden könnte. Zwar reicht für die Haftung aus §§ 71 Abs. 4, 64 Abs. 2 GmbHG a.F. grundsätzlich Fahrlässigkeit aus. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Dabei muss sich der Geschäftsführer, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH ZIP 2012, 1174, Rn. 15). Hier ist jedoch als Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Beklagte ohne ihr Verschulden über die erforderlichen Informationen in Unkenntnis war, nachdem der frühere Geschäftsführer S€ unstreitig sämtliche Geschäftsunterlagen der Schuldnerin vor seinem Tod vernichtet hatte. Es ist daher nicht ersichtlich, auf welche sonstige Weise die Beklagte sich über den Umfang der bestehenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin Kenntnis hätte verschaffen können. Ohne die entsprechenden Unterlagen war es der Beklagten auch nicht möglich, eine Liquidationsbilanz zu erstellen.

b) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Rückzahlung der entnommenen Geschäftsführer- bzw. Liquidatorengehälter in Höhe von 19.040,00 € aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 StGB zu.

Die Beklagte hat durch die Entnahme der Gehälter für die Monate bis März 2008 keine ihr obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Vielmehr stand ihr gem. §§ 675, 611, 612 BGB ein entsprechender Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für ihre Tätigkeit als Liquidatorin zu.

Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten ist ein entsprechender Anstellungsvertrag zustande gekommen. Der Abschluss eines Anstellungsvertrages kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen, indem der Geschäftsführer seine Tätigkeit aufnimmt und die Gesellschaft diese in Kenntnis, dass ein Geschäftsführer in der Regel seine Leistungen nicht unentgeltlich erbringt, entgegen nimmt (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 20. Aufl. § 35 Rn. 166). So liegt der Fall auch hier. Der Alleingesellschafter der Schuldnerin wusste und wollte, dass die Beklagte als Geschäftsführerin und später als Liquidatorin für die Schuldnerin tätig wurde. Zwar ist die Höhe der Vergütung der Beklagten nicht ausdrücklich vereinbart worden. In Ermangelung einer konkreten Vereinbarung gilt daher die übliche Vergütung als vereinbart (§ 612 Abs. 2 BGB). Dafür, dass der Alleingesellschafter der Schuldnerin davon ausging, dass die Beklagte unentgeltlich für die Schuldnerin tätig werden sollte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Da ein Geschäftsführer in der Regel nicht unentgeltlich tätig wird, wären Umstände, nach denen im Streitfall die Tätigkeit der Beklagten unentgeltlich erfolgen sollte, vom Kläger darzulegen und zu beweisen.

Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es für den formlosen Abschluss des Anstellungsvertrages keines ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses. Vielmehr kann der Vertrag bei einer Einmann-GmbH auch formlos außerhalb der Gesellschafterversammlung abgeschlossen werden (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner, a.a.O. § 46 Rn. 37). Dass sich die Höhe der Vergütung mit monatlich 3808,- € im üblichen Rahmen bewegt, ist vom Kläger nicht bestritten worden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Würdigung der besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls, sie hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).






Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 14.01.2014
Az: 6 U 155/12


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