Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Dezember 2009
Aktenzeichen: 26 W (pat) 106/08

(BPatG: Beschluss v. 09.12.2009, Az.: 26 W (pat) 106/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um einen Widerspruch bezüglich einer Markeneintragung. Die Markenstelle hatte ursprünglich die Eintragung einer Markenanmeldung mit dem Namen "LIGHTYLIFE" für alkoholfreie Getränke abgelehnt, da sie keine Verwechslungsgefahr mit einer älteren Marke gesehen hatte. Die Widersprechende, die ein Unternehmen für alkoholfreie Schaumweine betreibt, hatte dagegen Beschwerde eingelegt.

Das Gericht entschied, dass zwischen den beiden Marken eine Verwechslungsgefahr besteht. Die Marken "LIGHTYLIFE" und "LIGHT live" seien sich ähnlich und es bestehe ein hoher Grad an Ähnlichkeit zwischen den Waren. Die Widerspruchsmarke habe zudem eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, aufgrund ihrer Bekanntheit bei den Verkehrskreisen. Auch der Zeichenabstand zwischen den beiden Marken sei nicht ausreichend, um Verwechslungen zu vermeiden.

Aufgrund dieser Gründe wurde die Beschwerde der Widersprechende angenommen und der Schutz für die angegriffene Marke in Deutschland verweigert. Die Kosten des Verfahrens wurden der Markeninhaberin auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 09.12.2009, Az: 26 W (pat) 106/08


Tenor

Auf die Beschwerde wird unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 32 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. September 2008 der IR-Marke 838 629 der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für die Waren "Eaux minerales et gazeuses, et toutes boissons non alcooliques" verweigert.

Gründe

I Gegen die unter anderem für die Waren der Klasse 32 "Eaux minerales et gazeuses, et toutes boissons non alcooliques" international registrierte Wortmarke IR 838 629 LIGHTYLIFE ist aus der für die Waren

"Alkoholfreie Getränke, insbesondere schäumende Getränke aus entalkoholisierten Weinen"

eingetragenen prioritätsälteren Wort-/Bildmarke 302 00 216 Widerspruch erhoben und die Schutzentziehung für die Bundesrepublik Deutschland für die vorstehend beschriebenen Waren der Klasse 32 beantragt worden.

Mit Beschluss vom 8. September 2008 hat die Markenstelle für Klasse 32 IR des Deutschen Patentund Markenamts den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr mit der Begründung zurückgewiesen, angesichts teilweise identischer Warenverzeichnisse und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke -eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht -sei zwar ein deutlicher Zeichenabstand erforderlich, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Diesen halte die angegriffene Marke "LIGHTYLIFE" jedoch ein. In ihrem Gesamteindruck hebe sie sich von der komplexen Wort-/Bildmarke der Widersprechenden deutlich ab. So werde der Verkehr nicht nur den Namen des Produkts bei der Widerspruchsmarke zur Kenntnis nehmen, sondern auch darauf achten, aus welchem Hause der Sekt stammt. Der Zeichenvergleich sei in Bezug auf die Widerspruchsmarke daher nicht auf den Wortbestandteil "LIGHT live" zu beschränken. Doch selbst für den Fall einer prägenden Bedeutung von "LIGHT live" bestehe keine Verwechslungsgefahr. In klanglicher Hinsicht hebe sich die Widerspruchsmarke durch den eingeschobenen Buchstaben "Y" klar von der angegriffenen Marke ab. Hierdurch stünde der zweisilbigen Widerspruchsmarke "LIGHT live" die dreisilbige angegriffene Marke "LIGHTYLIFE" gegenüber. Auch die Vokalfolgen unterschieden sich deutlich ("ai -ai" im Vergleich zu "aiiai"), zumal das wie ein "I" auszusprechende "Y" der am hellsten klingende Vokal im Alphabet sei und dadurch klanglich besonders markant hervortrete. Hinzu komme, dass das Wort "LIGHT" für alkoholfreie Getränke glatt beschreibend sei, wohingegen "LIGHTY" durch das angehängte "Y" zu einem Phantasiewort werde. Dies führe auch dazu, dass die angegriffene Marke "LIGHTYLIFE" keinen verständigen Sinngehalt aufweise, der aus der Sicht des Verkehrs eine begriffliche Zeichenähnlichkeit begründen könnte.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Ihrer Auffassung nach werde die Widerspruchsmarke durch die Wortbestandteile "LIGHT live" geprägt. Für den Verkehr stelle sich "LIGHT live" als die einzige naheliegende Möglichkeit der Benennung der Marke dar. Die übrigen Wortund Bildbestandteile, auch der Firmenname der Widersprechenden, träten demgegenüber nur untergeordnet in Erscheinung. Eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke in der Vergangenheit, die die Marktführerschaft der Widersprechenden auf dem Gebiet der alkoholfreien Schaumweine mit annähernd 100 % Marktanteilen begründet habe, bewirke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft des Zeichens "LIGHT live". Vor diesem Hintergrund bestehe Verwechslungsgefahr mit der sich in klanglicher Hinsicht nur durch den eingeschobenen Buchstaben "Y", der insbesondere bei schneller Aussprache oder bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen leicht zu überhören sei, unterscheidenden angegriffenen Marke. Der Markenstelle sei auch nicht darin zu folgen, dass das eingefügte "Y" von der beschreibenden Bedeutung des Wortes "LIGHT" wegführe; in "LIGHTY" erkenne der Verkehr nämlich ohne weiteres eine verniedlichende Abwandlung von "LIGHT". Es bestehe auch Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung. Der Verbraucher sehe nämlich in dem Zeichen "LIGHTYLIFE" lediglich eine Abwandlung der ihm auf dem Gebiet der alkoholfreien Getränke bekannten älteren Widerspruchsmarke.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. September 2008 aufzuheben und der angegriffenen Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Widerspruchs zu versagen.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt. Im Verfahren vor der Markenstelle hat sie das Bestehen einer Verwechslungsgefahr bestritten.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht im Umfang der verfahrensgegenständlichen Warenverzeichnisse Verwechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Dies führt zur Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 32 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. September 2008 und zur Schutzentziehung der angegriffenen Marke in der Bundesrepublik Deutschland im von der Widersprechenden beantragten Umfang.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2007, 1066, 1067/1068 -Kinderzeit; GRUR 2006, 859, 860 -Malteserkreuz; GRUR 2006, 60, 61 -cocodrillo; GRUR 2005, 513, 514 -MEY/Ella May).

Auszugehen ist von einer Identität der sich gegenüberstehenden Waren "Eaux minerales et gazeuses" und "Alkoholfreie Getränke", zu denen -"insbesondere" auch die Waren "schäumende Getränke aus entalkoholiserten Weinen" zählen.

Die Widerspruchsmarke genießt zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Selbst wenn ihr aufgrund beschreibender Anklänge in den Wortbestandteilen "Non Alcoholic" im Sinne von "nichtalkoholisch" bzw. "LIGHT live" sowie der Firmenbezeichnung "S... AG" von Haus aus nur ge ringe Kennzeichnungskraft beizumessen sein sollte, ist diese im Streitfall aufgrund der Bekanntheit der Widerspruchsmarke bei den angesprochenen Verkehrskreisen, die mit den von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen belegt ist, überwunden. Die Widersprechende hat, ohne dass die Markeninhaberin dies bestritten hätte, durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung ihres Vorstandsmitglieds Dr. S... vom 22. Juli 2009 sowie der "Absatzentwicklung Alko holfreier Sekt im LEH" (Anlagen 2 und 3 zur Beschwerdebegründung vom 30. Juli 2009) sowie dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Werbebeispiel nachgewiesen, dass mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Produkte in den Jahren 2004 bis 2008 über einen Marktanteil beim Vertrieb schäumender Getränke aus alkoholfreiem Wein zwischen 76,9 % (2008) und 98,9 % (2005, also nahezu einer Monopolstellung) verfügten. Hierbei habe die Widersprechende seit dem Jahr 2004 stetig ansteigend im Jahr 2008 6.159.556 Flaschen "LIGHT live" abgesetzt und die Bekanntheit ihres Produkts durch erhebliche Werbeaufwendungen gefördert. Angesichts einer solch marktstarken Stellung kann der Widerspruchsmarke eine zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden.

Vor diesem Hintergrund bedarf es eines beträchtlichen Zeichenabstandes, um die Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden. Einen solchen ausreichenden Abstand hält die angegriffene Marke "LIGHTYLIFE" indes nicht ein. Der Widersprechenden ist darin zu folgen, dass der Wortbestandteil "LIGHT Live" in der Widerspruchsmarke eine selbständig kennzeichnende und prägende Stellung innehat. Aufgrund seiner Größe und der zentralen Platzierung in der Mitte des Etiketts wird der Verkehr, der erfahrungsgemäß ohnehin den Wortelementen einer Kombinationsmarke erhöhte Aufmerksamkeit schenkt, diesem Bestandteil mehr Beachtung widmen als den übrigen Markenbestandteilen und das solchermaßen gekennzeichnete Produkt als "LIGHT live" bezeichnen. Dem steht auch nicht entgegen, dass Angaben mit beschreibendem Anklang grundsätzlich nicht geeignet sind, eine sich aus mehreren Elementen zusammensetzende Marke selbständig zu prägen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. 2009, § 9 Rn. 283). Zwar wird der Begriff "LIGHT" im Zusammenhang mit den Waren im Sinne von "LIGHT"-Getränken beschreibend verwendet. In Kombination mit dem englischsprachigen Begriff "live", zum einen stehend für "leben", zum anderen aber auch für "lebendig", stellt sich "LIGHT live" allerdings als interpretationsfähige Bezeichnung dar, die in Verbindung mit der Bekanntheit dieser Produktbezeichnung innerhalb der Widerspruchsmarke eine prägende Stellung einnimmt. Der nicht ohne weiteres erkennbare Firmenname "S... AG" tritt demgegenüber (ebenso wie die weiteren Wortund Bildbestandteile der Widerspruchsmarke) in den Hintergrund und ist nicht geeignet, der Widerspruchsmarke eine mitprägende Bedeutung zu geben.

Im Zeichenvergleich stehen sich daher die angegriffene Marke "LIGHTYLIFE" und der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke "LIGHT live" gegenüber. Der im Mittelteil der angegriffenen Marke auftretende Buchstabe "Y", der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet, reicht nicht aus, um eine Kollisionsgefahr in klanglicher Hinsicht, die für die Feststellung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr genügt (vgl. Ströbele/Hacker, a.a. O., § 9 Rn. 183 m. w. N.), zu beseitigen. Zwar weisen die Vergleichsmarken eine unterschiedliche Anzahl von Silben auf -"LIGHT live" ist aus zwei Silben gebildet, "LIGHTYLIFE" enthält drei Silben -. Auch ist die Vokalfolge nicht identisch ("aiai" im Vergleich zu "aiiai"). Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verkehr die Marken miteinander verwechselt. Zum einen gilt der Erfahrungssatz, wonach der Verkehr im Allgemeinen dem Wortanfang mehr Beachtung schenkt als den übrigen Wortbestandteilen (vgl. BGH GRUR 2003, 1047, 1049 -Kellogg`s/Kelly`s; GRUR 2002, 1067, 1070 -DKV/OKV; GRUR 1999, 735, 736 -MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 1998, 924, 925 -salvent/Salventerol). Zum anderen sind wenig auffällige Abweichungen im Wortinneren in der Regel, vor allem bei längeren Worten bzw. Wortkombinationen, nicht geeignet, Verwechslungen der Marken zu verhindern (vgl. BGH a. a. O. -Kellog`s/Kelly`s, S. 785; BGH GRUR 2004, 783, 785 -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Ohnehin ist beim Zeichenvergleich grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl. BGH a. a. O. -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX, S. 785). Hinzu kommt, dass die Zwischensilbe "-THY" (ausgesprochen als "thi") nicht betont wird und damit im Gesamtklangbild der angegriffenen Marke, das von den beiden anderen Silben dominiert wird, nicht markant in Erscheinung tritt. Schließlich nimmt der Verkehr in klanglicher Hinsicht auch nicht wahr, dass einem Einwortzeichen ("LIGHTYLIFE") ein aus zwei Wörtern gebildeter Begriff ("LIGHT live") gegenübersteht. "LIGHTYLIFE" wird ebenfalls ausgesprochen, als bestünde der Begriff aus zwei Wörtern ("LIGHTY" und "LIFE").

Der Fall bietet keinen Anlass, vom Grundsatz, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), abzuweichen.

Dr. Fuchs-Wissemann Reker Lehner Bb






BPatG:
Beschluss v. 09.12.2009
Az: 26 W (pat) 106/08


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