Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 18. März 2005
Aktenzeichen: 11 K 7198/04

(VG Köln: Urteil v. 18.03.2005, Az.: 11 K 7198/04)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin ist Herstellerin von sog. Dialern. Dabei handelt es sich um Programme, die die Abrechnung kostenpflichtiger Dienste im Internet ermöglichen. Ein solches Dialer-Programm stellt den Zugriff auf die entsprechenden Webseiten im Internet durch die Anwahl einer Mehrwertdiensterufnummer her; dadurch ist die Ab- rechnung des Dienstes unmittelbar über die Telefonrechnung des Nutzers möglich.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten zwischen dem 11. März 2004 und dem 1. April 2004 mit verschiedenen Anträgen die Registrierung von insgesamt 4.458 Dialern. Neben einer Beschreibung und weiteren Angaben zum Dialerprogramm sowie Daten bezüglich des Inhalteanbieters fügte sie den Anträgen Rechtskonformitätserklärungen bei. In diesen heißt es: "Als Registrierungsverpflich- teter erkläre ich, dass das von mir verwendete Programm mit den gesetzlichen Vor- schriften übereinstimmt und diese nicht unterläuft sowie die für Anwählprogramme definierten Mindestanforderungen entsprechend der Verfügung Nummer 54 im Amtsblatt der RegTP Nummer 24/03 erfüllt." Die Wirkungsweise der Dialer beschrieb die Klägerin folgendermaßen: "Nachdem der User zahlungspflichtigen Content angeklickt hat, wird über ein neues Fenster die explizite Zustimmung zum Bezug der Zugangssoftware per Tasteneingabe ‚OK' angefragt. Beim Start des Programms wird die explizite Zustimmung zum Programmstart der Zugangssoftware per Tasteneingabe ‚OK' angefragt. Danach erhält der User Informationen über den jeweiligen Tarif, Nummer, Deinstallation, AGB und Nutzungskonditionen, Inhalteanbieter, Hashwert, Konfiguration der DFÜ und Firma. Vor einem Verbin- dungsaufbau muss der User seine explizite Zustimmung per Tasteneingabe ‚OK' ge- ben, um die Verbindung herzustellen und die entstehenden Kosten zu akzeptieren. Nach max. einer Stunde wird die Verbindung automatisch getrennt, während der kos- tenpflichtigen Sitzung hat der User stets Übersicht über die entstandenen Kosten und die Möglichkeit zum Abbruch. Die Windows-Registry notiert die Anwendungen. Die Zugangssoftware und die entsprechenden Daten in der Registry werden bei der Deinstallation gelöscht."

Die Dialer wurden von der Beklagten durch Registrierungsbescheide mit den Antragsnummern registriert. Dabei wurden die Antragsunterlagen auf Widersprüche zu den Mindestanforderungen überprüft, nicht jedoch die Dialer selbst im einzelnen untersucht.

Aufgrund von Beschwerden von Nutzern und im Zuge eigener Ermittlungen führte die Beklagte stichprobenartige Untersuchungen der Dialer durch und gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass diese in mehreren Punkten den Mindestanforderungen nicht entsprachen. Mit Verfügung vom 23. April 2004 nahm sie daraufhin die Registrierungsbescheide hinsichtlich aller von der Klägerin registrierten Dialer rückwirkend auf den Erlasszeitpunkt des Bescheides zurück.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Registrierung der Dialer sei rechtswidrig erfolgt, da die Dialer die Mindestanforderungen aus der Verfügung 54/2003 nicht erfüllten. Die Dialer enthielten keine sog. "Wegsurfsperre"; es sei vielmehr möglich, bei Weiterbestehen der Verbindung zu der Mehrwertdiensterufnummer andere, freie Internetangebote aufzusuchen. Im Dialerfenster erfolge die Angabe des Preises ohne den Zusatz "aus dem deutschen Festnetz". Die Dialer enthielten neben der deutschen Mehrwertdiensterufnummer noch weitere teilweise ausländische Rufnummern, die aufgrund der vorangestellten jeweiligen internationalen Vorwahl auch aus Deutschland zu erreichen seien. Der Hashwert des Dialers, die angewählte Rufnummer sowie die Versionsnummer seien für den Nutzer erst nach dem Klick auf einen Link ersichtlich. Da die Beschreibung der Wirkungsweise bei allen Anträgen auf Registrierung identisch sei, sei davon auszugehen, dass alle registrierten Dialer eine identische Funktionalität aufwiesen. Die Rücknahme der Registrierungsbescheide sei erforderlich, um eine Marktver- wirrung zu verhindern und den Verbraucherschutz schnellstmöglich und effektiv zu verwirklichen. Ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin bestehe nicht, da sie den Registrierungsbescheid durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig gewesen seien. Die Rücknahme der Registrierungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit sei notwendig, um den Anschein einer Zahlungspflicht für den Zeitraum zwischen Registrierung und Rücknahme der Registrierung zu vernichten. Da Gefahr im Verzug gewesen sei, sei von einer Anhörung der Klägerin abgesehen worden.

Die Klägerin legte am 21. Mai 2004 Widerspruch ein, mit dem sie im Wesentlichen geltend machte: Es sei nicht zutreffend, dass sämtliche Dialer dieselbe Wirkungsweise aufwiesen. Zwar hätten alle Dialer den gleichen pauschalen Verfahrensablauf, so dass auch die Erklärungen identisch seien; in der konkreten technischen Ausprägung seien die Dialer jedoch unterschiedlich. Dies sei zum einen technisch bedingt, da die Klägerin die Einwahl-Software ständig weiterentwickele, und zum anderen habe die Klägerin aus dem Verfahren der Firma N. (11 K 1552/04) den Schluss gezogen, dass es aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlenswert sei, dass nicht alle Dialer absolut identisch und deckungsgleich seien. Es sei auch unzutreffend, dass die Dialer keine Wegsurfsperren enthielten. Vielmehr würden je nach Typ und Art des Dialers unterschiedliche Wegsurfsperren betrieben. Zum Beispiel würden Positiv- und Negativlisten geführt, die die Seiten enthielten, die der Nutzer ansurfen bzw. nicht ansurfen könne, wenn er sich im Premium-Bereich befinde. In absoluten Einzelfällen könne es bei einigen wenigen Dialern dazu kommen, dass die jeweiligen Projekte-Inhaber falsche Webadressen in die Positiv- Liste aufgenommen hätten, so dass der Nutzer auch außerhalb des eigentlich gewollten Premium-Bereiches surfen könne. Die Klägerin sei bereit, bei diesen einzelnen Dialern die Registrierungsanträge zurückzuziehen. Die übrigen seien selbstverständlich rechtskonform. Zudem seien auch Dialer betroffen, bei denen der Nutzer 30,- EUR pro Einwahl zahle; bei diesen Dialern sei unerheblich, wie lange der Nutzer online bleibe und auf welchen Seiten er sich bewege; Sinn und Zweck der Wegsurfsperre würden daher bei diesen Dialern nicht erreicht. Im Übrigen entwickele die Klägerin die Wegsurfsperren ständig technisch weiter; eine 100%ig sichere Wegsurfsperre sei jedoch aus technischen Gründen nicht möglich. Auch die Beanstandung, dass die Angabe des Preises ohne den Zusatz "aus dem deutschen Festnetz" erfolge, gehe fehl. Zum einen seien die Dialer auch insofern nicht deckungsgleich, so dass die Vermutung nahe liege, dass es sich um produktionsbedingte technische Ausreißer handele, die nicht dem normalen Standard-Dialer der Klägerin entsprächen. Zum anderen handele es sich bei dieser in § 43b Abs. 1 und Abs. 2 TKG geregelten Voraussetzung um keine Mindestanforderung für Dialer, da diese Mindestanforderungen abschließend in § 43b Abs. 5 TKG und den entsprechenden Ausführungsbestimmungen geregelt seien. Eine derartige Voraussetzung sei zudem sinnlos, da eine Dialer-Einwahl außerhalb des deutschen Festnetzes technisch nicht durchführbar sei. Sollten einige wenige der Dialer weitere Rufnummern enthalten, werde die Klägerin von sich aus ihren Antrag zurückziehen. Hinsichtlich des Hashwertes sei nicht nachvollziehbar, worin der Verstoß gegen die Verfügung 54/03 liegen solle. Die Software der Klägerin stelle sogar, ohne hierzu verpflichtet zu sein, dem Nutzer die Möglichkeit bereit, mittels eines einfach anzuklickenden Links die Registrierungsdaten bei der Regulierungsbehörde nachzuprüfen. Dem Nutzer müsse lediglich die Gelegenheit gegeben werden, den Hashwert zu überprüfen. Es sei nicht ersichtlich, warum die Benutzung eines Links hiergegen verstoßen sollte. Soweit die Beklagte vortrage, dass auch die Versionsnummer und die Dialernummer nicht ordnungsgemäß angezeigt worden seien, sondern in einem Extra-Feld gestanden hätten, könne dies durchaus für vereinzelte Dialer zutreffen, keinesfalls aber für alle beanstandeten Dialer. In der Verfügung 54/03 stehe zudem keineswegs, dass diese Angaben im ersten Zustimmungsfenster platziert sein müssten. Es sei zumutbar, dass der Nutzer auf einen Link klicken müsse, um an die betreffenden Informationen zu kommen. Die Rücknahme sei zudem ermessensfehlerhaft, unverhältnismäßig und formell fehlerhaft, da die Klägerin nicht angehört worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte ergänzend aus: Da bei sämtlichen durch die Beklagte durchgeführten Überprüfungen die beanstandeten Mängel festgestellt worden seien, sei die Behauptung, es handele sich bei allen überprüften Dialern um Ausreißer, unglaubwürdig und nicht lebensnah. Der Rückschluss von den überprüften Dialern auf die übrigen Dialer sei zulässig, weil zum einen die zu allen betroffenen Dialern gelieferte Beschreibung der Wirkungsweise identisch sei und weil zum anderen bei Dialern mit übereinstimmender Grundversionsnummer auch auf die gleiche Funktionalität geschlossen werden könne. Es seien Dialer der Softwareversionen 1.1.1 und 1.1.2 überprüft worden; bei der niedrigeren nichtüberprüften Grundversionsnummer 1.1.0 sei kein anderer Schluss zulässig, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Dialer mit einer niedrigeren Grundversion die Mindestanforderungen der Verfügung 54/2003 besser einhalte als ein Dialer einer jüngeren und damit fortgeschritteneren Softwareversion. Eine funktionierende Wegsurfsperre sei realisierbar. Der Klägerin müssten nach ihren Angaben zum Geschäftsmodell die Adressen des Premiumbereichs sämtlich bekannt sein, so dass sich eine Positivliste erstellen lasse. Darüber hinaus sei es technisch offensichtlich möglich, den Premiumbereich für Kunden zu sperren, die sich nicht über einen Dialer eingewählt hätten, was voraussetze, dass die URLs des Premiumbereichs bekannt seien. Schließlich habe die Überprüfung eines anderen Anbieters ergeben, dass eine zuverlässige Wegsurfsperre realisierbar sei, durch die jedenfalls das Wegsurfen eines durchschnittlich verständigen Computernutzers verhindert werden könne. Der Hinweis, bei der Vorgabe des § 43 b Abs. 1 Satz 3 TKG handele es sich nicht um eine für Dialer geltende Mindestanforderung, gehe fehl, da es sich hierbei um eine gesetzliche Vorgabe handele. Die Regelung über die Mitteilung des Hashwertes, der Versionsnummer und der Mehrwertdiensterufnummer sei eindeutig; das Verbergen dieser Angabe hinter einem Link genüge nicht.

Die Klägerin hat am 6. Oktober 2004 unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren Klage erhoben. Die Beklagte habe bis zum heutigen Tage nicht erklärt, welcher oder welche Dialer überprüft worden seien, so dass die Klägerin keine weiteren Nachforschungen habe anstellen können.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2004 und den Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft die Ausführungen aus den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Klägerin eingeräumt habe, dass es von ihr bereitgestellte Dialer gebe, die die beanstandeten Mängel enthielten. Dies beweise bereits, dass die Klägerin in den Konformitätserklärungen wahrheitswidrige Angaben gemacht habe. Selbst wenn die Dialer in ihrer Funktionsweise unterschiedlich sein sollten, so wäre es gem. C VII der Verfügung 54/2003 Aufgabe der Klägerin gewesen, diese exakt zu beschreiben, was auch unterscheidbare Registrierungen zur Folge gehabt hätte. Da dies nicht geschehen sei, liege der Schluss nahe, dass die Funktionsweise aller zu registrierenden Dialer identisch sei. Die Argumentation der Klägerin zur Wegsurfsperre gehe fehl. Wenn sie eine wirksame Wegsurfsperre nicht realisieren könne, führe dies nicht dazu, dass sie Dialer ohne eine solche Sperre anbieten dürfe, sondern dazu, dass sie Dialer bis zur Implementierung einer solchen Lösung überhaupt nicht mehr anbieten dürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ermächtigungsgrundlage für den Rücknahmebescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen vor, da die Bescheide, durch die die Dialer registriert worden sind, sich als rechtswidrig erwiesen haben.

Die Registrierungsbescheide beruhen auf § 43b Abs. 5 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718); gemäß § 152 Abs. 1 S. 2 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) findet diese Norm weiterhin Anwendung, da eine Rechtsverordnung nach § 66 Abs. 4 TKG bisher nicht erlassen worden ist. Ge- mäß § 43b Abs. 5 TKG dürfen Anwählprogramme über 0190er- oder 0900er- Mehrwertdiensterufnummern (Dialer) nur eingesetzt werden, wenn diese vor Inbetriebnahme bei der Regulierungsbehörde registriert werden, von ihr vorgegebene Mindestvoraussetzungen erfüllt sind und ihr gegenüber schriftlich versi- chert wird, dass eine rechtswidrige Nutzung ausgeschlossen ist. Programmänderungen führen zu einer neuen Registrierungspflicht. Die Regulierungsbehörde regelt die Einzelheiten des Registrierungsverfahrens und den Inhalt der abzugebenden schriftlichen Versicherung. Letzteres ist durch die Verfügung Nr. 54/2003 zu § 43b Abs. 5 und Abs. 6 TKG, veröffentlicht im Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Nr. 24/2003, S. 1314 ff., erfolgt.

Ausweislich einer Pressemitteilung der Beklagten vom 18. März 2005 sind am 17. März 2005 für Neuregistrierungen verschärfte Vorgaben in Kraft getreten; alte Dialer, welche die neuen Vorschriften nicht erfüllen, dürfen noch bis zum 16. Juni 2005 übergangsweise verwendet werden.

Bei dieser "Verfügung" der Beklagten handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift ohne Gesetzesqualität. Sie ist insofern nicht anders zu behandeln als die Regeln für die Zuteilung von Rufnummern, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenfalls als Verwaltungsvorschriften anzusehen sind.

BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 6 B 60.03 -, MMR 2004, 345 = NVwZ 2004, 623..

Ein Verstoß gegen die in dieser Verwaltungsvorschrift definierten Mindestanforderungen führt zur Rechtswidrigkeit des jeweiligen Bescheides. Dies ergibt sich zum einen bereits aus der gesetzlichen Formulierung des § 43b Abs. 5 TKG, wonach eine Registrierung die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen erfordert; des Weiteren sind die Mindestvoraussetzungen auch Bestandteil der jeweiligen Registrierungsbescheide geworden, da in diesen darauf hingewiesen wird, dass die Registrierung nach § 43b Abs. 5 TKG in Verbindung mit der Verfügung Nr. 54/2003 erfolgt.

Vgl. zur Rufnummernzuteilung VG Köln, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 11 L 1829/01 -, NVwZ-RR 2002, S. 605 f.

Vor diesem Hintergrund sind die jeweiligen Registrierungsbescheide rechtswidrig, weil die in der Verfügung Nr. 54/2003 niedergelegten Voraussetzungen von den Dialern der Klägerin in mehrfacher Hinsicht nicht eingehalten werden.

Die Dialer der Klägerin verfügen zunächst nicht über eine sog. "Wegsurfsperre". Gemäß Abschnitt B IV Nr. 4 der Verfügung Nr. 54/2003 müssen über Anwählprogramme hergestellte entgeltpflichtige Verbindungen bei Nutzung von Angeboten, die entweder nicht entgeltpflichtig bzw. niedriger bepreist sind, beendet oder die Vermittlung zu solchen Angeboten muss verhindert werden (z.B. "Wegsurfsperre"). Derartige Schutzvorkehrungen sind bei den Dialern der Klägerin nicht festzustellen. Das Fehlen einer wirksamen Wegsurfsperre wird von der Klägerin letztlich auch selbst eingeräumt, da sie vorgetragen hat, eine 100%ig sichere Wegsurfsperre sei aus technischen Gründen nicht möglich. Diese Erklärung lässt nur den Schluss zu, dass keiner der von der Klägerin bereitgestellten Dialer in dieser Hinsicht einen sicheren Schutz aufweist; auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Dialer funktionsgleich sind, kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an.

Der damit festgestellte Verstoß gegen die von der Beklagten definierten Mindestanforderungen ist auch nicht deswegen unerheblich, weil von der Klägerin etwas rechtlich Unmögliches verlangt würde. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, warum es z.B. unmöglich sein sollte, in die offenbar bereits verwendeten Positivlisten alle diejenigen Internetseiten aufzunehmen, die der Nutzer innerhalb des "Premiumbereichs" ansurfen darf. Dem steht auch nicht entgegen, dass die kostenpflichtig angebotenen Inhalte - wie die Klägerin ausführt - "an unterschiedlichen Orten im Web" liegen; denn auch in diesem Fall müssen der Klägerin bzw. dem Betreiber des jeweiligen Internetangebotes die jeweiligen Adressen bekannt sein bzw. es muss eine Übersicht über diejenigen Internetseiten bestehen, die zum jeweiligen kostenpflichtigen "Premiumbereich" gehören. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, warum nicht z.B. im Dialer eine Filterfunktion implementiert werden kann, die lediglich das Ansurfen der in der Positivliste festgelegten "erlaubten" Adressen ermöglicht.

Unabhängig davon steht es nicht im Belieben der Klägerin, ein technisches Konzept für die Speicherung und Präsentation der Inhalte zu wählen und sich dann darauf zu berufen, dass dieses - wie hier angeblich aufgrund der Aufteilung der Inhalte auf unterschiedliche Orte im Web - eine Wegsurfsperre nicht ermögliche. Die Klägerin darf vielmehr umgekehrt aufgrund der Anforderungen der Beklagten nur solche Dialer anbieten, die eine wirksame Wegsurfsperre vorsehen. Sie muss dabei in Kauf nehmen, dass möglicherweise die Verwaltung und Speicherung der kostenpflichtig abgerechneten Inhalte an die Bedürfnisse des Dialers angepasst werden müssen.

Ebenfalls nicht überzeugend ist die Ansicht der Klägerin, der Schutzzweck der "Wegsurfsperre" werde nicht erreicht bei blockweise tarifierten Dialern, bei denen der Nutzer einen bestimmten Eurobetrag pro Einwahl zu bezahlen habe. Zunächst führt der Hinweis der Klägerin, bei diesen Dialern könne eine Wegsurfsperre sogar schaden, weil eine Verbindungsunterbrechung beim Wegsurfen möglicherweise eine teure Neueinwahl erforderlich mache, nicht zu Zweifeln an der Geeignetheit der von der Beklagten festgelegten Mindestanforderungen. Denn die Verfügung der Beklagten sieht in diesem Fall nicht zwingend eine Verbindungsunterbrechung vor, sondern nennt ausdrücklich auch die Möglichkeit, eine Vermittlung zu anderen Angeboten zu verhindern. Hierdurch kann ein unbeabsichtigtes "Wegsurfen" mit anschließender erneuter kostenpflichtiger Einwahl verhindert werden. Des Weiteren ist ein Geschäftsmodell, bei dem es dem Nutzer erlaubt wird, bei einer einmaligen blockweisen Tarifierung von beispielsweise 30,- EUR zeitlich unbegrenzt auch auf anderen Internetseiten zu surfen, kaum vorstellbar, da dies dem Angebot einer sog. "Flatrate" gleichkäme. Ungeachtet aller Rechtsfragen obläge es daher zunächst der Klägerin, ein zulässiges Geschäftsmodell aufzuzeigen, bei dem die von ihr angesprochenen Probleme relevant werden könnten. Die Kam- mer weist insofern vorsorglich darauf hin, dass das von der Klägerin offenbar prak- tizierte Modell, für eine 30minütige Verbindung 29,95 EUR abzurechnen (so z.B. unter www.w. .de - Verwaltungsvorgang Bl. 209 -, und unter www.n. de - Verwaltungsvorgang Bl. 276), gegen § 43b Abs. 3 Satz 2 TKG verstößt, da es sich hier um eine zeitabhängig abgerechnete Dienstleistung handelt, bei der die Abrechnung jedoch nicht höchstens im Sechzigsekundentakt erfolgt und damit unzulässig ist.

Die von der Klägerin hergestellten Dialer erfüllen des Weiteren auch insofern nicht die von der Beklagten festgelegten Mindestanforderungen, als sie nicht nur eine Rufnummer enthalten. Wie sich aus verschiedenen Bestimmungen der Verfügung 54/2003 ergibt (z.B. B II Nr. 5, III Nr. 9: Verwendung des Begriffs "die Mehrwertdiensterufnummer" jeweils im Singular) darf in dem Anwählprogramm nur eine Mehrwertdiensterufnummer vorgesehen sein. Hiergegen hat die Klägerin insofern verstoßen, als die Beklagte bei ihren Stichproben festgestellt hat, dass die Dialer der Klägerin auch weitere, teilweise ausländische Rufnummern enthalten.

Ferner erfüllen die Dialer der Klägerin nicht die Anforderungen, die an die Anzeige des Hashwertes, der Versionsnummer und der Rufnummer zu stellen sind. Gemäß B II Nr. 4 der Verfügung 54/2003 muss der Hashwert (= elektronischer "Fingerabdruck") dem Nutzer beim Bezug des Anwählprogramms ohne Anforderung durch den Nutzer entgeltfrei mitgeteilt werden. Hiergegen verstoßen die Dialer der Klägerin, da in diesen der Hashwert erst nach dem Anklicken eines Links und damit erst nach gesonderter Anforderung ersichtlich ist. Gemäß B II Nr. 3 und 5 der Verfügung müssen die Versionsnummer des Anwählprogramms und die angewählte Mehrwertdiensterufnummer "offensichtlich und eindeutig erkennbar" sein. Angaben, die erst nach dem Anklicken eines Links angezeigt werden, sind hiermit nicht vereinbar. Entgegen dem Eindruck, den die Klägerin zu erwecken versucht, entspricht es nämlich durchaus nicht der Vorgehensweise eines durchschnittlichen Internetnutzers, Felder mit der Bezeichnung "Einstellungen", "Info" oder "AGB" anzuklicken, weil die dort normalerweise zu erwartenden Informationen für den Durchschnittsnutzer in aller Regel nicht relevant sind. Hinter einem derartigen Link verborgene Angaben sind daher weder offensichtlich noch eindeutig erkennbar.

Die Dialer der Klägerin verstoßen schließlich insofern gegen gesetzliche Regelungen, als sie bei der Preisangabe nicht den Zusatz "aus dem deutschen Festnetz" enthalten. Die Form der Preisangabe für Mehrwertdiensterufnummern ist im Einzelnen in § 43b Abs. 1 und Abs. 2 TKG geregelt. Diese Vorschrift gilt nach der Gesetzessystematik sinngemäß auch für Dialer, da durch diese Anwählprogramme definitionsgemäß Mehrwertdiensterufnummern angewählt werden, § 43b Abs. 5 TKG. Die Bestimmungen in Abschnitt B III Nr. 6 und IV Nr. 7 der Verfügung 54/2003, die die Anzeige von Tarif- und Entgeltinformationen im Einzelnen regeln, müssen mit der gesetzlichen Bestimmung des § 43b Abs. 1 TKG übereinstimmen bzw. sind in deren Sinne auszulegen. Die Klägerin ist daher nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung verpflichtet, bei der Preisangabe darauf hinzuweisen, dass es sich um einen deutschen Festnetzpreis handelt. Ob wegen der von der Klägerin geltend gemachten Besonderheiten der Dialerein- wahl allein auf einen solchen formalen Verstoß eine Untersagungsverfügung gestützt werden könnte, kann die Kammer offen lassen, da die Dialer der Klägerin - wie oben dargelegt - auch in weiteren Punkten gegen die von der Beklagten formulierten Min- destanforderungen verstoßen.

Der grundsätzliche Einwand der Klägerin, dass die Beklagte von den Mängeln der stichprobenartig getesteten Dialer nicht auf die Eigenschaften der übrigen Dialer hätte schließen dürfen, greift ebenfalls nicht durch. Denn nach den Umständen des Falles oblag es der Klägerin nachzuweisen, welche der von ihr hergestellten Dialer den Mindestanforderungen der Beklagten in vollem Umfang gerecht werden.

Zwar ist eine dem Zivilprozessrecht vergleichbare Behauptungs- und Beweislast dem Verwaltungsprozess aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) fremd. Es kann allerdings auch im Verwaltungsprozess eine Situation eintreten, in der entscheidungserhebliche Tatsachen unerweislich bleiben, sei es weil eine weitere Aufklärung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder aber weil sie - wie hier - mit unverhältnismäßig großem Aufwand verbunden wäre. In einer solchen nonliquet-Situation trägt nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen bei einer Anfechtungsklage gegen einen Rücknahmebescheid die Behörde die Beweislast hinsichtlich der die Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Verwaltungsaktes begründenden Tatsachen.

Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, § 108 Rn. 15 m.w.N.

Der Behörde kommt insoweit aber zugute, wenn eine tatsächliche Vermutung für eine Tatsachenfeststellung spricht, d.h. wenn eine auf einer allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Tatsachenlage besteht, die nicht widerlegt worden ist.

Kopp/Schenke, a.a.O., § 108 Rn. 18a.

Ferner gilt eine Ausnahme, wenn bestimmte Vorgänge derart in die Sphäre einer Partei fallen, dass die andere Partei vor unzumutbaren Beweisschwierigkeiten stehen würde, wenn sie für diese Vorgänge die Beweislast trüge.

BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979 - IV C 52.76 -, DÖV 1979, S. 602/603.

Diese Ausnahmetatbestände liegen hier vor. Zunächst spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Annahme der Beklagten. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sämtliche Dialer der Klägerin fehlerhaft sind. Die Beklagte durfte aufgrund der Ergebnisse der von ihr durchgeführten Untersuchungen auf die Fehlerhaftigkeit der übrigen Dialer schließen. Alle von der Beklagten untersuchten Dialer wiesen ausnahmslos Mängel auf. Da die Klägerin die Funktionalität der Dialer in den Registrierungsanträgen einheitlich beschrieben hat, war daher nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss zulässig, dass auch die nicht getesteten Dialer die festgestellten Mängel aufweisen.

Diese Annahme hat die Klägerin weder widerlegt noch erschüttert.

Zunächst sind die Angaben der Klägerin, nur wenige Dialer seien fehlerhaft, die überwiegende Mehrzahl stehe dagegen mit den Mindestanforderungen der Beklagten in Einklang, bereits nicht glaubhaft. "Technische Ausreißer", wie sie von der Klägerin im Hinblick auf die festgestellten Mängel behauptet werden, sind bei Software kaum denkbar. Werden Programme - zur Herstellung einer identischen Funktionalität - zur Vervielfältigung lediglich kopiert, so ist ein "technischer Ausreißer" beim Kopiervorgang, der zu einer anderen als der beabsichtigten Funktionalität führen könnte, nicht vorstellbar. Werden Programme dagegen zum Zweck der Fortentwicklung teilweise umgeschrieben, so sind Programmierfehler zwar möglich; es ist jedoch ebenfalls technisch nicht vorstellbar, dass derartige Fehler nicht nur zu einem Versagen des Programmes oder einzelner seiner Funktionen führen, sondern zu neuen, vom Programmierer nicht beabsichtigten Funktionen, im vorliegenden Fall also z.B. zum Vorhandensein weiterer Rufnummern oder zum Verbergen wesentlicher Angaben hinter einem Link.

Des Weiteren hat die Klägerin bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen einzigen Dialer benannt, der die Mindestanforderungen der Beklagten in vollem Umfang erfüllt. Diese Obliegenheit bestand aber für die Klägerin umso mehr, als es sich hier um Umstände handelt, die eindeutig in ihre Sphäre fallen und deren Aufklärung die Beklagte vor unzumutbare Beweisschwierigkeiten stellen würde. Die Beklagte durfte ihre Tätigkeit angesichts der hohen Zahl registrierter Dialer darauf beschränken, Hinweisen von Verbrauchern auf den Einsatz unzulässiger Dialer im Einzelfall nachzugehen. Darüberhinausgehend ist es der Beklagten weder vom technischen noch vom personellen Aufwand her zumutbar, mehrere tausend Dialer daraufhin zu untersuchen, ob sie die relativ komplizierten Anforderungen der Verfügung Nr. 54/2003 zuverlässig einhalten. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die Beklagte sich zunächst alle von der Klägerin hergestellten Dialerprogramme beschafft - im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Zahl von 4.458 Programmen - und diese sodann anhand eines mehrseitigen Ermittlungsprotokolls (vgl. beispielsweise das Ermittlungsprotokoll auf Bl. 219-222 des Verwaltungsvorgangs) überprüft. Dies gilt umso mehr, als sich die Dialer nach dem Vortrag der Klägerin technisch voneinander unterscheiden, was aus Sicht der Beklagten, die mit den technischen Einzelheiten der Herstellung und Weiterentwicklung der Dialer nicht vertraut ist, eine Überprüfung jedes einzelnen Dialers erforderlich machen würde. Umgekehrt ist es der Klägerin mit deutlich geringerem Aufwand möglich, die von ihr hergestellten Dialer auf ihre Rechtskonformität hin zu überprüfen bzw. anzugeben, welche Dialer tatsächlich den Mindestanforderungen entsprechen. Denn der Klägerin als Herstellerin ist bekannt, welche Gruppen von Dialern technisch identisch sind und welche Programmverände- rungen bei der technischen Weiterentwicklung bei welchen Gruppen von Dialern vorgenommen worden sind. Entgegen der somit für die Klägerin bestehenden Darlegungs- und Beweislast hat diese jedoch - trotz Einsichtnahme in die Verwal- tungsvorgänge der Beklagten - bis jetzt weder Erklärungen zu den von der Beklagten geprüften Dialern abgegeben noch hat sie substantiierte Angaben dazu gemacht, welche Dialer den Mindestanforderungen der Beklagten gerecht werden.

Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stehen der Rücknahme der Registrierungsbescheide ebenfalls nicht entgegen. Die Klägerin kann sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, da sie die Registrierung gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG durch unrichtige Angaben erwirkt hat. Entgegen den von ihr abgegebenen Rechtskonformitätserklärungen entsprachen die registrierten Dialer tatsächlich nicht den Mindestanforderungen der Verfügung Nr. 54/2003.

Ein weitergehender Vertrauensschutz ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte die Dialer, für die eine Registrierung beantragt wird, nicht einzeln untersucht, sondern lediglich die Antragsunterlagen auf Widersprüche zu den Mindestanforderungen überprüft. Aufgrund der großen Zahl der beantragten Registrierungen wäre eine Einzelfallprüfung der Anwählprogramme aus den oben bereits dargestellten Gründen faktisch kaum durchführbar. Die Beklagte ist aber auch rechtlich zu einer derartigen Prüfung nicht verpflichtet, da es in erster Linie Aufgabe der Klägerin ist, die Vereinbarkeit ihrer Dialer mit den Mindestanforderungen sicherzustellen. Die Beklagte durfte sich insofern auf die Richtigkeit der von der Klägerin hierzu gemachten Angaben, nämlich auf die Beschreibung der Wirkungsweise der Dialer und auf die Rechtskonformitätserklärung, verlassen.

Schließlich hat die Beklagte auch das ihr in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie hat in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass die Interessen des Marktes und des Verbraucherschutzes eine Rücknahme der Registrierungsbescheide erforderten. Die Rücknahme der Registrierungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit entspricht dem vom Gesetz in Fällen unrichtiger Angaben vorgesehenen Regelfall, § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG. Anhaltspunkte für eine Un- verhältnismäßigkeit der Maßnahme bestehen angesichts der der Klägerin anzulastenden Verstöße gegen die Mindestanforderungen für Dialer nicht. Eventuell bestehende Anhörungsmängel sind jedenfalls durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 18.03.2005
Az: 11 K 7198/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1f7ef9202a56/VG-Koeln_Urteil_vom_18-Maerz-2005_Az_11-K-7198-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share