Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. April 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 89/03

(BPatG: Beschluss v. 29.04.2004, Az.: 25 W (pat) 89/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen G R Ü N D E I.

Die am 9. Juli 999 in das Markenregister eingetragene Bezeichnung VERO beansprucht Schutz nach Teillöschung noch für die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse, ausgenommen Hautsalben und Cremes". Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 12. August 1999.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 29. Mai 1963 für die Waren "Chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, nämlich Hautsalben und Cremes" eingetragenen Marke 774 027 PERO deren Benutzung für Hautsalben von der Inhaberin der angegriffenen Marke zugestanden wird.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch unter Berücksichtigung der zugestandenen Benutzung der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung einer Hautsalbe mangels bestehender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung der möglichen engen Warenähnlichkeit sowie der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern. Dieser werde von der angegriffenen Marke eingehalten, da sich die Markenwörter in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht durch die Anfangsbuchstaben bzw -laute hinreichend unterschieden. Eine Verwechslungsgefahr bestehe danach nicht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle bestehe wegen der hochgradigen Ähnlichkeiten der Marken Verwechslungsgefahr, da auch die Waren im engen Ähnlichkeitsbereich lägen und von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Auf Seiten der angegriffenen Marke seien nur "Hautsalben und Cremes" nicht jedoch sonstige dermatologischen Präparate ausgenommen, wie im übrigen auch Hautsalben und Cremes zu nichtdermatologischen Arzneimitteln eine hochgradige Ähnlichkeit aufweisen könnten. Die Marken unterschieden sich nur in den nicht dominant in Erscheinung tretenden Anfangsbuchstaben, so dass aus dem maßgeblichen Erinnerungsbild der Verbraucher, in welchem den Übereinstimmungen in dem maßgeblichen Gesamteindruck eine größere Bedeutung zukomme als den Unterschieden, eine hochgradige klangliche Ähnlichkeit der Wörter bestehe. Es sei deshalb auch anerkannt, dass die alleinige Abweichung am Wortanfang eine Verwechslungsgefahr bei sonstiger vollständiger Übereinstimmung der übrigen Markenteile nicht ausschließe.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der hier maßgeblichen Warenkonstellation keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 2 MarkenG.

Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die gegenüberstehenden Waren zwar nicht auf identischen Waren - nämlich Hautsalben und Cremes als pharmazeutische Erzeugnisse - begegnen können, dass sie aber dennoch engste Berührungspunkte aufweisen können. Zutreffend weist die Widersprechende deshalb auch darauf hin, dass sich die Marken trotz der in die Warenverzeichnisse aufgenommenen Beschränkungen zB auf dermatologischen Arzneimitteln begegnen können und deshalb engste bis an die Warenidentität grenzende Berührungspunkte bestehen können.

Als angesprochene Verkehrskreise sind mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen Laien uneingeschränkt zu berücksichtigen (vgl auch BGH MarkenR 2002, 49, 51 - ASTRA/ESTRA-PUREN). Auch bei Laien ist allerdings grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH MarkenR 2001, 465, 469 - Bit/Bud; zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III; vgl ferner EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints; EuGH MarkenR 2002 , 231, 236 - Philips/Remington) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

Auch soweit danach unter Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der möglichen engsten Berührungspunkte der sich gegenüber stehenden Waren zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, ist die Ähnlichkeit der Marken auch nach Auffassung des Senats dennoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen wäre.

Der Gesamteindruck der relativ kurzen und leicht erfassbaren zweisilbigen Markenwörter ist in klanglicher Hinsicht wegen der deutlichen Abweichungen der Anfangslaute trotz der Übereinstimmungen im übrigen hinreichend verschieden. Zutreffend hat die Markenstelle auf die deutlichen klanglichen Unterschiede im Wortanfang hingewiesen, welche zudem erfahrungsgemäß vom Verkehr stärker beachtet werden als die weiteren Wortbestandteile. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden lässt sich auch kein Grundsatz aufstellen, dass die Abweichung von Wörtern in nur einem Laut bzw Buchstaben bzw eine Abweichung nur des Wortanfangs bei vollständiger Übereinstimmung der Wörter im übrigen eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen lässt. Ein solcher Grundsatz wird weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten (vgl zB PAVIS PROMA BPatG 24 W (pat) 252/95 - LEO # LEMO; BPatG 26 W (pat) 147/99 - LINK# fink; BPatG 26 W (pat) 044/93 - Solo # POLO) und würde auch allgemein bekannten Erfahrungstatsachen widersprechen. Maßgeblich sind vielmehr die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, wobei sich der Gesamtklang eines Wortes nicht nur als Summe einzelner Lautmerkmale darstellt, sondern als ein sich gegenseitig beeinflussendes Klanggefüge, dessen Laute trotz formaler Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten oftmals insgesamt ein anders klingendes Ganzes ergeben (vgl hierzu auch Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 173). Die Beurteilung des Klangbildes und der Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks sich gegenüberstehender Wörter kann deshalb keinesfalls auf die formale Gegenüberstellung übereinstimmender Laute und/oder die quantitative Überstimmung der Laute reduziert werden. Vorliegend ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die klanglichen Unterschiede der Wörter nicht nur dadurch deutlich zum Tragen kommen, dass die Laute "v" und "p" für sich genommen einen deutlichen klanglichen Unterschied aufweisen, sondern dass sie zudem die Anfangslaute der Wörter bilden, welche nur zweisilbig und im übrigen klanglich leicht erfassbar sind.

So wird entgegen der Ansicht der Widersprechenden auch in der zitierten Kommentierung (Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 193) nicht die Meinung vertreten, dass Abweichungen in nur einem Laut eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen könnten. Dort heißt es vielmehr unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung "Einen wesentlichen Einfluss auf die Ähnlichkeit hat die Länge der Vergleichswörter. So werden Kurzwörter durch einzelne Abweichungen im Verhältnis stärker beeinflusst als längere Markenwörter. Auch bleiben kurze Wörter besser und genauer in der Erinnerung. Daraus ergibt sich, dass hier mitunter Abweichungen in nur einem Laut Verwechslungen ausschließen können. Das darf allerdings nicht verallgemeinert werden." Weiterhin wird klargestellt, dass dort unter dem Begriff "Kurzwörter" in diesem Sinne Wörter bis zu vier Buchstaben verstanden werden. Im Ergebnis ist deshalb feststellen, dass auch nach Auffassung des Senats die abweichenden Anfangslaute der vorliegenden aus vier Buchstaben bestehenden Kurzwörter für eine hinreichende Differenzierung auch des jeweiligen Gesamteindrucks sorgen und das sichere Auseinanderhalten der Wörter gewährleisten, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass die Verkehrsauffassung eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird.

Ebenso halten die Wörter im schriftbildlichen Markenvergleich wegen der abweichenden Buchstabenkontur der Anfangsbuchstaben einen ausreichenden Abstand ein. Dies gilt nicht nur für die konkret gewählte Schreibweise der Anmeldung der angegriffenen Marke, sondern für jede verkehrsübliche Wiedergabeform, zumal das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Anhaltspunkte dafür, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und so verwechselt werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) bestehen unter diesen Umständen gleichfalls nicht.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

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Az: 25 W (pat) 89/03


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