Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 8. September 2000
Aktenzeichen: 22 E 524/99

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 08.09.2000, Az.: 22 E 524/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat durch seinen Beschluss vom 8. September 2000, Aktenzeichen 22 E 524/99, den angefochtenen Beschluss aufgehoben. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei und außergerechtliche Kosten werden nicht erstattet.

In dem vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer der frühere Betreuer der Klägerin. Er erhob eine Untätigkeitsklage gegen den Beklagten mit dem Ziel, bestimmte Bescheide aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag des Beschwerdeführers, den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen, ab. Es argumentierte, dass der Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten" nicht automatisch Sozialhilfeangelegenheiten einschließe.

Das Oberverwaltungsgericht hob den angefochtenen Beschluss auf und entschied, dass die Erhebung der Klage durch die angeordnete Betreuung gedeckt war. Auch nach der Einführung der rechtlichen Betreuung können die Einzelaufgaben des Betreuers aus den dem Minderjährigenrecht und dem Vormundschaftsrecht entnommen werden. Es spricht einiges dafür, dass der Aufgabenkreis "Vertretung in Vermögensangelegenheiten" nicht das Recht des Betreuers umfasst, Sozialhilfe zu beantragen, da dies eine persönliche Angelegenheit des Betreuten sein dürfte.

Im vorliegenden Fall ging es bei der Klage lediglich darum, ob und inwieweit die Klägerin vorhandenes Vermögen zur Bestreitung der Ausgaben des Beklagten aufwenden muss. Dies fällt in den Aufgabenbereich der Vermögenssorge und somit des Wirkungskreises der Vertretung in Vermögensangelegenheiten.

Die Kostenentscheidung folgt den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen. Der Beschluss ist unanfechtbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 08.09.2000, Az: 22 E 524/99


Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist der frühere Betreuer der Klägerin. Er erhob am 1. November 1995 in ihrem Namen Untätigkeitsklage gegen den Beklagten mit dem Ziel der Aufhebung näher bezeichneter Bescheide.

Nach dem Beschluss des Amtsgerichts C. vom 4. November 1992 umfasste sein Wirkungskreis

- die Vertretung in Vermögensangelegenheiten, - einschließlich Entscheidung über die Wohnungsauf- lösung -, - das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltes - einschließlich Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen -, - das Recht zur Bestimmung der ärztlichen Heilbehandlung.

Die dem Verwaltungsgericht auf dessen Aufforderung vorgelegte Bestellungsurkunde vom 9. April 1996 wies weitgehend denselben Aufgabenkreis auf. Hinsichtlich der Vertretung in Vermögensangelegenheiten war lediglich ergänzt: "einschl. Renten- u. Unterhaltsforderungen".

Das Verwaltungsgericht wies den Beschwerdeführer darauf hin, dass die Bestellung vom 9. April 1996 den Aufgabenkreis Sozialhilfeangelegenheiten nicht umfasse.

Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, der Aufgabenbereich Vermögensangelegenheiten umfasse naturgemäß auch die Sozialhilfeangelegenheiten mit und reichte zur Bestätigung eine entsprechende Erklärung des Amtsgerichts C. - Abteilung für Vormundschaftssachen - ein.

Nachdem für die Klägerin ein anderer Betreuer bestellt worden war, bat der Beschwerdeführer um Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung durch Bezugnahme auf seinen den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 22. April 1999 ausgeführt, die Bestellung könne nicht dahingehend verstanden werden, dass der Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten" der umfassende sein solle und damit auch Sozialhilfeangelegenheiten in jedem Fall mitumfasse.

II.

Die hiergegen erhobene Beschwerde des früheren Betreuers und Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben mit der Folge, dass das Verwaltungsgericht auf den Antrag des Beschwerdeführers nach Anhörung der Beteiligten (§ 10 Abs. 2 Satz 3 BRAGO) den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen hat.

Die Erhebung der Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 18. Januar, 12. März und 2. Dezember 1993 ist - unabhängig von der Zulässigkeit oder Begründetheit dieser Klage - durch die angeordnete Betreuung gedeckt.

Auch nach Einführung der rechtlichen Betreuung (§§ 1896 ff BGB) anstelle der früheren Vormundschaft für Volljährige können die Einzelaufgaben des für einen beschränkten Bereich bestellten Betreuers aus den dem Minderjährigenrecht (§ 1626 BGB) und dem Vormundschaftsrecht (§ 1793 BGB) entlehnten Bereichen Personensorge und Vermögenssorge entnommen werden (vgl. Landgericht Köln, Urteil vom 14. Mai 1997 - 13 S 17/97 -, FamRZ 1998, 919). § 1896 Abs. 2 BGB lässt lediglich nicht mehr die Übertragung der Verantwortung in diesen Globalbereichen zu, sondern bestimmt, dass ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt wird, in denen die Betreuung erforderlich ist.

Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass der Aufgabenkreis "Vertretung in Vermögensangelegenheiten" nicht das Recht des Betreuers umfasst, Sozialhilfe zu beantragen, weil die Inanspruchnahme von Sozialhilfe eine persönliche Angelegenheit des Betreuten sein dürfte. Die Anordnung der Betreuung soll so wenig wie möglich in die Autonomie des Betreuten eingreifen. Für einen Betreuten kann es durchaus einen Unterschied machen, ob für ihn lediglich Vermögensbetreuung oder auch die Betreuung im Hinblick auf die Geltendmachung von Sozialhilfeansprüchen angeordnet wird. Das zeigt sich schon daran, dass sich nach wie vor Berechtigte dagegen wehren, ihnen zustehende Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, sei es, weil sie sich schämen, von Sozialhilfe zu leben, sei es, weil sie befürchten, dass Unterhaltsverpflichtete vom Sozialhilfeträger in Anspruch genommen werden. Dies braucht der Senat hier aber nicht zu entscheiden, weil es nicht um die Geltendmachung von Sozialhilfeansprüchen im oben dargelegten Sinne geht.

Vorliegend bestand zwischen der Klägerin und dem Beklagten bereits ein Sozialhilferechtsverhältnis. Die Klägerin hat sich ersichtlich gegen die Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht gewehrt. Bei der anhängigen Klage geht es ausweislich der Klagebegründung lediglich darum, ob und inwieweit die Klägerin vorhandenes Vermögen zur Bestreitung der dem Beklagten erwachsenden Ausgaben aufwenden muss. Demgemäß ist die Klage nicht der Personensorge, sondern der Vermögenssorge zuzuordnen und damit dem Wirkungskreis der Vertretung in Vermögensangelegenheiten. Es kann insoweit keinen Unterschied machen, ob der Betreuer sich im Rahmen des ihm zugewiesenen Wirkungskreises im Namen der Betreuten gegen zivilrechtliche, das Vermögen der Klägerin betreffende Ansprüche Dritter wehrt oder gegen solche, die von einem Träger der Sozialhilfe geltend gemacht werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 10 Abs. 2 Satz 4 BRAGO i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO und § 25 Abs. 4 GKG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 08.09.2000
Az: 22 E 524/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1e1a277443f6/OVG-Nordrhein-Westfalen_Beschluss_vom_8-September-2000_Az_22-E-524-99


Admody

Rechtsanwälte Aktiengesellschaft


service@admody.com

0511 60 49 81 27 ☏

Kontaktformular ✎

Rückrufbitte ✆

Admody RAe AG
Theaterstraße 14 C
30159 Hannover
Deutschland

www.admody.com ▸





Für Recht.
Für geistiges Eigentum.
Für Schutz vor unlauterem Wettbewerb.
Für Unternehmen.
Für Sie.



 



§
Justitia

Bundesweite Dienstleistungen:

  • Beratung
  • Gerichtliche Vertretung
  • Außergerichtliche Vertretung

Rechtsgebiete:

Gewerblicher Rechtsschutz

  • Wettbewerbsrecht
  • Markenrecht
  • Domainrecht
  • Lizenzrecht
  • Designrecht
  • Urheberrecht
  • Patentrecht
  • Lauterkeitsrecht
  • Namensrecht

Handels- & Gesellschaftsrecht

  • Kapitalgesellschaftsrecht
  • Personengesellschaftsrecht
  • Handelsgeschäftsrecht
  • Handelsstandsrecht
  • Internationales Kaufrecht
  • Internationales Gesellschaftsrecht
  • Konzernrecht
  • Umwandlungsrecht
  • Kartellrecht
  • Wirtschaftsrecht

IT-Recht

  • Vertragsrecht der Informationstechnologien
  • Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs
  • Immaterialgüterrecht
  • Datenschutzrecht
  • Telekommunikationsrecht



Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share









Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft






Jetzt Kontakt aufnehmen:


service@admody.com

☏ 0511 60 49 81 27

✎ Kontaktformular

✆ Rückrufbitte





Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft Stamp Logo




Hinweise zur Urteilsdatenbank:
Bitte beachten Sie, dass das in der Urteilsdatenbank veröffentlichte Urteil weder eine rechtliche noch tatsächliche Meinung der Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft widerspiegelt. Es wird für den Inhalt keine Haftung übernommen, insbesondere kann die Lektüre eines Urteils keine Beratung im Einzelfall ersetzen. Bitte verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Entscheidung in der hier angegeben Art und Weise Bestand hat oder von anderen Gerichten in ähnlicher Weise entschieden werden würde.

Sollten Sie sich auf die angegebene Entscheidung [OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 08.09.2000, Az.: 22 E 524/99] verlassen wollen, so bitten Sie das angegebene Gericht um die Übersendung einer Kopie oder schlagen in zitierfähigen Werken diese Entscheidung nach.
Durch die Bereitstellung oder Zusammenfassung einer Entscheidung wird weder ein Mandatsverhähltnis begründet noch angebahnt.
Sollten Sie eine rechtliche Beratung und/oder eine Ersteinschätzung Ihres Falles wünschen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.


"Admody" und das Admody-Logo sind registrierte Marken von
Rechtsanwalt Sebastian Höhne, LL.M., LL.M.

29.03.2024 - 14:34 Uhr

Tag-Cloud:
Rechtsanwalt Domainrecht - Rechtsanwalt Internetrecht - Rechtsanwalt Markenrecht - Rechtsanwalt Medienrecht - Rechtsanwalt Wettbewerbsrecht - Mitbewerber abmahnen lassen - PayPal Konto gesperrt


Aus der Urteilsdatenbank
BPatG, Beschluss vom 30. August 2010, Az.: 30 W (pat) 61/09LAG Hamburg, Beschluss vom 30. Juni 2005, Az.: 8 Ta 5/05BPatG, Beschluss vom 29. Juni 2011, Az.: 26 W (pat) 539/10BPatG, Beschluss vom 27. Oktober 2004, Az.: 32 W (pat) 306/02OLG Köln, Beschluss vom 28. Januar 2013, Az.: 2 Wx 391/12BPatG, Beschluss vom 28. Juni 2011, Az.: 17 W (pat) 166/05BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012, Az.: II ZB 14/11BPatG, Beschluss vom 16. Januar 2001, Az.: 33 W (pat) 179/99OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7. Oktober 2003, Az.: 11 U 22/00BPatG, Beschluss vom 2. Juli 2003, Az.: 29 W (pat) 249/01