Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 23. September 2010
Aktenzeichen: 7 U 75/10

(OLG Stuttgart: Urteil v. 23.09.2010, Az.: 7 U 75/10)

Allein die Eröffnung eines Anderkontos durch einen Rechtsanwalt und die Auszahlung des durch Überweisung eingegangenen Guthabens an den Auftraggeber ist keine versicherte "anwaltliche Berufstätigkeit". Ein in diesem Zusammenhang begründeter Schadensersatzanspruch ist deshalb von der Berufshaftpflichtversicherung nicht gedeckt.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 18 O 292/09 - vom 10.03.2010 wirdz u r ü c k g e w i e s e n .2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin ist gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abzuwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.4. Die Revision wird nicht zugelassen.Streitwert für beide Instanzen: bis 500.000.-- EUR

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Drittschuldnerin im Wege des Einziehungsprozesses Leistungen aus der zwischen ihrem Schuldner, Rechtsanwalt F., und der Beklagten abgeschlossenen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen AVB-A der Beklagten zugrunde.

Mit rechtskräftigem Urteil des OLG Stuttgart (Urteil vom 16.12.2008, AZ.: 12 U 172/08) ist Rechtsanwalt F. verurteilt worden, an die Klägerin 457.482,12 EUR und weitere 4.452,26 EUR zu zahlen. In der Entscheidung hat das Oberlandesgericht den von der Klägerin mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des von Rechtsanwalt F. ausbezahlten Geldbetrages an den ehemaligen Geschäftsführer B. einschließlich der hierfür ausbezahlten Rechtsanwaltsgebühren zugesprochen. Es ging davon aus, dass zum einen die Überweisung auf das von Rechtsanwalt F. eigens zu diesem Zweck eröffneten Anderkonto und die nachfolgende Auszahlung gegen den Willen der Klägerin erfolgt ist, weshalb ein Anspruch - einschließlich der Rechtsanwaltskosten - gemäß § 678 BGB gegeben sei. Zum anderen stützte es seine Entscheidung auf einen Anspruch gemäß §§ 681 S. 2, 677 BGB auf Herausgabe des durch dieses Geschäft Erlangten, d. h. den ausgezahlten Betrag einschließlich der Rechtsanwaltskosten.

Zur Ergänzung wird auf die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 16.12.2008, AZ 12 U 172/08 verwiesen (Anlage K 1, Bl. 11 ff d. A.).

Die Klägerin pfändete auf Grundlage dieses Titels Ansprüche des Rechtsanwalts F. gegen die Beklagte als dessen Berufshaftpflichtversicherer mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 16.01.2009 (AG Ludwigsburg AZ.: 10 M 354/09).

Die Beklagte verweigerte die Zahlung, woraufhin die Klägerin die vorliegende Drittschuldnerklage erhoben hat.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Leistung verpflichtet, da in der Errichtung des Anderkontos und der Auszahlung des einbezahlten Geldbetrages an den Geschäftsführer B. eine anwaltliche Tätigkeit zu sehen sei, bei deren Ausübung der Schaden bei der Klägerin eingetreten sei.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei den beiden im Haftpflichtprozess festgestellten Anspruchsgrundlagen handele es sich nicht um gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts. Darüber hinaus sei eine Leistungspflicht zu verneinen, da der Schaden nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts F. entstanden sei, da er durch die Entgegennahme und Auszahlung des Geldbetrages lediglich rein wirtschaftlich tätig geworden sei.

Die Klägerin macht mit der Berufung geltend, zum einen unterfalle die im Haftpflichtprozess festgestellte Haftung nach § 678 BGB dem Versicherungsschutz nach § 1 AVB-A, da es sich um eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung handele. Zum anderen sei Rechtsanwalt F. anwaltlich tätig geworden. Das Führen eines Anderkontos durch einen Rechtsanwalt sei schon vom Grundsatz her als eine anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren. Im Zweifel sei von anwaltlicher Tätigkeit auszugehen, da hier keine eindeutigen zwingenden Gründe der Annahme einer solchen entgegen stünden. Rechtsanwalt F. sei treuhänderisch tätig geworden, was ebenfalls vom Versicherungsschutz umfasst sei.

Im Übrigen folge der Anspruch auch aus § 19 AVB-A, der den Herausgabeanspruch nach §§ 681 S. 2, 667 BGB abdecke. Es handele sich bei § 19 S. 2 AVB-A um eine Rechtsfolgenverweisung, weshalb es nicht darauf ankomme, ob eine anwaltliche Tätigkeit vorgelegen habe, und Versicherungsschutz allein schon wegen der fahrlässigen Verfügung über die Fremdgelder zu gewähren sei.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des LG Stuttgart vom 10.03.2010 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, folgende Beträge an die Klägerin zu zahlen:

a. 454.925,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2008,

b. vorgerichtliche Kosten in Höhe von 4.452,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2008,

c. die zugunsten der Klägerin festgesetzten Kosten von 14.998,27 EUR und 9.933,60 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2008 sowie die zugunsten der Klägerin festgesetzten Vollstreckungskosten von 2.285,92 EUR und die Kosten der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse von 255,14 EUR und 212,30 EUR,

d. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.894,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2009.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nach Zustellung eines entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verpflichtet ist, die vom Landgericht Stuttgart für das Berufungsverfahren 12 U 172/08 noch festzusetzenden Gerichtskosten sowie die ebenfalls noch festzusetzenden Kosten der Klägerin im Zusammenhang mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (IX ZR 4/09) - jeweils nach Zustellung eines entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses - an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Vertiefung ihres Vorbringens.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil, die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.1.

Die Klägerin kann nicht von der Beklagten die Zahlung von EUR 457.482,12 EUR verlangen. Sie ist nicht aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 16.01.2009 des AG Ludwigsburg (AZ.: 10 M 354/09, Anlage K 3) gemäß §§ 835, 836, 829 ZPO berechtigt, den Geldbetrag von der beklagten Haftpflichtversicherung einzuziehen.

Grundsätzlich wandelt sich ein bestehender Befreiungsanspruch eines Versicherungsnehmers nach dessen rechtskräftiger Verurteilung im Haftpflichtprozess gemäß §§ 1, 149 VVG, 1 AVB-A aufgrund der Pfändung und Überweisung durch die Gläubigerin in einen Zahlungsanspruch um, den die Klägerin unmittelbar geltend machen kann, § 156 Abs. 2 VVG (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 149 RN 3 und 9).

Jedoch ist ein solcher Befreiungsanspruch des Rechtsanwalts F. gegen die Beklagte zu verneinen, da kein Versicherungsfall vorliegt.a.

Gemäß § 1 AVB-A ist die Haftpflichtversicherung im Rahmen der gesetzlichen Versicherungspflicht (§158 b Abs. 1 VVG) nach § 51 Abs. 1 und 2 BRAO eintrittspflichtig, wenn der versicherte Rechtsanwalt wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit begangenen Verstoßes aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird.

Die Ansprüche der Klägerin gegen Rechtsanwalt F. gemäß § 678 BGB und daneben gemäß §§ 681 S. 2, 667 BGB stehen fest aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16.12.2008, AZ.: 12 U 172/08 (BGH VersR 2001, 1103 ff; 2004, 390 ff; 2007, 641 ff).

Rechtsanwalt F. wurde in dem Haftpflichtprozess dazu verurteilt, an die Klägerin eine Betrag von 457.482,12 EUR zu zahlen, weil er gegen ihren Willen fehlerhaft den Geldbetrag von 450.000.-- EUR an den Zeugen B. ausgegeben hatte und für diese Tätigkeit ihr 7.482,12 EUR in Rechnung gestellt hatte. Die damit gegebene Begründung der Ansprüche gemäß §§ 681 S. 2, 667, 678 BGB bildet die Entscheidungsgrundlage für die Frage der Beurteilung der Leistungspflicht im Deckungsprozess.b.

§ 678 BGB ist eine Haftungsbestimmung im Sinne des § 1 AVB-A. Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts sind Normen, die unabhängig von dem Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines unter § 1 AVB-A fallenden Schadensereignisses Rechtsfolgen knüpfen, wobei an die Stelle des Schadensereignisses in der Vermögenshaftpflichtversicherung der Verstoß tritt (BGH NJW 1971, 429, unter 4.; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, 1999, Teil 5, Anschnitt 2, RN 1837). Maßgeblich ist die Struktur des Anspruchs, d. h. seine rechtliche Konstruktion als Schadensersatz mit den Elementen der objektiven Pflichtverletzung, der Schuld, des Schadens und der Kausalität. Unerheblich ist die rechtliche Qualifikation des Anspruchs. In Abgrenzung hierzu darf es sich deshalb nicht um Erfüllungsansprüche, etwa auf Herausgabe oder bei Unmöglichkeit der Erfüllung der Anspruch auf ein Surrogat, handeln (Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2005, § 39 RN 5; Zugehör, a. a. O.; Voit in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., AVB § 1, RN 1, AHB § 1, RN 3 f). § 1 AVB-A umfasst damit sämtliche auf Gesetz beruhende Haftungstatbestände und differenziert gerade nicht nach dem Vorliegen eines Willens oder Nicht-Willens der Parteien bezogen auf die den Verstoß darstellende Handlung.

Eine solche gesetzliche Haftungsbestimmung ist § 678 BGB. Maßgeblich ist hierbei nicht, ob ein wirksamer Vertrag geschlossen worden ist oder nicht, da auch vertragsähnliche Schadensersatzansprüche Haftungstatbestände darstellen, soweit sie, wie hier gesetzlich begründet sind (Zugehör, a. a. O.).

Es handelt sich bei dem Schadensersatzanspruch nicht um ein bloßes Surrogat des Herausgabeanspruchs, da andere Voraussetzungen nach § 678 BGB als nach dem ebenfalls gegebenen Anspruch nach §§ 681 S. 2, 667 BGB gegeben sein müssen, selbst wenn der Umfang des Ersatzanspruchs wirtschaftlich identisch ist mit dem des Herausgabeanspruchs.

An die Stelle des Schadensereignisses trat hier der Verstoß, der in der fehlerhaften Übernahme und Durchführung einer Aufgabe gegen den Willen eines -vermeintlichen- Vertragspartners besteht. Hieran knüpft § 678 BGB bei Annahme eines Übernahmeverschuldens bereits unmittelbar die Rechtsfolge, dass -unabhängig vom Parteiwillen- der Geschäftsführer aufgrund dieses gesetzlichen Haftungstatbestandes zum Schadensersatz verpflichtet ist.c.

Der Anspruch gemäß §§ 681 S. 2, 677 BGB auf Herausgabe des erlangten Geldbetrages einschließlich des vereinnahmten Anwaltshonorars bildet nach o. g. Grundsätzen keinen gesetzlichen Haftungstatbestand gemäß § 1 AVB-A, weshalb die Versicherung nach dieser Vorschrift nicht leistungspflichtig ist (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, a. a. O., AVB § 1, RN 1, AHB § 1, RN 7, Feuerich/Weyland BRAO, 7. Aufl. 2008, § 51 RN 16).

Es tritt nicht an seine Stelle ein Schadensersatzanspruch wegen Unmöglichkeit der Herausgabe, der wiederum dann einen Haftungstatbestand darstellen könnte, da die Leistung nicht unmöglich ist. Denn die Schuld besteht fort, solange die geschuldete Leistung -wie hier Geld als Gattungsschuld- beschafft werden kann (Palandt, BGB, 68. Aufl., § 276 RN 30 f).d.

Dennoch ist die beklagte Haftpflichtversicherung nicht eintrittspflichtig.

Denn Rechtsanwalt F. hat weder in Ausübung seiner beruflichen -anwaltlichen- Tätigkeit gehandelt, § 1 AVB-A (aa.) noch ist seine Tätigkeit als eine mitversicherte Tätigkeit als Sachwalter, vgl. Risikobeschreibung für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten, anzusehen (bb.).aa.

Der Begriff der anwaltlichen Berufstätigkeit ist in den Versicherungsbedingungen nicht näher definiert. Im Ausgangspunkt ist entscheidend, welche Tätigkeiten typischerweise dem Berufsbild des Anwalts entsprechen.

Zur anwaltlichen Berufstätigkeit gehört in erster Linie die Rechtsberatung und Rechtsbesorgung, § 3 BRAO, die von der Pflichtversicherung umfasst ist. Es kann auch eine berufsfremde Tätigkeit dem Versicherungsschutz unterfallen, wenn der Anwalt neben einer eher wirtschaftlichen Tätigkeit im Einzelfall auch als Anwalt eine rechtsberatende Aufgabe übernimmt. Ob letztere den Schwerpunkt der Tätigkeit bilden muss, also nach dem Willen der Parteien im Vordergrund stehen muss (BGH MDR 1967, 397; BGH WM 1994, 504 ff), oder sich diese Wertung nur auf den gebührenrechtlichen Bereich beziehen sollte und die Frage nach dem Schwerpunkt der Tätigkeit jedenfalls im Deckungsprozess nicht ausschlaggebend sein sollte (Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2005, § 39 RN 4), kann offenbleiben, da jedenfalls Einigkeit dahingehend besteht, dass überhaupt originär anwaltlicher Beistand zumindest auch geschuldet sein muss. Eine Treuhandtätigkeit ist nur dann in den Versicherungsschutz einbezogen, wenn sie als Annex zur rechtlichen Beratung hinzutritt (Borgmann/Jungk/Grams, a. a. O. § 39 RN 4).

Zu diesem Verständnis des versicherten Risikos wird der Versicherungsnehmer durch die Formulierung in § 19 AVB-A in eindeutiger Weise hingeführt. Dort wird zum Ausdruck gebracht, dass Zahlungsvorgänge bei einem Anderkonto nur dann versichert sind, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Rechtsanwaltstätigkeit stehen.

Rechtsanwalt F. schuldete weder objektiv noch nach dem Willen der Parteien eine anwaltliche Leistung.

Im Oktober 2007 haben die Beteiligten vereinbart, dass Rechtsanwalt F. ein Anderkonto eröffnen solle, auf welches die C.bank 450.000.-- EUR einzahlen werde, die Rechtsanwalt F. an den Geschäftsführer B. sodann auszahlen solle, damit dieser eine Anzahlung für einen Schiffskauf durchführen könne. Es handelt sich hierbei um eine rein tatsächliche, wirtschaftliche Tätigkeit ohne eine berufsbezogene Komponente. Zwar ist die Einrichtung von Anderkonten bestimmten Berufsgruppen wie Rechtsanwälten vorbehalten. Dies allein ist aber nicht ausreichend für die Einordnung als versicherte anwaltliche Tätigkeit. In vorliegendem Fall war nach dem unstreitigen Parteivortrag Sinn der Einrichtung, bei einem Dritten, der C.bank, den Eindruck einer Seriosität der finanziellen Transaktion allein aufgrund der Bezeichnung als anwaltliches Anderkonto zu erwecken. Rechtsanwalt F. und der Zeuge B. gingen davon aus, dass das anwaltliche Anderkonto als besonders vertrauenswürdiges Sicherungsinstrument von der Bank angesehen werden würde und eine Zahlung ohne Beanstandungen erfolgen werde. Ein darüberhinausgehender Inhalt war nicht besprochen. Die Klägerin trägt auch nichts dazu vor, woraus sich die von ihr angesprochene Erwartung ergeben soll, dass Rechtsanwalt F. bei seiner Tätigkeit auch rechtliche Interessen der Klägerin (welche€) wahrnehmen werde, woraus sich ein anwaltliches Tätigkeitsbild ergeben soll.

Dem steht auch nicht die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 10.06.2008 (AZ.: 4 U 164/07) entgegen. Denn anders als im dort zu beurteilenden Sachverhalt, stand hier die Errichtung des Anderkontos in keinem Zusammenhang mit einer anwaltlichen Tätigkeit, etwa einer Vermögensbetreuungspflicht oder einer Beratung aus einem weitergehenden Treuhandverhältnis. In dem dortigen Fall hatte die Rechtsanwältin bei Bestehen eines Mandatsverhältnisses als vertraglich vereinbarte Grundlage der Tätigkeit im Rahmen eines Treuhandverhältnisses auch ein Anderkonto eingerichtet, auf welches die Kunden Gelder einzahlten und von welchem fehlerhafte Auszahlungen erfolgt waren.

Im vorliegenden Fall ist aber gerade keine solche -etwa treuhänderische- Abrede (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 16.12.2008) getroffen worden, weshalb sich die Grundsätze der Entscheidung nicht übertragen lassen. Die Tätigkeit sollte nach der Vorstellung der Beteiligten und auf Grundlage ihrer Besprechung im Oktober 2007 mit der Einnahme und der nachfolgenden Auszahlung des Geldes abgeschlossen sein. Hierfür spricht auch die unmittelbar im Anschluss an diese Abwicklung erfolgte Rechnungsstellung durch Rechtsanwalt F..

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Tätigkeit auch nicht als eine anwaltliche anzusehen, weil Rechtsanwalt F. nach der Besprechung im Oktober 2007 die Gesellschafterliste und einen Handelsregisterauszug angefordert hat sowie sich eine Genehmigung eines der Gesellschafter mit der Transaktion schriftlich vorlegen ließ und eine Rechnung nach dem RVG gestellt hat. Zwar spricht das äußere Bild der Rechnungsstellung nach dem RVG für eine jedenfalls subjektiv wahrgenommene Anwaltstätigkeit. Jedoch findet diese keine Entsprechung in der stattgefundenen Tätigkeit, s. o. Die anderen Tätigkeiten beinhalten keine anwaltliche Komponente. Das bloße Einholen von Informationen lässt nicht auf eine Anwaltstätigkeit schließen. Auch die Klägerin trägt hierzu nicht substantiiert vor, sondern behauptet lediglich pauschal, es habe angesichts der Vereinbarung vom Oktober 2007 für Rechtsanwalt F. nahe gelegen, dass der Geschäftsführer später auch Rechtsrat im Zusammenhang mit dem Schiffsverkauf erfragen werde und Rechtsanwalt F. habe sich deshalb Gedanken in rechtlicher Hinsicht über die materielle Berechtigung gemacht, was ihrer Auffassung nach bereits für die anwaltliche Tätigkeit spreche. Selbst wenn diese Erwartung bestanden haben sollte, deuten die genannten Tätigkeiten auch nicht auf ein Vorbereiten eines solchen Rechtsrates hin, da sie keinen inhaltlichen Zusammenhang zum Kauf des Schiffes oder Fragen in diesem Kontext aufweisen. Diese Handlungen könnten auch so zu werten sein, dass sich Rechtsanwalt F. im eigenen Interesse hinsichtlich der Existenz eines (zahlenden) Vertragspartners vergewissern hat wollen.

Nachdem keine objektiven Anknüpfungstatsachen ersichtlich sind, die die Frage offen lassen, ob es sich um anwaltliche Tätigkeit gehandelt haben könnte, greift auch nicht die Regel ein, dass im Zweifel von dem Vorliegen anwaltlicher Tätigkeit auszugehen ist (BGH VersR 1998, 761ff).bb.

Die Beklagte ist nicht über die nach der Risikobeschreibung mitversicherten abschließend aufgezählten Tätigkeiten (vgl. Abs. 2 der Risikobeschreibung für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten, Anlage K 2) leistungspflichtig, weil Rechtsanwalt F. seine Tätigkeit treuhänderisch tätiger Sachwalter ausgeübt hat. Denn es handelte sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit, die nicht von der Berufshaftpflicht als versicherte bzw. über die Risikobeschreibung mitversicherte Tätigkeit umfasst ist.

Weist eine Tätigkeit eines Rechtsanwalts teils versicherte teils unversicherte Züge auf, so entscheidet über die Einordnung derselben, welcher Teil dominiert bzw. der Tätigkeit das Gepräge gibt (BGH WM 1994, 504 ff; OLG Düsseldorf VersR 2004, 635 ff). Selbst wenn die Tätigkeit hier treuhänderische Elemente enthalten mag, da das Geld auf gerade dieses dem Anwalt zustehende Konto einbezahlt worden ist und er hierüber verfügen konnte, sind diese von vollständig untergeordneter Bedeutung. Denn es dominierte bei dem Gesamtvorgang die Einrichtung einer kurzfristigen Zahlstelle ohne darüberhinausgehende (Fürsorge-)Pflichten.

Es stand, anders als in dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.06.2008 (AZ.: 1-4 U 164/07), nicht im Vordergrund, dass die Klägerin bzw. ihr damaliger Geschäftsführer ein besonderes Vertrauen in die Stellung des Rechtsanwalts F. als Rechtsanwalt gesetzt hätte. Im dortigen Fall war Gegenstand der Tätigkeit auf der Grundlage einer treuhänderischen Vereinbarung die Inempfangnahme von Geldern von Kunden, die das Geld gerade in der Vorstellung auf dieses Konto einzahlten, auf diese Weise den Zahlungsvorgang und ihre Gelder als besonders gesichert ansehen zu können. Das Vertrauen der Kunden resultierte aus dem vertraglichen Vertrauensverhältnis und aus ihrer Erwartung in die uneingeschränkte Integrität des Rechtsanwalts in seiner Stellung als Organ der Rechtspflege (vgl. § 43a Abs. 5 BRAO; BT-Drs. 12 / 4993, S. 28).

Anders liegt der Sachverhalt in vorliegendem Fall.

Der Klägerin ging es nicht um die Inanspruchnahme eines besonderen Sicherungsinstruments vor dem Hintergrund eines solchen Vertrauens. Für die Klägerin war es über ihren Geschäftsführer von maßgeblicher und ausschließlicher Bedeutung, dass Rechtsanwalt F. das Anderkonto überhaupt nur als Anwalt eröffnen konnte und die C.bank wegen des äußeren Anscheins der Seriosität deshalb den gewünschten Geldbetrag anweisen werde. Es sollte damit ein Dritter das Vertrauen in das Anderkonto als solches entwickeln, nicht die Auftraggeberin. Deren Interesse bestand lediglich darin, dass das Geld mittels dieser eingerichteten Zahlstelle schnell und ohne Nachfragen zur Verfügung stand und dann ausgezahlt werden konnte, nicht aber dass sie von Rechtsanwalt F. darüber hinaus eine weiter gehende Interessenwahrnehmung oder rechtliche Beratung erwartete.

Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien über die Art und die Umstände des Zustandekommens der Vereinbarung und des weiteren Verlaufs sind vermögensbetreuende Erwägungen des Rechtsanwalts F. zugunsten der Klägerin als vermeintlicher Mandantin weder als vom Zeugen B. gewünscht noch von ihm selbst angestellt zu erkennen. Die Aufgabe des Rechtsanwalts F. bestand lediglich darin, als Rechtsanwalt ein Anderkonto zu eröffnen, um Dritten gegenüber den Anschein von Seriosität zu vermitteln.

Der Kernbereich der Tätigkeit des Rechtsanwalts F. bildete damit die bloße Inempfangnahme und anschließende Auszahlung des Geldbetrages. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seiner Erkundigung nach den Gesellschaftern beim Registergericht, der Einholung eines Handelsregisterauszugs sowie dem Anfordern eines Genehmigungsschreibens eines Gesellschafters, da diese den Gegenstand seines Auftrags und seiner Tätigkeit nicht verändern. Seine Tätigkeit stellt eine rein wirtschaftliche Tätigkeit dar und ist deshalb nicht (mit-)versichert.2.

Die Klägerin kann sich auch nicht aus übergegangenem Recht auf eine Eintrittspflicht der Beklagten auf der Grundlage des § 19 Abs. 2 AVB-A wegen des Anspruchs gemäß §§ 681 S. 2, 667 BGB berufen.

Denn auch in diesem Fall ist entgegen der Auffassung der Klägerin die Entfaltung einer anwaltlichen Tätigkeit überhaupt (in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Rechtsanwaltstätigkeit) erforderlich, die nicht gegeben ist (s. o.). Eine Leistungspflicht der Versicherung ist auch unter diesem Gesichtspunkt im Ergebnis zu verneinen.

§ 19 Abs. 2 AVB-A ist in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzung der Entfaltung einer Rechtsanwaltstätigkeit nicht unklar, so dass eine Korrektur nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht geboten ist.

Die AVB-A sind so zu auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGH VersR 1993, 957 ff). Es kommt auf das Verständnis der Gruppierung an, für die diese Bedingungen bestimmt sind. Bei den AVB-A für Rechtsanwälte können auch Rechtskenntnisse vorausgesetzt werden, in deren Licht die AVB-A auszulegen sind (Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, a. a. O., RN 1810).

Vor diesem Hintergrund ist § 19 Abs. 2 AVB-A für einen verständigen Rechtsanwalt eindeutig zu verstehen. Es heißt hier in Satz 2 das Gleiche gilt. Gemeint ist damit erkennbar, dass ebenfalls wie in Absatz 1, sich die Norm auf den Punkt bezieht, der in Absatz 1 Ausgangspunkt ist, damit sich auf fahrlässige Verfügungen über Beträge, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Rechtsanwaltstätigkeit auf ein Anderkonto einbezahlt sind, bezieht. Unterschieden wird in Absatz 1 und 2 nur hinsichtlich der Frage des Stadiums, nämlich ob im Zeitpunkt der Verfügung der Geldbetrag bereits auf das Anderkonto einbezahlt ist oder noch nicht, da es erst zur alsbaldigen Anlage an den Anwalt ausbezahlt ist und von diesem verwahrt wird.

Auch unter Berücksichtigung des Kontextes der Vorschrift im Zusammenhang mit den übrigen AVB-A-Regelungen ergeben sich keine Unklarheiten. Grundlage der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ist gemäß § 51 BRAO, dass der Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit von der Pflichtversicherung erfasst wird. Ergänzend gelten nach der Risikobeschreibung für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung bestimmte abgegrenzte nicht typische Anwaltstätigkeiten als mitversichert, u. a. die Tätigkeit als Sachwalter.

Nachdem hier eine anwaltliche Tätigkeit -wie dargelegt- nicht vorliegt, ist die Eintrittspflicht zu verneinen.3.

Da keine Leistungspflicht der beklagten Versicherung besteht, haben auch die übrigen mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung vorgerichtlicher Kosten gemäß §§ 280, 286 BGB und die Feststellung einer Eintrittspflicht der Beklagten im Hinblick auf die künftige Vollstreckung von Kostenfestsetzungsbeschlüssen keinen Erfolg.III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt, da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 23.09.2010
Az: 7 U 75/10


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