Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. September 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 148/04

(BPatG: Beschluss v. 22.09.2004, Az.: 29 W (pat) 148/04)

Tenor

Der Beschluss der Markenabteilung 9.1. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Mai 2004 wird aufgehoben.

Gründe

I Die Markeninhaberin begehrt Wiedereinsetzung in die von ihr versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr für die am 21. Oktober 1992 angemeldete und seit dem 2. März 1994 eingetragenen Marke 2 058 650, deren Schutzdauer am 21. Oktober 2002 abgelaufen ist. Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2003, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, beantragten die Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin bei gleichzeitiger Erteilung eines Abbuchungsauftrags in Höhe der fälligen Verlängerungsgebühren einschließlich Verspätungszuschlag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass die Marke im Jahr 2002 auf die jetzige Markeninhaberin übertragen worden sei. Dabei habe die Markeninhaberin von den Vertretern der Rechtsvorgängerin eine Aufstellung sämtlicher von der Übertragung betroffener Marken mit Eintragungs- und Verlängerungsdaten erhalten. Bei der Eingabe dieser Daten in den Fristenkalender habe die zuständige Mitarbeiterin Frau F... das Schutzendedatum versehentlich anstatt mit 21. Oktober 2002 mit 21. Oktober 2003 angegeben. Die sonst übliche Überprüfung der Daten anhand der Eintragungsurkunde sei nicht möglich gewesen, weil seitens der Rechtsvorgängerin keine weiteren Unterlagen überreicht wurden. Erst am 27. Mai 2003 sei die Markeninhaberin im Zusammenhang mit einer weiteren Übertragung der Marke von den jetzigen Vertretern darauf aufmerksam gemacht worden sein, dass die Marke nicht verlängert wurde. Zur Glaubhaftmachung hat die Markeninhaberin eine eidesstattliche Versicherung ihres Chief Trademark Counsel M... vom 21. Juli 2003 vorgelegt.

Die Markenabteilung 9.1. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Antrag mit Beschluss vom 3. Mai 2004 zurückgewiesen. Die Markeninhaberin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr unverschuldet versäumt habe. Sie müsse sich das Verschulden der mit der Fristenüberwachung betrauten Mitarbeiterin zurechnen lassen, weil diese selbständig und nicht als Hilfskraft gehandelt habe. Die Büroorganisation der Markeninhaberin für die Bearbeitung von Schutzdauerverlängerungen gewährleiste nicht die fristgemäße Verlängerung von Marken, zu denen keine Vorakte zur Verfügung stehe. Im Übrigen hätte es zur Glaubhaftmachung einer eidesstattlichen Versicherung von Frau F... persönlich bedurft.

Der Beschluss enthält neben Name, Unterschrift und Dienstbezeichnung des Unterzeichners die Angabe "Markenabteilung 9.1. - Für den Vorsitzenden (§ 56 Abs. 3 Satz 3 MarkenG)".

Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass der bei der Übertragung des Verlängerungsdatums in den Fristenkalender unterlaufene Schreibfehler nicht auf einem Organisationsverschulden der Markeninhaberin beruhe. Auch bei einer den von der Markenabteilung aufgestellten Anforderungen entsprechenden Büroorganisation hätte er nicht vermieden werden können. Bei Frau F... handele es sich um eine Hilfskraft, die nicht zur Vertretung der Markeninhaberin berechtigt sei und deren Verschulden sie sich daher nicht zurechnen lassen müsse. Da Frau F... eine geschulte und zuverlässige, seit 25 Jahren mit Angelegenheiten der Markenverwaltung betraute Mitarbeiterin sei, treffe die Markeninhaberin auch kein Auswahlverschulden.

II Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr ist statthaft und begründet (§ 91 Abs 1 Satz 1 MarkenG).

1. Der angegriffene Beschluss ist nicht ordnungsgemäß unterschrieben. Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts sind schriftlich auszufertigen und von demjenigen zu unterzeichnen, der die Entscheidung auf Grund seiner gesetzlichen Zuständigkeit getroffen hat (Fezer, Markenrecht, 3. Aufl 2001 § 61 Rn 2; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl 2003, § 61 Rn 3; Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl 2003, § 61 Rn 8). Die Verlängerung von Marken ist eine der Markenabteilung zugewiesene Aufgabe, die durch den Vorsitzenden allein oder durch einen Angehörigen der Abteilung, dem der Vorsitzende die Aufgabe zur Bearbeitung übertragen hat, entschieden werden kann (§ 56 Abs 3 S 3 MarkenG). Bei der Übertragung einer Aufgabe entscheidet der Abteilungsangehörige allein und eigenverantwortlich in eigener Zuständigkeit als Markenabteilung. Hingegen bringt im angefochtenen Beschluss der Zusatz "Für den Vorsitzenden" ein Auftrags- oder Vertretungsverhältnis zum Ausdruck, das nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung der Markenabteilung entspricht. (BPatG GRUR 1997, 58, 59 - Verlängerungsgebühr II; 28 W (pat) 207/00).

2. Von einer Aufhebung und Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt nach § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG hat der Senat abgesehen, weil die Sache entscheidungsreif ist. Aus dem Vortrag der Markeninhaberin und der eidesstattlichen Versicherung ergibt sich glaubhaft, dass sie die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr unverschuldet versäumt hat.

3. Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist wird auf Antrag demjenigen gewährt, der ohne Verschulden verhindert war, dem Deutschen Patent- und Markenamt gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Der Antrag muss innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, das zur Fristversäumung geführt hat, gestellt werden und die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Diese Tatsachen sind bei der Antragstellung oder im Verfahren glaubhaft zu machen (§ 91 Abs 1 Satz 1, Abs 2, 3 und 4 MarkenG). Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die im Einzelfall zumutbare, verkehrsübliche Sorgfalt aufgewendet worden ist (Fezer aaO § 91 Rn 4; Ingerl/Rohnke aaO § 91 Rn 11; Ströbele/Hacker aaO § 91 Rn 16). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

3.1. Zugelassen zur Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind in entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO alle Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung (vgl § 294 Abs 1 ZPO). Sowohl die Antragstellerin als auch jeder Dritte kann die eigene Darstellung der glaubhaft zu machenden Tatsachen eidesstattlich versichern (Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl. 2002, § 294 Rn 2). Die von der Markeninhaberin vorgelegte eidesstattliche Versicherung ihres Chief Trademark Counsel M... ist daher zur Glaubhaftmachung geeignet.

3.2. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung hat die Markeninhaberin erst am 27. Mai 2003 erfahren, dass die Marke 2 058 650 nicht verlängert wurde. Mit dieser Information war das für die Fristversäumung ursächliche Hindernis, nämlich die irrige Annahme, die Marke sei bereits verlängert, entfallen. Der am 24. Juli 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Wiedereinsetzungsantrag wurde daher fristgemäß innerhalb der Zweimonatsfrist des § 91 Abs. 2 MarkenG gestellt. Gleiches gilt für die Zahlung der fälligen Verlängerungsgebühr einschließlich Verspätungszuschlag, die mittels eines im gleichen Schriftsatz erteilten Abbuchungsauftrags entrichtet wurde. Bei Übersendung eines Abbuchungsauftrags gilt der Tag des Eingangs beim Deutschen Patent- und Markenamt als Einzahlungstag (§ 2 Nr. 4 PatKostZV in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung).

3.3. Die Markeninhaberin hat die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr ohne Verschulden versäumt. Die mit der Überwachung der Verlängerungsfristen beauftragte Mitarbeiterein Frau F... war nicht zur Vertretung der Markeninhaberin berechtigt und ist daher im haftungsrechtlichen Sinne eine Hilfsperson, deren Verschulden sich die Markeninhaberin nicht zurechnen lassen muss. Auf die Frage, in welchem Umfang Frau F... die ihr übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich erledigt hat, kommt es daher nicht an (Fezer aaO § 91 Rn 4; Ingerl/Rohnke aaO § 91 Rn 19; Ströbele/Hacker aaO § 91 Rn 18). Eine Sorgfaltspflichtverletzung der Markeninhaberin ist weder bei der Auswahl der Mitarbeiterin noch bei der Büroorganisation der Fristenüberwachung erkennbar. Auf die von den Anwälten der Rechtsvorgängerin gemachten Angaben durfte sich die Markeninhaberin verlassen. Wie eidesstattlich versichert enthielt die von den Vertretern erstellte Liste die wesentlichen Daten der von der Übertragung betroffenen Marken und sollte offensichtlich weitere Unterlagen wie die einzelnen Eintragungsurkunden ersetzen. Eine darüber hinaus gehende Überprüfung der mitgeteilten Daten war bei Aufwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt daher nicht geboten.

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl






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Az: 29 W (pat) 148/04


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