Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 15. Mai 2001
Aktenzeichen: 4 U 33/01

(OLG Hamm: Urteil v. 15.05.2001, Az.: 4 U 33/01)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Dezember 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 868,75 DM nebst 7,5 % Zinsen ab dem 09. Mai 2000 zu zahlen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert keine Partei mit mehr als 60.000,--DM.

Gründe

Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin kann zwar dem Grunde nach vom Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 Abs.1, 677, 670 BGB) verlangen. Solche Kosten sind aber nur in Höhe von 868,75 DM entstanden und damit zu erstatten.

1) Der Klägerin stand ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs.5 in Verbindung mit § 14 Abs.2 Nr.2 MarkenG gegen den Beklagten zu. Zu ihren Gunsten ist beim Deutschen Patentamt unter der Nummer1 die Wortmarke "..." in der Klasse 09 für Datenverarbeitungsgeräte und Datenverarbeitungsprogramme eingetragen. Der Beklagte hat das sich aus der eingetragenen Marke nach § 14 Abs.1 MarkenG ergebende Recht dadurch verletzt, dass er auf der von ihm betriebenen Internet Domain unter der Zeile "*internetadresse*" 1.00.09 einen Link erstellte, mit dem eine Verbindung zur Firma D in den USA und eine für private Nutzer kostenlose Ladung von deren Software ermöglicht wurde.

a) Die geschützte Marke "..." der Klägerin besitzt wenigstens eine geringe Unterscheidungskraft für Waren oder Dienstleistungen aus dem im Bereich Datenverarbeitungsgeräte und Datenverarbeitungsprogramme im Sinne von § 3 Abs.1 MarkenG. Dafür spricht schon die im November 1995 erfolgte Eintragung. Darauf, ob sie zu Recht erfolgt ist oder unter den heutigen Gegebenheiten noch erfolgen würde, kommt es in diesem Rechtsstreit nicht an.

b) Der Beklagte hat mit der Bezeichnung "..." ein ähnliches Zeichen benutzt,und zwar auch kennzeichenmäßig. Unter seiner Internetadresse hat er unter verschiedenen Programmen auch die "..."- Software unter Herkunftsnachweis aufgelistet. Er hat eine von jedem Besucher zu nutzende Verknüpfung zu ihrem amerikanischen Hersteller erstellt und sich damit die aufgelistete Software zu eigen gemacht. Das ist auch dadurch deutlich geworden, dass auch dieses Link seine Seite wie ein privates Schaufenster mitgestaltete und mitgestalten sollte.

c) Der Beklagte handelte auch im geschäftlichen Verkehr. Dieser Begriff ist im Sinne eines umfassenden Markenschutzes sehr weit zu fassen. Es genügt jede Tätigkeit zur Förderung eines beliebigen eigenen oder fremden Wettbewerbs auf dem Markt, wobei Gewinnabsicht, Entgeltlichkeit oder ein Wettbewerbsverhältnis nicht begriffsnotwendig sind (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rdn.35). Zwar hat der Beklagte hier im Gegensatz zu anderen Fällen, in denen es um Handlungen eines Computer-Designers, eines Immobilienmaklers oder des Herausgebers einer Computerzeitschrift ging, als Privatmann die Webseite zu privaten Zwecken erstellt und mit den Links ohne gewerblichen Hintergrund Informationen zur Verfügung stellen wollen. Das ändert aber nichts daran, dass er mit seinem umfassenden Angebot an jedermann die Interessen der Firma D objektiv gefördert und damit in den Geschäftsverkehr eingegriffen hat. Darauf, ob ihm das bewusst und ob ihm das verletzte Kennzeichenrecht überhaupt bekannt gewesen ist, kommt es bei einer solchen verschuldensunabhängigen Markenrechtsverletzung nicht an. Es genügt die kausale Mitwirkung an der rechtswidrigen Beeinträchtigung eines geschützten Zeichens, zu der es jedenfalls dann kommt, wenn deutschen Nutzern der Zugang zum "..." Programm in den USA über eine deutsche Internetseite ohne Zustimmung der Klägerin ermöglicht wird.

d) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das Zeichen "..." auch verwechslungsfähig mit der Marke der Klägerin. Wie schon ausgeführt hat die Marke der Klägerin jedenfalls eine geringe Kennzeichnungskraft. Diese reicht im Rahmen der zu beachtenden Wechselwirkung der Faktoren für die Gefahr einer Verwechslung aus, weil die von den Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen identisch und die Zeichen sich selbst sehr ähnlich sind.

aa) Die Waren / Dienstleistungsidentität ergibt sich daraus, dass sowohl die Marke der Klägerin als auch das vom Beklagten benutzte Zeichen Datenverarbeitungsprogramme erfassen und damit der gleichen Klasse angehören. Unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts sind unter diesen allgemein gehaltenen Warenbegriff auch solche Programme zu fassen, die ausschließlich im Internet als eigenem Medium zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

bb) Die Zeichen sind sehr ähnlich, ihre prägenden Teile sogar identisch. Das Zeichen der Klägerin besteht allein aus dem Wort Explorer. Die vom Beklagten benutzte Bezeichnung "..." besteht zwar aus zwei verbundenen Begriffen, nämlich der Abkürzung ... und dem Wort .... Entscheidend für die Betrachtung der Zeichenähnlichkeit ist aber auch insoweit allein der Begriff Explorer. Die Abkürzung ... steht erkennbar für "..." und ist rein beschreibend. Es wird damit deutlich gemacht, um was für eine Art von Suchhilfe es gehen soll. Das ist nicht nur den Nutzern des Internet überwiegend bekannt, sondern auch Kaufleuten und anderen Personen, die im Bereich der allgemeinen Datenverarbeitung tätig sind. ... bleibt damit im Gegensatz zum jedenfalls schwach prägenden Begriff ... außer Betracht. Das führt dazu, dass sich letztlich die identischen Zeichen "..." und "..." gegenüberstehen, so dass es dann auf die schwache Kennzeichnungskraft nicht mehr ankommen kann.

2) Die Klägerin durfte eine solche Verletzungshandlung auch sofort abmahnen. Die Abmahnung ist der vorgesehene und übliche Weg, um auf eingetretene Kennzeichenrechtsverletzungen hinzuweisen und künftigen Verletzungen vorzubeugen.

Sie ist sogar zwingend erforderlich, wenn der Berechtigte nicht das Risiko eingehen will, dass der Verletzer den Anspruch in einem Rechtsstreit kostenunschädlich sofort anerkennt.

Die Klägerin durfte sich auch anwaltlicher Hilfe bedienen. Weshalb die Klägerin hier verpflichtet gewesen sein sollte, zunächst selbst in einem formlosen Schreiben auf die geschützte Marke aufmerksam zu machen, ist nicht ersichtlich.

3) Die Abmahnung des Beklagten lag mit Rücksicht auf seinen wirklichen oder mutmaßlichen Willen auch in seinem Interesse (§ 677 BGB). Sie war zwar mit einem für einen Studenten ganz erheblichen Kostenaufwand verbunden. Sie konnte aber in seinem Interesse sein, wenn damit mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rechtsstreit mit einem noch größerem Kostenrisiko für ihn hätte vermieden werden können. Das war zumindest aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin der Fall. Sie konnte nicht wissen, dass ein solcher Rechtsstreit nicht wirklich drohte, weil der Beklagte bereit war, das Hyperlink nach dem ersten Hinweis auf die markenrechtliche Problematik sofort zu entfernen.

4) Die Abmahnung war auch nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Erstattungsanspruch könnte zwar entfallen, wenn es sich bei der Abmahnung um eine von vielfachen Serienabmahnungen gehandelt hätte, zu denen es allein zum Zwecke des Geldverdienens gekommen wäre. Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmetatbestand hat der Beklagte aber nicht hinreichend dargelegt. Sie sind auch nicht aus den Umständen ersichtlich. Unstreitig hat es zwar eine Vielzahl von Abmahnungen allein wegen einer ähnlichen Nutzung des Zeichens "..." im Internet gegeben. Daran hatte aber die Klägerin ein nachvollziehbares Interesse, wenn sie eine Verwässerung ihrer Marke vermeiden wollte. Viele einzelne Verstöße forderten dann auch viele Abmahnungen heraus. Die Klägerin hat auch erläutert, warum sie gegen die "großen" Störer nicht vorgehen kann. Daraus, dass sie etwa die D in den USA gewähren lässt, lässt sich nach diesem Vorbringen nicht schließen, dass es ihr nur auf die Verfolgung der "kleinen" mittelbaren Verletzer ihres Rechtes ankommt, die sich im Regelfall nicht zur Wehr setzen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur missbräuchlichen Mehrfachverfolgung (BGH GRUR 2000, 1089) passen auf den vorliegenden Fall ebenso wenig wie die zur Vielfachabmahnung durch einen einzelnen Anwalt (BGH, WRP 2001, 148). Zum einen geht es hier jeweils um gesonderte Verstöße, die abgemahnt werden. Zum anderen erfolgen die Abmahnungen weder durch einen klagebefugten Verband, noch durch einen mittelbar betroffenen Anwalt, sondern durch die von den Verletzungshandlungen unmittelbar betroffene Markenrechtsinhaberin selbst. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es tatsächlich nicht um deren wirtschaftliche Interessen gehen könnte, sondern nur um die durch die Abmahnungen zu erzielenden Gebühren.

5) Die Klägerin hat ihren Anspruch allerdings der Höhe nach unzutreffend berechnet. Das ergibt sich daraus, dass sie ihrer Kostenforderung einen überhöhten Streitwert zugrunde gelegt hat. Angesichts ihres geringen wirtschaftlichen Eigeninteresses und eines Angriffsfaktors an der unteren Grenze waren insoweit nur 30.000,--DM in Ansatz zu bringen.

6) Auf der Grundlage der eigenen Abrechnung der Abmahnkosten durch die Klägerin ergeben sich bei dem geringeren Streitwert berechtigte Anwaltsgebühren von 868,75 DM.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 15.05.2001
Az: 4 U 33/01


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