Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. März 2010
Aktenzeichen: 14 W (pat) 19/06

(BPatG: Beschluss v. 23.03.2010, Az.: 14 W (pat) 19/06)

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Sicherheitsund/oder Wertdokument sowie Verfahren zum Verifizieren eines Sicherheitsund/oder Wertdokuments Anmeldetag: 4. Juli 1997 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:

Patentansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2010, Beschreibung Seiten 1 bis 18, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2010, 7 Blatt Zeichnungen, Figuren 1, 2, 2ad, 3 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2010.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. März 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 44 F des Deutschen Patentund Markenamts die Patentanmeldung 197 58 856.5 -45 mit der Bezeichnung

"Sicherheitsund/oder Wertdokument", die durch Teilung aus der Patentanmeldung 197 29 918.0 -45 hervorgegangen ist, zurückgewiesen.

Die Zurückweisung ist unter Hinweis auf die Druckschriften

(1)

DE 26 47 325 B1 und

(2)

EP0256176A1 im Wesentlichen damit begründet, das Sicherheitsund/oder Wertdokument nach Anspruch 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es sei insbesondere bekannt, auf Sicherheitsund/oder Wertdokumenten Hologramme so anzubringen, dass ein Vergleich des direkten optischen Bildes mit dem vom Hologramm rekonstruierten Bild durch ein Auslesen in Lesegeräten möglich sei, wobei eine Anordnung, bei der sich Hologramme zu einem Bild ergänzen, mit einem Sicherheitselement und einem Verifikationselement wie beansprucht gleich zu setzen sei. Für den Fachmann habe es ferner nahe gelegen, an sich bekannte Hologramme in einem Sicherheitsdokument derart anzubringen, dass sie zur Prüfung auf Echtheit des Dokuments übereinander gebracht werden können.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt ihr Patentbegehren mit den im Tenor genannten Unterlagen weiter.

Die Ansprüche 1 und 12 haben folgenden Wortlaut:

"1. Sicherheitsdokument oder Wertdokument, insbesondere Geldschein, mit Sicherheitselementen und mit einem Verifikationselement für die Verifikation des Sicherheitselements, wobei -in das Dokument (1) an unterschiedlichen seitlich zueinander beabstandeten Stellen mindestens ein Verifikationselement (2) und mindestens ein durch das Verifikationselement (2) verifizierbares Sicherheitselement (3) integriert sind, wobei -das Verifikationselement (2) und das Sicherheitselement (3) durch Falten des Dokuments (1) zur Überprüfung des Sicherheitselements (3) in Wirkung zueinander gebracht werden, wobei -das Verifikationselement (2) durch mindestens ein Fenster ausgebildet ist, welches als Verifikationselement (2) ein holografisches Filter, welches einen engen Spektralbereich reflektiert, ein holografisches Prisma oder ein Hologramm umfasst.

12. Verfahren zum Verifizieren eines Sicherheitsdokuments oder Wertdokuments (1), insbesondere Geldschein, mit Sicherheitselementen (3) und mit einem Verifikationselement (2) für die Verifikation des Sicherheitselements (3), wobei in das Dokument (1) an unterschiedlichen seitlich zueinander beabstandeten Stellen mindestens ein Verifikationselement (2) und mindestens ein durch das Verifikationselement (2) verifizierbares Sicherheitselement (3) integriert sind, wobei das Verifikationselement (2) durch mindestens ein Fenster ausgebildet ist, welches als Verifikationselement (2) ein holografisches Filter, ein holografisches Prisma oder ein Hologramm umfasst, gekennzeichnet durch den Schritt: Falten des Dokuments (1), um das Verifikationselement (2) und das Sicherheitselement (3) in Wirkung zueinander zu bringen zur Überprüfung des Sicherheitselements (3)."

Die Ansprüche 2 bis 11 sind auf Weiterbildungen des Sicherheitsdokuments oder Wertdokuments nach Anspruch 1 gerichtet. Zum Wortlaut dieser Unteransprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin macht geltend, das beanspruchte Sicherheitsdokument oder Wertdokument sei gegenüber dem entgegen gehaltenen Stand der Technik neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Einerseits gehe das im Stand der Technik verwendete Sicherheitskonzept von einer kartenförmigen Ausgestaltung des Sicherheitsdokuments aus und sehe externe Überprüfungsgeräte vor. Nur wenn diese Ausgestaltung vermieden werde, sei es überhaupt erst möglich, durch ein Falten des Dokuments auf externe Überprüfungsgeräte verzichten zu können. Andererseits lehre der Stand der Technik lediglich die Anbringung von Sicherheitselementen, z. B. einer Unterschrift, auf im Wesentlich identisch ausgestalteten Folien, die sich in den aufgedruckten Bereichen unterscheiden und beim Übereinanderlegen ergänzen sollen, wodurch die Echtheit des Dokuments überprüft werden könne. In keinem Fall werde jedoch ein Verifikationselement in Form eines holografischen Filters, eines Prismas oder eines Hologramms eingesetzt.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig und im Hinblick auf das vorliegende Patentbegehren auch begründet.

1. Bezüglich ausreichender Offenbarung des Sicherheitsdokuments oder Wertdokuments nach den geltenden Ansprüchen 1 bis 11 als auch des Verfahrens zum Verifizieren eines Sicherheitsdokuments oder eines Wertdokuments nach dem unabhängigen Anspruch 12 bestehen keine Bedenken. Die Merkmale des Anspruchs 1 lassen sich aus den ursprünglich in der Stammanmeldung und in der Trennanmeldung eingereichten Ansprüchen 1, 5, 8 und 13 i. V. m. S. 6, Abs. 3 und Fig. 1 und 3, S. 5, Abs. 2, S. 10, Abs. 1 und S. 17, Abs. 2 herleiten. Die Ansprüche 2 bis 11 gehen auf die ursprünglich mit der Stammanmeldung und der Trennanmeldung eingereichten Ansprüche 2, 6, 7, S. 2, Abs. 5 i. V. m. S. 19, Abs. 2, S. 10, Abs. 1 i. V. m. S. 19, Abs. 2, S. 10, Abs. 1, Anspruch 9, Anspruch 20 i. V. m. S. 19, Abs. 4 und Fig. 3, Anspruch 14, Anspruch 16 i. V. m. S. 17, Abs. 2 zurück. Der auf das Verfahren gerichtete Anspruch 12 lässt sich aus dem ursprünglich in der Stammanmeldung und in der Trennanmeldung eingereichten Anspruch 1 sowie der Beschreibung, S. 5, Z. 23 bis S. 6, Z. 4 i. V. m. dem ursprünglichen Anspruch 21 und des Weiteren aus den S. 6, Z. 21 bis 23 i. V. m. Fig. 1, S. 17, Z. 13 herleiten.

2.

Die Neuheit des Sicherheitsdokuments oder Wertdokuments nach Patentanspruch 1 wurde von der Prüfungsstelle nicht beanstandet. Die Überprüfung aller im Prüfungsverfahren erörterten Entgegenhaltungen durch den Senat hat zu keinem anderen Ergebnis geführt, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

3.

Das Sicherheitsdokument oder Wertdokument nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aufgabe der vorliegenden Anmeldung ist es, ein gattungsgemäßes Sicherheitsund/oder Wertdokument sowie ein Verfahren zur Verifikation hierfür zu entwickeln, bei dem die Sicherheit gegen Fälschung erhöht und die vereinfachte Prüfung der Dokumentenechtheit ohne externe Hilfsmittel gewährleistet sind (S. 5, Abs. 1 der geltenden Beschreibung).

Die Aufgabe wird gelöst mit dem Sicherheitsoder Wertdokument nach Anspruch 1 und dem Verfahren zu seiner Verifizierung nach Anspruch 12.

Den nächst liegenden Stand der Technik beschreibt die Entgegenhaltung (2). Daraus geht ein Sicherheitsdokument mit "scrambled indicia" hervor; ferner weist das Sicherheitsdokument gemäß (2) ein Leseraster auf, das als "reading screen" bezeichnet wird. Übereinander angeordnet werden durch das Zusammenwirken der "scrambled indicia" und des "reading screen" die Indicia, z. B. eine Unterschrift, erkennbar, d. h. durch das Übereinanderlegen werden die "scrambled indicia" und das "reading screen" zueinander in Wirkung gebracht und damit die Überprüfung des Sicherheitsdokuments ermöglicht (Ansp. 10 i. V. m. Fig. 17/18 und Sp. 4, Z. 18 bis 33). Dabei ist das Leseraster durch mindestens ein Fenster ausgebildet (Fig. 17, BZ 112 i. V. m. Sp. 4, Z. 21 bis 23).

Selbst wenn das Leseraster der Entgegenhaltung (2) gewissermaßen als Verifikationselement für die als Sicherheitselement dienenden "scrambled indicia" angesehen wird, ist es im Unterschied zu den Gegenständen nach Anspruch 1 vorliegender Anmeldung nicht als holografisches Filter, welches einen engen Spektralbereich reflektiert, als holografisches Prisma oder Hologramm ausgebildet, sondern wird durch photografische oder elektronische Verfahren hergestellt (Sp. 2, Z. 8 bis 33).

Hinweise dahingehend, ein Verifikationselement für ein Sicherheitsdokument in Form eines holografischen Filters, welches einen engen Spektralbereich reflektiert, eines holografischen Prismas oder eines Hologramms in Verbindung mit einem Sicherheitselement zur Überprüfung des Sicherheitselements auszugestalten, kann der Fachmann, hier ein in der Herstellung von Wertdokumenten erfahrener Ingenieur, Verfahrenstechniker oder Papierfachmann, auch der Entgegenhaltung (1) nicht entnehmen. Die Druckschrift (1) beschreibt zwar Hologramme als Sicherheitselemente zur Sicherung von Ausweisdokumenten, Identitätskarten, Scheck-, Kredit-, und Kundenkarten und sonstigen Identitätsträgern gegen Fälschung (Sp. 2, Z. 27 bis 36 und 43 bis 48); diese werden jedoch nicht durch Falten des Dokuments zur Überprüfung mit einem Verifikationselement zueinander in Wirkung gebracht, sondern stellen lediglich eine Reproduktion des direkten Bildes des Identitätsträgers in Form eines Hologramms dar, das in den oder auf dem Identitätsträger einoder aufgebracht ist, wobei die Reproduktion und der Identitätsträger zur Sicherheitsüberprüfung in bekannten Lesegeräten miteinander verglichen werden (Sp. 3, Z. 29 bis 43). Der Fachmann kann daher auch der Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1) und (2) keine Anregung auf eine Ausgestaltung des Sicherheitoder Wertdokuments nach Anspruch 1 entnehmen, mit dem die gestellte Aufgabe, die Sicherheit eines Dokuments gegen Fälschung zu erhöhen und die vereinfachte Prüfung der Dokumentenechtheit ohne externe Hilfsmittel zu gewährleisten, gelöst wird und mit der eine Vielfalt von Varianten zur Überprüfung einer Vielzahl von möglichen Sicherheitsmerkmalen möglich wird (vgl. geltende Beschreibung S. 6, letzt. Abs.).

Nachdem auch die übrigen im Prüfungsverfahren erörterten Druckschriften den mit der Herstellung von Sicherheitsdokumenten befassten Fachmann nicht zur Ausgestaltung eines Sicherheitsoder Wertdokuments nach Anspruch 1 anregen können, ist den Gegenständen nach Anspruch 1 Neuheit und erfinderische Tätigkeit zuzuerkennen. Anspruch 1 ist daher gewährbar.

Die Ansprüche 2 bis 11 betreffen weitere, über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausgestaltungen des Sicherheitsoder Wertdokuments nach Anspruch 1; die Ansprüche sind daher ebenfalls gewährbar.

Das Gleiche gilt für das Verfahren nach dem nebengeordneten Patentanspruch 12, dessen Patentfähigkeit sinngemäß von den für den Gegenstand des Anspruchs 1 ausgeführten Gründen getragen wird.

4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen, da dies der Billigkeit entspricht (PatG § 80 Abs. 3).

Die Ablehnung der beantragten Anhörung mit der Begründung, die Anmelderin habe bereits im Verfahren der Stammanmeldung eine Anhörung wahrgenommen, in der als eine der alternativen Ausführungsformen für das Verifikationselement ein Hologramm erörtert worden sei, stellt im vorliegenden Fall eine Verletzung rechtlichen Gehörs dar, die ursächlich für die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene Zurückweisung der Teilanmeldung war.

Ein Verweis auf das Verfahren in der Stammanmeldung ist insofern nicht ausreichend, als durch die Ablehnung des Antrags auf Anhörung in der Teilungsanmeldung, in der die Anmelderin auf Einwände der Prüfungsstelle noch mit Änderungen der Ansprüche, was sie im Übrigen auch angekündigt hatte, oder Zurücknahme der Anmeldung einer Zurückweisung hätte begegnen können, praktisch das Ergebnis einer Anhörung vorweggenommen wird.

Da die Prüfungsstelle die beantragte Anhörung nicht durchgeführt hat, hat sie der Anmelderin bei ihrer Entscheidung das rechtliche Gehör nicht in dem gebotenen Umfang gewährt. Die Entscheidung der Prüfungsstelle kann auch auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die ordnungsgemäße Gewährung rechtlichen Gehörs durch die Prüfungsstelle zueiner für die Anmelderin günstigeren Entscheidung geführt hätte, wie im Übrigen auch die vorliegende Anmeldung bestätigt (vgl. BGH GRUR 2009, 1192 -Polyolefinfolie).

Schröder Harrer Gerster C. Schuster Fa






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Az: 14 W (pat) 19/06


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