Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 2. Januar 2012
Aktenzeichen: 8 AR 64/11

(OLG Köln: Beschluss v. 02.01.2012, Az.: 8 AR 64/11)

Tenor

Zuständig ist die Kammer für Handelssachen.

Gründe

Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen, nachdem sich sowohl die 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln mit Beschluss vom 27.10.2011 (Bl. 156 GA), als auch die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln mit Beschluss vom 11.11.2011 (Bl. 161 GA) für unzuständig erklärt haben (§§ 36 Abs.1 Ziffer 6, Abs. 2, 37 ZPO). Zuständig ist die Kammer für Handelssachen.

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 292.284,90 € Anspruch. Im Vorprozess zwischen den Parteien wurde durch Urteil des Landgerichts Köln vom 23.12.2010 - 89 O 80/10 - festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin gemäß § 9 UWG zum Schadensersatz wegen der Versendung einer E-Mail an Geschäftskunden der Klägerin verpflichtet ist, durch die die Kunden zur Kündigung der mit der Klägerin bestehenden Verträge veranlasst wurden. Die am 12.08.2011 beim Landgericht Köln eingereichte Klage ist zunächst der 18. Zivilkammer zugewiesen worden. Nachdem der Beklagte nach Zustellung der Klage beantragt hatte, den Rechtsstreit gemäß § 95 GVG an die Kammer für Handelssachen zu verweisen mit der Begründung, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf § 9 UWG gestützt werde, dem die hierzu angehörte Klägerin nicht entgegengetreten ist, hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27.10.2011 ohne weitere Begründung an die Kammer für Handelssachen verwiesen. Mit Beschluss vom 11.11.2011 hat sich die Kammer für Handelssachen ebenfalls für funktionell unzuständig erklärt. Die 18. Zivilkammer hat den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Das Oberlandesgericht Köln ist als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des zwischen der 18. Zivilkammer und der 4. Kammer für Handelssachen beim Landgericht Köln bestehenden Zuständigkeitsstreits berufen. Kommt es trotz Bindungswirkung der Verweisung des Rechtsstreits an die Zivilkammer oder an die Kammer für Handelssachen gemäß § 102 GVG zu einem negativen Kompetenzkonflikt, ist, da eine Entscheidung des Konflikts durch das Präsidium des Gerichts nicht möglich ist, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die zuständige Kammer durch das im Rechtszug nächsthöhere Gericht zu bestimmen (vgl. KG OLGR 2008, 626; OLGR München 2008, 695,­ OLGR Frankfurt 2005, 257; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 26 Rn. 29 und Zöller/Lückemann, § 102 GVG Rn. 3 m.w.N.).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben.

a) Dass weder die Klägerin noch der Beklagte um die Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht haben, ist trotz des Wortlauts des § 37 Abs. 1 ZPO („Gesuch“) unschädlich. Der Senat hat sich in ständiger Rechtsprechung der u.a. vom Bundesgerichtshof geteilten Auffassung angeschlossen, wonach im Falle des Kompetenzkonflikts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 ZPO - wie er auch hier gegeben ist - die Antragstellung einer Partei entbehrlich ist und die Vorlage durch eines der beteiligten Gerichte ausreicht (Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO, § 37 Rn. 2).

b) In entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird der zuständige Spruchkörper bestimmt, wenn sich die Zivilkammer und die Kammer für Handelssachen für unzuständig erklärt haben. Solche Unzuständigkeitserklärungen liegen hier mit den Beschlüssen der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27.10.2011 und der 4. Kammer für Handelssachen beim Landgericht Köln vom 11.11.2011 vor.

3. Zuständig ist die Kammer für Handelssachen.

a) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht nur allgemeine Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen zu beachten (ständige Rechtsprechung, Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO, § 36 Rn. 28 m.w.N.; ebenso BayOblG, Beschluss vom 09.05.1990 - 1 ZR 45/90, NJW-RR 1991, 187). Nach allgemeiner Ansicht (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 Rn. 28 m.w.N.) kommt offenbar gesetzeswidrigen und offensichtlich unrichtigen Verweisungsbeschlüssen keine Bindungswirkung zu. Hierunter fallen insbesondere Verweisungsbeschlüsse, die unter Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs oder des gesetzlichen Richters ergangen sind (ebd.) - beides ist hier ersichtlich nicht der Fall -, sowie solche, die auf objektiver Willkür beruhen. Dies sind solche, die nicht etwa nur auf unrichtiger Rechtsanwendung beruhen, sondern jeder gesetzlichen Grundlage entbehren (ständige Rechtsprechung, BGH, Beschluss vom 06.10.1993 - XII ARZ 22/93, NJW-RR 1994, 126 m.w.N.; Beschluss vom 10.09.2002 - X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 Rn. 28 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ebenfalls nicht erfüllt.

b) Die Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen durch Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27.10.2011 stellt sich nicht als schlechthin unvertretbar und damit objektiv willkürlich dar.

Die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen ist im vorliegenden Fall nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG begründet. Danach liegt eine Handelssache vor, wenn durch die Klage ein Anspruch auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht wird. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall erfüllt, auch wenn die Klägerin den Anspruch in der Klagebegründung ausdrücklich nur auf die Vorschriften der §§ 823, 249 ff. BGB gestützt hat. Aus dem Umstand, dass die Klägerin zur Haftung des Beklagten dem Grunde nach auf das Urteil des Landgerichts Köln vom 23.12.2010 (89 O 80/10) in dem zwischen den Parteien geführten Vorprozess Bezug nimmt, in dem eine Schadensersatzpflicht des Beklagten unter Hinweis auf § 9 UWG angenommen worden ist, ergibt sich demgegenüber, dass die Klägerin ihr Klagebegehren nach den Umständen auch auf diese Vorschrift hat stützen wollen. Auf diesen Umstand kommt es nach Auffassung des Senats jedoch letztlich nicht entscheidend an. Das Gericht des zulässigen Rechtsweges hat den Rechtsstreit grundsätzlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Der Kläger kann, soweit der Rechtsweg eröffnet ist, nicht verlangen, dass sein Klagebegehren nur unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt geprüft oder unter einem bestimmten Gesichtspunkt nicht geprüft wird. Soweit das Vorbringen der Klägerin in diesem Sinne zu verstehen sein sollte, wäre eine solche Beschränkung hinsichtlich des Umfangs der rechtlichen Prüfung unzulässig und damit als unbeachtlich anzusehen (vgl. OLG Köln MDR 1970, 686; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 253 Rn. 12 m. w. N.).

Der Verweisungsbeschluss der 18. Zivilkammer vom 27.10.2011 ist auch nicht wegen fehlender Begründung als objektiv willkürlich anzusehen (vgl. OLGR Brandenburg 2007, 277). Nach Auffassung des Senats ist noch hinreichend erkennbar, auf welche Rechtsgrundlage die Zivilkammer die Verweisung gestützt hat. Da der Verweisungsantrag des Beklagten damit begründet worden ist, dem Rechtsstreit liege ein auf § 9 UWG gestützter Anspruch zugrunde, ist nach den Umständen anzunehmen, dass die Zivilkammer dem folgend die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG als begründet angesehen hat. Der Verweisungsbeschluss vom 27.10.2011 ist damit nicht als objektiv willkürlich anzusehen mit der Folge, dass er für die Kammer für Handelssachen gemäß § 102 Satz 2 GVG bindend ist.






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